Entscheidungsdatum
01.10.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I421 2243770-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. ÄGYPTEN, vertreten durch: BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Wien Außenstelle Wien (BFA-W-ASt-Wien) vom 25.05.2021, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte am 11.02.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde dazu noch am selbigen Tag von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Befragt zu seinen Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates gab der BF an, hierhergekommen zu sein um hier zu arbeiten und seine Familie zu unterstützen. Er werde von Moslembrüdern verfolgt und mit dem Umbringen bedroht, weil er 2012 und 2013 gegen den Präsidenten Mursi demonstriert habe. Das Dorf, wo er lebe, sei die Hochburg der Moslembrüder und gebe es in Ägypten keine Arbeite und sehe er dies als seine letzte Chance aus seinem Leben etwas zu machen.
2. Am 17.05.2021 fand eine niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) statt und führte der BF zu seinem Fluchtgrund im Wesentlichen an, dass er von den Moslembrüderschaften bedroht werde, weil er 2012 und 2013 an Demos gegen den damaligen Präsidenten Mursi teilgenommen habe und sie Fotos vom BF von Demos hätten und habe er deshalb ungefähr zehn Mal seinen Standort gewechselt, um nicht gefunden zu werden. Zuletzt sei er 2018 in Al-Ismaileya bedroht worden und sei er dann nach Alexandria gegangen. Im Jahr 2012 hätten sie den BF für zwei Wochen mitgenommen und gefoltert und zu ihm gesagt, dass es seine letzte Chance sei.
3. Mit Bescheid vom 25.05.2021, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Ägypten (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen den BF eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Ägypten zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
4. Am 08.06.2021 wurde ein Rückkehrberatungsgespräch durchgeführt und erklärte sich der BF für nicht rückkehrwillig.
5. Dagegen richtet sich die fristgerecht am 22.06.2021, beim BFA eingelangt am selbigen Tag, eingebrachte Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF das Vorbringen detailliert und lebensnah geschildert und über die drohende Verfolgung und über die Erlebnisse in Ägypten frei gesprochen habe und stütze die belangte Behörde die vermeintliche Unglaubwürdigkeit auf vermeintliche Widersprüche, welche sich bei näherer Auseinandersetzung mit dem Fluchtvorbringen des BF leicht auflösen hätten lassen können. Weiters wurde ausgeführt, dass bloße Benachteiligungen und Schikanen für sich allein genommen zwar noch keine asylrelevante Intensität begründen würden, wenn sich Eingriffe wie im Fall des BF aber derart häufen, dass ein Verbleib im Heimatland unzumutbar werde, sei auch dies als Verfolgung zu werten. Auch sei die Dauer der Terrorisierung des BF durch die Moslembrüder zu berücksichtigen und lägen keine Gründe vor, die auf einen plötzlichen Abbruch der Verfolgungshandlungen hindeuten würden. Dem BF stehe keine innerstaatliche Fluchtalternative offen und habe er mehrmals versucht, innerstaatlich zu flüchten, jedoch sei ihm der Aufbau eines normalen Lebens nie gelungen, da die Gefahr einer Verfolgung durch Moslembrüder in ganz Ägypten bestehe. Der BF sei bereits geringfügig beschäftigt und lerne die deutsche Sprache selbständig und plane sich in naher Zukunft für einen Deutschkurs anzumelden. Beantragt werde daher, eine mündliche Beschwerdeverhandlung zur Klärung des maßgeblichen Sachverhalts – inklusive der nochmaligen Einvernahme des BF anzuberaumen; den angefochtenen Bescheid – allenfalls nach Verfahrensergänzung - zu beheben, und dem BF den Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 AsylG zuzuerkennen. In eventu, den angefochtenen Bescheid – allenfalls nach Verfahrensergänzung – bezüglich des Spruchpunktes II. zu beheben und dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG zuzuerkennen; den angefochtenen Bescheid bezüglich des Spruchpunktes III. aufzuheben bzw. dahingehend abzuändern, dass die Rückkehrentscheidung aufgehoben, die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklärt und dem BF ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK erteilt wird. In eventu, den angefochtenen Bescheid – in angefochtenen Umfang – ersatzlos zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückverweisen; die ordentliche Revision zuzulassen.
6. Mit Schreiben, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht Außenstelle Innsbruck am 29.06.2021, wurde die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht Außenstelle Innsbruck vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige, ledige BF ist ägyptischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zum muslimisch-sunnitischen Glauben. Seine Muttersprache ist Arabisch. Seine Identität steht nicht fest.
Der BF reiste illegal ins Bundesgebiet ein. Der BF hält sich (seit mindestens) 11.02.2021 in Österreich auf und ist seit 15.02.2021 mit Hauptwohnsitz melderechtlich erfasst. Der BF bezieht derzeit keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.
Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Er fällt nicht unter die Risikogruppe gemäß der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über die Definition der allgemeinen COVID-19-Risikogruppe (COVID-19- Risikogruppe-Verordnung), BGBl. II Nr. 203/2020.
Der BF hat in Ägypten 12 Jahre die Schule besucht, diese mit Matura abgeschlossen und danach Wirtschaft an der Universität studiert.
Die Familie des BF, bestehend aus Mutter, zwei Brüdern und einer Schwester, lebt in Ägypten. Der Vater des BF ist verstorben. Der BF verfügt über keine Verwandten und familiären Angehörigen in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, auch nicht in Österreich.
Der BF war in Österreich von 08.02.2021 bis zum 11.02.2021 geringfügig beschäftigt, ansonsten ging er keiner regelmäßigen Erwerbstätigkeit nach.
Der BF ist strafgerichtlich unbescholten.
Der BF ist nicht Mitglied in einem Verein, hat keinen Deutschkurs besucht und weist keine Deutschkenntnisse auf. Maßgebliche private Bindungen des BF zu Österreich sind ebenfalls nicht gegeben und liegt auch keine integrative Verfestigung in sprachlicher, sozialer oder beruflicher Hinsicht vor.
1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:
Als Fluchtgrund hat der BF angegeben, dass er hierhergekommen sei um hier zu arbeiten und seine Familie zu unterstützen. Er werde von den Moslembrüdern verfolgt und mit dem Umbringen bedroht, weil er 2012 und 2013 gegen den Präsidenten Mursi demonstriert habe. Das Dorf, wo er lebe, sei die Hochburg der Moslembrüder und gebe es in Ägypten keine Arbeite und sehe er dies als seine letzte Chance aus seinem Leben etwas zu machen.
