TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/11 L503 2204428-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.08.2021
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Entscheidungsdatum

11.08.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AVG §68 Abs1
BFA-VG §16 Abs2
BFA-VG §17 Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch


L503 2204428-4/4E

L503 2204427-3/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX (alias XXXX ), geb. XXXX , und 2.) mj. XXXX (alias XXXX ), geb. XXXX , beide StA. Irak, 2.) gesetzlich vertreten durch seine Mutter 1.), beide vertreten durch die BBU GmbH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.6.2021, Zl. 1.) XXXX und 2.) XXXX , zu Recht erkannt:

A.) I. Die Beschwerden werden hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide gemäß § 68 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde von XXXX (alias XXXX ) wird hinsichtlich der Spruchpunkte III. bis VII. des angefochtenen Bescheides gemäß § 57 AsylG, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, § 52 Abs. 9 iVm § 46 FPG, § 55 Abs. 1a FPG und § 53 FPG als unbegründet abgewiesen.

III. Der Beschwerde von XXXX (alias XXXX ) wird hinsichtlich des Spruchpunktes VII. des angefochtenen Bescheides gemäß § 53 FPG stattgegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben. Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß § 57 AsylG, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, § 52 Abs. 9 iVm § 46 FPG, § 55 Abs. 1a FPG als unbegründet abgewiesen.

IV. Die Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung werden gemäß §§ 16 Abs. 2 und 17 Abs. 1 BFA-VG als unzulässig zurückgewiesen.

B.) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Die Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden kurz: "BF1") ist die Mutter des mj. Zweitbeschwerdeführers (im Folgenden kurz: "BF2"). Die BF1 stellte am 14.11.2015 für sich und den BF2 erste Anträge auf internationalen Schutz im Bundesgebiet, welche mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden kurz: "BFA"), vom 1.8.2018 Zl. XXXX und XXXX , sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurden. Gegen die BF wurden Rückkehrentscheidungen erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Irak zulässig sei. Die Frist für ihre freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen festgelegt. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.2.2020 (schriftliche Ausfertigung vom 17.3.2020), GZ: XXXX und XXXX , wurden die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden zur Gänze als unbegründet abgewiesen. Die dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionen wurden mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 6.8.2020, Zl. Ra 2020/20/0162 bis 0163-11, als unzulässig zurückgewiesen.

2. Die BF1 stellte am 17.5.2021 für sich und den BF2 die den gegenständlichen Verfahren zugrundeliegenden zweiten Anträge auf internationalen Schutz (Folgeanträge) im Bundesgebiet. Zu diesen Folgeanträgen wurde die BF1 am selben Tag einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes und am 9.6.2021 einer niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA unterzogen.

3. Mit den gegenständlich angefochtenen Bescheiden vom 19.6.2021 wurden die Folgeanträge der BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkte I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkte II.) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Den BF wurden keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG erteilt (Spruchpunkte III.) und gegen sie gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkte IV.). Es wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkte V.) und gemäß § 55 Abs. 1a FPG ausgesprochen, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkte VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wurden gegen die BF auf die Dauer von zwei Jahren befristete Einreiseverbote erlassen (Spruchpunkte VII.).

4. Mit Schriftsatz vom 2.7.2021 erhoben die BF fristgerecht Beschwerden gegen die Bescheide des BFA vom 19.6.2021 und stellten die Anträge, den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen sowie eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

5. Am 8.7.2021 wurden die Akten dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

6. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.7.2021, GZ: L503 2204427-3/3Z und L503 2204428-4/3Z, wurde den Beschwerden gemäß § 17 Abs. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der BF:

Die BF tragen die im Spruch angeführten Namen und wurden zu den dort angeführten Daten geboren. Ihre Identität steht fest. Die BF sind Staatsangehörige des Irak und der Volksgruppe der Araber zugehörig. Die Muttersprache der BF ist Arabisch. Die BF bekennen sich zum sunnitischen Islam. Die BF1 leidet an keiner schweren oder lebensbedrohlichen Erkrankung; der BF2 ist gesund.

Die BF stammen aus Mossul und lebten dort zuletzt im Bezirk XXXX . Die BF1 besuchte in Mossul von 1993 bis 2007 die Schule. Von 2007 bis 2011 studierte sie an der Universität in Mossul Psychologie. Nach ihrem Studienabschluss arbeitete sie als Buchhalterin bei einem Konsumentenverein. Von den Einkünften aus ihrer Tätigkeit als Buchhalterin konnte sich die BF1 selbst erhalten. Die BF1 heiratete am XXXX , den Vater des BF2. Die Ehe wurde über Initiative der BF1 am XXXX geschieden. Nach der Trennung von ihrem Ehemann lebte die BF1 wieder bei ihrer Familie. Die Familie der BF1 besitzt im Viertel XXXX in Mossul ein Haus sowie ein landwirtschaftliches Grundstück.

Die BF reisten im Jahr 2015 aus dem Irak aus.

1.2. Zu den Erstverfahren (Anträge auf internationalen Schutz vom 14.11.2015):

Die BF1 führte zu ihrem Erstantrag in ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 13.4.2018 bzw. in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 21.2.2020 im Wesentlichen aus, dass ihr nunmehriger Ex-Ehegatte Schiit gewesen sei und von ihr nach der Hochzeit verlangt habe, Schiitin zu werden. Er habe sie geschlagen, weil sie Sunnitin sei. Sie habe ihn mit seinem Vater sprechen hören, dass er ihren Sohn mit einem Messer an der Stirn verletzen hätte wollen. Ihr Ex-Ehemann habe ihr gedroht; er würde sie verfolgen und verletzen. Der Ex-Ehemann der BF1 sei Offizier bei der Irakischen Armee gewesen. Es gebe den Paragrafen 4 des Terrorgesetzes, den er auch gegen Sunniten ausgelegt habe. Im Jahr 2014 seien zwei Panzerfahrzeuge zu ihr nach Hause gekommen und hätten den Vater und den Bruder der BF1 verhaftet. Ihr Ex-Ehemann habe ihr ständig am Telefon gedroht, dass er ihr etwas antun würde. Er habe ihr immer Leute nachgeschickt, die sie verfolgt hätten. Er habe auch Soldaten zu ihrem Vater geschickt, um Geld von ihm zu erpressen und seien sie von ihren Nachbarn verständigt worden, dass es einen Haftbefehl gegen ihren Vater und ihren Bruder gebe, welcher bestimmt von ihrem Ex-Ehegatten organisiert worden sei. Von 2008 bis zum Einmarsch des IS sei die BF1 ständig von ihm bedroht worden. Der Ex-Ehegatte der BF1 frage in ihrer Gegend immer nach ihr. Wegen dieser Bedrohungen durch ihren Ex-Ehegatten und weil sie Angst um ihren Sohn gehabt hätte, habe sie sich entschlossen, den Irak zu verlassen. Für den BF2 wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.

