TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/16 I419 2245490-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.09.2021
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Entscheidungsdatum

16.09.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I419 2245490-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. ÄGYPTEN, vertreten durch BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 19.07.2021, Zl. XXXX , zu Recht:

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt III des bekämpften Bescheids zu lauten hat: „Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz‘ gemäß § 57 AsylG 2005 wird Ihnen nicht erteilt.“

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text



Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer beantragte nach illegaler Einreise internationalen Schutz. Mit dem bekämpften Bescheid wies das BFA den Antrag betreffend die Status des Asylberechtigten sowie des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Ägypten als unbegründet ab (Spruchpunkte I und II), wobei es dem Beschwerdeführer keine Aufenthaltsberechtigung „aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ „gemäß § 57 AsylG“ erteilte, eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erließ und feststellte, dass die Abschiebung nach Ägypten zulässig sei (Spruchpunkte III bis V). Ferner legte es die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI).

2. Beschwerdehalber wird vorgebracht, der Beschwerdeführer habe bisher aus Angst um sein Leben den wahren Fluchtgrund nicht bekanntgegeben. Dieser sei, dass sein Onkel im April einen Mann erstochen habe, dessen Verwandte auf Blutrache aus seien, die sich, weil der Onkel keine Kinder habe, gegen den Beschwerdeführer richte, da er im Alter des Getöteten sei. Die Familie des Opfers habe ihn bedroht. Er habe sich vor der Abreise an die Polizei um Hilfe gewandt, die seine Anzeige aber ignoriert habe, worauf er gezwungen gewesen sei, den Herkunftsstaat zu verlassen. Im Falle einer Rückkehr werde er bei der Ankunft am Flughafen ermordet.

Man habe dem Beschwerdeführer nicht erklärt, dass seine Angaben für die Entscheidung des BFA maßgeblich seien. Da er über seine Mitwirkungspflicht und den Ablauf nicht belehrt worden sei, habe das BFA das Verfahren „offenbar“ nicht ordnungsgemäß durchgeführt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Mitte 20, ledig, kinderlos, Staatsangehöriger von Ägypten, Moslem und Araber. Seine Identität steht nicht fest. Er spricht neben seiner Muttersprache Arabisch sehr gut Englisch sowie etwas Deutsch, und wurde Al-Mansoura, der Hauptstadt des Gouvernements Ad-Daqahliyya zwischen Kairo und dem Mittelmeer geboren, in der er bis zur Ausreise gelebt hat.

Er besuchte 12 Jahre die Schule und hat vier Jahre lang ein Bakkalaureatsstudium wirtschaftlicher Richtung in Al-Mansoura absolviert sowie 1,5 Jahre eine finanzwissenschaftliche Universität in Kairo besucht. Nach dem Militärdienst war er ab 2018 als Buchhalter oder Kassier im Textilhandel berufstätig. In Al-Mansoura leben seine Eltern, Anfang und Mitte 50, bei denen er bis zur Ausreise gewohnt hat. Der Vater ist Angestellter, die Mutter Hausfrau. Die Familie gehört zur Mittelschicht und ist nicht arm.

Ferner wohnen im Herkunftsstaat noch zwei Onkel und eine Tante des Beschwerdeführers. Mit den Angehörigen steht der Beschwerdeführer in Kontakt und hat ein sehr gutes Verhältnis zu ihnen.

Dem Beschwerdeführer wurde seinen Angaben nach im Februar 2020 in Al-Mansoura ein Reisepass ausgestellt, den er den österreichischen Behörden nicht vorlegte. Er reiste Ende Mai 2021 nach Dubai, von wo er zu einem unbekannten Zeitpunkt illegal in die EU und am 15.07.2021 von Ungarn nach Österreich gelangte.

Nach der Übernahme des bekämpften Bescheids verließ er die Unterkunft und meldete sich am 29.07.2021 an einer „Obdachlosenanschrift“. Sonst war er in Österreich nirgends gemeldet. Er bezieht Grundversorgung, ist gesund, nimmt keine Medikamente und ist arbeitsfähig. Das BFA hat ihm eine COVID-Schutzimpfung angeboten, der er zustimmte. Über die Grundversorgung ist er krankenversichert. Notorisch ist, dass er damit jederzeit Gelegenheit hatte und hat, eine solche Impfung zu erhalten.

Im Inland weist er außer den Behörden- und Verfahrenskontakten sowie den täglichen Verrichtungen keinerlei privaten sowie keine familiären Anknüpfungspunkte auf. Er ist unbescholten und geht keinem legalen Erwerb nach. Seit vier Jahren lebt ein Bruder des Beschwerdeführers, Anfang 30, in Griechenland, der arbeitet und dort auch verheiratet ist, Abhängigkeiten bestehen nicht.

1.2 Zur Lage im Herkunftsstaat

Im angefochtenen Bescheid wurde das „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Ägypten mit Stand 01.02.2021 zitiert. Betreffend die aktuelle Lage sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten.

Im gegebenen Zusammenhang sind mangels sonstiger Bezüge zum Vorbringen die folgenden Informationen von Relevanz und werden festgestellt:

1.2.1 Sicherheitslage

Die Bedrohung durch Terrorismus ist hoch. Anfällig für Angriffe sind z.B. religiöse Stätten, Touristenattraktionen und Regierungsgebäude (MSZ o. D.; vgl. MEAE/FD 15.1.2021, AA 21.1.2021). Der Ausnahmezustand wurde 2017 zunächst nach der Explosion mehrerer Bomben gegen Kirchen in den Gouvernements Kairo und Alexandria verhängt und in Folge immer wieder verlängert (MAE 16.1.2021; vgl. MSZ o. D., ÖB 25.11.2020, MEAE/FD 15.1.2021, AA 22.1.2021).

Die Lage auf der Sinai-Halbinsel ist sehr angespannt (MAE 16.1.2021; vgl. ÖB 25.11.2020). Der Einsatz der Sicherheitskräfte im Kampf gegen den Terrorismus hat vielfach dazu beigetragen, die Spannungen zwischen Beduinen und den staatlichen Institutionen zu verschärfen (AA 13.6.2020). Beduinenstämme sind für Einschüchterungsversuche und Gewalttaten verantwortlich (MAE 16.1.2021).

Terroristische Organisationen sind vor allem, aber nicht ausschließlich, in den nordöstlichen Teilen des Gouvernements Sinai aktiv (OSAC 30.4.2020; vgl. MAE 16.1.2021). Die meisten Anschläge im Nordsinai richten sich gegen militärische Einrichtungen und Personal (OSAC 30.4.2020; vgl. ÖB 25.11.2020). Sowohl Terroranschläge als auch Militäroperationen führen immer wieder zu zivilen Opfern (FH 4.3.2020; vgl. OSAC 30.4.2020, ACLED 14.5.2020).

