TE Vwgh Erkenntnis 1996/9/26 95/09/0322

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Veröffentlicht am 26.09.1996
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §63 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der O-GesmbH in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 20. Oktober 1995, Zl. 10/6702 B/19260/MÜ, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Arbeitsmarktservice hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, die ein Bauunternehmen in Wien betreibt, beantragte mit Schreiben vom 12. April 1995 (bei der Behörde erster Instanz eingelangt am 29. Mai 1995) die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den bosnischen Staatsangehörigen S. für die Tätigkeit als Maurer. Im Antragsformular wird die Beschwerdeführerin (in Blockbuchstaben) als "Ö-V-GMBH" (pA 1030 Wien, M-Gasse 29) bezeichnet; der beigesetzte Firmenstempel lautet:

"Ö-B-Ges.m.b.H., 1030 Wien, M-Gasse 29/4". In dem (gleichfalls am 29. Mai 1995 bei der Behörde erster Instanz eingelangten) Begleitschreiben ihres Beschwerdevertreters wies dieser namens seiner Mandantin (bezeichnet als "O-B-GesmbH.") darauf hin, die Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit S. sei unbedingt zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes sowie zur Durchführung bereits übernommener Aufträge notwendig. S. sei eine nicht ersetzbare Schlüsselkraft. Befähigte, geeignete und gewillte Ersatzkräfte seien zuzuweisen. Erklärungen für die Mandantin gäbe "ausnahmslos diese so wie ich als bevollmächtiger Rechtvertreter" ab. Erklärungen anderer Personen seien rechtlich unbeachtlich.

Mit Bescheid vom 26. Juni 1995 lehnte das Arbeitmarktservice Bau-Holz Wien (Behörde erster Instanz) diesen Antrag (nach Darstellung der Rechtslage) gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG mit der Begründung ab, die für Wien für das Jahr 1995 festgesetzte Landeshöchstzahl sei zum letzten Statistikstichtag um 38.105 überschritten, der Regionalbeirat habe die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet und im Rahmen des Ermittlungsverfahrens hätten sich keine Hinweise ergeben, daß eine der besonderen Vorausetzungen im Sinn des § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorliege. Der Bescheid ist an die "ö-V Ges.m.b.h. zH Dr. Z" gerichtet.

In ihrer rechtzeitig erhobenen Berufung bestritt die Beschwerdeführerin (bezeichnet als "O-B Ges.m.b.H."), daß die Bundes- und Landeshöchstzahl im Zeitpunkt der Bescheiderlassung erreicht gewesen sei; dazu sei ja bisher auch kein Parteiengehör gewährt worden. Außerdem seien für S. beide Höchstzahlen nicht zu berücksichtigen. Bisher seien bei der Beschwerdeführerin auch keine befähigten, geeigneten und gewillten Ersatzkräfte erschienen; die Arbeitsstelle sei weiterhin unbesetzt, ihre Besetzung für die Durchführung bereits übernommener Aufträge dringend geboten. S. sei bosnischer Staatsangehöriger; die zum "26.6.1995 wirksamen gesetzlichen Bestimmungen" seien nicht angewendet worden.

Im Vorhalt der vom 11. August 1995 (gerichtet an die "P-B-GESMBH) stellte die belangte Behörde die Rechtslage nach der Novelle des AuslBG, BGBl. Nr. 257/1995 und der Bundhöchstzahlüberziehungsverordnung (BHZÜV) BGBl. Nr. 278/1995 dar, und führte aus, daß die Voraussetzungen für die Durchführung eines Bundeshöchstzahlüberschreitungsverfahrens gegeben seien, S. jedoch nicht die Voraussetzungen für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung (in diesem erschwerten Verfahren) erbringe. Ferner wies die belangte Behörde darauf hin, daß die Beschwerdeführerin während der letzten zwölf Monate vor der Antragseinbringung wiederholt illegal Ausländer beschäftigt habe (am 1. Dezember 1994 in L/NÖ und am 21. März 1995 in Th/NÖ), weshalb gemäß § 4 Abs. 3 Z. 12 AuslBG eine Beschäftigungsbewilligung nicht erteilt werden dürfe. Dies gelte selbstverständlich auch dann, wenn der in Aussicht genommene Ausländer eine Aufenthaltsbewilligung gemäß § 12 Aufenthaltsgesetz habe. Zudem sei der - auch für Bosnier - unbedingt erforderliche Qualifikationsnachweis für den angegebenen Lehrberuf Maurer nicht vorgelegt worden. Die belangte Behörde räumte der Beschwerdeführerin die Möglichkeit ein, zu diesem Vorhalt binnen sieben Tagen Stellung zu nehmen.