Die Erstanträge der BF wurden mit Bescheiden des BFA vom 1.8.2018 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht gelangte in seinem Erkenntnis vom 21.2.2020 zur Überzeugung, dass das geltend gemachte Fluchtvorbringen unglaubhaft sei und die BF nach ihrer Scheidung nicht durch ihren vormaligen Ehegatten bedroht worden sei. Das Bundesverwaltungsgericht konnte auch nicht erkennen, dass den BF bei ihrer Rückkehr in den Irak die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre. Die BF verfüge über eine Ausbildung als Psychologin und sei als Buchhalterin tätig und in der Lage gewesen, ihren Lebensunterhalt ohne Unterstützung ihres Vaters zu bestreiten. Eine Rückkehr in ihre Heimat werde auch dadurch ermöglicht, dass die Familie im Herkunftsstaat ein Haus im Viertel XXXX sowie ein landwirtschaftliches Grundstück besitze und nicht ersichtlich sei, dass diese Immobilien nicht mehr im Besitz der Kernfamilie der BF seien. Die BF könnten sich – wie vor ihrer Ausreise – mit Lebensmitteln und Wasser von naheliegenden Märkten versorgen, zumal der östliche Teil der Stadt Mossul weitestgehend von Zerstörung verschont geblieben sei. Der minderjährigen BF2 befinde sich in einem anpassungsfähigen Alter und würde es ihm außerdem bei einer Rückkehr möglich sein, in die Schule zu gehen.

1.3. Zu den Folgeverfahren (Anträge auf internationalen Schutz vom 17.5.2021):

Die BF1 führte zu den Folgeanträgen anlässlich ihrer Erstbefragung am 17.5.2021 im Wesentlichen aus, dass die alten Fluchtgründe aufrecht bleiben würden. Sie sei von ihrem Ex-Mann bedroht worden. Sie werde im Irak vom Geheimdienst noch immer verfolgt. Sie habe Angst, dass ihr Ex-Mann ihr Kind entführen wolle. Sie habe Angst um ihr Leben und das ihres Sohnes. Die Regierung wolle ihr ihren Sohn wegnehmen und solle sie getötet werden. Im Rahmen ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 9.6.2021 brachte sie zusammengefasst vor, dass ihre Fluchtgründe aus dem Vorverfahren noch bestünden bzw. aufrecht bleiben würden. Die Familie ihres Mannes bedrohe sie mit dem Tod, weil sie mit ihrem Sohn geflüchtet sei. Sie werde auch mittels Haftbefehls gesucht, weil ihr Ex-Mann und ihr Ex-Schwiegervater hohe Offiziere bei der Armee im Irak seien. Ihr Sohn habe dieselben Fluchtgründe wie sie; er sei der Grund, warum sie geflüchtet sei. Die BF1 bejahte, dass es sich um dieselbe Sache wie in ihrem Vorverfahren – Bedrohung durch ihren Ex-Mann – handle, außer dass sie jetzt per Haftbefehl gesucht werde.

Das BFA begründete die angefochtenen Bescheide zu den gegenständlichen Folgeanträgen im Wesentlichen damit, dass sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt seit Rechtskraft der Entscheidungen im Erstverfahren nicht geändert habe und im gegenständlichen Verfahren keine neuen entscheidungsrelevanten Fluchtgründe vorgebracht wurden. Es hätten sich keine Hinweise auf eine seit dem rechtskräftigen Abschluss des Erstverfahrens maßgeblich geänderte Lage in ihrem Herkunftsstaat ergeben, weder im Hinblick auf ihre persönliche Situation noch im Hinblick auf die allgemeine Lage im Irak.

In den Beschwerden wurde im Wesentlichen geltend gemacht, dass die BF1 im Zuge ihrer Einvernahme am 17.12.2019 (offenbar irrtümliches Datum; Anm.) vorgebracht habe, dass sie mittels Haftbefehls gesucht werde. Im erstinstanzlichen Verfahren (offenbar gemeint: Erstverfahren) sei die BF1 lediglich davon ausgegangen, dass sie durch ihren Ex-Mann sowie durch den Geheimdienst gesucht werde, weil in der Nachbarschaft ihres Wohnortes immer wieder nach ihrer Person gefragt worden sei. Nunmehr habe die BF1 erfahren, dass ein Haftbefehl gegen sie erlassen worden sei. Dadurch habe sich der Sachverhalt für die BF1 auch hinsichtlich ihrer Möglichkeiten bei einer allfälligen Rückkehr geändert und sich die Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung und Habhaftmachung durch ihren Ex-Mann deutlich erhöht. Wo sie zuvor eine Verfolgung durch konkrete Personen angenommen habe, könnte es nun landesweit zu einer Festnahme aufgrund des Haftbefehls kommen und die BF ihren Verfolgern zugeführt werden. Die BF1 leide unter Stress und Angst, welche zu Depressionen geführt hätten. In Anbetracht dessen, dass es sich bei der BF1 um eine alleinerziehende Mutter eines mj. Kindes handle, wären hier weitere Ermittlungen auch hinsichtlich der Auswirkungen auf das Kindeswohl einzuholen gewesen und sei zu beachten, dass die BF1 im Falle einer Rückkehr nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihr Kind zu sorgen hätte und sich dadurch eine wesentliche höhere psychische Belastung ergebe, als dies beispielsweise für einen alleinstehenden Mann der Fall wäre. Die BF1 befinde sich seit 2015 fast durchgehend in Österreich und sei bemüht, sich in Österreich zu integrieren und spreche bereits ein wenig Deutsch. Der zwölfjährige – und damit minderjährige – BF2 besuche in Österreich die Schule und habe sechs Jahre in Österreich verbracht.

1.4. Zum gegenständlichen Vorbringen:

Den BF droht im Irak keine individuelle Gefährdung oder psychische und/oder physische Gewalt durch staatliche Organe oder durch Dritte.

Eine relevante Änderung des Sachverhalts im maßgeblichen Zeitraum konnte nicht festgestellt werden bzw. weist das Vorbringen der BF zur Begründung ihrer Folgeanträge auf internationalen Schutz keinen glaubhaften Kern im Hinblick auf eine allfällige Gefährdung ihrer Personen auf.

1.5. Zur Lage der BF im Falle ihrer Rückkehr in den Irak:

Es kann nicht festgestellt werden, dass den BF im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die Todesstrafe droht. Ebenso wenig kann eine anderweitige Gefährdung der BF festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine ihnen drohende Folter, erniedrigende oder unmenschliche Behandlung oder Strafe sowie kriegerische Ereignisse oder extremistische Anschläge im Irak.

Eine entscheidungswesentliche Änderung der allgemeinen Lage im Irak im Sinne einer Verschlechterung der Lage ist seit der rechtskräftigen Entscheidung über die Erstanträge auf internationalen Schutz ebenso wenig eingetreten, wie eine maßgebliche Änderung ihrer individuellen Situation. Eine maßgebliche Änderung der Rechtslage ist nicht eingetreten.

Mit dem Vorbringen der BF zur Begründung ihrer Folgeanträge auf internationalen Schutz wird keine maßgebliche Änderung in Bezug auf die die BF betreffende individuelle Situation im Rückkehrfall im Herkunftsstaat oder in sonstigen, in der Person der BF gelegenen Umständen seit der rechtskräftigen Entscheidung über die Erstanträge auf internationalen Schutz, aufgezeigt.

Anhaltspunkte für das Bestehen eines Sachverhaltes, welcher die inhaltliche Prüfung der gegenständlichen Folgeanträge auf internationalen Schutz gebieten würde, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Die BF verfügen im Rückehrfall über eine – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich – gesicherte Existenzgrundlage in ihrer Heimatstadt Mossul. Der BF1 ist die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung ihres Lebensunterhaltes und jenes ihres Sohnes, des BF2, möglich und zumutbar.