Im Jahr 2018 führte die „Operation Sinai 2018“ zu einer deutlichen Intensivierung der militärischen Aktivitäten im Nordsinai (OSAC 30.4.2020; vgl. MAE 16.1.2021, MEAE/FD 15.1.2021, ÖB 25.11.2020). Die Kämpfe zwischen Sicherheitskräften und Anhängern des Islamischen Staates (IS) in der Region Nordsinai dauern weiterhin an (FH 4.3.2020; vgl. OSAC 30.4.2020, MEAE/FD 15.1.2021, AI 18.2.2020, ÖB 25.11.2020), wenn auch deren Häufigkeit reduziert wurde (AI 18.2.2020; vgl. ÖB 25.11.2020). Im Sog der Gesundheitskrise und öffentlichen Unordnung im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie konnte der Islamische Staat seine Aktivitäten auf der Halbinsel Sinai jedoch wieder verstärken (ACLED 14.5.2020, 9.4.2020).

Das Wüstengebiet von der libyschen Grenze im Westen bis zur sudanesischen Grenze im Süden ist ein Risikogebiet, in dem die Streitkräfte regelmäßig Operationen gegen Schlepper durchführen (MEAE/FD 15.1.2021; vgl. ÖB 25.11.2020) und Terroristen Anschläge verüben (OSAC 30.4.2020). Die Infiltration von terroristischen Elementen aus Libyen kann nicht ausgeschlossen werden (MEAE/FD 15.1.2021).

Es kommt gelegentlich zu Attentaten in den Großstädten (ÖB 25.11.2020).

In Ägypten sind folgende terroristische Organisationen aktiv. Der Islamischer Staat - Wilayat Sinai (auch: Ansar Bayt al-Maqdis - ABM) ist die aktivste Terrorgruppe in Ägypten (OSAC 30.4.2020; vgl. ÖB 25.11.2020). Darüber hinaus gibt es den Islamischen Staat in Ägypten, Harakat Sawa'd Misr (HASM), Liwa al-Thawra, mit al-Qaida verbundene Gruppen, Harket Elmokawma Elsha'biya alias "Volkswiderstand" und andere verschiedene kleinere Terrorgruppen (OSAC 30.4.2020). Seit Mitte 2016 sind die neuen Terrorgruppen HASM und „Liwaa al-Thawra“ mit islamistisch-nationalistischer Ausrichtung im ägyptischen Kernland für mehrere schwere Anschläge, v.a. gegen Sicherheitskräfte u. Justiz, verantwortlich. Anschläge haben seit 2019 etwas abgenommen aber nicht aufgehört (ÖB 25.11.2020).

Das Antiterrorismusgesetz von 2015 sieht für Journalisten empfindliche Geldstrafen für das Abweichen von der offiziellen Linie der Berichterstattung, etwa über Terroranschläge, vor (AA 13.6.2020; vgl. RSF 2020) und gelegentlich wird die Berichterstattung vollständig untersagt (ACLED 14.5.2020).

1.2.2 Rechtsschutz / Justizwesen

Die Verfassung sieht die Unabhängigkeit und Immunität der Richter vor. Einzelnen Gerichten fehlt es manchmal an Unparteilichkeit und diese gelangen zu politisch motivierten Ergebnissen. Die Regierung respektiert in der Regel Gerichtsbeschlüsse (USDOS 11.3.2020). Die Unabhängigkeit der Justiz ist vor allem im Bereich der äußerst weit verstandenen Terrorismusbekämpfung erheblich beeinträchtigt. Willkürliche Verhaftungen, Fälle von erzwungenem Verschwindenlassen von Personen durch die Staatssicherheit und politisch motivierte Gerichtsverfahren sind an der Tagesordnung. Folter und Misshandlungen in Haft sind verbreitet. Die Sicherheitsdienste genießen de facto Straffreiheit. Sie agieren zunehmend außerhalb jedweder rechtlicher Vorgaben und entziehen sich der Kontrolle durch Justiz und Politik (AA 13.6.2020; vgl. ÖB 25.11.2020). Im April 2019 führten Verfassungsänderungen zur Ausweitung der Befugnisse von Militärgerichten bei der Verfolgung von Zivilisten. Sie unterminierten die Unabhängigkeit der Justiz durch die Ausstattung des Präsidenten mit der Befugnis, Vorsitzende von Körperschaften der Justiz zu ernennen (AI 18.2.2020).

Die ägyptische Justiz ist in Zivil- und Strafgerichte einerseits und Verwaltungsgerichte andererseits unterteilt. Jeweils höchste Instanz ist das Kassationsgericht bzw. das Hohe Verwaltungsgericht. Darüber hinaus existieren Sonder- und Militärgerichte. Seit 1969 ist das Oberste Verfassungsgericht das höchste Gericht. Obwohl die Gerichte in Ägypten - mit gewissen Einschränkungen - als relativ unabhängig gelten und sich Richter immer wieder offen gegen den Präsidenten stellten, gab es immer wieder Vorwürfe gegen Richter, Prozesse im Sinn des Regimes zu manipulieren. Solche Vorwürfe werden auch heute noch in Bezug auf die Prozessführung gegen die angeklagten Spitzen des alten Regimes sowie hohe Offiziere der Sicherheitskräfte erhoben. Das Mubarak-Regime bediente sich immer wieder der durch den Ausnahmezustand legitimierten Militärgerichte, um politische Urteile durchzusetzen. Auch nach der Revolution wurden zahlreiche Zivilisten vor Militärgerichten angeklagt (GIZ 6.2020a).

In Ägypten existieren Straftatbestände, die als solche oder in ihrer konkreten Anwendung, eine Diskriminierung aufgrund bestimmter Merkmale darstellen. So wird der Blasphemieparagraph überproportional gegen Christen und Atheisten angewendet. Der Unzuchtparagraph wird nahezu ausschließlich auf homosexuelle Männer angewendet. Harte Strafen gegen Angehörige der Muslimbruderschaft und oppositionspolitische Aktivisten sind häufig Ausdruck einer politisierten Justiz, die nicht nach rechtsstaatlichen Grundsätzen verfährt. Anlässlich ägyptischer Feiertage und Großereignisse werden immer wieder Gefangene amnestiert bzw. im formellen Sinne begnadigt. Allerdings profitieren hiervon in der Regel keine politischen Gefangenen, sondern ausschließlich „normale“ Strafgefangene. Allgemeine Voraussetzungen sind in der Regel die Verbüßung von mindestens der Hälfte der Haftzeit und gute Führung in Haft. Das Parlament hat im März 2020 Gesetzesänderungen verabschiedet, die eine vorzeitige Haftentlassung von Personen ausschließen, die aufgrund der Straftatbestände Terrorismus, Geldwäsche, Drogenhandel und illegales Demonstrieren verurteilt sind (AA 13.6.2020).