Anlässlich der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde erklärte der BF, dass er von den Moslembrüderschaften bedroht werde, weil er 2012 und 2013 an Demos gegen den damaligen Präsidenten Mursi teilgenommen habe und sie Fotos vom BF von Demos hätten und habe er deshalb ungefähr zehn Mal seinen Standort gewechselt, um nicht gefunden zu werden. Zuletzt sei er 2018 in Al-Ismaileya bedroht worden, dort habe er in einer WG gelebt und hätten die Moslembrüderschaften ihm gesagt, dass er weggehen solle. Er habe sich dann eine Woche Zeit gelassen und als sie dann wieder gekommen seien und ihm gesagt hätten, wenn er nicht mitgehe, werden sie ihn mitnehmen, habe er Geld gespart und sei dann nach Alexandria gegangen. Im Jahr 2012 hätten sie den BF für zwei Wochen mitgenommen und gefoltert und zu ihm gesagt, dass es seine letzte Chance sei.
Hinsichtlich seiner Fluchtroute gab er zu Protokoll, im Jahr 2019 Ägypten illegal mit dem Boot verlassen zu haben, danach eine Woche in Griechenland und drei Monate in Italien gewesen zu sein und sodann im Jahr 2021 illegal nach Österreich gereist zu sein.
Eine asylrelevante Verfolgung des BF durch die Moslembrüder konnte nicht festgestellt werden. Zusammengefasst konnte nicht festgestellt werden, dass der BF Ägypten aufgrund einer aktuellen, konkret gegen ihn gerichteten asylrelevanten Verfolgung maßgeblicher Intensität verlassen hat.
In Bezug auf das Fluchtvorbringen des BF und aufgrund der allgemeinen Lage im Land wird festgestellt, dass der BF im Fall seiner Rückkehr nach Ägypten mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird und seine Existenz und Grundversorgung gesichert sein wird. Weder wird ihm seine Lebensgrundlage gänzlich entzogen, noch besteht für ihn in Ägypten die reale Gefahr einer ernsthaften Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.
1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Ägypten:
Politische Lage
Die 2014 in Kraft getretene Verfassung sieht für das Land das Regierungssystem eines demokratischen Rechtsstaats vor. Viele der darin garantierten Grundrechte finden jedoch keine Anwendung, die Verfassung wird zunehmend ausgehöhlt (AA 13.6.2020). Präsident Abdel Fatah Al-Sisi regiert Ägypten seit seiner Machtübernahme auf eine immer autoritärere Weise (FH 4.3.2020; vgl. HRW 13.1.2021). Die Lage in Ägypten unter Staatspräsident Al-Sisi ist durch ein hohes Maß an staatlicher Repression und eine Politik geprägt, die – dominiert durch Militär und Sicherheitsbehörden und vermeintlich im übergeordneten Interesse der Stabilität – für oppositionspolitische Betätigungen und die Entfaltung bürgerlicher Freiheiten kaum noch Raum lässt (AA 13.6.2020; vgl. ÖB 25.11.2020).
Abdel Fatah Al-Sisi ist seit dem 8.6.2014 Präsident Ägyptens. Ende März 2014 gab er seine Kandidatur um das ägyptische Präsidentenamt bekannt. Er musste aus dem Militärdienst ausscheiden, um bei den Wahlen antreten zu können. Der Verfassung zufolge ist eine Kandidatur nur einem Zivilisten erlaubt. Al-Sisi war seit dem 12.8.2012 Minister für Verteidigung und Militärproduktion unter dem Ministerpräsidenten Hesham Kandil in der Regierung von Mohamed Mursi. Am 3.7.2013 war die Absetzung von Mursi durch das Militär erfolgt, mit Unterstützung der Bevölkerung, nachdem dieser versucht hatte, dem Präsidentenamt große Machtbefugnisse zuzuteilen, und das Land zu islamisieren. Bereits zu diesem Zeitpunkt erfolgte die de-facto Machtübernahme Al-Sisis (GIZ 6.2020a; vgl. ÖB 25.11.2020).
Der Präsident wird durch Volksabstimmung für bis zu zwei Amtszeiten gewählt. Bei den Präsidentschaftswahlen 2014 und 2018 gewann Präsident Al-Sisi mit jeweils 97% der Stimmen (FH 4.3.2020). Die Präsidentschaftswahlen im März 2018 waren weder frei noch fair. Eine politische Debatte wurde rigoros unterbunden und eine Opposition nicht zugelassen. Der aussichtsreichste Präsidentschaftskandidat, der ehemalige Stabschef der ägyptischen Streitkräfte Sami Anan, wurde nur wenige Tage nach der Ankündigung seiner Kandidatur verhaftet und blieb bis Dezember 2019 in Haft (AA 13.6.2020). Die anderen Kandidaten wurden durch Druck und unfaire Wettbewerbsbedingungen aus dem Rennen gedrängt (AA 13.6.2020; vgl. FH 4.3.2020). Die Wahl wurde durch eine geringe Wahlbeteiligung, die Nutzung staatlicher Ressourcen und Medien zur Unterstützung der Kandidatur von Al-Sisi, Einschüchterung der Wähler und Stimmenkauf beeinträchtigt. Die Wahlkommission drohte Nichtwählern mit Geldstrafen, um die Wahlbeteiligung zu erhöhen (FH 4.3.2020).
Der Großteil der Abgeordneten des von etwa 25% der ägyptischen Wahlberechtigten gewählten und im Jänner 2016 konstituierten ägyptischen Parlaments ist regierungstreu. Das Parlament führt kaum kritische Debatten und nimmt im Grunde die Rolle einer Legitimierungsinstitution für Regierungshandeln ein. Eine vergleichsweise kleine Gruppe von kritischen oppositionellen Abgeordneten erfährt immer wieder Restriktionen bis hin zu Ausschlüssen (AA 13.6.2020).