1.6. Zum Privat- und Familienleben der BF in Österreich:

Die BF reisten erstmals im November 2015 illegal in Österreich ein und waren bis September 2020 durchgehend im Bundesgebiet aufhältig. Nach ihrer Ausreise aus dem Bundesgebiet stellten die BF am 30.9.2020 Anträge auf internationalen Schutz in Deutschland. Am 17.5.2021 wurden die BF von den deutschen Behörden nach Österreich rücküberstellt. Die BF halten sich damit für eine Dauer von insgesamt ca. fünf Jahren und zwei Monaten (mit einer Unterbrechung) im Bundesgebiet auf.

Die BF1 lebt in Österreich nicht in einer Lebensgemeinschaft. Sie nimmt gemeinsam mit ihrem Sohn, dem BF2, Unterkunft in der XXXX . Die Eltern der BF1 und ihre Schwester und deren Familie halten sich in Österreich auf. Die BF stehen mit ihren in Österreich lebenden Angehörigen nicht in Kontakt.

Die BF1 besuchte von März bis Dezember 2017 einen Deutschkurs. Ferner nahm sie von 20.8.2019 bis 20.2.2020 an einem A2-Deutschkurs teil. Die BF1 verfügt über Deutschkenntnisse, die es ihr grundsätzlich erlauben, an einer Konversation auf Deutsch teilzunehmen. Die BF1 absolvierte im April 2017 einen Werte- und Orientierungskurs des ÖIF sowie eine Kompetenzanalyse der Tiroler Soziale Dienste GmbH. Die BF1 besuchte des Weiteren das Seminar "Abfalltrennung und Abfallvermeidung", "Wohnen" im Rahmen des Projektes Protect Plus und Vertiefungskurse des ÖIF. Es kann nicht festgestellt werden, dass sich die BF1 in einem Verein bzw. einer sonstigen Organisation ehrenamtlich engagiert hätte. Die BF1 ging während ihres Aufenthalts in Österreich bisher keiner Erwerbstätigkeit nach und stand bzw. steht im Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung. Die BF1 ist strafrechtlich unbescholten. Von ihr begangene Verwaltungsübertretungen sind nicht aktenkundig.

Der BF2 besuchte während seines ersten Aufenthalts in Österreich die Volksschule in XXXX . Die erste Schulstufe (Schuljahr 2016/17) besuchte der BF2 als außerordentlicher Schüler. Ab der zweiten Schulstufe (Schuljahr 2017/18) erfolgte der Schulbesuch als ordentlicher Schüler. Zuletzt besuchte der BF2 im Schuljahr 2019/20 die vierte Schulstufe. Er war nicht zum Aufsteigen in die fünfte Schulstufe berechtigt und erreichte insbesondere die Lernziele der vierten Schulstufe im Unterrichtsfach Deutsch nicht oder nur teilweise. Nach seiner Wiedereinreise in das Bundesgebiet besuchte der BF2 die Schule nicht mehr.

Die BF legten im Erstverfahren mehrere Unterstützungsschreiben vor; aktuell bestehende soziale Kontakte der BF im Bundesgebiet können nicht festgestellt werden.

1.5. Zur Lage im Herkunftsstaat der BF:

Das BFA legte seiner Entscheidung umfassende Länderfeststellungen zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat bzw. zur Situation des BF im Falle einer Rückkehr zugrunde, die im Folgenden auszugsweise wiedergegeben werden. Eine entscheidungswesentliche Änderung der allgemeinen Lage im Irak im Sinne einer Verschlechterung der Lage ist seit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.2.2020 nicht eingetreten.

Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus:

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet.

In Österreich gibt es mit Stand 19.6.2021, 13:22 Uhr, 649.445 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 10.679 Todesfälle; im Irak wurden zu diesem Zeitpunkt 1.279.697 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei 16.834 desbezügliche Todesfälle bestätigt wurden.

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 14.05.2020

Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen, territorialen Sieg über den Islamischen Staat (IS) (Reuters 9.12.2017; vgl. AI 26.2.2019). Die Sicherheitslage hat sich, seitdem verbessert (FH 4.3.2020). Ende 2018 befanden sich die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) in der nominellen Kontrolle über alle vom IS befreiten Gebiete (USDOS 1.11.2019).

Derzeit ist es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Die im Kampf gegen den IS mobilisierten, zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar. Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (AA 12.1.2019).

In der Wirtschaftsmetropole Basra im Süden des Landes können sich die staatlichen Ordnungskräfte häufig nicht gegen mächtige Stammesmilizen mit Verbindungen zur Organisierten Kriminalität durchsetzen. Auch in anderen Landesteilen ist eine Vielzahl von Gewalttaten mit rein kriminellem Hintergrund zu beobachten (AA 12.1.2019). Insbesondere in Bagdad kommt es zu Entführungen durch kriminelle Gruppen, die Lösegeld für die Freilassung ihrer Opfer fordern (FIS 6.2.2018). Die Zahl der Entführungen gegen Lösegeld zugunsten extremistischer Gruppen wie dem IS oder krimineller Banden ist zwischenzeitlich zurückgegangen (Diyaruna 5.2.2019), aber UNAMI berichtet, dass seit Beginn der Massenproteste vom 1.10.2019 fast täglich Demonstranten in Bagdad und im gesamten Süden des Irak verschwunden sind. Die Entführer werden als „Milizionäre“, „bewaffnete Organisationen“ und „Kriminelle“ bezeichnet (New Arab 12.12.2019).

Die zunehmenden Spannungen zwischen dem Iran und den USA stellen einen zusätzlichen, die innere Stabilität des Irak gefährdenden Einfluss dar (ACLED 2.10.2019a). Nach einem Angriff auf eine Basis der Volksmobilisierungskräfte (PMF) in Anbar, am 25. August (Al Jazeera 25.8.2019), erhob der irakische Premierminister Mahdi Ende September erstmals offiziell Anschuldigungen gegen Israel, für eine Reihe von Angriffen auf PMF-Basen seit Juli 2019 verantwortlich zu sein (ACLED 2.10.2019b; vgl. Reuters 30.9.2019). Raketeneinschläge in der Grünen Zone in Bagdad, nahe der US-amerikanischen Botschaft am 23. September 2019, werden andererseits pro-iranischen Milizen zugeschrieben, und im Zusammenhang mit den Spannungen zwischen den USA und dem Iran gesehen (ACLED 2.10.2019b; vgl. Al Jazeera 24.9.2019; Joel Wing 16.10.2019).