Gesetzlich ist das Recht auf ein faires Verfahren vorgesehen, aber die Justiz kann dieses Recht oft nicht gewährleisten. Das Gesetz geht von einer Unschuld der Angeklagten aus und die Behörden informieren sie in der Regel unverzüglich und im Detail über die Anklagen gegen sie. Die Angeklagten haben das Recht, bei den Verfahren anwesend zu sein. Die Teilnahme ist verpflichtend für Personen, die eines Verbrechens angeklagt werden, und fakultativ für diejenigen, die wegen Vergehen angeklagt sind. Zivilverhandlungen sind in der Regel öffentlich. Die Angeklagten haben das Recht, einen Anwalt zu konsultieren, und die Regierung ist zuständig für den Rechtsbeistand, wenn der Angeklagte sich keinen Rechtsanwalt leisten kann. Angeklagte haben das Recht auf Berufung. Verhandlungen vor dem Militärgericht sind nicht öffentlich (USDOS 11.3.2020). Die weitgehende Nutzung von außerordentlichen Gerichten, darunter Terrorismusgerichte [orig. terrorism circuits], Militärgerichte und Staatssicherheitsgerichte, führt zu unfairen Verfahren. Es kommt bei Verfahren der Terrorismusgerichte zu Vorwürfen von zwangsweisem Verschwindenlassen und Folter (AI 18.2.2020).

Auch lang andauernde Haft ohne Anklage aufgrund Veranlassung der Sicherheitsbehörden ist verbreitet, die Zahl solcher Haftfälle steigt. Urteile in politisch motivierten Verfahren basieren in der Regel nicht auf rechtsstaatlichen Grundsätzen (AA 13.6.2020).

Besonders in Oberägypten kommt es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, deren Ursache häufig in Streitigkeiten auf lokaler Ebene liegen. Traditionelle Vorstellungen von (Blut-)Rache und (kollektiver) Vergeltung sind in den ländlichen Gebieten Oberägyptens nach wie vor vorherrschend. Traditionelle Streitschlichtungsmechanismen spielen auch aufgrund der Abwesenheit funktionierender staatlicher Institutionen eine große Rolle. Dabei kommt es regelmäßig zu strukturellen Benachteiligungen der Christen (AA 13.6.2020).

1.2.3 Sicherheitsbehörden

Das Innenministerium ist zuständig für die Durchsetzung der Gesetze und innere Sicherheit, ihm unterstehen die Polizei (Public Police), die Zentralen Sicherheitskräfte (Central Security Force – CSF), der Nationale Sicherheitssektor (National Security Sector – NSS) sowie Zoll und Immigration. Die Polizei ist für die Strafverfolgung bundesweit verantwortlich. Die Zentralen Sicherheitskräfte sorgen für die Sicherheit der Infrastruktur und führen Einsätze bei Demonstrationen durch. Der NSS ist bei Bedrohungen der inneren Sicherheit zuständig sowie für die Bekämpfung des Terrorismus, gemeinsam mit anderen ägyptischen Sicherheitskräften. Zivile Behörden haben eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte (USDOS 11.3.2020).

Militär und Sicherheitsbehörden nehmen im Staatsgefüge eine dominierende Position ein und verfügen über weitreichende Befugnisse und Einflussmöglichkeiten. Gerade auf dem Gebiet der begrifflich sehr weit verstandenen Terrorismusbekämpfung sind die Sicherheitsbehörden der Kontrolle durch die Justiz und anderen Verfassungsorganen weitgehend entzogen. Polizei und Staatsschutz (National Security Services) sind formal getrennt, unterstehen jedoch gemeinsam dem Innenministerium (AA 13.6.2020). Der nach einem Terroranschlag im April 2017 verhängte landesweite Ausnahmezustand dauert weiterhin an und geht mit erhöhten Eingriffsbefugnissen für Sicherheitskräfte und Militär einher (AA 22.1.2021).

Die Regierung bestraft oder verfolgt Beamte, die Vergehen begehen, nur inkonsistent. Dies gilt sowohl für die Sicherheitskräfte als auch andere Regierungsstellen. Die nicht umfassende Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen, vor allem innerhalb der Sicherheitskräfte, trägt zu einem Klima der Straffreiheit bei (USDOS 11.3.2020).

Nicht zu unterschätzen ist die Rolle des Militärs auch im wirtschaftlichen Umfeld. Die traditionell starke Verflechtung des Militärs in sämtlichen ägyptischen Strukturen ist laut Schätzungen für bis zu 45% des BIP verantwortlich, auch wenn es dazu aus Gründen der Geheimhaltung keine offiziellen/verlässlichen Zahlen gibt (Präsident Al-Sisi spricht von knapp 2%). Das Militär ist in sämtlichen Infrastrukturbereichen ebenso tätig wie beispielsweise beim Abfüllen von Wasser oder der Produktion von Pasta und beim Import von Babymilchpulver (WKO 9.2020).

1.2.4 Bewegungsfreiheit

Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Inland, Auslandsreisen, Auswanderung und Wiedereinbürgerung vor. Zudem darf laut Verfassung kein Bürger daran gehindert werden, das Staatsgebiet zu verlassen. Dennoch dürfen Männer, die den Wehrdienst nicht absolviert und keine Ausnahmegenehmigung erhalten haben, nicht ins Ausland reisen oder auswandern. Nationale Personalausweise belegen den Abschluss des Militärdienstes (USDOS 11.3.2020).

Die Behörden verlangten sporadisch, dass Bürger im Alter von 18 bis 40 Jahren eine Erlaubnis des Innenministeriums vorlegen, um in bestimmte Länder zu reisen. Dies soll den Beitritt zu terroristischen Gruppen erschweren und die Flucht von Kriminellen verhindern (USDOS 11.3.2020).

Die Regierung verhängt zunehmend Reiseverbote für Menschenrechtsverteidiger und politische Aktivisten, die wegen Straftaten angeklagt oder untersucht wurden. Weiters gibt es kein von der Regierung auferlegtes Exil, und die Verfassung verbietet der Regierung, Bürger auszuweisen oder Bürgern die Rückkehr ins Land zu verbieten. Einige Politiker leben freiwillig außerhalb des Landes, da sie von der Regierung mit Strafverfolgung bedroht wurden (USDOS 11.3.2020).

