TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/23 I401 2245278-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.09.2021
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Entscheidungsdatum

23.09.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I401 2245278-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gerhard AUER über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch Mag.a Meliha Deniz GÜZGÜN, p.A. Asyl in Not, Währinger Straße 59/2/1, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 08.07.2021, IFA-Zahl/Verfahrenszahl: XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text



Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin, eine aus dem Bundesstaat Edo stammende nigerianische Staatsangehörige, stellte am 24.02.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz, den sie mit einer Bedrohung durch Fulani-Hirten begründete. Am 27.12.2020 hätten die Nomaden ihre Kühe auf ihr Feld geführt, welche ihr Getreide gefressen hätten. Ihr Feld sei zerstört worden. Beim Versuch, die Hirten davon abzuhalten, sei sie geschlagen und ihr Bruder getötet worden.

Bei ihren weiteren Einvernahmen am 27.05.2021 und am 24.06.2021 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge als Bundesamt bezeichnet) wiederholte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen ihren geschilderten Fluchtgrund.

Mit bekämpftem Bescheid wies das Bundesamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten sowie hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt I. und II.), erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.) und gewährte für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 05.08.2021, wobei insbesondere ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren, ungenügende Länderfeststellungen und eine willkürliche Beweiswürdigung geltend gemacht wurden. Das Bundesamt habe sich nicht ausreichend mit der Bedrohung durch die „Fulani-Herdsman“ auseinandergesetzt und sei zu wenig auf die Lage alleinstehender Frauen ohne familiären Rückhalt eingegangen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die volljährige Beschwerdeführerin ist ledig, kinderlos, Staatsangehörige von Nigeria, bekennt sich zum christlichen Glauben und gehört der Volksgruppe der Benin an. Ihre Identität steht nicht fest. Sie ist gesund und arbeitsfähig.

Sie reiste im Februar 2021 legal mit gültigem Reisedokument aus Nigeria über den Flughafen Lagos aus und gelangte über unbekannte Zwischenstationen schließlich per Bahn illegal nach Österreich. Sie hält sich zumindest seit der Asylantragstellung im Bundesgebiet auf.

Die Eltern und der Bruder der Beschwerdeführerin sind verstorben. In Nigeria leben Onkel und Tanten von ihr im Bundesstaat Edo, wo auch die Beschwerdeführerin bis zu ihrer Ausreise lebte. Sie ging fünf Jahre in die Schule, spricht Englisch und Edo. Sie bestritt ihren Lebensunterhalt als Landwirtin auf der Farm ihrer Eltern. Aufgrund ihrer in Nigeria gewonnenen Arbeitserfahrung besteht für sie die Möglichkeit, am dortigen Arbeitsmarkt wieder Fuß fassen zu können.

Die Beschwerdeführerin ist in Österreich nicht vorbestraft. Sie verfügt über keine Verwandten oder tiefgreifenden persönlichen Beziehungen und weist auch keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf. Sie verfügt über geringe Deutschkenntnisse.

Sie ging und geht in Österreich keiner Beschäftigung nach und bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.

1.2. Zu den Fluchtmotiven:

Entgegen dem Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin kann eine Bedrohung durch Fulani-Hirten auf ihrer Farm nicht festgestellt werden. Sie kann einer Verfolgung durch die Wahrnehmung innerstaatlicher Fluchtalternativen entgehen.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Nigeria:

Unter Berücksichtigung der Aktualisierungen des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zu Nigeria (aus dem COI-CMS, Version 3) vom 03.09.2021 ist zwischenzeitlich keine entscheidungserhebliche Veränderung der allgemeinen Sicherheits- und Versorgungslage in Nigeria im Sinne einer entscheidungserheblichen Verbesserung gegenüber den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen eingetreten.

Fallbezogen werden aus dem Länderinformationsblatt nachstehende Punkte samt Quellenangabe hervorgehoben:

COVID-19

Letzte Änderung: 01.09.2021

Die COVID-19-Situation in Nigeria ist nach wie vor angespannt. Die veröffentlichten absoluten Zahlen an bisherigen Infizierten geben angesichts der geringen Durchtestung der 200-Millionen-Bevölkerung ein verzerrtes Bild. Aussagekräftiger ist der Anteil der positiven Fälle gemessen an der Zahl der durchgeführten Tests. Dieser lag im Oktober 2020 landesweit bei mehr als drei Prozent, in der Metropole Lagos hingegen bei etwa 30 Prozent. Die Zahlen berücksichtigen noch nicht die Auswirkung der #EndSARS-Proteste, bei denen von den Demonstrierenden praktisch keine Schutzvorkehrungen gegen COVID-19 getroffen worden sind. Ein Anstieg an positiven Fällen ist hauptsächlich in der Südwestzone des Landes zu beobachten. In einigen Bundesstaaten herrscht überhaupt Skepsis an der Notwendigkeit von COVID-19-Maßnahmen. Die allgemeine Risikowahrnehmung und die Nachfrage nach Tests sind gering (ÖB 10.2020).

In Nigeria gibt es wie in anderen afrikanischen Ländern relativ wenig belegte COVID-19 Infizierte. Dies kann auch damit zusammenhängen, dass vergleichsweise wenig Tests durchgeführt werden. Mit Stand 22.8.2021 sind in Nigeria 187.023 COVID-19 Fälle erfasst, die zu 2.268 Toten geführt haben; getestet wurden 2.648.684 Personen (Africa CDC 22.8.2021).

Bedingt durch COVID-19 sind öffentliche Versammlungen beschränkt, mit Stand September 2020 auf 50 Personen (USDOS 30.3.2021). Im ganzen Land gilt eine Ausgangssperre von Mitternacht bis 4 Uhr. Bei Flugreisen nach Nigeria ist beim Einchecken ein negativer COVID-19 PCR-Befund vorzulegen, der nicht älter als 72 Stunden sein darf. Zusätzlich muss vor der Abreise nach Nigeria ein weiterer COVID-19 PCR-Test gebucht und bezahlt werden, der nach der siebentägigen Selbstquarantäne durchzuführen ist. Die Befolgung der Quarantäne wird nicht kontrolliert. Vor der Abreise ist ein Formular auszufüllen (WKO 7.8.2021).

2020 wurde die Wirtschaft des Landes schwer durch den COVID-bedingten Verfall der internationalen Ölpreise getroffen. Für 2020 wird mit einem Rückgang des BIP von ca. 3,2 Prozent bei einem Wachstum der Bevölkerung in etwa gleicher Höhe gerechnet. Bereits im 4. Quartal 2020 hat die Wirtschaft jedoch wieder zu expandieren begonnen. 2021 sollte sie, getragen von Ölpreisen um 60 USD pro Fass, um 1,5 bis 2,5 Prozent real wachsen (WKO 16.6.2021).

Quellen:

-        Africa CDC - Africa Centres for Disease Control and Prevention (22.8.2021): Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) - Latest updates on the COVID-19 crisis from Africa CDC, https://africacdc.org/covid-19/, Zugriff 23.8.2021

-        ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052064/NIGR_%C3%96B_BERICHT_2020_10.pdf, Zugriff 28.5.2021

-        USDOS - U.S. Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048101.html, Zugriff 26.5.2021

-        WKO - Wirtschaftskammer Österreich (7.8.2021): Coronavirus: Situation in Nigeria - Aktuelle Informationen und Info-Updates, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-info-nigeria.html, Zugriff 23.8.2021

-        WKO - Wirtschaftskammer Österreich (16.6.2021): Die nigerianische Wirtschaft, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-nigerianische-wirtschaft.html, Zugriff 23.8.2021

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 01.09.2021

Es gibt in Nigeria keine klassischen Bürgerkriegsgebiete oder -parteien (AA 5.12.2020).