Als Reaktion auf die Ermordung des stellvertretenden Leiters der PMF-Kommission, Abu Mahdi Al-Muhandis, sowie des Kommandeurs der Quds-Einheiten des Korps der Islamischen Revolutionsgarden des Iran, Generalmajor Qassem Soleimani, durch einen Drohnenangriff der USA am 3.1.2020 (Al Monitor 23.2.2020; vgl. MEMO 21.2.2020; Joel Wing 15.1.2020) wurden mehrere US-Stützpunkte durch den Iran und PMF-Milizen mit Raketen und Mörsern beschossen (Joel Wing 15.1.2020).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020

?        ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2.10.2019a): Mid-Year Update: Ten Conflicts to Worry About in 2019, https://www.acleddata.com/2019/08/07/mid-year-update-ten-conflicts-to-worry-about-in-2019/, Zugriff 13.3.2020

?        ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2.10.2019b): Regional Overview – Middle East 2 October 2019, https://www.acleddata.com/2019/10/02/regional-overview-middle-east-2-october-2019/, Zugriff 13.3.2020

?        AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Iraq [MDE 14/9901/2019], https://www.ecoi.net/en/file/local/2003674/MDE1499012019ENGLISH.pdf, Zugriff 13.3.2020

?        Al Jazeera (24.9.2019): Two rockets 'hit' near US embassy in Baghdad's Green Zone, https://www.aljazeera.com/news/2019/09/rockets-hit-embassy-baghdad-green-zone-190924052551906.html, Zugriff 13.3.2020

?        Al Jazeera (25.8.2019): Iraq paramilitary: Israel behind drone attack near Syria border, https://www.aljazeera.com/news/2019/08/iraq-paramilitary-israel-drone-attack-syria-border-190825184711737.html, Zugriff 13.3.2020

?        Al Monitor (23.2.2020): Iran struggles to regain control of post-Soleimani PMU, https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2020/02/iraq-iran-soleimani-pmu.html, Zugriff 13.3.2020

?        Diyaruna (5.2.2019): Baghdad sees steep decline in kidnappings, https://diyaruna.com/en_GB/articles/cnmi_di/features/2019/02/05/feature-02, Zugriff 13.3.2020

?        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iraq, https://freedomhouse.org/country/iraq/freedom-world/2020, Zugriff 13.3.2020

?        FIS - Finnish Immigration Service (6.2.2018): Finnish Immigration Service report: Security in Iraq variable but improving, https://yle.fi/uutiset/osasto/news/finnish_immigration_service_report_security_in_iraq_variable_but_improving/10061710, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (15.1.2020): Pro-Iran Hashd Continue Attacks Upon US Interests In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/01/pro-iran-hashd-continue-attacks-upon-us.html, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (16.10.2019): Islamic State Not Following Their Usual Pattern In Attacks In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/10/islamic-state-not-following-their-usual.html, Zugriff 13.3.2020

?        MEMO - Middle East Monitor (21.1.2020): Iraq’s PMF appoints new deputy head as successor to Al-Muhandis, https://www.middleeastmonitor.com/20200221-iraqs-pmf-appoints-new-deputy-head-as-successor-to-al-muhandis/, Zugriff 13.3.2020

?        New Arab, The (12.12.2019): 'We are not safe': UN urges accountability over spate of kidnappings, assassinations in Iraq, https://www.alaraby.co.uk/english/news/2019/12/11/un-urges-accountability-over-spate-of-iraq-kidnappings-assassinations, Zugriff 13.3.2020

?        Reuters (9.12.2017): Iraq declares final victory over Islamic State, https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-iraq-islamicstate/iraq-declares-final-victory-over-islamic-state-idUSKBN1E30B9, Zugriff 13.3.2020

?        Reuters (30.9.2019): Iraqi PM says Israel is responsible for attacks on Iraqi militias: Al Jazeera, https://www.reuters.com/article/us-iraq-security/iraqi-pm-says-israel-is-responsible-for-attacks-on-iraqi-militias-al-jazeera-idUSKBN1WF1E5, Zugriff 13.3.2020

?        USDOS - US Department of State (1.11.2019): Country Report on Terrorism 2018 - Chapter 1 - Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2019162.html, Zugriff 13.3.2020

Islamischer Staat (IS)

Letzte Änderung: 14.05.2020

Seit der Verkündigung des territorialen Sieges des Irak über den Islamischen Staat (IS) durch den damaligen Premierminister al-Abadi im Dezember 2017 (USCIRF 4.2019; vgl Reuters 9.12.2017) hat sich der IS in eine Aufstandsbewegung gewandelt (Military Times 7.7.2019) und kehrte zu Untergrund-Taktiken zurück (USDOS 1.11.2019; vgl. BBC 23.12.2019; FH 4.3.2020). Zahlreiche Berichte erwähnen Umstrukturierungsbestrebungen des IS sowie eine Mobilisierung von Schläferzellen (Portal 9.10.2019) und einen neuerlichen Machtzuwachs im Norden des Landes (PGN 11.1.2020).

Der IS unterhält ein Netz von Zellen, die sich auf die Gouvernements Ninewa, Salah ad-Din, Kirkuk und Diyala konzentrieren, während seine Taktik IED-Angriffe auf Sicherheitspersonal, Brandstiftung auf landwirtschaftlichen Flächen und Erpressung von Einheimischen umfasst (Garda 3.3.2020). Der IS führt in vielen Landesteilen weiterhin kleinere bewaffnete Operationen, Attentate und Angriffe mit improvisierten Sprengkörpern (IED) durch (USCIRF 4.2019). Er stellt trotz seines Gebietsverlustes weiterhin eine Bedrohung für Sicherheitskräfte und Zivilisten, einschließlich Kinder, dar (UN General Assembly 30.7.2019). Er ist nach wie vor der Hauptverantwortliche für Übergriffe und Gräueltaten im Irak, insbesondere in den Gouvernements Anbar, Bagdad, Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salah ad-Din (USDOS 11.3.2020; vgl. UN General Assembly 30.7.2019). Im Jahr 2019 war der IS insbesondere in abgelegenem, schwer zugänglichem Gelände aktiv, hauptsächlich in den Wüsten der Gouvernements Anbar und Ninewa sowie in den Hamrin-Bergen, die sich über die Gouvernements Kirkuk, Salah ad-Din und Diyala erstrecken (ACLED 2.10.2019a). Er ist nach wie vor dabei sich zu reorganisieren und versucht seine Kader und Führung zu erhalten (Joel Wing 16.10.2019).

Der IS setzt weiterhin auf Gewaltakte gegen Regierungziele sowie regierungstreue zivile Ziele, wie Polizisten, Stammesführer, Politiker, Dorfvorsteher und Regierungsmitarbeiter (ACLED 2.10.2019a; vgl. USDOS 1.11.2019), dies unter Einsatz von improvisierten Sprengkörpern (IEDs) und Schusswaffen sowie mittels gezielten Morden (USDOS 1.11.2019), sowie Brandstiftung. Die Übergriffe sollen Spannungen zwischen arabischen und kurdischen Gemeinschaften entfachen, die Wiederaufbaubemühungen der Regierung untergraben und soziale Spannungen verschärfen (ACLED 2.10.2019a).

Insbesondere in den beiden Gouvernements Diyala und Kirkuk scheint der IS im Vergleich zum Rest des Landes mit relativ hohem Tempo sein Fundament wieder aufzubauen, wobei er die lokale Verwaltung und die Sicherheitskräfte durch eine hohe Abfolge von Angriffen herausfordert (Joel Wing 16.10.2019). Der IS ist fast vollständig in ländliche und gebirgige Regionen zurückgedrängt, in denen es wenig Regierungspräsenz gibt, und wo er de facto die Kontrolle über einige Gebiete insbesondere im Süden von Kirkuk und im zentralen und nordöstlichen Diyala aufgebaut hat (Joel Wing 3.2.2020).