Zu internen Ausweichmöglichkeiten liegen keine belastbaren Erkenntnisse vor. Es ist grundsätzlich von einer unterschiedslosen Verfolgungspraxis auszugehen. Allerdings kann zumindest bei vergleichsweise minder schweren Verfolgungsgründen (z.B. niedrigschwelligem oppositionellen Engagement) der Ortswechsel innerhalb des Landes dazu führen, dass die Betroffenen unbehelligt bleiben. Auf dem Nordsinai und in entlegenen Wüstenregionen ist das staatliche Gewaltmonopol zum Teil faktisch eingeschränkt. Bei geschlechtsspezifischen Verfolgungsgründen (z.B. Genitalverstümmelung, sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt) ist eine interne Ausweichmöglichkeit keine realistische Option (AA 13.6.2020). Die Regierung versucht, den Zugang zum Nordsinai einzuschränken (USDOS 11.3.2020).

Es besteht keine zentrale Meldepflicht (DEB 3.2014). Die Wohnadresse wird auf dem Personalausweis angeführt. Bei einem Umzug muss die Adresse aktualisiert werden. Es gibt aber keine Überprüfung der Wohnsitzdaten durch die Meldebehörde, wodurch veraltete oder falsche Adressen unentdeckt bleiben und es gibt keine Strafe für die Nichtaktualisierung der Adresse (DFAT 17.6.2019). Bei Forderungen gegen unbekannt verzogene ägyptische Staatsangehörige ist daher der Versuch einer Aufenthaltsermittlung nahezu aussichtslos (DEB 3.2014).

1.2.5 Grundversorgung und Wirtschaft

Subventionen zur Absicherung der Grundversorgung der ägyptischen Bevölkerung haben eine lange Tradition und zehren einen erheblichen Teil des Staatshaushaltes auf. Daran ändert auch das mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vereinbarte Reformprogramm, das Kürzungen der staatlichen Subventionen für Elektrizität, Treibstoff, aber auch für Brotgetreide einschließt, nichts. So wurde z.B. nach Kürzung von Subventionen im Sommer 2017 und damit verbundenen Preissteigerungen die Zahl der Berechtigten für Lebensmittelkarten erhöht (bisher schon ca. 70 Mio. Personen) und auch der Umfang der über diese Karten zu beziehenden Güter nochmals ausgedehnt. Nicht-Ägypter haben keinen Zugang zu diesem System (AA 13.6.2020).

Ein weiteres Instrument der sozialen Sicherung liegt im Mietrecht begründet. Für einen Großteil von Mietverträgen, die in den 1950er- und 1960er-Jahren geschlossen und seitdem innerhalb der Großfamilie weitergegeben wurden, gilt noch eine Mietpreisbindung, die im Altbestand zu teilweise grotesk niedrigen Mieten führt. Für neue Verträge seit ca. 1990 gelten ohnehin die Gesetze des Marktes. Im Rahmen der Erschließung von Wüstenregionen wird ein gewisser Prozentsatz an Land und Wohnungen an arme Bevölkerungsteile verlost (AA 13.6.2020).

Im Rahmen von zwei Sozialhilfeprogrammen KARAMA und TAKAFUL werden zudem verstärkte Schritte für eine gezielte Unterstützung der Ärmsten vorgenommen. Das Karama Projekt sieht monatliche Geldleistungen im Umfang von 40-80 USD an besonders Bedürftige sowie an ältere Menschen und Behinderte vor. Das konditionierte Takaful Projekt zielt auf die finanzielle Unterstützung von Familien mit Kindern ab, vorausgesetzt diese besuchen regelmäßig eine Schule (AA 13.6.2020).

Darüber hinaus existiert ein zwar in seiner Leistungsfähigkeit beschränktes, aber funktionierendes Sozialversicherungssystem, welches Arbeitslosen-, Kranken-, Renten- und Unfallversicherungselemente enthält und von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemeinsam bezahlt wird. Die größten Probleme ergeben sich hier aus relativ geringen tatsächlichen Auszahlungen und der Nichterfassung der großen Anzahl an Personen ohne formelle Erwerbsaktivitäten (informeller Sektor) bzw. solche die arbeitslos sind (AA 13.6.2020; vgl. USSSA 9.2019). Einen erheblichen Beitrag zur sozialen Sicherung leisten karitative Einrichtungen, vornehmlich auf religiöser Basis und wohltätige Stiftungen (AA 13.6.2020).

Subventionsabbau droht – trotz langsam sinkender Inflation und sozialen Gegenmaßnahmen der Regierung die wirtschaftliche Situation vor allem der armen Segmente der Gesellschaft weiter zu verschlechtern. Bisher hat sich der latent in der Bevölkerung vorhandene Unmut nur punktuell manifestiert. Viel wird davon abhängen, wie schnell eine wirtschaftliche Erholung auch diese Schichten erfasst. Daneben zeichnet sich ab, dass Militär und auch Sicherheitsdienste in sozialen Bereichen, beispielsweise in der Verteilung von Lebensmitteln, einspringen und staatliche Aufgaben verstärkt substituieren (AA 13.6.2020).

Ägypten hat per se gute Voraussetzungen um im globalen Wettbewerb zu bestehen und verfügt über eine verhältnismäßig gut diversifizierte Wirtschaft, was bei der Absorbierung von externen wie internen Schocks hilft (WKO 9.2020). Der Dienstleistungssektor absorbiert einen erheblichen Teil der Erwerbstätigen und erwirtschaftet große Teile des Bruttoinlandsproduktes. Einen maßgeblichen Beitrag leistet hierbei der Tourismusbereich (AA 24.6.2019c). Der Dienstleistungssektor bietet rund 50 % der ägyptischen Arbeitskräfte eine Beschäftigung und trägt etwa die Hälfte des BIP bei (GIZ 11.2020c). Schätzungsweise 63 Prozent aller ägyptischen Arbeitskräfte gehören dem informellen Sektor an; er umfasst fast 50 Prozent aller nicht-landwirtschaftlichen Arbeitsplätze einen überwältigenden Anteil von 30-40 Prozent der Wirtschaft des Landes (MEI 22.6.2020; vgl. WKO 9.2019).

Die dramatischen Preiserhöhungen für Grundlebensmittel in den letzten Jahren verschärften den Kaufkraftverlust und trafen vor allem die unteren Einkommensschichten, die mehr als die Hälfte ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben. Die Einkommensverteilung hat sich in den letzten drei Jahrzehnten immer stärker zuungunsten der unteren Einkommensschichten entwickelt (GIZ 11.2020c).