Im April 2019 trat nach einem Referendum eine Verfassungsänderung in Kraft, die dem Staatspräsidenten die Möglichkeit bietet, über die gegenwärtig festgelegten zwei Amtsperioden hinaus bis 2030 im Amt zu bleiben. Der Präsident erhielt des Weiteren mehr Macht über den Justizapparat und es kam zu einer Stärkung der Kontrolle des Militärs über das zivile Leben (DP 23.4.2019; vgl. ÖB 25.11.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033569/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_M%C3%A4rz_2020%29%2C_13.06.2020.pdf, Zugriff 18.1.2021
- DP - Die Presse (23.4.2019): Ägypten: Referendum ermöglicht al-Sisi, bis 2030 Präsident zu bleiben, https://www.diepresse.com/5617070/agypten-referendum-ermoglicht-al-sisi-bis-2030-prasident-zu-bleiben, Zugriff 18.1.2020
- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025912.html, Zugriff 18.1.2020
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (6.2020a): Ägypten - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/aegypten/geschichte-staat/, Zugriff 18.1.2020
- HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043578.html, Zugriff 18.1.2021
- ÖB - Österreichische Botschaft Kairo (25.11.2020): Asylländerbericht Ägypten 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2042213/%C3%84GYPTEN__Asyll%C3%A4nderbericht_%28ALB%29_f%C3%Bcr_2020__finale_Version_%28GZ_Kairo-%C3%96B_KONS_1165_2020%29.pdf, Zugriff 21.1.2021
Sicherheitslage
Die Bedrohung durch Terrorismus ist hoch. Anfällig für Angriffe sind z.B. religiöse Stätten, Touristenattraktionen und Regierungsgebäude (MSZ o.D.; vgl. MEAE/FD 15.1.2021, AA 21.1.2021). Der Ausnahmezustand wurde 2017 zunächst nach der Explosion mehrerer Bomben gegen Kirchen in den Gouvernements Kairo und Alexandria verhängt und in Folge immer wieder verlängert (MAE 16.1.2021; vgl. MSZ o.D., ÖB 25.11.2020, MEAE/FD 15.1.2021, AA 22.1.2021).
Die Lage auf der Sinai-Halbinsel ist sehr angespannt (MAE 16.1.2021; vgl. ÖB 25.11.2020). Der Einsatz der Sicherheitskräfte im Kampf gegen den Terrorismus hat vielfach dazu beigetragen, die Spannungen zwischen Beduinen und den staatlichen Institutionen zu verschärfen (AA 13.6.2020). Beduinenstämme sind für Einschüchterungsversuche und Gewalttaten verantwortlich (MAE 16.1.2021).
Terroristische Organisationen sind vor allem, aber nicht ausschließlich, in den nordöstlichen Teilen des Gouvernements Sinai aktiv (OSAC 30.4.2020; vgl. MAE 16.1.2021). Die meisten Anschläge im Nordsinai richten sich gegen militärische Einrichtungen und Personal (OSAC 30.4.2020; vgl. ÖB 25.11.2020). Sowohl Terroranschläge als auch Militäroperationen führen immer wieder zu zivilen Opfern (FH 4.3.2020; vgl. OSAC 30.4.2020, ACLED 14.5.2020).
Im Jahr 2018 führte die „Operation Sinai 2018“ zu einer deutlichen Intensivierung der militärischen Aktivitäten im Nordsinai (OSAC 30.4.2020; vgl. MAE 16.1.2021, MEAE/FD 15.1.2021, ÖB 25.11.2020). Die Kämpfe zwischen Sicherheitskräften und Anhängern des Islamischen Staates (IS) in der Region Nordsinai dauern weiterhin an (FH 4.3.2020; vgl. OSAC 30.4.2020, MEAE/FD 15.1.2021, AI 18.2.2020, ÖB 25.11.2020), wenn auch deren Häufigkeit reduziert wurde (AI 18.2.2020; vgl. ÖB 25.11.2020). Im Sog der Gesundheitskrise und öffentlichen Unordnung im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie konnte der Islamische Staat seine Aktivitäten auf der Halbinsel Sinai jedoch wieder verstärken (ACLED 14.5.2020, 9.4.2020).
Das Wüstengebiet von der libyschen Grenze im Westen bis zur sudanesischen Grenze im Süden ist ein Risikogebiet, in dem die Streitkräfte regelmäßig Operationen gegen Schlepper durchführen (MEAE/FD 15.1.2021; vgl. ÖB 25.11.2020) und Terroristen Anschläge verüben (OSAC 30.4.2020). Die Infiltration von terroristischen Elementen aus Libyen kann nicht ausgeschlossen werden (MEAE/FD 15.1.2021).
Es kommt gelegentlich zu Attentaten in den Großstädten (ÖB 25.11.2020).
In Ägypten sind folgende terroristische Organisationen aktiv. Der Islamischer Staat - Wilayat Sinai (auch: Ansar Bayt al-Maqdis - ABM) ist die aktivste Terrorgruppe in Ägypten (OSAC 30.4.2020; vgl. ÖB 25.11.2020). Darüber hinaus gibt es den Islamischen Staat in Ägypten, Harakat Sawa'd Misr (HASM), Liwa al-Thawra, mit al-Qaida verbundene Gruppen, Harket Elmokawma Elsha'biya alias "Volkswiderstand" und andere verschiedene kleinere Terrorgruppen (OSAC 30.4.2020). Seit Mitte 2016 sind die neuen Terrorgruppen HASM und „Liwaa al-Thawra“ mit islamistisch-nationalistischer Ausrichtung im ägyptischen Kernland für mehrere schwere Anschläge, v.a. gegen Sicherheitskräfte u. Justiz, verantwortlich. Anschläge haben seit 2019 etwas abgenommen aber nicht aufgehört (ÖB 25.11.2020).