Im Mai 2019 hat der IS im gesamten Mittelirak landwirtschaftliche Anbauflächen in Brand gesetzt, mit dem Zweck die Bauernschaft einzuschüchtern und Steuern einzuheben, bzw. um die Bauern zu vertreiben und ihre Dörfer als Stützpunkte nutzen zu können. Das geschah bei insgesamt 33 Bauernhöfen - einer in Bagdad, neun in Diyala, 13 in Kirkuk und je fünf in Ninewa und Salah ad-Din - wobei es gleichzeitig auch Brände wegen der heißen Jahreszeit und infolge lokaler Streitigkeiten gab (Joel Wing 5.6.2019; vgl. ACLED 18.6.2019). Am 23.5.2019 bekannte sich der Islamische Staat (IS) in seiner Zeitung Al-Nabla zu den Brandstiftungen. Kurdische Medien berichteten zudem von Brandstiftung in Daquq, Khanaqin und Makhmour (BAMF 27.5.2019; vgl. ACLED 18.6.2019). Im Jänner 2020 hat der IS eine Büffelherde in Baquba im Distrikt Khanaqin in Diyala abgeschlachtet, um eine Stadt einzuschüchtern (Joel Wing 3.2.2020; vgl. NINA 17.1.2020).

Mit Beginn der Massenproteste im Oktober 2019 stellte der IS seine Operation weitgehend ein, wie er es stets während Demonstrationen getan hat, trat aber mit dem Nachlassen der Proteste wieder in den Konflikt ein (Joel Wing 6.1.2020).

Quellen:

?        ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2.10.2019a): Mid-Year Update: Ten Conflicts to Worry About in 2019, https://www.acleddata.com/2019/08/07/mid-year-update-ten-conflicts-to-worry-about-in-2019/, Zugriff 13.3.2020

?        ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (18.6.2019): Regional Overview – Middle East 18 June 2019, https://www.acleddata.com/2019/06/18/regional-overview-middle-east-18-june-2019/, Zugriff 13.3.2020

?        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (27.5.2019): Briefing Notes 27. Mai 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2010482/briefingnotes-kw22-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020

?        BBC News (23.12.2019): Isis in Iraq: Militants 'getting stronger again', https://www.bbc.com/news/world-middle-east-50850325, Zugriff 13.3.2020

?        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iraq, https://freedomhouse.org/country/iraq/freedom-world/2020, Zugriff 13.3.2020

?        Garda World (3.3.2020): Iraq Country Report, https://www.garda.com/crisis24/country-reports/iraq, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (3.2.2020): Violence Continues Its Up And Down Pattern In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/02/violence-continues-its-up-and-down.html, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (6.1.2020): Islamic State Makes Its Return In December 2019, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/01/islamic-state-makes-its-return-in.html, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (16.10.2019): Islamic State Not Following Their Usual Pattern In Attacks In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/10/islamic-state-not-following-their-usual.html, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (5.6.2019): Islamic State’s Revenge Of The Levant Campaign In Full Swing, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/06/islamic-states-revenge-of-levant.html, Zugriff 13.3.2020

?        Military Times (7.7.2019): Iraqi forces begin operation against ISIS along Syrian border, https://www.militarytimes.com/flashpoints/2019/07/07/iraqi-forces-begin-operation-against-isis-along-syrian-border/, Zugriff 13.3.2020

?        NINA - National Iraqi News Agency (17.1.2020): ISIS Elements executed a herd of buffalo by firing bullets northeast of Baquba. http://ninanews.com/Website/News/Details?key=808154, Zugriff 13.3.2020

?        PGN - Political Geography Now (11.1.2020): Iraq Control Map & Timeline - January 2020, https://www.polgeonow.com/2020/01/isis-iraq-control-map-2020.html, Zugriff 13.3.2020

?        Portal, The (9.10.2019): Iraq launches a new process of “Will to Victory”, http://www.theportal-center.com/2019/10/iraq-launches-a-new-process-of-will-to-victory/, Zugriff 13.3.2020

?        Reuters (9.12.2017): Iraq declares final victory over Islamic State, https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-iraq-islamicstate/iraq-declares-final-victory-over-islamic-state-idUSKBN1E30B9, Zugriff 13.3.2020

?        UN General Assembly (30.7.2019): Children and armed conflict; Report of the Secretary-General [A/73/907–S/2019/509], https://www.ecoi.net/en/file/local/2013574/A_73_907_E.pdf, Zugriff 13.3.2020

?        USCIRF - US Commission on International Religious Freedom (4.2019): United States Commission on International Religious Freedom 2019 Annual Report; Country Reports: Tier 2 Countries: Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2008186/Tier2_IRAQ_2019.pdf, Zugriff 13.3.2020

?        USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019– Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026340.html, Zugriff 13.3.2020

?        USDOS - US Department of State (1.11.2019): Country Report on Terrorism 2018 - Chapter 1 - Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2019162.html, Zugriff 13.3.2020

Sicherheitsrelevante Vorfälle, Opferzahlen

Letzte Änderung: 14.05.2020

Vom Irak-Experten Joel Wing wurden im Lauf des Monats November 2019 für den Gesamtirak 55 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 47 Toten und 98 Verletzten verzeichnet, wobei vier Vorfälle, Raketenbeschuss einer Militärbasis und der „Grünen Zone“ in Bagdad (Anm.: ein geschütztes Areal im Zentrum Bagdads, das irakische Regierungsgebäude und internationale Auslandvertretungen beherbergt), pro-iranischen Volksmobilisierungskräften (PMF) zugeschrieben werden (Joel Wing 2.12.2019). Im Dezember 2019 waren es 120 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 134 Toten und 133 Verletzten, wobei sechs dieser Vorfälle pro-iranischen Gruppen zugeschrieben werden, die gegen US-Militärlager oder gegen die Grüne Zone gerichtet waren (Joel Wing 6.1.2020). Im Jänner 2020 wurden 91 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 53 Toten und 139 Verletzten verzeichnet, wobei zwölf Vorfälle, Raketen- und Mörserbeschuss, pro-iranischen PMF, bzw. dem Iran zugeschrieben werden, während der Islamische Staat (IS) für die übrigen 79 verantwortlich gemacht wird (Joel Wing 3.2.2020). Im Febraur 2020 waren es 85 Vorfälle, von denen drei auf pro-iranischen PMF zurückzuführen sind (Joel Wing 5.3.2020).

Der Rückgang an Vorfällen mit IS-Bezug Ende 2019 wird mit den Anti-Regierungsprotesten in Zusammenhang gesehen, da der IS bereits in den vorangegangenen Jahren seine Angriffe während solcher Proteste reduziert hat. Schließlich verstärkte der IS seine Angriffe wieder (Joel Wing 3.2.2020).

Die folgende Grafik von ACCORD zeigt im linken Bild, die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle mit mindestens einem Todesopfer im vierten Quartal 2019, nach Gouvernements aufgeschlüsselt. Auf der rechten Karte ist die Zahl der Todesopfer im Irak, im vierten Quartal 2019, nach Gouvernements aufgeschlüsselt, dargestellt (ACCORD 26.2.2020).

(ACCORD 26.2.2020)

Die folgenden Grafiken von Iraq Body Count (IBC) stellen die von IBC im Irak dokumentierten zivilen Todesopfer dar. Seit Februar 2017 sind nur vorläufige Zahlen (in grau) verfügbar. Das erste Diagramm stellt die von IBC dokumentierten zivilen Todesopfer im Irak seit 2003 dar (pro Monat jeweils ein Balken) (IBC 2.2020).