Die staatlichen Maßnahmen zur Armutsbekämpfung werden heute weithin als unzulänglich kritisiert. Sie bestehen im Wesentlichen aus nicht zielgruppenorientierten Subventionen für Grundnahrungsmittel und Energie, extrem niedrigen Sozialhilfe- und Pensionszahlungen für bestimmte Bevölkerungsgruppen sowie Kredit-, und Entwicklungsprogrammen des Sozialfonds für Entwicklung (SfD), die jedoch weit hinter dem Bedarf zurückbleiben (GIZ 11.2020c).

Die Armutsquote (2019) ist auf ca. 32,5 % gestiegen (die höchste seit 2000). Rund 8,6 % der Bevölkerung sind arbeitslos und ca. 17 % der Familien werden von Frauenarbeit (im informellen Sektor) unterstützt (GIZ 11.2020c). Über USD 20 Mrd. werden jährlich von ägyptischen Migranten aus dem Ausland rücküberwiesen. Diese Überweisungen sind für die Bevölkerung und den Konsum unverzichtbar (WKO 9.2020).

Das dreijährige IWF-Hilfs- und Reformprogramm inklusive Subventionskürzungen ist abgeschlossen. Nun müssen die positiven makroökonomischen Effekte auch die Bevölkerung erreichen. Weiterhin ist der Plan mit einem Wirtschaftswachstum von 6% dem hohen Bevölkerungswachstum entgegenzuwirken. Im Wirtschafts- und Finanzjahr (Juli bis Juni) 2018/2019 konnte mit einem BIP-Wachstum von 5,6 % der höchste Wert in 10 Jahren erreicht werden. Mittelfristig verfolgt Ägypten einen Top-Down-Ansatz mit Megaprojekten (Infrastruktur, Landwirtschaft) durch den Staat und das Militär (WKO 9.2020).

Im Wirtschafts- und Finanzjahr (Juli bis Juni) 2019/2020 konnte trotz COVID-19 im 2. Quartal 2020 noch ein Wachstum von 3,5 % (Ziel war 6 %) erreicht werden. Laut IWF soll Ägypten mit einem Plus von 2 Prozent im Jahr 2020 eines der wenigen Länder mit einem Wirtschaftswachstum sein. Obgleich ein so geringes Wachstum kein Grund zum Feiern ist, steht Ägypten im internationalen Vergleich laut div. Analysten verhältnismäßig gut da. Bemerkenswert ist ein vom Präsidenten angekündigtes und bereits teilweise umgesetztes Rettungs- bzw. Konjunkturpaket über 100 Mrd. Ägyptische Pfund (ca. 6 Mrd. Euro). Manche Analysten beurteilen die Lage etwas prekärer und sehen 30 % des nominalen BIP gefährdet. Da sämtliche Einnahmequellen Ägyptens wohl teils massive Einbrüche (v.a. Tourismuseinnahmen, Remittances, Suezkanalgebühren, ausländische Investitionen) verzeichnen werden, steht die ägyptische Wirtschaft jedenfalls vor neuen Herausforderungen (WKO 9.2020).

Im Zuge der COVID-19-Pandemie ist die offizielle Arbeitslosenrate zum Ende des 2. Quartals 2020 auf 9,6 % gestiegen; von 7,5 % zum selben Zeitpunkt im Jahr zuvor bzw. 7,7 % zum Ende des 1. Quartals 2020 (AN 17.8.2020). Zum Ende des 3. Quartals 2020 ist die Arbeitslosenrate auf 7,3 % gesunken, wobei die Arbeitslosenrate unter Männern bei 5,8 % und bei Frauen bei 15,2 % lag (ET 15.12.2020).

1.2.6 Rückkehr

Formale staatliche Institutionen für die Aufnahme von Rückkehrern sind hier nicht bekannt. Zur Situation von Rückkehrern liegen keine Erkenntnisse vor. Staatliche Maßnahmen als Reaktion auf Asylanträge im Ausland sind nicht bekannt (AA 13.6.2020).

Von repressiven Maßnahmen gegen zurückgekehrte Aktivisten und ihre Familienangehörigen ist, angesichts der allgemeinen Repression gegen Angehörige der Organisation im Land, bei Führungskadern auszugehen. Prominente regimekritische Aktivisten müssen mit Ausreisesperren, Inhaftierung und Strafverfolgung rechnen. Der ägyptische Staat stellt Nachforschungen zu exilpolitischen Aktivitäten im Ausland und daran beteiligten Personen an. Vermutete politische Aktivitäten im Ausland können selbst bei nur kurzen Aufenthalten (z.B. zur Teilnahme an Seminaren) zu längeren Befragungen, und nach Rückkehr u.U. zu Festsetzungen durch die Sicherheitsbehörden führen (AA 13.6.2020).

Alle ein- oder ausreisende Personen (Ägypter und Ausländer gleichermaßen) werden mit dem nationalen Fahndungsbestand abgeglichen. Ägyptische Staatsangehörige können bei freiwilliger Rückkehr nicht ohne Vorlage einer ägyptischen ID oder eines von einer ägyptischen Auslandsvertretung ausgestellten Reisedokumentes (Laissez-Passer) wieder nach Ägypten einreisen (AA 13.6.2020).

IOM betreibt seit 1991 ein Regionalbüro in Kairo und führt eine Vielzahl von Unterstützungsprojekten für Migranten und Rückkehrer durch (AA 13.6.2020). Unter Anderem gibt es finanzielle Unterstützungsleistungen für Rückkehrer beispielsweise bei Firmengründungen. Die Hilfe für unbegleitete Migrantenkinder (UMCs), die alleine das Mittelmeer auf der Suche nach einem neuen Leben in Europa überquerten, wird ausgeweitet. Es werden erhebliche Anstrengungen unternommen, um sicherzustellen, dass das Wohl des Kindes bei Rückkehr und Reintegration im Mittelpunkt steht (IOM o.D.).

Für die Einreise ist ein negativer PCR-Test erforderlich, der nachweislich nicht älter als 72 Stunden sein darf, bei Einreise über die Flughäfen von London Heathrow, Paris oder Frankfurt nicht älter als 96 Stunden. Das Testergebnis muss in englischer oder arabischer Sprache vorgelegt werden. Ansonsten droht eine Verweigerung der Einreise (AA 30.11.2020; vgl. USEMB 18.1.2021). Seit 17.1.2021 müssen alle Einreisenden eine 14-tägige Quarantäne antreten (USEMB 18.1.2021).