Das Antiterrorismusgesetz von 2015 sieht für Journalisten empfindliche Geldstrafen für das Abweichen von der offiziellen Linie der Berichterstattung, etwa über Terroranschläge, vor (AA 13.6.2020; vgl. RSF 2020) und gelegentlich wird die Berichterstattung vollständig untersagt (ACLED 14.5.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033569/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_M%C3%A4rz_2020%29%2C_13.06.2020.pdf, Zugriff 18.1.2021
- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.1.2019): Ägypten - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung und COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/aegyptensicherheit/212622, Zugriff 29.1.2021
- ACLED - Armed Conflict Location and Event Data Project (14.5.2020): CDT Spotlight: Egypt, https://acleddata.com/2020/05/14/cdt-spotlight-egypt/, Zugriff 29.1.2021
- ACLED - Armed Conflict Location and Event Data Project (9.4.2020): CDT Spotlight: Islamic State Attacks, https://acleddata.com/2020/04/09/cdt-spotlight-renewed-attacks-by-the-islamic-state/, Zugriff 29.1.2021
- AI - Amnesty International (18.2.2020): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2019 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025829.html, Zugriff 19.1.2021
- BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (18.12.2020): Reiseinformation, Ägypten - Sicherheit & Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aegypten/, Zugriff 22.1.2021
- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025912.html, Zugriff 18.1.2020
- MAE - Ministero degli Affari Esteri e della Cooperazione Internazionale [Außenministerium Italien] (16.1.2021): Viaggiare Sicuri informatevi – Egitto, http://www.viaggiaresicuri.it/country/EGY, Zugriff 29.1.2021
- MEAE/FD - Ministère de l’Europe et des Affaires Étrangères / France diplomatique [Außenministerium Frankreich] (15.1.2021): Egypte - Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/egypte/#securite, Zugriff 29.1.2021
- MSZ - Ministerstwo Spraw Zagranicznych / Außenministerium Polen (o.D.): Informacje dla podró?uj?cych – Egipt, https://www.gov.pl/web/dyplomacja/egipt, Zugriff 20.1.2021
- ÖB - Österreichische Botschaft Kairo (25.11.2020): Asylländerbericht Ägypten 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2042213/%C3%84GYPTEN__Asyll%C3%A4nderbericht_%28ALB%29_f%C3%Bcr_2020__finale_Version_%28GZ_Kairo-%C3%96B_KONS_1165_2020%29.pdf, Zugriff 21.1.2021
- OSAC - Overseas Security Advisory Council (30.4.2020): Egypt 2020 Crime & Safety Report, https://www.osac.gov/Country/Egypt/Content/Detail/Report/d1dea62c-57dd-4b34-bbb1-189224fb1423, Zugriff 29.1.2021
- RSF - Reporters sans frontières / Reporter ohne Grenzen (2020): Ägypten, https://www.reporter-ohne-grenzen.de/aegypten, Zugriff 28.1.2021
Folter und unmenschliche Behandlung
Die Verfassung besagt, dass einer Person, die die Behörden inhaftiert oder festgenommen haben, keine Folter, Einschüchterung, Nötigung oder körperlicher oder moralischer Schaden zugefügt werden darf. Das Strafgesetzbuch verbietet Folter zur Erlangung eines Geständnisses, berücksichtigt aber keinen psychischen Missbrauch (USDOS 11.3.2020). Folter ist in offiziellen und inoffiziellen Haftanstalten weit verbreitet und nur in einzelnen Fällen werden Polizeibeamte strafrechtlich verfolgt (AI 18.2.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).
Folter wird durch ägyptische Sicherheitsbehörden in unterschiedlichen Formen und Abstufungen praktiziert. In Polizeigewahrsam sind Folter und Misshandlungen weit verbreitet. In diesem Zusammenhang kommt es auch zu Todesfällen in Haft. Menschenrechtsverteidiger kritisierten, dass Beweise, die zu Verurteilungen in Strafverfahren führten, unter Folter gewonnen werden (AA 13.6.2020; USDOS 11.3.2020). Betroffen waren bisher vor allem Muslimbrüder und Islamisten. In letzter Zeit werden aber auch verstärkt Mitglieder der Zivilgesellschaft und Oppositionelle Opfer von Folter. Folter wird als Mittel zur Informationsgewinnung, Abschreckung und Einschüchterung eingesetzt (AA 13.6.2020). Regierungsbeamte leugnen, dass die Anwendung von Folter systematisch sei. Der Bericht des UN-Ausschusses gegen Folter von 2017 kam hingegen zu dem Schluss, dass Folter eine systematische Praxis ist (USDOS 11.3.2020).
Extralegale Tötungen werden im Zusammenhang mit dem staatlichen Vorgehen gegen Islamisten verübt. Willkürliche Festnahmen und erzwungenes Verschwindenlassen, Inhaftierungen durch die Sicherheitsbehörden über längere Zeiträume ohne Anklage und Benachrichtigung von Angehörigen und Rechtsbeiständen sind verbreitet und üblich. Die Zahl solcher Fälle ist zuletzt im Zuge der verstärkten Repression gegen die politische Opposition stark angestiegen (AA 13.6.2020; vgl. HRW 13.1.2021).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033569/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_M%C3%A4rz_2020%29%2C_13.06.2020.pdf, Zugriff 18.1.2021
- AI - Amnesty International (18.2.2020): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2019 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025829.html, Zugriff 19.1.2021
- HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043578.html, Zugriff 18.1.2021
- USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026355.html, Zugriff 19.1.2021
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition
Die Verfassung garantiert die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit. Die Versammlungsfreiheit setzt eine gesetzlich vorgeschriebene Anmeldung voraus. Die Vereinigungsfreiheit wird durch das Gesetz erheblich beschränkt (USDOS 11.3.2020).
Die in der Verfassung garantierte Versammlungsfreiheit wird durch das im November 2013 in Kraft getretene Demonstrationsgesetz weitgehend eingeschränkt. Seither müssen Demonstrationen im Vorfeld genehmigt werden. Zivilgesellschaftliche Akteure berichten von Problemen bereits bei der Antragsstellung und von Ablehnungen ohne Angaben von Gründen. In der Nähe von Militäreinrichtungen sind Versammlungen generell verboten. Bei Verstößen drohen lange Haftstrafen (AA 13.6.2020; vgl. USDOS 11.3.2020, FH 4.3.2020).
Meist kleinere Proteste finden manchmal ohne Einmischung der Regierung statt. In den meisten Fällen setzt die Regierung das Gesetz zur Einschränkung von Demonstrationen rigoros durch, in einigen Fällen unter Anwendung von Gewalt; auch bei friedlichen Demonstrationen (USDOS 11.3.2020; vgl. AI 2.10.2020). Tausende von Menschen sind in Untersuchungshaft, oft nur, weil sie ihr Recht auf friedliche Versammlung und freie Meinungsäußerung ausübten; viele davon über die gesetzlich vorgesehene Zweijahresfrist hinaus (HRW 13.1.2021). Im Rahmen des aktuell andauernden Ausnahmezustands wird das Recht auf Versammlungsfreiheit noch weiter eingeschränkt. Gegen die wenigen Proteste geht die Polizei weiterhin mit Härte häufig schon präventiv vor, so dass geplante Demonstrationen praktisch unmöglich geworden sind (AA 13.6.2020).