(IBC 2.2020)

Die zweite Tabelle gibt die Zahlen selbst an. Laut Tabelle dokumentierte IBC im Oktober 2019 361 zivile Todesopfer im Irak, im November 274 und im Dezember 215, was jeweils einer Steigerung im Vergleich zum Vergleichszeitraum des Vorjahres entspricht. Im Jänner 2020 wurden 114 zivile Todesopfer verzeichnet, was diesen Trend im Vergleich zum Vorjahr wieder umdrehte (IBC 2.2020).

(IBC 2.2020)

Quellen:

?        ACCORD (26.2.2020): Irak, 4. Quartal 2018: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), https://www.ecoi.net/en/file/local/2025321/2018q4Iraq_de.pdf, Zugriff 13.3.2020

?        IBC - Iraq Bodycount (2.2020): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (5.3.2020): Violence Largely Unchanged In Iraq In February 2020, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/03/violence-largely-unchanged-in-iraq-in.html, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (3.2.2020): Violence Continues Its Up And Down Pattern In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/02/violence-continues-its-up-and-down.html, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (6.1.2020): Islamic State Makes Its Return In December 2019,https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/01/islamic-state-makes-its-return-in.html, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (2.12.2019): Islamic State Waits Out The Protests In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/12/islamic-state-waits-out-protests-in-iraq.html, Zugriff 13.3.2020

Sicherheitslage Nord- und Zentralirak

Letzte Änderung: 14.05.2020

Der Islamische Staat (IS) ist im Zentralirak nach wie vor am aktivsten (Joel Wing 3.2.2020), so sind Ninewa, Salah ad-Din, Kirkuk und Diyala nach wie vor die Hauptaktionsgebiete der Aufständischen (Joel Wing 2.12.2019).

In den sogenannten „umstrittenen Gebieten“, die sowohl von der Zentralregierung als auch von der kurdischen Regionalregierung (KRG) beansprucht werden, und wo es zu erheblichen Sicherheitslücken zwischen den zentralstaatlichen und kurdischen Einheiten kommt, verfügt der IS nach wie vor über operative Kapazitäten, um Angriffe, Bombenanschläge, Morde und Entführungen durchzuführen (Kurdistan24 7.8.2019). Die Sicherheitsaufgaben in den „umstrittenen Gebieten“ werden zwischen der Bundespolizei und den Volksmobilisierungskräften (al-Hashd ash-Sha‘bi/PMF) geteilt (Rudaw 31.5.2019). Der IS ist fast vollständig in ländliche und gebirgige Regionen zurückgedrängt, in denen es wenig Regierungspräsenz gibt, und wo er de facto die Kontrolle über einige Gebiete insbesondere im Süden von Kirkuk und im zentralen und nordöstlichen Diyala aufgebaut hat (Joel Wing 3.2.2020).

Bei den zwischen Bagdad und Erbil „umstrittenen Gebieten“ handelt es sich um einen breiten territorialen Gürtel der zwischen dem „arabischen“ und „kurdischen“ Irak liegt und sich von der iranischen Grenze im mittleren Osten bis zur syrischen Grenze im Nordwesten erstreckt (Crisis Group 14.12.2018). Die „umstrittenen Gebiete“ umfassen Gebiete in den Gouvernements Ninewa, Salah ad-Din, Kirkuk und Diyala. Dies sind die Distrikte Sinjar (Shingal), Tal Afar, Tilkaef, Sheikhan, Hamdaniya und Makhmour, sowie die Subdistrikte Qahtaniya and Bashiqa in Ninewa, der Distrikt Tuz Khurmatu in Salah ad-Din, das gesamte Gouvernement Kirkuk und die Distrikte Khanaqin und Kifri, sowie der Subdistrikt Mandali in Diyala (USIP 2011). Die Bevölkerung der „umstrittenen Gebiete“ ist sehr heterogen und umfasst auch eine Vielzahl unterschiedlicher ethnischer und religiöser Minderheiten, wie Turkmenen, Jesiden, Schabak, Chaldäer, Assyrer und andere. Kurdische Peshmerga eroberten Teile dieser umstrittenen Gebiete vom IS zurück und verteidigten sie, bzw. stießen in das durch den Zerfall der irakischen Armee entstandene Vakuum vor. Als Reaktion auf das kurdische Unabhängigkeitsreferendum im Jahr 2017, das auch die „umstrittenen Gebiete“ umfasste, haben die irakischen Streitkräfte diese wieder der kurdischen Kontrolle entzogen (Crisis Group 14.12.2018).

Gouvernement Ninewa

Der Islamische Staat (IS) hat seine Präsenz in Ninewa durch Kräfte aus Syrien verstärkt und führte seine Operationen hauptsächlich im Süden und Westen des Gouvernements aus (Joel Wing 3.5.2019). Er verfügt aber auch in Mossul über Zellen (Joel Wing 5.6.2019). Es wird außerdem vermutet, dass der IS vorhat in den Badush Bergen, westlich von Mossul, Stützpunkte einzurichten (ISW 19.4.2019).

Für den Zeitraum von November 2019 bis Jänner 2020 wurden im Gouvernement Ninewa 40 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 33 Toten und 25 Verletzten verzeichnet (Joel Wing 2.12.2019; vgl. Joel Wing 6.1.2020; Joel Wing 3.2.2020), im Februar 2020 waren es zwölf Vorfälle mit 35 Toten und 15 Verletzten (Joel Wing 5.3.2020). Die meisten der sicherheitsrelevanten Vorfälle in Ninewa ereigneten sich im Süden des Gouvernements (Joel Wing 3.2.2020).

Quellen:

?        Anadolu Agency (13.12.2019): Death toll in Iraq from suspected terror blasts hits 15, https://www.aa.com.tr/en/middle-east/death-toll-in-iraq-from-suspected-terror-blasts-hits-15/1672348, Zugriff 13.3.2020

?        BasNews (16.1.2020): Car Bomb Hits Iraqi Army Convoy, Kills Two, http://www.basnews.com/index.php/en/news/iraq/574768, Zugriff 13.3.2020

?        Crisis Group (14.12.2018): Reviving UN Mediation on Iraq’s Disputed Internal Boundaries, https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/gulf-and-arabian-peninsula/iraq/194-reviving-un-mediation-iraqs-disputed-internal-boundaries, Zugriff 13.3.2020

?        ISW - Institute for the Study of War (19.4.2019): ISIS Resurgence Update - April 2019, https://iswresearch.blogspot.com/2019/04/isis-resurgence-update-april-16-2019.html, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (5.3.2020): Violence Largely Unchanged In Iraq In February 2020, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/03/violence-largely-unchanged-in-iraq-in.html, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (3.2.2020): Violence Continues Its Up And Down Pattern In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/02/violence-continues-its-up-and-down.html, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (6.1.2020): Islamic State Makes Its Return In December 2019, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/01/islamic-state-makes-its-return-in.html, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (2.12.2019): Islamic State Waits Out The Protests In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/12/islamic-state-waits-out-protests-in-iraq.html, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (25.11.2019): Islamic State Forcing People Out Of Rural Diyala, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/11/islamic-state-forcing-people-out-of.html, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (16.10.2019): Islamic State Not Following Their Usual Pattern In Attacks In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/10/islamic-state-not-following-their-usual.html, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (9.9.2019): Islamic State’s New Game Plan In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/09/islamic-states-new-game-plan-in-iraq.html, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (5.8.2019): Islamic State’s Offensive Could Be Winding Down, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/08/islamic-states-offensive-could-be.html, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (5.6.2019): Islamic State’s Revenge Of The Levant Campaign In Full Swing, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/06/islamic-states-revenge-of-levant.html, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (3.5.2019): Islamic State Announces New Offensive But Amounts To Little So Far, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/05/islamic-state-announces-new-offensive.html, Zugriff 13.3.2020