Beim Konflikt im Nordosten handelt es sich um eine grenzüberschreitende jihadistische Insurgenz (AA 5.12.2020), vorwiegend durch Boko Haram (FH 2021; vgl. UKFCDO 19.5.2021), sowie ISWA [Islamischer Staat Westafrika] und anderen Gruppen (UKFCDO 16.8.2021). Die Aktivitäten der Islamisten haben sich von den nordöstlichen Staaten in die nordwestlichen Staaten ausgeweitet (EASO 6.2021). Obwohl Präsident Buhari in den ersten Jahren seiner Regierungszeit angab, Boko Haram "technisch" besiegt zu haben, gibt er nun [Anm.: Stand Juli 2021] zu, dass es seiner Regierung nicht gelingt, den Aufstand zu stoppen (BBC 19.7.2021).

Im Middle Belt kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen um knapper werdende Ressourcen zwischen Hirten und Bauern (AA 5.12.2020; vgl. FH 3.3.2021). Beide Seiten machen sich Hassreden und Gewaltverbrechen schuldig (AA 5.12.2020). Standen zu Beginn vor allem die Bundesstaaten Kaduna und Plateau im Zentrum der Auseinandersetzungen, haben sich diese südlich nach Nasarawa, Benue, Taraba und Adamawa ausgeweitet (AA 5.12.2020; vgl. EASO 6.2021). Tausende sind in dem Konflikt um knappe Ressourcen getötet worden (BBC 19.7.2021).

Im Südosten handelt es sich (noch) um vergleichsweise beschränkte Konflikte zwischen einzelnen sezessionistischen Bewegungen [u.a. IPOB - Indigenous People of Biafra] und der Staatsgewalt. Bei den Auseinandersetzungen im Nigerdelta geht es sowohl um Konflikte zwischen regionalen militanten Gruppen einerseits und der Staatsgewalt andererseits, als auch um Rivalitäten zwischen unterschiedlichen lokalen Gemeinschaften. Im ersten Fall stehen in der Regel finanzielle Partikularinteressen der bewaffneten Gruppen im Vordergrund, im zweiten Fall geht es um einen Verteilungskampf rivalisierender Gruppen (AA 5.12.2020).

Zunehmend kritisch für die allgemeine Sicherheitslage in Nord- und Zentralnigeria ist die aus den nordwestlichen Bundesstaaten Sokoto, Zamfara, Katsina und Kaduna ausgehende Bandenkriminalität (insb. Viehdiebstähle, Überfälle, Entführungen) (AA 5.12.2020; vgl. EASO 6.2021). Bemühungen der Sicherheitskräfte haben eher zur Verdrängung der Aktivitäten in bisher nicht betroffene Gebiete als zur effektiven Verfolgung der Kriminellen geführt (AA 5.12.2020). Seit Dezember 2020 wurden mehr als 1.000 Schüler entführt und viele wurden erst wieder nach Zahlung eines hohen Lösegelds freigelassen (BBC 19.7.2021).

Die Kriminalitätsrate in Nigeria ist sehr hoch, die allgemeine Sicherheitslage hat sich in den vergangenen Jahren laufend verschlechtert. In Nigeria können in allen Regionen unvorhersehbare lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe der Konflikte sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser oder ethnischer Art. Insbesondere die Bundesstaaten Zamfara, westl. Taraba und der östl. Teil von Nasarawa, das nördliche Sokoto und die Bundesstaaten Plateau, Kaduna, Benue, Niger und Kebbi sind derzeit von bewaffneten Auseinandersetzungen bzw. innerethnischen Konflikten zwischen nomadisierenden Viehzüchtern und sesshaften Farmern sowie organisierten kriminellen Banden betroffen. In den südöstlichen und südlichen Bundesstaaten Imo, Rivers, Anambra, Enugu, Ebonyi und Akwa-Ibom kommt es derzeit gehäuft zu bewaffneten Angriffen auf Institutionen staatlicher Sicherheitskräfte. Die nigerianische Polizei hat nach einem erheblichen Anstieg von Sicherheitsvorfällen am 19.5.2021 die "Operation Restore Peace" in diesen Bundesstaaten begonnen. Dies kann lokal zu einer höheren polizeilichen Präsenz führen. In den nordöstlichen Landesteilen werden fortlaufend terroristische Gewaltakte, wie Angriffe und Sprengstoffanschläge von militanten Gruppen auf Sicherheitskräfte, Märkte, Schulen, Kirchen und Moscheen verübt. Demonstrationen und Proteste sind insbesondere in Abuja und Lagos, aber auch anderen großen Städten möglich und können zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen. Im Juli/August 2019 und im Oktober 2020 [Anm.: im Rahmen der EndSARS Proteste] forderten diese in Abuja, Lagos und anderen Städten zahlreiche Todesopfer (AA 3.8.2021).

Anfang Oktober 2020 führte eine massive Protestwelle zur Auflösung der Spezialeinheit SARS am 11.10.2020 (Guardian 11.10.2020; vgl. EASO 6.2021). Die Einheit wurde in SWAT (Special Weapons and Tactics Team) umbenannt und seine Beamten sollen einer zusätzlichen Ausbildung unterzogen werden (DS 16.10.2020; vgl. EASO 6.2021). Nach Oktober 2020 wurde eine Kommission aus Nationaler Menschenrechtskommission (NHRC) und zivilgesellschaftlichen Gruppen zur Untersuchung der Polizeieinsätze während der Protestwelle eingesetzt (EASO 6.2021).

In der Zeitspanne März 2020 bis März 2021 stechen folgende nigerianische Bundesstaaten mit einer hohen Anzahl an Toten durch Gewaltakte besonders hervor: Borno (2.888), Kaduna (1.103), Zamfara (938). Folgende Bundesstaaten stechen mit einer niedrigen Zahl hervor: Gombe (5), Bauchi (16), Jigawa (16) (CFR 12.4.2021). Gemäß dem Global Peace Index 2020 findet sich Nigeria auf Platz 147 von 163 Ländern. Gemäß Brooking haben intensive Unsicherheit und Gewalt seit 2018 in Nigeria Bestand bzw. haben diese zugenommen (EASO 6.2021).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.8.2021): Nigeria: Reise- und Sicherheitshinweise

-        (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/205788#content_5, 18.8.2021

-        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2042796/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Nigeria_%28Stand_September_2020%29%2C_05.12.2020.pdf, Zugriff 17.5.2021

-        BBC - BBC News (19.7.2021): Nigeria's security crises - five different threats, https://www.bbc.com/news/world-africa-57860993, Zugriff 18.8.2021

-        BBC - BBC News (25.10.2020): Nigeria protests: Police chief deploys 'all resources' amid street violence, https://www.bbc.com/news/world-africa-54678345, Zugriff 21.2.2021

-        CFR - Council on Foreign Relations (12.4.2021): Nigeria Security Tracker, https://www.cfr.org/nigeria/nigeria-security-tracker/p29483, Zugriff 18.8.2021