Im März, September und Oktober 2019 reagierten die Behörden auf friedliche Proteste mit unrechtmäßiger Gewaltanwendung, willkürlichen Massenverhaftungen, unverhältnismäßigen Straßensperren und Zensur (AI 18.2.2020; vgl. AA 13.6.2020, FH 4.3.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033569/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_M%C3%A4rz_2020%29%2C_13.06.2020.pdf, Zugriff 18.1.2021
- AI - Amnesty International (2.10.2020): Egypt: Rare protests met with unlawful force and mass arrests, https://www.amnesty.org/en/latest/news/2020/10/egypt-rare-protests-met-with-unlawful-force-and-mass-arrests/, Zugriff 28.1.2021
- AI - Amnesty International (18.2.2020): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2019 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025829.html, Zugriff 19.1.2021
- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025912.html, Zugriff 18.1.2020
- HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043578.html, Zugriff 18.1.2021
- USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026355.html, Zugriff 19.1.2021
Opposition
Rechtlich gesehen ist die Bildung politischer Parteien erlaubt und diese dürfen auch operieren. In der Praxis gibt es keine politischen Parteien, die der herrschenden Partei Widerstand bieten (FH 4.3.2020). Nennenswerte Handlungsspielräume für politische Opposition existieren nicht. Seit 2018 geht die Regierung gegen die Opposition zunehmend repressiv vor. In einem politischen Klima, in dem die gegenwärtige Politik unter Staatspräsident Al-Sisi als nationaler Überlebenskampf gegen Terrorismus und fremde Einflüsse legitimiert wird, steht oppositionelle Betätigung unter dem Generalverdacht der Staatsfeindlichkeit. Kritik am Präsidenten wird zunehmend strafrechtlich geahndet (AA 13.6.2020; vgl. ÖB 25.11.2020, FH 4.3.2020, USDOS 11.3.2020).
Die oppositionelle Muslimbruderschaft, die im Volk nach wie vor über eine eigene Anhängerschaft verfügt, ist als Terrororganisation klassifiziert und verboten. Ein Großteil der Führungskader befindet sich in Haft oder im Exil. Auch liberale Aktivisten sind zunehmend Ziel von Verfolgungsmaßnahmen und einem harten, oft willkürlichen Vorgehen seitens der Sicherheitsbehörden (AA 13.6.2020; vgl. ÖB 25.11.2020, FH 4.3.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033569/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_M%C3%A4rz_2020%29%2C_13.06.2020.pdf, Zugriff 18.1.2021
- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025912.html, Zugriff 18.1.2020
- ÖB - Österreichische Botschaft Kairo (25.11.2020): Asylländerbericht Ägypten 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2042213/%C3%84GYPTEN__Asyll%C3%A4nderbericht_%28ALB%29_f%C3%Bcr_2020__finale_Version_%28GZ_Kairo-%C3%96B_KONS_1165_2020%29.pdf, Zugriff 21.1.2021
- USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026355.html, Zugriff 19.1.2021
Bewegungsfreiheit
Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Inland, Auslandsreisen, Auswanderung und Wiedereinbürgerung vor. Zudem darf laut Verfassung kein Bürger daran gehindert werden, das Staatsgebiet zu verlassen. Dennoch dürfen Männer, die den Wehrdienst nicht absolviert und keine Ausnahmegenehmigung erhalten haben, nicht ins Ausland reisen oder auswandern. Nationale Personalausweise belegen den Abschluss des Militärdienstes (USDOS 11.3.2020).
Die Behörden verlangten sporadisch, dass Bürger im Alter von 18 bis 40 Jahren eine Erlaubnis des Innenministeriums vorlegen, um in bestimmte Länder zu reisen. Dies soll den Beitritt zu terroristischen Gruppen erschweren und die Flucht von Kriminellen verhindern (USDOS 11.3.2020).
Die Regierung verhängt zunehmend Reiseverbote für Menschenrechtsverteidiger und politische Aktivisten, die wegen Straftaten angeklagt oder untersucht wurden. Weiters gibt es kein von der Regierung auferlegtes Exil, und die Verfassung verbietet der Regierung, Bürger auszuweisen oder Bürgern die Rückkehr ins Land zu verbieten. Einige Politiker leben freiwillig außerhalb des Landes, da sie von der Regierung mit Strafverfolgung bedroht wurden (USDOS 11.3.2020).
Zu internen Ausweichmöglichkeiten liegen keine belastbaren Erkenntnisse vor. Es ist grundsätzlich von einer unterschiedslosen Verfolgungspraxis auszugehen. Allerdings kann zumindest bei vergleichsweise minder schweren Verfolgungsgründen (z.B. niedrigschwelligem oppositionellen Engagement) der Ortswechsel innerhalb des Landes dazu führen, dass die Betroffenen unbehelligt bleiben. Auf dem Nordsinai und in entlegenen Wüstenregionen ist das staatliche Gewaltmonopol zum Teil faktisch eingeschränkt. Bei geschlechtsspezifischen Verfolgungsgründen (z.B. Genitalverstümmelung, sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt) ist eine interne Ausweichmöglichkeit keine realistische Option (AA 13.6.2020). Die Regierung versucht, den Zugang zum Nordsinai einzuschränken (USDOS 11.3.2020).