?        Kurdistan24 (23.12.2019): Car bomb kills 2 Iraqi soldiers, wounds one in western Anbar, https://www.kurdistan24.net/en/news/649d80f9-2f80-474a-b371-331269bb7792, Zugriff 13.3.2020

?        Kurdistan24 (7.8.2019): ISIS increases activity in Iraq's disputed territories, https://www.kurdistan24.net/en/news/16f3d2f2-8395-40b8-94f3-ebbd183f398d, Zugriff 13.3.2020

?        NINA - National Iraqi News Agency (29.12.2019): An Officer and /3 / fighters were wounded by a suicide bombing, west of Tharthar Valley, https://ninanews.com/Website/News/Details?key=804671, Zugriff 13.3.2020

?        Rudaw (12.12.2019): ISIS militants kill 11 PMF in Saladin attack: security officials, https://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/121220193, Zugriff 13.3.2020

?        Rudaw (3.12.2019): Diyala villagers flee spike in attacks by resurging Islamic State, https://www.rudaw.net/english/kurdistan/03122019, Zugriff 13.3.2020

?        Rudaw (31.5.2019): Iraqi Security Forces ignore ISIS attacks on Kakai farmlands, https://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/31052019, Zugriff 13.3.2020

?        USIP - United States Institute of Peace (2011): Iraq‘s Disputed Territories, https://www.files.ethz.ch/isn/128591/PW69.pdf, Zugriff 13.3.2020

?        Xinhua (22.12.2019): Iraqi soldier killed, 7 civilians wounded in separate attacks in Iraq, http://www.xinhuanet.com/english/2019-12/22/c_138648985.htm, Zugriff 13.3.2020

Sicherheitskräfte und Milizen

Letzte Änderung: 14.05.2020

Im Mai 2003, nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein, demontierte die Koalitions-Übergangsverwaltung das irakische Militär und schickte dessen Personal nach Hause. Das aufgelöste Militär bildete einen großen Pool für Aufständische. Stattdessen wurde ein politisch neutrales Militär vorgesehen (Fanack 2.9.2019).

Der Irak verfügt über mehrere Sicherheitskräfte, die im ganzen Land operieren: Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) unter dem Innen- und Verteidigungsministerium, die dem Innenministerium unterstellten Strafverfolgungseinheiten der Bundes- und Provinzpolizei, der Dienst zum Schutz von Einrichtungen, Zivil- und Grenzschutzeinheiten, die dem Öl-Ministerium unterstellte Energiepolizei zum Schutz der Erdöl-Infrastruktur, sowie die dem Premierminister unterstellten Anti-Terroreinheiten und der Nachrichtendienst des Nationalen Sicherheitsdienstes (NSS) (USDOS 11.3.2020). Neben den regulären irakischen Streitkräften und Strafverfolgungsbehörden existieren auch die Volksmobilisierungskräfte (PMF), eine staatlich geförderte militärische Dachorganisation, die sich aus etwa 40, überwiegend schiitischen Milizgruppen zusammensetzt, und die kurdischen Peshmerga der Kurdischen Region im Irak (KRI) (GS 18.7.2019).

Zivile Behörden haben über einen Teil der Sicherheitskräfte keine wirksame Kontrolle (USDOS 11.3.2020; vgl. GS 18.7.2019).

Quellen:

?        Fanack (2.9.2019): Governance & Politics of Iraq, https://fanack.com/iraq/governance-and-politics-of-iraq/, Zugriff 13.3.2020

?        GS - Global Security (18.7.2019): Hashd al-Shaabi / Hashd Shaabi, Popular Mobilisation Units / People’s Mobilization Forces, https://www.globalsecurity.org/military/world/para/hashd-al-shaabi.htm, Zugriff 13.3.2020

?        USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026340.html, Zugriff 13.3.2020

Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF)

Letzte Änderung: 14.05.2020

Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF, Iraqi Security Forces) bestehen aus Einheiten, die vom Innen- und Verteidigungsministerium, den Volksmobilisierungseinheiten (PMF), und dem Counter-Terrorism Service (CTS) verwaltet werden. Das Innenministerium ist für die innerstaatliche Strafverfolgung und die Aufrechterhaltung der Ordnung zuständig. Es beaufsichtigt die Bundespolizei, die Provinzpolizei, den Dienst für den Objektschutz, den Zivilschutz und das Ministerium für den Grenzschutz. Die Energiepolizei, die dem Ölministerium unterstellt ist, ist für den Schutz von kritischer Erdöl-Infrastruktur verantwortlich. Konventionelle Streitkräfte, die dem Verteidigungsministerium unterstehen, sind für die Verteidigung des Landes zuständig, führen aber in Zusammenarbeit mit Einheiten des Innenministeriums auch Einsätze zur Terrorismusbekämpfung sowie interne Sicherheitseinsätze durch. Der CTS ist direkt dem Premierminister unterstellt und überwacht das Counter-Terrorism Command (CTC), eine Organisation, zu der drei Brigaden von Spezialeinsatzkräften gehören (USDOS 11.3.2020).

Die irakischen Streit- und Sicherheitskräfte dürften mittlerweile wieder ca. 100.000 Armee-Angehörige (ohne PMF und Peshmerga) und über 100.000 Polizisten umfassen. Die Anwendung bestehender Gesetze ist nicht gesichert. Personelle Unterbesetzung, mangelnde Ausbildung, mangelndes rechtsstaatliches Bewusstsein vor dem Hintergrund einer über Jahrzehnte gewachsenen Tradition von Unrecht und Korruption auf allen Ebenen sind hierfür die Hauptursachen. Ohnehin gibt es kein Polizeigesetz, die individuellen Befugnisse einzelner Polizisten sind sehr weitgehend. Ansätze zur Abhilfe und zur Professionalisierung entstehen durch internationale Unterstützung: Die Sicherheitssektorreform wird aktiv und umfassend von der internationalen Gemeinschaft unterstützt (AA 12.1.2019).

Straffreiheit ist ein Problem. Es gibt Berichte über Folter und Misshandlungen im ganzen Land in Einrichtungen des Innen- und Verteidigungsministeriums, sowie über extra-legale Tötungen (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020

?        USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026340.html, Zugriff 13.3.2020

Volksmobilisierungskräfte (PMF) / al-Hashd ash-Sha‘bi

Letzte Änderung: 14.05.2020

Der Name „Volksmobilisierungskräfte“ (al-hashd al-sha‘bi, engl.: popular mobilization forces bzw. popular mobilization front, PMF oder popular mobilization units, PMU), bezeichnet eine Dachorganisation für etwa 40 bis 70 Milizen und demzufolge ein loses Bündnis paramilitärischer Formationen (Süß 21.8.2017; vgl. FPRI 19.8.2019; Clingendael 6.2018; Wilson Center 27.4.2018). Die PMF wurden vom schiitischen Groß-Ayatollah Ali As-Sistani per Fatwa für den Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) ins Leben gerufen (GIZ 1.2020a; vgl. FPRI 19.8.2019; Wilson Center 27.4.2018) und werden vorwiegend vom Iran unterstützt (GS 18.7.2019). PMF spielten eine Schlüsselrolle bei der Niederschlagung des IS (Reuters 29.8.2019). Die Niederlage des IS trug zur Popularität der vom Iran unterstützten Milizen bei (Wilson Center 27.4.2018).