-        DS - Der Standard (16.10.2020): Berüchtigte "Sars"-Polizeieinheit in Nigeria nach Protesten abgeschafft, https://www.derstandard.at/story/2000120951836/beruechtigte-sars-polizeieinheit-in-nigeria-nach-protesten-abgeschafft, Zugriff 28.10.2020

-        EASO - European Asylum Support Office (6.2021): Nigeria - Security Situation Version 1.1, https://www.ecoi.net/en/file/local/2053722/2021_06_EASO_COI_Report_Nigeria_Security_situation.pdf, Zugriff 17.8.2021

-        FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Nigeria, https://freedomhouse.org/country/nigeria/freedom-world/2021, Zugriff 20.5.2021

-        Guardian, The (11.10.2020): Nigeria to disband Sars police unit accused of killings and brutality, https://www.theguardian.com/world/2020/oct/11/nigeria-to-disband-sars-police-unit-accused-of-killings-and-brutality, Zugriff 28.10.2020

-        UKFCDO - United Kingdom Foreign, Commonwealth & Development Office [Großbritannien] (16.8.2021): Foreign travel advice - Nigeria, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria, Zugriff 18.8.2021

Nigerdelta

Letzte Änderung: 01.09.2021

Bei den Auseinandersetzungen im Nigerdelta handelte es sich sowohl um einen Konflikt zwischen regionalen militanten Gruppen einerseits und der Staatsgewalt andererseits, als auch um Rivalitäten zwischen unterschiedlichen lokalen Gemeinschaften. Im ersten Fall stehen in der Regel finanzielle Partikularinteressen der bewaffneten Gruppen im Vordergrund, im zweiten Fall geht es um einen Verteilungskampf rivalisierender Gruppen (AA 5.12.2020). Im Nigerdelta, dem Hauptgebiet der Erdölförderung, bestehen zahlreiche bewaffnete Gruppierungen, die sich neben Anschlägen auf Öl- und Gaspipelines auch auf Piraterie im Golf von Guinea und Entführungen mit Lösegelderpressung spezialisiert haben (ÖB 10.2020). Generell ist das Risiko von Entführungen in Nigeria hoch (AA 3.8.2021). Auch im Jahr 2020 wurden im Nigerdelta Zivilisten entführt um Lösegeld zu erpressen (USDOS 30.3.2021).

Von 2000 bis 2010 agierten im Nigerdelta militante Gruppen, die den Anspruch erhoben, die Rechte der Deltabewohner zu verteidigen und die Forderungen auf Teilhabe an den Öleinnahmen auch mittels Gewalt (Sabotage der Ölinfrastruktur) durchzusetzen (AA 5.12.2020). 2009 gelang dem damaligen Präsidenten Yar'Adua mit einem Amnestieangebot eine Beruhigung des Konflikts. Unter Buhari lief das Programm am 15.12.2015 aus. Es kam zur Wiederaufnahme der Attacken gegen die Ölinfrastruktur (AA 5.12.2020; vgl. ACCORD 7.6.2021). Im Herbst 2016 konnte mit den bewaffneten Gruppen ein neuer Waffenstillstand vereinbart werden, der bislang großteils eingehalten wird (ÖB 10.2020; vgl. ACCORD 7.6.2021). Das Amnestieprogramm ist bis 2019 verlängert worden. Auch wenn Dialogprozesse zwischen der Regierung und Delta-Interessengruppen laufen und derzeit ein "Waffenstillstand" zumindest grundsätzlich hält, scheint die Regierung nicht wirklich an Mediation interessiert zu sein, sondern die Zurückhaltung der Aufständischen zu "erkaufen" und im Notfall mit militärischer Härte durchzugreifen (AA 5.12.2020).

Die Lage bleibt aber sehr fragil (AA 5.12.2020; vgl. ACCORD 7.6.2021), da weiterhin kaum nachhaltige Verbesserung für die Bevölkerung erkennbar ist (AA 5.12.2020). Der Konflikt betrifft die Staaten des Nigerdeltas, Abia, Akwa-Ibom, Bayelsa, Cross River, Delta, Edo, Imo, Ondo und Rivers. Vergleicht man 2018 und 2019, so stieg das Konfliktrisiko und tödliche Gewalt nahm zu. 2020 führte zu einem weiteren Anstieg der Gewalt und des Konfliktrisikos, die Zahl an Todesopfern nahm hingegen ab (EASO 6.2021). Bewaffnete Kultgruppen stellen weiterhin ein Sicherheitsrisiko in der Region dar (BBC 19.7.2021).

Das Militär hat auch die Federführung bei der zivilen Bürgerwehr Civilian Joint Task Force inne, die u.a. gegen militante Gruppierungen im Nigerdelta eingesetzt wird. Auch wenn sie stellenweise recht effektiv vorgeht, begeht diese Gruppe häufig selbst Menschenrechtsverletzungen oder denunziert willkürlich persönliche Feinde bei den Sicherheitsorganen (AA 5.12.2020).

Im Jahr 2021 gingen Sicherheitskräfte zudem vermehrt gegen das Eastern Security Network (ESN), den militanten Arm der verbotenen separatistischen Gruppe Indigenous People of Biafra (IPOB) vor. Im Februar 2021 wurden im Bundesstaat Imo in Orlu und Orsu bei Angriffen auf ESN-Lager Helikopter und hunderte Soldaten eingesetzt. Im März 2021 kam es zu Angriffen auf Polizeibeamte und -einrichtungen seitens Mitgliedern des ESN. Soldaten töteten 16 ESN-Mitglieder in der Stadt Aba im Bundesstaat Abia. Im April 2021 führten Sicherheitskräfte in der Stadt Awomama eine Razzia im ESN-Hauptquartier durch und töteten 11 Personen (ACCORD 7.6.2021).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.8.2021): Nigeria: Reise- und Sicherheitshinweise

-        (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/205788#content_5, 18.8.2021

-        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2042796/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Nigeria_%28Stand_September_2020%29%2C_05.12.2020.pdf, Zugriff 17.5.2021

-        ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (7.6.2021): ecoi.net-Themendossier zu Nigeria: Sicherheitslage, https://www.ecoi.net/de/laender/nigeria/themendossiers/sicherheitslage/, Zugriff 20.8.2021

-        BBC - BBC News (19.7.2021): Nigeria's security crises - five different threats, https://www.bbc.com/news/world-africa-57860993, Zugriff 18.8.2021

-        EASO - European Asylum Support Office (6.2021): Nigeria - Security Situation Version 1.1, https://www.ecoi.net/en/file/local/2053722/2021_06_EASO_COI_Report_Nigeria_Security_situation.pdf, Zugriff 17.8.2021

-        EASO - European Asylum Support Office (2.2019): Country Guidance: Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2004112/Country_Guidance_Nigeria_2019.pdf, Zugriff 26.5.2021

-        ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052064/NIGR_%C3%96B_BERICHT_2020_10.pdf, Zugriff 28.5.2021

-        USDOS - U.S. Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048101.html, Zugriff 26.5.2021

Religionsfreiheit

Letzte Änderung: 02.09.2021

Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit (GIZ 12.2020b; vgl. ÖB 10.2020, AA 5.12.2020) und Freiheit der Religionsausübung (ÖB 10.2020). Laut Verfassung darf die Regierung keine Staatsreligion beschließen, ist religiöse Diskriminierung verboten und hat jeder die Freiheit seine Religion zu wählen, auszuüben, zu propagieren und zu ändern (USDOS 12.5.2021; vgl. USCIRF 4.2021). Im Vielvölkerstaat Nigeria ist die Religionsfreiheit ein Grundpfeiler des Staatswesens. Die Bundesregierung achtet auf die Gleichbehandlung von Christen und Muslimen, z.B. bei der Finanzierung von Gotteshäusern und Wallfahrten. Sie unterstützt den Nigerian Inter-Religious-Council, der paritätisch besetzt ist und die Regierung in Religionsangelegenheiten berät.Ähnliche Einrichtungen wurden auch in mehreren Bundesstaaten erfolgreich eingeführt (AA 5.12.2020).