Es besteht keine zentrale Meldepflicht (DEB 3.2014). Die Wohnadresse wird auf dem Personalausweis angeführt. Bei einem Umzug muss die Adresse aktualisiert werden. Es gibt aber keine Überprüfung der Wohnsitzdaten durch die Meldebehörde, wodurch veraltete oder falsche Adressen unentdeckt bleiben und es gibt keine Strafe für die Nichtaktualisierung der Adresse (DFAT 17.6.2019). Bei Forderungen gegen unbekannt verzogene ägyptische Staatsangehörige ist daher der Versuch einer Aufenthaltsermittlung nahezu aussichtslos (DEB 3.2014).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033569/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_M%C3%A4rz_2020%29%2C_13.06.2020.pdf, Zugriff 18.1.2021
- DEB - Deutsche Botschaft Kairo (03.2014): Rechtsverfolgung in Ägypten in Zivil- und Handelssachen, https://kairo.diplo.de/blob/1504098/ed993d3218a2f43cdbae47f47c9650da/merkblatt-rechtsverfolgung-in-aegypten-data.pdf, Zugriff 21.1.2021
- DFAT – Department of Foreign Affairs and Trade / Australian Government (17.6.2019): DFAT Country Information Report – Egypt, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-information-report-egypt.pdf, Zugriff 21.1.2021
- USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026355.html, Zugriff 19.1.2021
Grundversorgung und Wirtschaft
Subventionen zur Absicherung der Grundversorgung der ägyptischen Bevölkerung haben eine lange Tradition und zehren einen erheblichen Teil des Staatshaushaltes auf. Daran ändert auch das mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vereinbarte Reformprogramm, das Kürzungen der staatlichen Subventionen für Elektrizität, Treibstoff, aber auch für Brotgetreide einschließt, nichts. So wurde z.B. nach Kürzung von Subventionen im Sommer 2017 und damit verbundenen Preissteigerungen die Zahl der Berechtigten für Lebensmittelkarten erhöht (bisher schon ca. 70 Mio. Personen) und auch der Umfang der über diese Karten zu beziehenden Güter nochmals ausgedehnt. Nicht-Ägypter haben keinen Zugang zu diesem System (AA 13.6.2020).
Ein weiteres Instrument der sozialen Sicherung liegt im Mietrecht begründet. Für einen Großteil von Mietverträgen, die in den 1950er- und 1960er-Jahren geschlossen und seitdem innerhalb der Großfamilie weitergegeben wurden, gilt noch eine Mietpreisbindung, die im Altbestand zu teilweise grotesk niedrigen Mieten führt. Für neue Verträge seit ca. 1990 gelten ohnehin die Gesetze des Marktes. Im Rahmen der Erschließung von Wüstenregionen wird ein gewisser Prozentsatz an Land und Wohnungen an arme Bevölkerungsteile verlost (AA 13.6.2020).
Im Rahmen von zwei Sozialhilfeprogrammen KARAMA und TAKAFUL werden zudem verstärkte Schritte für eine gezielte Unterstützung der Ärmsten vorgenommen. Das Karama Projekt sieht monatliche Geldleistungen im Umfang von 40-80 USD an besonders Bedürftige sowie an ältere Menschen und Behinderte vor. Das konditionierte Takaful Projekt zielt auf die finanzielle Unterstützung von Familien mit Kindern ab, vorausgesetzt diese besuchen regelmäßig eine Schule (AA 13.6.2020).
Darüber hinaus existiert ein zwar in seiner Leistungsfähigkeit beschränktes, aber funktionierendes Sozialversicherungssystem, welches Arbeitslosen-, Kranken-, Renten- und Unfallversicherungselemente enthält und von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemeinsam bezahlt wird. Die größten Probleme ergeben sich hier aus relativ geringen tatsächlichen Auszahlungen und der Nichterfassung der großen Anzahl an Personen ohne formelle Erwerbsaktivitäten (informeller Sektor) bzw. solche die arbeitslos sind (AA 13.6.2020; vgl. USSSA 9.2019). Einen erheblichen Beitrag zur sozialen Sicherung leisten karitative Einrichtungen, vornehmlich auf religiöser Basis und wohltätige Stiftungen (AA 13.6.2020).
Subventionsabbau droht – trotz langsam sinkender Inflation und sozialen Gegenmaßnahmen der Regierung die wirtschaftliche Situation vor allem der armen Segmente der Gesellschaft weiter zu verschlechtern. Bisher hat sich der latent in der Bevölkerung vorhandene Unmut nur punktuell manifestiert. Viel wird davon abhängen, wie schnell eine wirtschaftliche Erholung auch diese Schichten erfasst. Daneben zeichnet sich ab, dass Militär und auch Sicherheitsdienste in sozialen Bereichen, beispielsweise in der Verteilung von Lebensmitteln, einspringen und staatliche Aufgaben verstärkt substituieren (AA 13.6.2020).
Ägypten hat per se gute Voraussetzungen um im globalen Wettbewerb zu bestehen und verfügt über eine verhältnismäßig gut diversifizierte Wirtschaft, was bei der Absorbierung von externen wie internen Schocks hilft (WKO 9.2020). Der Dienstleistungssektor absorbiert einen erheblichen Teil der Erwerbstätigen und erwirtschaftet große Teile des Bruttoinlandsproduktes. Einen maßgeblichen Beitrag leistet hierbei der Tourismusbereich (AA 24.6.2019c). Der Dienstleistungssektor bietet rund 50 % der ägyptischen Arbeitskräfte eine Beschäftigung und trägt etwa die Hälfte des BIP bei (GIZ 11.2020c). Schätzungsweise 63 Prozent aller ägyptischen Arbeitskräfte gehören dem informellen Sektor an; er umfasst fast 50 Prozent aller nicht-landwirtschaftlichen Arbeitsplätze einen überwältigenden Anteil von 30-40 Prozent der Wirtschaft des Landes (MEI 22.6.2020; vgl. WKO 9.2019).
Die dramatischen Preiserhöhungen für Grundlebensmittel in den letzten Jahren verschärften den Kaufkraftverlust und trafen vor allem die unteren Einkommensschichten, die mehr als die Hälfte ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben. Die Einkommensverteilung hat sich in den letzten drei Jahrzehnten immer stärker zuungunsten der unteren Einkommensschichten entwickelt (GIZ 11.2020c).
Die staatlichen Maßnahmen zur Armutsbekämpfung werden heute weithin als unzulänglich kritisiert. Sie bestehen im wesentlichen aus nicht zielgruppenorientierten Subventionen für Grundnahrungsmittel und Energie, extrem niedrigen Sozialhilfe- und Pensionszahlungen für bestimmte Bevölkerungsgruppen sowie Kredit-, und Entwicklungsprogrammen des Sozialfonds für Entwicklung (SfD), die jedoch weit hinter dem Bedarf zurück bleiben (GIZ 11.2020c).
Die Armutsquote (2019) ist auf ca. 32,5 % gestiegen (die höchste seit 2000). Rund 8,6 % der Bevölkerung sind arbeitslos und ca. 17 % der Familien werden von Frauenarbeit (im informellen Sektor) unterstützt (GIZ 11.2020c). Über USD 20 Mrd. werden jährlich von ägyptischen Migranten aus dem Ausland rücküberwiesen. Diese Überweisungen sind für die Bevölkerung und den Konsum unverzichtbar (WKO 9.2020).