Die verschiedenen unter den PMF zusammengefassten Milizen sind sehr heterogen und haben unterschiedliche Organisationsformen, Einfluss und Haltungen zum irakischen Staat. Sie werden grob in drei Gruppen eingeteilt: Die pro-iranischen schiitischen Milizen, die nationalistisch-schiitischen Milizen, die den iranischen Einfluss ablehnen, und die nicht schiitischen Milizen, die üblicherweise nicht auf einem nationalen Level operieren, sondern lokal aktiv sind. Zu letzteren zählen beispielsweise die mehrheitlich sunnitischen Stammesmilizen und die kurdisch-jesidischen „Widerstandseinheiten Schingal“. Letztere haben Verbindungen zur Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) in der Türkei und zu den Volksverteidigungseinheiten (YPG) in Syrien (Clingendael 6.2018). Die PMF werden vom Staat unterstützt und sind landesweit tätig. Die Mehrheit der PMF-Einheiten ist schiitisch, was die Demografie des Landes widerspiegelt. Sunnitische, jesidische, christliche und andere „Minderheiten-Einheiten“ der PMF sind in ihren Heimatregionen tätig (USDOS 11.3.2020; vgl. Clingendael 6.2018). In einigen Städten, vor allem in Gebieten, die früher vom IS besetzt waren, dominieren PMF die lokale Sicherheit. In Ninewa stellen sie die Hauptmacht dar, während die reguläre Armee zu einer sekundären Kraft geworden ist (Reuters 29.8.2019).

Es gibt große, gut ausgerüstete Milizen, quasi militärische Verbände, wie die Badr-Organisation, mit eigenen Vertretern im Parlament, aber auch kleine improvisierte Einheiten mit wenigen Hundert Mitgliedern, wie die Miliz der Schabak. Viele Milizen werden von Nachbarstaaten, wie dem Iran oder Saudi-Arabien, unterstützt. Die Türkei unterhält in Baschika nördlich von Mossul ein eigenes Ausbildungslager für sunnitische Milizen. Die Milizen haben eine ambivalente Rolle. Einerseits wäre die irakische Armee ohne sie nicht in der Lage gewesen, den IS zu besiegen und Großveranstaltungen wie die Pilgerfahrten nach Kerbala mit jährlich bis zu 20 Millionen Pilgern zu schützen. Andererseits stellen die Milizen einen enormen Machtfaktor mit Eigeninteressen dar, was sich in der gesamten Gesellschaft, der Verwaltung und in der Politik widerspiegelt und zu einem allgemeinen Klima der Korruption und des Nepotismus beiträgt (AA 12.1.2019). Vertreter und Verbündete der PMF haben Parlamentssitze inne und üben Einfluss auf die Regierung aus (Reuters 29.8.2019).

Die PMF unterstehen seit 2017 formal dem Oberbefehl des irakischen Ministerpräsidenten, dessen tatsächliche Einflussmöglichkeiten aber weiterhin als begrenzt gelten (AA 12.1.2019; vgl. FPRI 19.8.2019). Leiter der PMF-Dachorganisation, der al-Hashd ash-Sha‘bi-Kommission, ist Falah al-Fayyad, dessen Stellvertreter Abu Mahdi al-Mohandis eng mit dem Iran verbunden war (Al-Tamini 31.10.2017). Viele PMF-Brigaden nehmen Befehle von bestimmten Parteien oder konkurrierenden Regierungsbeamten entgegen, von denen der mächtigste Hadi Al-Amiri ist, Kommandant der Badr Organisation (FPRI 19.8.2019). Obwohl die PMF laut Gesetz auf Einsätze im Irak beschränkt sind, sollen sie, ohne Befugnis durch die irakische Regierung, in einigen Fällen Einheiten des Assad-Regimes in Syrien unterstützt haben. Die irakische Regierung erkennt diese Kämpfer nicht als Mitglieder der PMF an, obwohl ihre Organisationen Teil der PMF sind (USDOS 13.3.2019).

Alle PMF-Einheiten sind offiziell dem Nationalen Sicherheitsberater unterstellt. In der Praxis gehorchen aber mehrere Einheiten auch dem Iran und den iranischen Revolutionsgarden. Es ist keine einheitliche Führung und Kontrolle der PMF durch den Premierminister und die ISF feststellbar, insbesondere nicht der mit dem Iran verbundenen Einheiten. Das Handeln dieser unterschiedlichen Einheiten stellt zeitweise eine zusätzliche Herausforderung in Bezug auf die Sicherheitslage dar, insbesondere - aber nicht nur - in ethnisch und religiös gemischten Gebieten des Landes (USDOS 13.3.2019).

In vielen der irakischen Sicherheitsoperationen übernahm die PMF eine Führungsrolle. Als Schnittstelle zwischen dem Iran und der irakischen Regierung gewannen sie mit der Zeit zunehmend an Einfluss (GS 18.7.2019).

Am 1.7.2019 hat der irakische Premierminister Adel Abdul Mahdi verordnet, dass sich die PMF bis zum 31.7.2019 in das irakische Militär integrieren müssen (FPRI 19.8.2019; vgl. TDP 3.7.2019; GS 18.7.2019), oder entwaffnet werden müssen (TDP 3.7.2019; vgl GS 18.7.2019). Es wird angenommen, dass diese Änderung nichts an den Loyalitäten ändern wird, dass aber die Milizen aufgrund ihrer nun von Bagdad bereitgestellte Uniformen nicht mehr erkennbar sein werden (GS 18.7.2019). Einige Fraktionen werden sich widersetzen und versuchen, ihre Unabhängigkeit von der irakischen Regierung oder ihre Loyalität gegenüber dem Iran zu bewahren (FPRI 19.8.2019). Die Weigerung von Milizen, wie der 30. Brigade bei Mossul, ihre Posten zu verlassen, weisen auf das Autoritätsproblem Bagdads über diese Milizen hin (Reuters 29.8.2019).

Die Schwäche der ISF hat es vornehmlich schiitischen Milizen, wie den vom Iran unterstützten Badr-Brigaden, den Asa‘ib Ahl al-Haqq und den Kata’ib Hisbollah, erlaubt, Parallelstrukturen im Zentralirak und im Süden des Landes aufzubauen. Die PMF waren und sind ein integraler Bestandteil der Anti-IS-Operationen, wurden jedoch zuletzt in Kämpfen um sensible sunnitische Ortschaften nicht an vorderster Front eingesetzt. Es gab eine Vielzahl an Vorwürfen bezüglich Plünderungen und Gewalttaten durch die PMF (AA 12.1.2019).

Die PMF gehen primär gegen Personen vor, denen eine Verbindung zum IS nachgesagt wird, bzw. auch gegen deren Familienangehörigen. Betroffen sind meist junge sunnitische Araber und in einer Form der kollektiven Bestrafung sunnitische Araber im Allgemeinen. Es kann zu Diskriminierung, Misshandlungen und auch Tötungen kommen (DIS/Landinfo 5.11.2018; vgl. USDOS 21.6.2019). Einige PMF gehen jedoch auch gegen ethnische und religiöse Minderheiten vor (USDOS 11

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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