1.3 Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Erstbefragt gab der Beschwerdeführer an, er sei nach Österreich gekommen und wolle hierbleiben, um zu studieren. Nach dem Bakkalaureat im Herkunftsstaat würde er mit einem in Österreich erworbenen Mastergrad bessere Arbeitschancen haben als mit einem solchen von dort. Er habe keine weiteren Gründe für den Asylantrag und bei einer Rückkehr nichts zu befürchten.

Beim BFA gab er an, nach Wien zu wollen, um dort ein Masterstudium zu beginnen. Mit einem österreichischen Master habe er im Gegensatz zu einem aus Ägypten auch Chancen, eine gute Arbeit zu bekommen.

Im Herkunftsstaat sei er keinen Verfolgungen oder Bedrohungen ausgesetzt gewesen. Im Fall einer Rückkehr ginge sein „Traum“ verloren. Er habe dort nichts zu befürchten und kein Problem.

Drei Tage später und nach ausführlicher Rechtsberatung gab er am 19.07.2021 im Beisein des Rechtsberaters an, er habe bisher wahrheitsgemäße Antworten gegeben und bereits alles gesagt. Ein Studium hier sei angesehener als ein solches im Herkunftsstaat. Dort gehöre er zur Mittelschicht. Das Leben sei nicht einfach gewesen, „aber arm sind wir auch nicht“.

Auf die Frage, ob er alles umfassend vorbringen habe können, ob er weitere Angaben machen wolle oder Einwände zur Einvernahme habe, antwortete er: „Ich habe alles gesagt.“ Nach der Rückübersetzung bestätigte er, keine Einwendungen zu haben. Der Rechtsberater machte von der Möglichkeit keinen Gebrauch, Fragen zu stellen oder eine Stellungnahme abzugeben.

Die Rechtsberatung hat am Morgen vor dieser zweiten Einvernahme beim BFA durch die nunmehrige Rechtsvertretung des Beschwerdeführers stattgefunden. Zu Beginn der Einvernahme wurde der Beschwerdeführer im Beisein des Rechtsberaters darauf hingewiesen, dass seine Angaben vertraulich behandelt und keinesfalls an die Behörden des Herkunftsstaats weitergeleitet oder öffentlich gemacht würden. Er wurde ferner – wie auch schon bei der Erstbefragung und in der ersten Vernehmung beim BFA – darauf hingewiesen, dass seine Angaben die Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren bilden.

Die Niederschrift vom 19.07.2021 wurde im Beisein des Rechtsberaters rückübersetzt und von allen Anwesenden unterfertigt. Auch die Niederschriften der vorherigen Einvernahme und der Erstbefragung wurden rückübersetzt und von allen Anwesenden unterfertigt.

Die mit dem Beschwerdeführer aufgenommenen Niederschriften der LPD Burgenland und anschließend des BFA vom 16.07.2021 sowie jene des BFA vom 19.07.2021 weisen die in § 14 AVG angeführten Eigenschaften und Inhalte auf. Dieser hat keine Einwendungen erhoben und im Beisein seines Rechtsberaters bestätigt, dass alles vollständig und richtig protokolliert wurde.

Der Beschwerdeführer hat den Herkunftsstaat aus nicht asylrelevanten Gründen verlassen. Es kann nicht festgestellt werden, dass er dort aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder einer auch nur unterstellten politischen Gesinnung verfolgt wurde oder nach einer Rückkehr verfolgt werden würde.

Der Beschwerdeführer erstattete kein substantiiertes Vorbringen über eine andere ihm drohende Gefährdung in seinem Herkunftsstaat im Falle seiner Rückkehr. Auch sonst ergaben sich im Verfahren keine diesbezüglichen Hinweise.

Eine nach Ägypten zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt. Zusammenfassend wird in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers und aufgrund der allgemeinen Lage im Land festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.

1.2.9 Dem Beschwerdeführer drohen nach seiner Rückkehr keine Verletzung der EMRK, keine ausweglose Lage und keine willkürliche oder strukturelle Gewalt. Entgegen seinem Beschwerdevorbringen droht ihm auch keine Verfolgung durch Dritte. Eine solche, die nicht festgestellt wird, hätte selbst zutreffendenfalls mit Blick auf Fluchtalternativen in Kairo und anderen nordägyptischen Städten wie Alexandria sowie die Möglichkeit der Inanspruchnahme staatlicher Hilfe keine Asylrelevanz.

2. Beweiswürdigung:

2.1 Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsakts des BFA und des Gerichtsaktes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Zentralen Fremdenregister und dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend eingeholt.

2.2 Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinem Gesundheitszustand, seiner Herkunft, seiner Glaubens- und Volkszugehörigkeit sowie seiner Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers. Seine Identität steht nicht fest, da er angab, seinen Reisepass nach Ägypten zurückgeschickt zu haben, weil er Angst gehabt hätte, diesen zu verlieren (AS 27), und auch keine anderen Urkunden vorlegte.

2.3 Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem Länderinformationsbericht der Staatendokumentation vom 01.02.2021 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie z. B. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Der Länderinformationsbericht ist aktuell, weshalb die unter 1.2 getroffenen Feststellungen jenen des BFA entsprechen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie des Umstands, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Zu den (ihm am 16.07.2021 zur Stellungnahme angebotenen, AS 57) Länderinformationen gab der Beschwerdeführer an, er wolle keine Stellungnahme abgeben. Er kenne die aktuelle Lage in Ägypten. Damit ist der Beschwerdeführer den Informationen nicht substantiiert entgegengetreten.

2.4 Zum Fluchtvorbringen:

Nach § 15 AVG liefert eine gemäß § 14 aufgenommene Niederschrift über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung vollen Beweis, soweit nicht Einwendungen erhoben wurden. Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges bleibt zulässig.

Fallbezogen sind Einwendungen des Beschwerdeführers weder protokolliert, vielmehr hat dieser am 16.07.2021 gefragt erklärt, keine zu haben (AS 103), noch wird behauptet, dieser hätte Einwendungen im Sinn des § 14 Abs. 3 AVG erhoben. Der Beschwerdeführer zeigt mit seinem Vorbringen keine konkreten Gründe zur Erschütterung der Beweiskraft der Niederschriften auf. (Vgl. VwGH 18.05.2020, Ra 2020/18/0136)

Dem Vorbringen in der Beschwerde (AS 213), wonach dem Beschwerdeführer nicht erklärt worden sei, dass seine Angaben maßgeblich für die Entscheidung des BFA seien, konnte keine Feststellung in diesem Sinne folgen. Die Niederschriften weisen vielmehr nach, dass der Beschwerdeführer jeweils – also zusammen dreimal – darüber belehrt wurde, dass seine Angaben eine wesentliche Entscheidungsgrundlage (AS 23) bzw. die Grundlage (AS 45, 95) für die Entscheidung im Asylverfahren bilden. In beiden Einvernahmen beim BFA hat dieses ihn auch über das Neuerungsverbot belehrt (AS 47, 95).