Die Regierung achtet Religionsfreiheit in der Praxis, obwohl von lokalen politischen Akteuren geschürte Gewalt in der Regel straflos bleibt. Die Verfassung verbietet es Gebietskörperschaften, ethnischen oder religiösen Gruppen Vorrechte einzuräumen. In der Praxis bevorzugen Bundesstaaten jedoch die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion (ÖB 10.2020). Manche Gesetze von Landes- und Bundesregierung diskriminieren Mitglieder christlicher oder muslimischer Minderheiten (USDOS 12.5.2021). Außerdem gestaltet sich die Umsetzung der verfassungsmäßig gesicherten Religionsfreiheit in der Praxis aufgrund religiöser Spannungen schwierig (GIZ 12.2020b).

Die Toleranz gegenüber anderen Glaubensgemeinschaften und religiösen Gruppen ist auf lokaler Ebene und in der Bevölkerung teilweise nur unzureichend ausgeprägt. Eine Ausnahme sind die Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen seit Generationen auch Mischehen zwischen Moslems und Christen verbreitet sind. In einigen Bundesstaaten ist die Lage der jeweiligen christlichen bzw. muslimischen Minderheit dagegen problematisch, insbesondere im Middle Belt, wo der Kampf um Land und Lebensraum zunehmend religiös aufgeladen wird (AA 5.12.2020). NGOs sowie religiöse Organisationen drücken ihre Besorgnis aus, dass die Gewalt zwischen vorwiegend muslimischen Fulani-Nomaden und vorwiegend christlichen Bauern in den nördlich und zentral gelegenen Staaten, religiöse Untertöne hat. Gemäß lokalen Behörden, Wissenschaftlern und Experten spielen dabei aber auch Ethnizität, Politik, Kriminalität, mangelnde Rechenschaft und Zugang zu Justiz sowie der Konflikt um sich reduzierende nutzbare Landflächen eine zentrale Rolle (USDOS 12.5.2021).

Auch die Lage zwischen den Moslems der sunnitischen Mehrheit und der schiitischen Minderheit ist teilweise stark angespannt. Versammlungen und Märsche der schiitischen Minderheit gelten als Provokation. Diesbezüglich kam es immer wieder zu blutigen Auseinandersetzungen. Nach gewaltsamen Protesten des IMN (Islamic Movement of Nigeria) in Abuja im Juli 2019 wurde die Gruppierung durch die Regierung im ganzen Land zu einer illegalen Organisation erklärt (AA 5.12.2020). Die Regierung betont allerdings, dass dieses Verbot nicht gegen die „friedfertigen und gesetzestreuen“ Schiiten in Nigeria gerichtet ist (USDOS 12.5.2021). Die islamistisch-terroristischen Organisationen Boko Haram und Islamischer Staat in Westafrika sind weiterhin aktiv und führen zahlreiche Angriffe auf Bevölkerungszentren oder religiöse Ziele durch [Anm. Siehe Abschnitt: Sicherheitslage] (USDOS 12.5.2021).

Generell können jene Personen, die sich vor Problemen hinsichtlich der Religionsfreiheit oder vor Boko Haram fürchten, entweder staatlichen Schutz oder aber eine innere Relokationsmöglichkeit in Anspruch nehmen, Fälle sind jedoch individuell zu prüfen. Staatlicher Schutz ist wahrscheinlicher außerhalb der nordöstlichen Staaten verfügbar, ist aber auch dort lokalen Ressourcen entsprechend unterschiedlich ausgeprägt (UKHO 1.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2042796/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Nigeria_%28Stand_September_2020%29%2C_05.12.2020.pdf, Zugriff 17.5.2021

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2020b): Nigeria - Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/, Zugriff 1.9.2021

-        ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052064/NIGR_%C3%96B_BERICHT_2020_10.pdf, Zugriff 28.5.2021

-        UKHO - United Kingdom Home Office [Großbritannien] (1.2019): Country Policy and Information Note Nigeria: Boko Haram, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005749/Nigeria_-_BH_-_v3_-_January_

-        2019.pdf, Zugriff 9.7.2021

-        USCIRF - U.S. Commission on International Religous Freedom [USA] (4.2021): USCIRF – Recommended for Countries of particular concern (CPC), https://www.ecoi.net/en/file/local/2052979/Nigeria+Chapter+AR2021.pdf, Zugriff 8.7.2021

-        USDOS - U.S. Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom: Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2051592.html, Zugriff 28.5.2021

Spannungen zwischen Muslimen und Christen

Letzte Änderung: 02.09.2021

Das Verhältnis zwischen Muslimen und Christen ist äußerst gespannt. Oft genügt ein geringer Anlass, um blutige Unruhen auszulösen. Ein auch nur annähernd in Verbindung gebrachter Vorfall im christlichen Süden gegen Muslime wird sofort Reaktionen im Norden hervorrufen, die immer wieder zum Tod von sogenannten Nichtgläubigen führen. Pogrome gehören mittlerweile zum politischen Alltagsgeschehen in Nigeria. Seit 2000 sprechen die offiziellen Zahlen von über 11.500 Toten aufgrund religiöser Unruhen. Die tatsächlichen Zahlen dürften um ein Vielfaches höher liegen. Mit der Einführung der Scharia in den zwölf nördlichen Bundesstaaten und dem Terrorismus durch Boko Haram in den drei nordöstlichen Bundesstaaten haben sich die Spannungen weiter verschärft (GIZ 12.2020b). Im Norden Nigerias (einschließlich des Middle Belts) grassiert die im Namen des Islam von Boko Haram und ISWAP (sogenannter Islamischer Staat) begangene Gewalt gegen die Zivilbevölkerung, insbesondere gegen Christen. Dasselbe gilt für die Gewalt, die von Fulani-Kämpfern und bewaffneten Banditen verübt wird. Die Einflusskreise dieser verschiedenen Gruppen überschneiden sich zunehmend, ähnlich wie ihre Agenden. Dies stellt nicht nur für die nördlichen Staaten, einschließlich der Staaten des Middle Belts, eine Bedrohung dar, sondern auch für die südlichen Staaten. Deutliche Beispiele für Landraub und damit verbundene Gewalt durch militante Fulani sind bereits im Südwesten und Südosten zu sehen (OD 2021). In den nördlichen und zentralen Staaten kam es im Jahr 2020 zu zahlreichen tödlichen Zusammenstößen zwischen vorwiegend muslimischen Fulani Hirten und vorwiegend christlichen Farmern, die Regierung führte Militäroperationen durch, aber gemäß verschiedener Quellen waren diese unzureichend (USDOS 12.5.2021).