Das dreijährige IWF-Hilfs- und Reformprogramm inklusive Subventionskürzungen ist abgeschlossen. Nun müssen die positiven makroökonomischen Effekte auch die Bevölkerung erreichen. Weiterhin ist der Plan mit einem Wirtschaftswachstum von 6% dem hohen Bevölkerungswachstum entgegenzuwirken. Im Wirtschafts- und Finanzjahr (Juli bis Juni) 2018/2019 konnte mit einem BIP-Wachstum von 5,6 % der höchste Wert in 10 Jahren erreicht werden. Mittelfristig verfolgt Ägypten einen Top-Down-Ansatz mit Megaprojekten (Infrastruktur, Landwirtschaft) durch den Staat und das Militär (WKO 9.2020).
Im Wirtschafts- und Finanzjahr (Juli bis Juni) 2019/2020 konnte trotz COVID-19 im 2. Quartal 2020 noch ein Wachstum von 3,5 % (Ziel war 6 %) erreicht werden. Laut IWF soll Ägypten mit einem Plus von 2 Prozent im Jahr 2020 eines der wenigen Länder mit einem Wirtschaftswachstum sein. Obgleich ein so geringes Wachstum kein Grund zum Feiern ist, steht Ägypten im internationalen Vergleich laut div. Analysten verhältnismäßig gut da. Bemerkenswert ist ein vom Präsidenten angekündigtes und bereits teilweise umgesetztes Rettungs- bzw. Konjunkturpaket über 100 Mrd. Ägyptische Pfund (ca. 6 Mrd. Euro). Manche Analysten beurteilen die Lage etwas prekärer und sehen 30 % des nominalen BIP gefährdet. Da sämtliche Einnahmequellen Ägyptens wohl teils massive Einbrüche (v.a. Tourismuseinnahmen, Remittances, Suezkanalgebühren, ausländische Investitionen) verzeichnen werden, steht die ägyptische Wirtschaft jedenfalls vor neuen Herausforderungen (WKO 9.2020).
Im Zuge der COVID-19-Pandemie ist die offizielle Arbeitslosenrate zum Ende des 2. Quartals 2020 auf 9,6 % gestiegen; von 7,5 % zum selben Zeitpunkt im Jahr zuvor bzw. 7,7 % zum Ende des 1. Quartals 2020 (AN 17.8.2020). Zum Ende des 3. Quartals 2020 ist die Arbeitslosenrate auf 7,3 % gesunken, wobei die Arbeitslosenrate unter Männern bei 5,8 % und bei Frauen bei 15,2 % lag (ET 15.12.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033569/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_M%C3%A4rz_2020%29%2C_13.06.2020.pdf, Zugriff 18.1.2021
- AN - Arab News (17.8.2020): Egypt’s unemployment rate rises due to coronavirus, https://www.arabnews.com/node/1720631/business-economy, Zugriff 1.2.2021
- ET - Egypt Today (15.12.2020): Decline in 2020 unemployment rate shows Egypt's economic progress amid COVID-19 crisis : Cabinet, https://www.egypttoday.com/Article/3/95376/Decline-in-2020-unemployment-rate-shows-Egypt-s-economic-progress, Zugriff 1.2.2021
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2020c): LIPortal - Das Länder-Informations-Portal: Ägypten - Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/aegypten/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 20.1.2021
- MEI - Middle East Institute (22.6.2020): Egypt’s sizeable informal economy complicates its pandemic response, https://www.mei.edu/blog/egypts-sizeable-informal-economy-complicates-its-pandemic-response, Zugriff 20.1.2021
- USSSA - U.S. Social Security Administration (9.2019): Social Security Programs Throughout the World: Africa, 2019 – Egypt, https://www.ssa.gov/policy/docs/progdesc/ssptw/2018-2019/africa/egypt.pdf, Zugriff 1.2.2021
- WKO - Wirtschaftskammer Österreich | AußenwirtschaftsCenter Kairo (22.9.2020): Außenwirtschaftsbericht Ägypten, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/aegypten-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 21.1.2021
Rückkehr
Formale staatliche Institutionen für die Aufnahme von Rückkehrern sind hier nicht bekannt. Zur Situation von Rückkehrern liegen keine Erkenntnisse vor. Staatliche Maßnahmen als Reaktion auf Asylanträge im Ausland sind nicht bekannt (AA 13.6.2020).
Von repressiven Maßnahmen gegen zurückgekehrte Aktivisten und ihre Familienangehörigen ist, angesichts der allgemeinen Repression gegen Angehörige der Organisation im Land, bei Führungskadern auszugehen. Prominente regimekritische Aktivisten müssen mit Ausreisesperren, Inhaftierung und Strafverfolgung rechnen. Der ägyptische Staat stellt Nachforschungen zu exilpolitischen Aktivitäten im Ausland und daran beteiligten Personen an. Vermutete politische Aktivitäten im Ausland können selbst bei nur kurzen Aufenthalten (z.B. zur Teilnahme an Seminaren) zu längeren Befragungen, und nach Rückkehr u.U. zu Festsetzungen durch die Sicherheitsbehörden führen (AA 13.6.2020).
Alle ein- oder ausreisende Personen (Ägypter und Ausländer gleichermaßen) werden mit dem nationalen Fahndungsbestand abgeglichen. Ägyptische Staatsangehörige können bei freiwilliger Rückkehr nicht ohne Vorlage einer ägyptischen ID oder eines von einer ägyptischen Auslandsvertretung ausgestellten Reisedokumentes (Laissez-Passer) wieder nach Ägypten einreisen (AA 13.6.2020).
IOM betreibt seit 1991 ein Regionalbüro in Kairo und führt eine Vielzahl von Unterstützungsprojekten für Migranten und Rückkehrer durch (AA 13.6.2020). Unter Anderem gibt es finanzielle Unterstützungsleistungen für Rückkehrer beispielsweise bei Firmengründungen. Die Hilfe für unbegleitete Migrantenkinder (UMCs), die alleine das Mittelmeer auf der Suche nach einem neuen Leben in Europa überquerten, wird ausgeweitet. Es werden erhebliche Anstrengungen unternommen, um sicherzustellen, dass das Wohl des Kindes bei Rückkehr und Reintegration im Mittelpunkt steht (IOM o.D.).