Nach den vorgelegten Verwaltungsakten machte die Beschwerdeführerin hievon nicht Gebrauch.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid (indem als Arbeitgeber die "Ö-V GESMBH" angeführt ist) gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit "§ 4 Abs. 1 und Abs. 6 u. § 4 Abs. 3 Z. 12 in Verbindung mit § 13a Zi. 3 AuslBG in der geltenden Fassung und Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales v. 29.11.1994, BGBl. Nr. 945/1994" keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. In der Begründung nahm die belangte Behörde nach der allgemeinen Darstellung der Rechtslage (§§ 3 Abs. 1 und 2, 4 Abs. 6, 13a Z. 3 AuslBG sowie der Landeshöchstzahlenverordnung BGBl. Nr. 945/1994 und dem Inhalt der §§ 4 Abs. 1 und 4b Abs. 1 AuslBG auf Seite 1-3) auf Seite 4 der Originalerledigung zum Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für S. konkret Stellung. Wie im Behördenvorhalt stellte die belangte Behörde fest, daß die Beschwerdeführerin den Tatbestand des § 4 Abs. 3 Z. 12 AuslBG (durch illegale Beschäftigung von Ausländern am 1. Dezember 1994 in L. und am 21. März 1995 in Th.) erfüllt habe. Eine Überprüfung der Lage auf dem verfahrensgegenständlichen Arbeitsmarkt habe ergeben, daß derzeit für die konkret beantragte Beschäftigung geeignete Ersatzarbeitskräfte, die zur Vermittlung vorgemerkt seien und gleichzeitig dem im § 4b Abs. 1 AuslBG zitierten begünstigten Personenkreis angehörten, zur Deckung des Arbeitskräftebedarfes der Beschwerdeführerin zur Verfügung stünden. Außerdem habe der - auch für Bosnier - unbedingt erforderliche Qualifikationsnachweis für den geforderten Lehrberuf Maurer nicht vorgelegt werden können, weshalb die Berufungsausführungen nicht geeignet gewesen seien, die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für S. gemäß § 4 Abs. 1 zu begründen. Ferner seien weder im Ermittlungsverfahren Gründe festgestellt noch in der Berufung vorgebracht worden, durch die ein Tatbestand des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a bis d und Z. 3 AuslBG zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung erfüllt sei. Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens seien der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht worden; sie habe dazu keine Stellungnahme abgegeben. Hierauf folgt eine negative Rechtsmittelbelehrung. Seite 5 des angefochtenen Bescheides erhält einen Hinweis im Sinne des § 61a AVG und auf das Erlöschen einer vorläufigen Berechtigung nach § 20b AuslBG.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes verletzt, wenn die positiven Voraussetzungen für die Stattgebung des Antrages auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung vorlägen. Sie legte ihrer Beschwerde die Kopie des angefochtenen Bescheides vor, in der die Seite 4 fehlt (in der konkret auf das Verfahren der Beschwerdeführerin eingegangen wird und der für die Abweisung maßgebliche Sachverhalt dargestellt ist).

Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes teilte die Beschwerdeführerin mit, die Ablichtung entspreche dem ihr zugestellten Original, bei dem das als Seite 4 bestimmte Blatt nicht beschriftet sei. Die belangte Behörde nahm in ihrer Gegenschrift trotz ausdrücklichem Ersuchen in der hg. Einleitungsverfügung mitzuteilen, ob die Ausfertigung des an die Beschwerdeführerin zugestellten Bescheides auch eine Seite 4 enthalten habe (habe können), nicht Stellung. Im vorgelegten Verwaltungsakt findet sich jedoch in der approbierten Originalerledigung die Seite 4 doppelt.

Die Beschwerdeführerin bestreitet in ihrer Beschwerde ausschließlich Ausführungen, die sich auf den Seiten 1 bis 3 des angefochtenen Bescheides befinden.