In den zwölf nördlichen Bundesstaaten wird die Religionsfreiheit von Nicht-Muslimen in der Praxis teilweise beschränkt, da viele Verwaltungsvorschriften ohne Rücksicht auf die jeweilige Religionszugehörigkeit erlassen und durchgesetzt werden (z.B. Verbot des gemischten Schulunterrichts, Verbot des Alkoholgenusses, Geschlechtertrennung in öffentlichen Verkehrsmitteln, Neubau von Kirchen etc.). Die in den Jahren 2000/2001 eingeführten strengen strafrechtlichen Bestimmungen der Scharia in zwölf nördlichen Bundesstaaten haben in den ersten Jahren nach Einführung des Scharia-Rechts zu hunderten Amputations- und einigen Steinigungsurteilen geführt, die jedoch von einer höheren Instanz aufgehoben wurden (AA 5.12.2020).

Jene Personen, die sich vor einer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure fürchten, können in der Regel Schutz bei Behörden suchen (UKHO 3.2019a) oder eine innerstaatliche Relokationsmöglichkeit in Anspruch nehmen (UKHO 3.2019b). Die Effektivität des Justiz- und Strafsystems wird allerdings von einigen ernsthaften Schwächen unterminiert. In Konfliktgebieten, wie Teilen Nordostnigerias, dem Niger Delta und dem Middle Belt, sowie für Angehörige bestimmter sozialer Gruppen, wie Frauen, Homosexuelle, Nicht-Indigene, ist Schutz nur bedingt verfügbar (UKHO 3.2019a). Die Möglichkeit der Relokation ist von der Art der Bedrohung und von den Lebensumständen des Betroffenen abhängig und kann für Frauen und Nicht-Indigene schwierig sein (UKHO 3.2019b).

Quellen:

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2020b): Nigeria - Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/, Zugriff 1.9.2021 [Anm.: Der Link ist mit Stand 1.9.2021 nicht abrufbar. Die Daten sind jedoch bei der Staatendokumentation archiviert und abrufbar]

-        OD - Open Doors (2021): Länderprofil Nigeria, Berichtszeitraum: 1. Oktober 2019 - 30. September 2020, https://www.opendoors.de/sites/default/files/country_dossier/9_laenderprofil_nigeria.pdf, Zugriff 9.7.2020

-        UKHO - United Kingdom Home Office [Großbritannien] (3.2019a): Country Policy and Information Note - Nigeria: Actors of protection, https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/794316/CPIN_-_NGA_-_Actors_of_Protection.final_v.1.G.PDF, Zugriff 28.5.2021

-        UKHO - United Kingdom Home Office [Großbritannien] (3.2019b): Country Policy and Information Note Nigeria: Internal relocation, https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/794323/CPIN_-_Nigeria_-_Internal_relocation.PDF, Zugriff 22.6.2021

-        USDOS - U.S. Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom: Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2051592.html, Zugriff 28.5.2021

Relevante Bevölkerungsgruppen

Frauen

Letzte Änderung: 02.09.2021

Auch wenn die Verfassung Gleichberechtigung vorsieht (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 5.12.2020), kommt es zu beachtlicher ökonomischer Diskriminierung von Frauen (USDOS 30.3.2021). Frauen werden in der patriarchalen und teilweise polygamen Gesellschaft Nigerias in vielen Rechts- und Lebensbereichen benachteiligt, v.a. dort, wo traditionelle Regeln gelten (AA 5.12.2020). So sind Frauen in vielen Landesteilen aufgrund von Gewohnheitsrecht von der Erbfolge nach ihrem Ehemann ausgeschlossen (AA 5.12.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Vor allem im Osten des Landes müssen sie entwürdigende und die persönliche Freiheit einschränkende Witwenzeremonien über sich ergehen lassen. Z.B. werden sie gezwungen, sich den Kopf zu rasieren oder das Haus für einen bestimmten Zeitraum nicht zu verlassen oder sind rituellen Vergewaltigungen ausgesetzt. Darüber hinaus können Frauen im Norden zum Teil keiner beruflichen Betätigung nachgehen, weil sie die familiäre Wohnung ohne Begleitung eines männlichen Angehörigen nicht verlassen dürfen (AA 5.12.2020). Die geschlechtsspezifische Diskriminierung im Rechtssystem konnte allerdings reduziert werden (BS 2020; vgl. LHRL 9./10.2019).

Frauen ist es in Nigeria gesellschaftlich nicht zugedacht, Karriere zu machen. Männer gelten als Versorger der Familie (WRAPA 9./10.2019). Auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) spielen Frauen kaum eine Rolle. Jene mit Sekundär- und Tertiärbildung haben Zugang zu Arbeitsplätzen in staatlichen und öffentlichen Institutionen. Immer mehr Frauen finden auch Arbeit im expandierenden Privatsektor (z.B. Banken, Versicherungen, Medien). Einige Frauen besetzen prominente Posten in Regierung und Justiz, z.B. eine Richterin beim Obersten Gerichtshof und die Finanzministerin (BS 2020).

Üblicherweise ist es für Frauen und alleinstehende Mütter möglich, Arbeit zu finden (WRAPA 9.10.2019; vgl. EMB A 9./10.2019; EMB B 9./10.2019). Die Art der Arbeit hängt von der Bildung ab (EMB A 9./10.2019). Demgegenüber stehen eine hohe Arbeitslosigkeit und ein geringes Jobangebot (WRAPA 9./10.2019; vgl. EMB B 9./10.2019). Rechtlich ist keine Vorschrift vorhanden, die gleiche Bezahlung für Frauen und Männer für gleichwertige Tätigkeiten festschreibt. Es gibt auch kein Diskriminierungsverbot bei der Einstellung von Angestellten. Im formalen Sektor bleiben Frauen unterrepräsentiert (DFAT 3.12.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Internationalen Beobachtern zufolge sind Frauen im Rahmen traditioneller und religiöser Praktiken mit erheblicher wirtschaftlicher Diskriminierung konfrontiert (DFAT 3.12.2020).

Das Gesetz Violence Against Persons Prohibition Act (VAPP) befasst sich mit sexueller, körperlicher, psychologischer und sozioökonomischer Gewalt sowie mit schädlichen traditionellen Praktiken. Laut dem VAPP stellen häusliche Gewalt, gewaltsames Hinauswerfen des Ehepartners aus der gemeinsamen Wohnung, erzwungene finanzielle Abhängigkeit, verletzende Witwenzeremonien, Genitalverstümmelung (FGM/C) usw. Straftatbestände dar (VA 20.1.2021; vgl. USDOS 30.3.2021). Durchgesetzt wird das Gesetz von NAPTIP (National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons). Mit Stand Jänner 2021 haben 20 Bundesstaaten das VAPP ratifiziert: Abia, Akwa Ibom, Anambra, Bauchi, Benue, Cross Rivers, Ebonyi, Edo, Ekiti, Enugu, FCT, Kaduna, Kwara, Lagos, Nasarawa, Ogun, Osun, Oyo, Plateau, Yobe. Mit selbem Stand sind 61 Fälle anhängig seit Inkrafttreten des Gesetzes im Jahr 2015. Es kam in diesem Zeitraum seit Inkraftreten bis Jänner 2021 zu fünf Verurteilungen auf Grundlage des VAPP (VA 20.1.2021).