Demnach ist erwiesen, dass dem Beschwerdeführer mehrfach erklärt wurde, dass er seine Fluchtgründe darzulegen habe. Es erübrigt sich demnach, zu erörtern, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen gesunden Akademiker mit Englisch- und Deutschkenntnissen handelt (der auch Fragen beim BFA deutsch beantwortete), der mittels eines Dolmetschs in seiner Muttersprache vernommen und zudem von der nunmehrigen Rechtsvertretung bereits im Verfahren beim BFA (vor der Einvernahme am 19.07.) rechtlich beraten wurde (AS 97).

Das gänzlich neue Vorbringen der Beschwerde unterfällt damit dem Neuerungsverbot des § 20 BFA-VG. Es ist aber vom späten Zeitpunkt abgesehen auch unsubstantiiert, weil die erstmals in der Beschwerdeschrift vorgebrachte angebliche private Bedrohung durch Blutrache keineswegs konkret beschrieben wurde („von der Familie des Opfers bedroht“, „da der Onkel keine Kinder hat“, der Beschwerdeführer werde bei der Rückkehr schon „bei der Ankunft am Flughafen“ ermordet, die Polizei habe seine Anzeige „ignoriert“), und findet auch in den Länderfeststellungen (schon geografisch, da Mansoura weder ländliches Gebiet noch in Oberägypten ist, oben 1.2.2 aE) keine Deckung.

Daneben ist das Vorbringen auch aus dem Grund nicht maßgeblich für die Entscheidung, dass es dem Beschwerdeführer selbst zutreffendenfalls nach den Länderfeststellungen möglich wäre, sich einer privaten Verfolgung durch Inanspruchnahme staatlicher Hilfe oder einen Ortswechsel zu entziehen, z. B. nach Kairo (oben 1.2.3 und 1.2.4).

Demnach wurde auch in der Beschwerde kein substantiiertes Fluchtvorbringen erstattet. Es war daher festzustellen, dass dem Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung droht, und aufbauend auf dessen Aussagen beim BFA, wonach er gekommen sei, um ein Masterstudium zu beginnen, steht ferner fest, dass er den Herkunftsstaat aus nicht asylrelevanten Gründen verlassen hat, wie dies auch das BFA beurteilte („zwecks Verbesserung Ihrer Lebensumstände“, AS 173). Der Beweiswürdigung des BFA ist also zu folgen.

Das Fehlen einer Bedrohung und einer ausweglosen Lage nach der Rückkehr ergibt sich aus den Länderfeststellungen und der Gesundheit des Beschwerdeführers sowie dem vorhandenen Netzwerk und der guten Ausbildung.

3. Rechtliche Beurteilung:

A) Abweisung der Beschwerde:

3.1 Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I):

3.1.1 Nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht, und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

3.1.2 Zum Vorbringen des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass die beschwerdehalber erstmals behauptete Verfolgung nicht einmal dann Asylrelevanz hätte, wäre sie feststellbar, weil dagegen staatlicher Schutz in Anspruch genommen werden könnte, da der Herkunftsstaat bei privaten Verfolgungen schutzwillig und -fähig ist. Zudem kann der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz in eine andere Großstadt verlegen, wo er nach den Feststellungen nicht auffindbar wäre.

Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

3.2 Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II):

3.2.1 Nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn der Antrag in Bezug auf den Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 zu verbinden.

3.2.2 Angesichts der Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Gesundheit, zur Familie und zur Ausbildung und Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers hegt das Gericht betreffend die Rückkehrsituation keine derartigen Bedenken. Es mag sein, dass der Beschwerdeführer keinen Arbeitsplatz mehr hat, jedoch folgt daraus nicht, dass es ihm deshalb unmöglich wäre, eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen, indem er sich eine – notfalls auch weniger qualifizierte – Tätigkeit sucht.

Den Länderfeststellungen ist außerdem zu entnehmen (oben 1.2.5), dass die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist. Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage wie allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse liegen nicht vor, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Verdacht auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gemäß Art. 2 oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.

3.2.3 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach erkannt, dass auch die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten kann, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet. Gleichzeitig wurde jedoch unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EGMR betont, dass eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen ist (VwGH 18.01.2021, Ra 2020/18/0521; 01.09.2020, Ra 2020/20/0160, je mwN). Nach den Feststellungen zu Gesundheit und Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers und den Länderfeststellungen ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Lage geriete.

Das gilt auch dann, wenn eine Unterstützung durch die Angehörigen des Beschwerdeführers wider Erwarten – da er mit ihnen Kontakt, zu ihnen ein gutes Verhältnis und zuletzt zuhause gewohnt hat – ausbleibt, weil er arbeitsfähig ist, die dort verbreitetste Sprache (und sehr gut Englisch) spricht und auch bereits im Herkunftsstaat gearbeitet hat. Nun weist er auch Auslandszeiten auf und hat etwas Deutsch gelernt, was den Wert seiner Arbeitskraft zumindest nicht verringert hat. Seine frühere Erfahrung ging ihm dabei nicht verloren, weshalb er den vorhandenen Arbeitsmarkt nutzen kann.

Aufgrund all dessen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage gerät, sodass auch Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides zu bestätigen war.

3.3 Zu Nichterteilung eines Aufenthaltstitels, Rückkehrentscheidung und Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkte III bis V):

3.3.1 Nichterteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz

Im Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides sprach das BFA aus, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel „aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ „gemäß § 57 AsylG“ nicht erteilt werde. Damit war das in § 57 AsylG 2005 beschriebene Rechtsinstitut „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemeint, wie die Bescheidbegründung erweist (S. 30, AS 178). Dem war durch die Richtigstellung des Spruchs Rechnung zu tragen.

Nach § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz in drei Fallkonstellationen zu erteilen, nämlich (jeweils unter weiteren Voraussetzungen) nach mindestens einem Jahr der Duldung (Z. 1), zur Sicherung der Strafverfolgung gerichtlich strafbarer Handlungen und zur Geltendmachung oder Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche im Zusammenhang mit solchen Handlungen (Z. 2) sowie bei Gewaltopfern, die glaubhaft machen, dass die Erteilung dieser Aufenthaltsberechtigung zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist (Z. 3).