Was ihr Vorbringen betrifft, sie habe als "O-B-GesmbH" einen Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für S. eingebracht, hingegen habe die belangte Behörde gegen eine "O-V GesmbH" ihren Berufungsbescheid erlassen und damit keinen Berufungsbescheid ihr gegenüber erlassen, ist folgendes zu bemerken:

Es trifft zu, daß die Behörden des Verwaltungsverfahrens in ihren Bescheiden den Adressaten (Arbeitgeber) als

"ö-V Ges.m.b.H" bzw. "Ö-V GESMBH" mit dem Zusatz zu Handen bzw. vertreten durch Dr. Z bezeichnet haben, wobei dies offenkundig auf die von der Beschwerdeführerin selbst (abweichend von der Firmenstampiglie) verwendete Bezeichnung in ihrem Antrag vom 12. April 1995 zurückgeht. Die Behörde erster Instanz hat darüber hinaus auf der Seite 1 ihres Bescheides als Arbeitgeber die "ö-V Ges.m.b.H, M-G. 29/4, 1030 Wien" angeführt. Dies ist jene Adresse, die die beschwerdeführende Partei sowohl im Verwaltungsverfahren als auch in ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof als die ihre angegeben hat. Die beschwerdeführende Partei behauptet auch nicht, daß unter dieser Adresse eine von ihr verschiedene Rechtsperson "O-V GesmbH" existiere. Aufgrund dieser Umstände geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, daß die fehlerhafte Bezeichnung der Beschwerdeführerin unbeachtlich ist, zumal der Bescheid dem Zustellbevollmächtigten zugekommen ist. Ernstliche Zweifel der Beschwerdeführerin, daß der Bescheid der Behörde erster Instanz in Wahrheit nicht an sie gerichtet war, konnten schon deshalb nicht bewirkt werden, weil sie durch ihren Vertreter den Bescheid übernommen und dagegen (in der Sache) Berufung erhoben hat (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 21. Jänner 1994, Zl. 93/09/0429 sowie vom 24. Februar 1995, Zl. 93/09/0432).

Der angefochtene Bescheid stützt die Ablehnung der Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung für S.

- entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - nicht bloß auf § 4 Abs. 1 und Abs. 6 AuslBG, sondern auch auf § 4 Abs. 3 Z. 12 leg. cit. Diese im Spruch des angefochtenen Bescheides angeführten Versagungstatbestände werden aber nur in der Begründung auf Seite 4 der Originalerledigung näher ausgeführt. Der Verwaltungsgerichtshof geht im Beschwerdefall aufgrund der Beschwerde, der ergänzenden Stellungnahme der Beschwerdeführerin sowie der vorgelegten Verwaltungsakten davon aus, daß ihr bloß eine Ausfertigung der Originalerledigung OHNE Seite 4, die die entscheidenden Begründungselemente enthält, zugestellt wurde, und diese übermittelte Ausfertigung daher der angefochtene Bescheid ist. Damit war ihr aber nicht erkennbar, auf welche Versagungstatbestände die belangte Behörde letztlich die Versagung der Beschäftigungsbewilligung stützte, gibt doch die bloße Anführung von Gesetzesstellen im Spruch und den in der Beschwerdeführerin übermittelten Teilen der Begründung darüber allein noch keine hinreichende Antwort, noch waren ihr die konkreten Überlegungen der belangten Behörde bekannt, aufgrund derer diese die herangezogenen Versagungstatbestände als erfüllt angesehen hat. Bei dieser Fallkonstellation gereicht es der Beschwerdeführerin nicht zum Nachteil, wenn sie zum Behördenvorhalt vom 11. August 1995 keine Stellungnahme abgab, zumal die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid (erkennbar auch ohne dessen Seite 4) auf einen Teil dieses Vorhalts (hier: Nichtgegebensein von Gründen für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung im Bundeshöchstzahlüberschreitungsverfahren) gar nicht zurückgriff.

Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, daß der Beschwerdeführerin eine Bescheidausfertigung zugestellt wurde, die der entscheidenden Begründung entbehrte, sodaß sie über die von der Behörde getroffenen Erwägungen nicht ausreichend unterrichtet und an der Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf seine Rechtmäßigkeit gehindert war; letzteres gilt auch für den Verwaltungsgerichtshof, der vom angefochtenen Bescheid (wie er der Beschwerdeführerin zugekommen ist) auszugehen hat. Daß der Beschwerdeführerin in der Zwischenzeit eine vollständige Bescheidausfertigung (einschließlich der Seite 4) zugestellt worden wäre, haben die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht behauptet noch ergibt sich dies aufgrund der vorgelegten Verwaltungsakten.

Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 und 59 VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG und der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Inhalt des Spruches Anführung des Bescheidadressaten Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der Rechtswirkungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995090322.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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