Häusliche Gewalt ist weit verbreitet und wird sozial akzeptiert, die Polizei schreitet oft nicht ein. In ländlichen Gebieten zögern Polizei und Gerichte, in Fällen aktiv zu werden, in welchen die Gewalt das traditionell akzeptierte Ausmaß des jeweiligen Gebietes nicht übersteigt. Geschlechtsspezifische Gewalt ist in Nigeria auf nationaler Ebene nicht unter Strafe gestellt. Für häusliche Gewalt sieht das Gesetz [Anm.: VAPP] eine Haftstrafe von maximal drei Jahren sowie eine Geldstrafe oder eine Kombination von Haft- und Geldstrafe vor (USDOS 30.3.2021). Im Falle von häuslicher Gewalt kann sich das Opfer an die Polizei wenden, jedoch besteht das Risiko, dass die Betroffene wieder nach Hause geschickt wird (LHRL 9./10.2019; vgl. LNGO A 9./10.2019). Sollte eine Frau hingegen verletzt sein, würde der Ehemann inhaftiert werden (LHRL 9./10.2019). Abuja verzeichnet die höchste Rate von häuslicher Gewalt, auch aus diesem Grund gibt es aber in Abuja viele von Frauen geführte Haushalte. Auch in anderen Städten wie Lagos oder Port Harcourt sind Frauen nun besser sensibilisiert und verlassen Beziehungen, in denen Missbrauch vorkommt. Sie können allerdings vermehrt Stalking, Gewalt oder gar Ermordung durch den Ex-Partner ausgesetzt sein. In ländlichen Gegenden ist die Sensibilisierung der Frauen weniger vorangeschritten, und es ist für sie schwieriger, sich Gewalt in der Beziehung zu entziehen (WRAPA 9./10.2019).

Vergewaltigung steht unter Strafe. Gemäß Bundesgesetz [Anm.: VAPP] beträgt das Strafmaß zwischen zwölf Jahren und lebenslänglicher Haft für Straftäter, die älter als 14 Jahre alt sind. Es sieht auch ein öffentliches Register von verurteilten Sexualstraftätern vor. Auf lokaler Ebene sorgen Schutzbeamte, die sich mit Gerichten koordinieren, dafür, dass die Opfer relevante Unterstützung bekommen. Das Gesetz enthält auch eine Bestimmung, welche Gerichte dazu ermächtigt, Vergewaltigungsopfern eine angemessene Entschädigung zuzusprechen. Da das Bundesgesetz [Anm.: VAPP] bis dato aber nur in bestimmten Bundesstaaten ratifiziert wurde, gelten in den meisten Vergewaltigungsfällen bundesstaatliche strafrechtliche Regelungen. Vergewaltigungen bleiben weit verbreitet. Aus einer Studie geht hervor, dass 9% der Mädchen und Frauen zwischen 15 und 49 sexueller Gewalt ausgesetzt waren (USDOS 30.3.2021).

Das Bundesgesetz kriminalisiert seit 2015 weibliche Genitalverstümmlung (FGM/C) auf nationaler Ebene [Anm.: VAPP] (USDOS 30.3.2021; GIZ 12.2020b). Die Regierung verabschiedete im Jahr 2020 eine überarbeitete nationale Strategie zur Bekämpfung von FGM (USDOS 30.3.2021). Verschiedene Aufklärungskampagnen versuchen, einen Bewusstseinswandel einzuleiten. Bei der Verbreitung gibt es erhebliche regionale Unterschiede. In einigen – meist ländlichen – Regionen im Südwesten und in der Region Süd-Süd ist die Praxis weit verbreitet, im Norden eher weniger (AA 5.12.2020). Die Verbreitung von FGM ist jedenfalls zurückgegangen (NHRC 9./10.2019; vgl. LHRL 9./10.2019; WRAPA 9./10.2019).

Für Opfer von FGM/C bzw. für Frauen und Mädchen, die von FGM/C bedroht sind, gibt es Schutz und/oder Unterstützung durch staatliche Stellen und NGOs, obwohl davon auszugehen ist, dass es schwierig ist, außerhalb des FCT staatlichen Schutz zu erhalten. Die Verfassung und Gesetze sehen interne Bewegungsfreiheit für alle vor, unabhängig von Alter oder Geschlecht. Die Bewegungsfreiheit von Frauen und Kindern aus muslimischen Gemeinden in den nördlichen Regionen ist jedoch stärker eingeschränkt (UKHO 8.2019). Je gebildeter die Eltern, desto unwahrscheinlicher ist es, dass sie ihre Kinder beschneiden lassen. Wenn der Vater die Mutter bei ihrer Weigerung, das gemeinsame Kind beschneiden zu lassen, unterstützt, dann können die Eltern dies auch verhindern. Allerdings gab es v.a. in der Vergangenheit Einzelfälle, wo Großeltern ein Kind beschneiden ließen (NHRC 9./10.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2042796/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Nigeria_%28Stand_September_2020%29%2C_05.12.2020.pdf, Zugriff 17.5.2021

-        BS - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 - Nigeria Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029575/country_report_2020_NGA.pdf, Zugriff 28.5.2021

-        DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (3.12.2020): DFAT Country Information Report Nigeria, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/dfat-country-information-report-nigeria-3-december-2020.pdf, Zugriff 18.8.2021

-        EASO - European Asylum Support Office (2.2019): Country Guidance: Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2004112/Country_Guidance_Nigeria_2019.pdf, Zugriff 20.4.2020

-        EMB A - westliche Botschaft A (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation), Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf

-        EMB B - westliche Botschaft B (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation), Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2020b): Nigeria - Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/, Zugriff 18.6.2021

-        LHRL - Lokaler Menschenrechtsanwalt (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation), Quelle liegt bei der Staatendokkumentation auf

-        LNGO A - Repräsentantin der lokalen NGO A (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation), Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf

-        NHRC - National Human Rights Commission [Nigeria] (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf

-        ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2021612/NIGR_%C3%96B_Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 18.11.2020

-        UKHO - United Kingdom Home Office [Großbritannien] (8.2019): Country Information and Guidance Nigeria: Nigeria: Female Genital Mutilation (FGM), https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/825243/Nigeria_-_FGM_-_CPIN_-_v2.0__August_2019_.pdf, Zugriff 22.6.2021

-        USDOS - U.S. Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048101.html, Zugriff 26.5.2021

-        VA - Vertrauensanwalt der ÖB Abuja (20.1.2021): Bericht des VA, übermittelt via e-mail am 21.1.2021, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf

-        Vanguard (10.3.2019): Our gods will destroy you; Oba of Benin curse human traffickers, https://www.vanguardngr.com/2018/03/gods-will-destroy-oba-benin-curse-human-traffickers/, Zugriff 20.4.2020

-        WRAPA - Anisa Ari, Snr. Program Coordinator; Umma Rimi, Programme Officer, NGO Women’s Rights Advancement and Protection Alternative (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation), Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf

(Alleinstehende) Frauen: interne Relokation, Rückkehr, Menschenhandel

Letzte Änderung: 03.09.2021

Gemäß zweier Quellen einer FFM der Staatendokumentation im Oktober 2019 müssen Frauen, um einen Mietvertrag abzuschließen, einen männlichen Bürgen beibringen (WRAPA 9/10.2019; vgl. LNGO A 9/10.2019). Dies kann ein Freund, ein Kollege, oder ein Verwandter sein (WRAPA 9/10.2019). Gemäß einer anderen Quelle ist es für Frauen in Abuja kein Problem, alleine zu leben oder zu arbeiten (LNGO B 9/10.2019). Auch andere Quellen bestätigen, dass es für alleinstehende Frauen möglich ist, alleine zu leben und eine Wohnung zu mieten (EMB D 9./10.2019; vgl. EMB B 9/10.2019). Die Situation für alleinstehende Frauen ist allerdings schwierig. Sozialer Druck in Hinblick auf ein traditionelles Rollenbild besteht (WRAPA 9./10.2019). Üblicherweise ist es für Frauen und alleinstehende Mütter möglich, Arbeit zu finden (WRAPA 9.10.2019; vgl. EMB A 9./10.2019; EMB B 9./10.2019). Die Art der Arbeit hängt von der Bildung ab (EMB A 9./10.2019). Demgegenüber stehen eine hohe Arbeitslosigkeit und ein geringes Jobangebot (WRAPA 9./10.2019; vgl. EMB B 9./10.2019).