Von den alternativen Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Z. 1 bis 3 AsylG 2005 liegt hier keine vor und wurde vom Beschwerdeführer auch keine behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war dem Beschwerdeführer daher nicht zuzuerkennen.

3.3.2 Rückkehrentscheidung

Wenn ein Antrag auf internationalen Schutz sowohl betreffend den Status des Asyl-, als auch jenen des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, wie im bekämpften Bescheid geschehen, ist nach § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 in Verbindung mit § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG vorgesehen, dass das BFA eine Rückkehrentscheidung erlässt.

Das gilt nur dann nicht, wenn eine Rückkehrentscheidung wegen eines Eingriffs in das Privat- oder Familienleben eines Fremden auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für dauernd unzulässig zu erklären ist. Zu entscheiden ist dabei nach einer individuellen Abwägung der berührten Interessen gegenüber den öffentlichen, ob ein Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig ist.

Dabei ergibt im Fall des Beschwerdeführers eine individuelle Abwägung der berührten Interessen, dass ein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers durch seine Außerlandesbringung als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig anzusehen ist.

Der Beschwerdeführer hat kein Familienleben und von seinem Asylverfahren samt der dafür nötigen Unterbringung etc. abgesehen kein Privatleben im Bundesgebiet. Er kam vor rund zwei Monaten hierher und hat keinen gemeldeten Wohnsitz, sondern nur eine Abgabestelle in einer Sozialeinrichtung gemeldet.

Nach der genannten Anwesenheitsdauer kann nicht von einer Aufenthaltsverfestigung ausgegangen werden. Zudem beruhte der Aufenthalt auf einem Asylantrag, der unbegründet war, weshalb sich der Beschwerdeführer des unsicheren Aufenthalts bewusst sein musste.

Es liegen keine Hinweise vor, dass der Beschwerdeführer in Österreich einen Grad an Integration erlangt hätte, der seinen persönlichen Interessen ein entscheidendes Gewicht verleihen würde.

Gleichzeitig hat der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat, in dem er aufgewachsen ist und den Großteil seines bisherigen Lebens verbracht hat (über 25 Jahre), familiäre, sprachliche und kulturelle Verbindungen, speziell seine Eltern, die Tante und die Onkel. Demgegenüber sind in der EU nur sein Bruder und seine Schwägerin, und das nicht im Inland, sondern in Griechenland.

Dem Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich, um z. B. hier zu studieren, stehen öffentliche Interessen gegenüber. Zuerst steht ihm das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel anwesend sind, auch - gegebenenfalls nach Abschluss eines Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz - zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden.

Es wäre auch eine Benachteiligung jener Fremden, welche die Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen in Österreich beachten, wenn sich der Beschwerdeführer erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen könnte, obwohl er seinen Aufenthalt lediglich durch seine faktische Einreise und einen unbegründeten Asylantrag erzwungen hat. In letzter Konsequenz würde ein solches Verhalten zu einer unsachlichen und damit verfassungswidrigen Differenzierung der Fremden untereinander führen.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden.

3.3.3 Zulässigkeit der Abschiebung

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dies wäre aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich.

Die Abschiebung in einen Staat ist nach § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention verletzt würden, oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat auch unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative.

§ 50 Abs. 3 FPG erklärt die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Ägypten einer realen Gefahr der Folter, der unmenschlichen Strafe oder Behandlung oder der Todesstrafe ausgesetzt wäre.

Auch fehlt es an jedem Indiz, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr durch einen innerstaatlichen oder zwischenstaatlichen Konflikt Gefahr laufen würde, in seinem Leben bedroht, in seiner Unversehrtheit beeinträchtigt oder gar getötet zu werden.

Es gibt zudem keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Ägypten die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und damit die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre.

Der Beschwerdeführer wird aufgrund seines Alters und seines Gesundheitszustandes in der Lage sein, in Ägypten zumindest notdürftig leben zu können. Er spricht Arabisch, hat lange die Schule besucht und im Herkunftsstaat auch schon Arbeitserfahrung gesammelt. So kann er vorhandene Sozialkontakte nutzen und neue knüpfen, selbst wenn wider Erwarten familiäre Unterstützung durch Eltern und andere Angehörige ausbleibt.

Die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz werden jedenfalls im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer möglicherweise in Österreich wirtschaftlich besser leben kann als im Herkunftsstaat, genügt nicht für die Annahme, er würde dort keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Es fehlen somit im vorliegenden Fall Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.

Zudem besteht in Ägypten keine so extreme Gefahrenlage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre.

Stichhaltige Gründe für die Annahme, dass dort das Leben des Beschwerdeführers oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, sind im Verfahren nicht hervorgekommen und wurden auch in der Beschwerde nicht substantiiert behauptet.

Eine der Abschiebung nach Ägypten entgegenstehende Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte besteht nicht.

Daher erwiesen sich die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat als rechtmäßig und die Beschwerde daher insoweit als unbegründet.

Die Beschwerde war daher auch betreffend die Spruchpunkte III bis V abzuweisen.

3.4 Zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI):

Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe der Erlassung der Rückkehrentscheidung überwiegen.

Derartige Umstände wurden vom Beschwerdeführer nicht ins Treffen geführt und sind auch im Verfahren nicht hervorgekommen. Demnach war die Beschwerde auch zum Spruchpunkt VI abzuweisen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Glaubhaftigkeit gesteigerten Vorbringens, den Voraussetzungen der „realen Gefahr“ einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder zur Relevanz privater Interessen bei Rückkehrentscheidungen.

Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage(n) kamen nicht hervor.

4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung relevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist.

Außerdem muss die Verwaltungsbehörde ihre die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Gericht diese tragenden Erwägungen in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Die genannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist - aufgrund des Umstandes, dass zwischen der Entscheidung durch die belangte Behörde und jener durch das Gericht rund acht Wochen liegen - die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Gericht zur Gänze angeschlossen. Die nicht substantiierten Neuerungen in der Beschwerde ändern daran nichts.

Das Gericht musste sich auch keinen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer verschaffen, da es sich um einen eindeutigen Fall in dem Sinne handelt, dass auch bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn der persönliche Eindruck ein positiver ist (vgl. VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0267 und 18.10.2017, Ra 2017/19/0422 jeweils mwN).

Die Abhaltung einer Verhandlung konnte demnach unterbleiben.

Schlagworte

Abschiebung Asylantragstellung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel begründete Furcht vor Verfolgung berücksichtigungswürdige Gründe Fluchtgründe freiwillige Ausreise Frist Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Interessenabwägung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen real risk reale Gefahr Rückkehrentscheidung subsidiärer Schutz Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I419.2245490.1.00

Im RIS seit

02.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

02.02.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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