Nigeria verfügt über eine Anzahl staatlicher und halbstaatlicher Einrichtungen, insbesondere die National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons (NAPTIP), die sich um die Rehabilitierung und psychologische Betreuung rückgeführter Frauen annehmen und in jeder der sechs geopolitischen Zonen Regionalbüros unterhalten. NAPTIP kann als durchaus effektive nigerianische Institution angesehen werden und kooperiert mit mehreren EU-Staaten bei der Reintegration (ÖB 10.2020). Die Agentur ist außerdem für die Bekämpfung des Menschenschmuggels zuständig. Sie hat nach eigenen Angaben zwischen April 2019 und März 2020 von 934 (2018-2019: 938) angezeigten Fällen von Menschenhandel 210 (192) untersucht, 64 (64) Individuen strafrechtlich verfolgt und die Verurteilung von 27 (43) Schleusern erreicht (AA 5.12.2020). NAPTIP ist eine zentrale Anlaufstelle für Rückkehrerinnen und bietet unter anderem um 2.000 US-Dollar mehrmonatige Rehabilitierung (psychologische Betreuung) und Berufstraining für ehemalige Zwangsprostituierte an (ÖB 10.2020). Es gibt außerdem einige NGOs, die für zurückkehrende Frauen Unterstützung anbieten (EMB D 9./10.2019). Generell gibt es neben NAPTIP noch andere NGOs, welche über Frauenhäuser verfügen. Meist liegt der Fokus aber auf Menschenhandel (NHRC 9./10.2019). NAPTIP verfügt in Nigeria über mehrere Shelters, vermittelt Frauen aber auch an andere Organisationen – etwa MeCAHT oder WOTCLEF – weiter (NAPTIP 9./10.2019).

Vom Office of the Special Adviser to the President on Relations with Civil Society erhielt die österreichische Botschaft eine Liste mit 203 auf Seriosität/Bonität geprüften NGOs, die sich um Rehabilitierung, Fortbildung und medizinische Betreuung/Versorgung sämtlicher Bevölkerungsgruppen des Staates bemühen. Darin werden regionale bzw. das ganze Staatsgebiet umfassende Organisationen aufgelistet, die sich um Witwen, Vollwaisen, minderjährige Mütter, alleinstehende Frauen, Albinos, HIV-Positive, Ex-Häftlinge, Häftlinge, Prostituierte, Alphabetisierung, FGM oder Opfer häuslicher Gewalt bemühen. Diese Organisationen betreiben Wohn- und Bildungsmöglichkeiten für Frauen, Waisen sowie körperlich und geistig Behinderte. Zusätzlich unterstützen Gattinnen der Gouverneure eigene "pet projects". Die bekannteste Vertreterin ist Dr. Amina Titi Atiku Abubakar, Gründerin und Vorsitzende der NGO WOTCLEF, die es bis zur Akkreditierung durch die UN gebracht hat und zahlreiche Projekte im Frauenbereich unterstützt (ÖB 10.2020).

Im traditionell konservativen Norden, aber auch in anderen Landesteilen, sind alleinstehende Frauen oft erheblichem Druck der Familie ausgesetzt und können diesem häufig nur durch Umzug in eine Stadt entgehen, in der weder Familienangehörige noch Freunde der Familie leben. Im liberaleren Südwesten des Landes – und dort vor allem in den Städten – werden alleinstehende oder allein lebende Frauen eher akzeptiert (AA 5.12.2020). Die Verfassung und Gesetze sehen interne Bewegungsfreiheit für alle vor, unabhängig von Alter oder Geschlecht. Die Bewegungsfreiheit der Frauen und Kindern aus muslimischen Gemeinden in den nördlichen Regionen ist jedoch stärker eingeschränkt (UKHO 8.2019). Auch im Allgemeinen dürfte der Wechsel des Wohnortes für alleinstehende Frauen ohne Zugang zu einem unterstützenden Netzwerk schwieriger sein (UKHO 3.2019b).

Eine Auswahl spezifischer Hilfsorganisationen für Frauen:

African Women Empowerment Guild (AWEG): 29, Airport Road, Benin City, Edo State Tel.: 08023514832, 08023060147, Email: info@awegng.org, aweg95@yahoo.com, nosaaladeselu@yahoo.co.uk (AWEG o.d.a). Die AWEG ist eine ausschließlich weibliche, nicht profitorientierte NGO. Zielgruppe sind Frauen und Jugendliche. Spezielle Programme zielen darauf ab, Frauen beim Erwerb von Fähigkeiten im Bildungsbereich sowie im sozialen, ökonomischen und politischen Bereich zu unterstützen. AWEG führt Studien zu geschlechtsspezifischer Gewalt durch (AWEG o.D.b).

Women Aid Collective (WACOL), No 9 Matthias Ilo Avenue, New Haven Extension by Akanu Ibia Airport Flyover, Enugu State. Tel: +234 9060002128, Email: wacolnig@gmail.com, wacolnig@yahoo.com. WACOL ist eine Wohltätigkeitsorganisation und bietet verschiedene Unterstützung an: Schulungen, Forschung, Rechtsberatung, Unterkunft, kostenloser Rechts- und Finanzbeistand, Lösung familieninterner Konfliktsituationen, Informationen und Bücherdienste (WACOL o.D.).

Women Advocates Research and Documentation Center (WARDC), 9b james Oluleye Crescent (Harmony Enclave), off Adeniyi Jones by Koko bus stop, Ikeja, Lagos State, +(123) 443-769-456, Email: info@wardcnigeria.org (WARDC o.d.a). WARDC ist eine Frauenrechts-NGO für weibliche Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt und anderer Menschenrechtsverletzungen. Ca. sechs Frauen pro Woche werden diesbezüglich in rechtlicher und sozialer Hinsicht beraten (WARDC o.d.b.).

Womens Health and Equal Rights Initiative (WHER), Adresse nicht online verfügbar, +234 818 645 7675, Email: wher@whernigeria.org WHER ist eine NGO zur Unterstützung von Frauen im Allgemeinen und von Frauen, die Angehörige einer sexuellen Minderheit sind (WHER o.d.).

The Women’s Consortium of Nigeria (WOCON): 13 Okesuna Street, Off Igbosere Road, Lagos, Nigeria, Tel: +234 8033188767, +2349134197431, +234 8037190133, +234 8033347896, Email: wocon95@yahoo.com, info@womenconsortiumofnigeria.org (WOCON o.D.a). WOCON ist eine gemeinnützige NGO, die sich der Durchsetzung der Frauenrechte und der Erzielung von Gleichheit, persönlicher Entwicklung und Frieden widmet. Ziel ist die Aufklärung bezüglich Menschenhandel und der Kampf gegen den Menschenhandel (WOCON o.D.b).

Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA): 19, Monrovia Street, Off Aminu Kano Way, Wuse II Abuja, Tel.: 08188699961, 08172125692, 07063807887, Email: Wrapa399@gmail.com, wrapa399@yahoo.com. WRAPA ist eine Organisation, die bundesweit für Frauenrechte eintritt. Aktivitäten umfassen kostenfreie Rechtsberatung, Ausbildung, Mobilisation, Sensibilisierung und Meinungsbildung bezüglich rechtlicher Reformen. Jede Frau, die in irgendeiner Form einen Eingriff in ihre Rechte bzw. eine Diskriminierung erlitten hat, kann in den Genuss der Unterstützung von WRAPA kommen (WRAPA, o.D.).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2042796/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Nigeria_%28Stand_September_2020%29%2C_05.12.2020.pdf, Zugriff 17.5.2021

-        AWEG - African Women Empowerment Guild (o.D.a): AWEG - Contact Information, https://awegng.org/contact-us/, Zugriff 22.6.2021

-        AWEG - African Women Empowerment Guild (o.D.b): AWEG - About Us, https://awegng.org/about-us/, Zugriff 22.6.2021

-        EMB A - westliche Botschaft A (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation), Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf

-        EMB B - westliche Botschaft B (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation), Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf

-        EMB D - westliche Botschaft D (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation), Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf

-        LNGO A - Repräsentantin der lokalen NGO A (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation), Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf

-        LNGO B - Repräsentantinnen der lokalen NGO B (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation), Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf

-        NAPTIP - National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons [Nigeria] (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation), Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf

-        NHRC - National Human Rights Commission [Nigeria] (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation), Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf

-        ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052064/NIGR_%C3%96B_BERICHT_2020_10.pdf, Zugriff 28.5.2021

-        UKHO - United Kingdom Home Office [Großbritannien] (3.2019b): Country Policy and Information Note Nigeria: Internal relocation, https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/794323/CPIN_-_Nigeria_-_Internal_relocation.PDF, Zugriff 22.6.2021

-        UKHO - United Kingdom Home Office [Großbritannien] (8.2019): Country Information and Guidance Nigeria: Nigeria:Female Genital Mutilation (FGM), https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/825243/Nigeria_-_FGM_-_CPIN_-_v2.0__August_2019_.pdf, Zugriff 22.6.2021

-        WACOL - Women Aid Collective (o.D.): Homepage, https://wacolnigeria.org/, Zugriff 22.6.2021

-        WARDC - Women Advocates Research and Documentation Center (o.d.a): WARDC - Contact us, http://wardcnigeria.org/contact-us/, Zugriff 22.6.2021

-        WARDC - Women Advocates Research and Documentation Center (o.d.b): WARDC - About us, http://wardcnigeria.org/what-we-do/, Zugriff 22.6.2021

-        WHER - Womens Health and Equal Rights Initiative (o.d.): WHER about, https://whernigeria.org/about/, Zugriff 22.6.2021

-        WOCON - Women’s Consortium of Nigeria (o.D.a): WOCON - Contact, http://womenconsortiumofnigeria.org/?q=content/contact, Zugriff 22.6.2021

-        WOCON - Women’s Consortium of Nigeria (o.D.b): WOCON - About us, http://womenconsortiumofnigeria.org/?q=about-us, Zugriff 22.6.2021

-        WRAPA - Women's Rights Advancement and Protection Alternative (o.D.): FAQ, https://wrapanigeria.org/faq/, Zugriff 22.6.2021

Bewegungsfreiheit

Letzte Änderung: 03.09.2021

Die Verfassung sowie weitere gesetzliche Bestimmungen gewährleisten Bewegungsfreiheit im gesamten Land sowie Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung. Allerdings schränken Sicherheitsbeamte die Bewegungsfreiheit durch Ausgangssperren ein, vor allem in Gebieten, in denen es Terroranschläge oder ethnisch motivierte Gewalt gibt. Dies betrifft aufgrund der Operationen gegen Boko Haram und ISIS-WA v.a. die Bundesstaaten Adamawa, Borno und Yobe. Auch in anderen Bundesstaaten kommt es in Reaktion auf gewaltsame Auseinandersetzungen in ländlichen Regionen mitunter zu Ausgangssperren. Bei Operationen von Sicherheitskräften in Städten und an Hauptverkehrsstraßen werden gelegentlich Checkpoints eingerichtet (USDOS 30.3.2021).

Bürger dürfen sich in jedem Teil des Landes niederlassen (USDOS 30.3.2021). Grundsätzlich besteht in den meisten Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung, Repressionen Dritter sowie Fällen massiver regionaler Instabilität durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen (AA 5.12.2020). Prinzipiell sollte es einer Person, die von nicht-staatlichen Akteuren verfolgt wird oder die sich vor diesen fürchtet, in einem großen Land wie Nigeria möglich sein, eine interne Relokation in Anspruch zu nehmen. Natürlich müssen die jeweiligen persönlichen Umstände beachtet werden (UKHO 3.2019).

In den vergangenen Jahrzehnten hat eine fortgesetzte Durchmischung der Wohnbevölkerung auch der „Kern“-Staaten der drei Hauptethnien (Hausa-Fulani, Yoruba, Igbo) stattgefunden. So ist insbesondere eine starke Nord-Süd-Wanderung feststellbar, wodurch Metropolen wie Lagos heute weitgehend durchmischt sind. Es bestehen daher innerstaatliche Fluchtalternativen (ÖB 10.2020). Ein innerstaatlicher Umzug kann allerdings mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, an dem keine Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder der Dorfgemeinschaft leben. Angesichts der Wirtschaftslage, ethnischem Ressentiment und der Bedeutung großfamiliärer Bindungen in der Gesellschaft ist es für viele Menschen schwer, an Orten ohne ein bestehendes soziales Netz erfolgreich Fuß zu fassen. Für alleinstehende Frauen besteht zudem die Gefahr, bei einem Umzug in die Großstadt von der eigenen Großfamilie keine wirtschaftliche Unterstützung mehr zu erhalten (AA 5.12.2020).

Bundesstaats- und Lokalregierungen diskriminieren regelmäßig ethnische Gruppen, die in ihrem Gebiet nicht einheimisch sind. Dies nötigt gelegentlich Personen dazu, in jene Regionen zurückzukehren, aus denen ihre ethnische Gruppe abstammt, obwohl sie dort über keine familiäre Bindung mehr verfügen (USDOS 30.3.2021).

Für Überlandfahrten stehen mehrere Busunternehmen zur Verfügung, so z.B. ABC Transport, Cross Country Limited, Chisco und GUO Transport. Die Busse bieten Komfort, sind sicher, fahren planmäßig und kommen i.d.R. pünktlich am Zielort an. Die nigerianische Eisenbahn gilt als preisgünstiges, aber unzuverlässiges Transportmittel. Günstige Inlandflüge zwischen den Städten werden von mehreren nigerianischen Fluggesellschaften angeboten. Um innerhalb einer der Städte Nigerias von einem Ort zum anderen zu gelangen, stehen Taxis, Minibusse, Dreirad, die Ke

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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