Für die Einreise ist ein negativer PCR-Test erforderlich, der nachweislich nicht älter als 72 Stunden sein darf, bei Einreise über die Flughäfen von London Heathrow, Paris oder Frankfurt nicht älter als 96 Stunden. Das Testergebnis muss in englischer oder arabischer Sprache vorgelegt werden. Ansonsten droht eine Verweigerung der Einreise (AA 30.11.2020; vgl. USEMB 18.1.2021). Seit 17.1.2021 müssen alle Einreisenden eine 14-tägige Quarantäne antreten (USEMB 18.1.2021).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (30.11.2020): Ägypten: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung und COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/aegyptensicherheit/212622#content_5, Zugriff 21.1.2021
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033569/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_M%C3%A4rz_2020%29%2C_13.06.2020.pdf, Zugriff 18.1.2021
- IOM Egypt - International Organization for Migration (o.D.): Assisted Voluntary Return and Reintegration, https://egypt.iom.int/en/assisted-voluntary-return-and-reintegration, Zugriff 20.1.2021
- USEMB - U.S. Embassy in Egypt (18.1.2021): COVID-19 Information - Last updated: 1/18/2021, https://eg.usembassy.gov/u-s-citizen-services/covid-19-information/, Zugriff 20.1.2021
Dokumente
Totalgefälschte Reisedokumente bzw. Personenstandsurkunden sind ohne größere Schwierigkeiten auf dem Schwarzmarkt zu erlangen. Gleiches gilt für echte Dokumente mit zweifelhafter Beweiskraft. Fehlerhafte Inhalte in echten Dokumenten kommen mitunter in Personenstandsurkunden vor (AA 13.6.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033569/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_M%C3%A4rz_2020%29%2C_13.06.2020.pdf, Zugriff 18.1.2021
2. Beweiswürdigung:
Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
2.2. Zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der Erstbefragung des BF vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 11.02.2021 und der niederschriftlichen Angaben vor der belangten Behörde vom 17.05.2021, in den bekämpften Bescheid und der Angaben im Beschwerdeschriftsatz. Ergänzend wurden Auszüge des Zentralen Melderegisters (ZMR), des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister (IZR), des Betreuungsinformationssystems über die Grundversorgung (GVS) und des Strafregisters eingeholt.
2.3. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zu den Lebensumständen des BF, seiner Staatsangehörigkeit sowie seiner Volksgruppen- und Glaubenszugehörigkeit basieren auf den übereinstimmenden Ausführungen des BF sowohl vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Protokoll vom 11.02.2021, AS 19 f) als auch vor der belangten Behörde (Protokoll vom 17.05.2021, AS 69). Mangels Vorlage eines identitätsbezeugenden Dokumentes steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest.
Die Feststellung zum Aufenthalt des BF in Österreich ergibt sich aus der Aktenlage sowie aus dem entsprechenden Auszug aus dem Zentralen Melderegister.
Befragt zu seinem Gesundheitszustand gab der BF vor der belangten Behörde an, geistig und körperlich in der Lage zu sein, die Einvernahme durchzuführen und nicht in dauerhafter ärztlicher Behandlung zu sein und hat sich aus dem Akteninhalt nichts Gegenteiliges ergeben, weshalb die Feststellung zu treffen war, dass er gesund ist. Daraus lässt sich auf die Arbeitsfähigkeit des BF schließen, welche weiters im erwerbsfähigen Alter des BF begründet liegt. In der Folge ergeben sich keinerlei Hinweise medizinischer Indikatoren für die Zuordnung des jungen, gesunden BF zur COVID-19-Risikogruppe entsprechend der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über die Definition der allgemeinen COVID-19-Risikogruppe (COVID-19-Risikogruppe-Verordnung), BGBl. II Nr. 203/2020.
Aus dem Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem geht hervor, dass der BF bis 31.03.2021 Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung bezogen hat. Die Feststellungen bezüglich seiner Schulausbildung und seinem Studium gründen auf den übereinstimmenden Angaben des BF vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Protokoll vom 11.02.2021, AS 20) und der belangten Behörde (Protokoll vom 17.05.2021, AS 71) und war ihm diesbezüglich Glauben zu schenken.
Dass der BF in Ägypten noch über seine Familie verfügt, basiert auf seinen glaubhaften Angaben bei seiner Erstbefragung und vor der belangten Behörde und führte er vor der belangten Behörde zudem aus, dass er 2-3 Mal wöchentlich übers Internet in Kontakt mit ihnen stehe. Aufgrund der gleichbleibenden Angaben ist davon auszugehen, dass seine Mutter, seine zwei Brüder und seine Schwester noch in Ägypten leben und sein Vater bereits verstorben ist. Etwaige Verwandte oder Familienangehörige, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union und insbesondere in Österreich leben, führte der BF in keiner der Einvernahmen an. (Protokoll vom 11.02.2021, AS 21; Protokoll vom 17.05.2021, AS 70 f)
Die Feststellung zur geringfügigen Erwerbstätigkeit im Februar 2021 in Österreich ist im Sozialversicherungsdatenauszug ersichtlich. Wenn im Beschwerdeschriftsatz vom 22.06.2021 behauptet wird, der BF sei geringfügig beschäftigt, so geht dies weder aus dem Sozialversicherungsdatenauszug hervor, noch brachte dies der BF in seiner Einvernahme am 17.05.2021 vor (Protokoll vom 17.05.2021, AS 74).
Dass der BF nicht Mitglied in einem Verein ist, gab er vor der belangten Behörde zu Protokoll (Protokoll vom 17.05.2021, AS 74). Aus dem Verwaltungsakt ergaben sich keine Anhaltspunkte für Deutschkenntnisse und wurden auch keine Deutschkursbestätigungen vorgelegt. Die Feststellung, dass der BF über keine maßgeblichen privaten Bindungen und über keine integrative Verfestigung in sprachlicher, sozialer oder beruflicher Hinsicht verfügt ergibt sich aufgrund seines erst seit Jänner 2021 bestehenden Aufenthaltes in Österreich und seiner Angaben vor der belangten Behörde.
Die strafgerichtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus einem aktuellen Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich.
2.4. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den Angaben des BF bei der Erstbefragung und bei seiner niederschriftlichen Einvernahme. Der BF brachte zusammengefasst vor, dass er von den Moslembrüdern von 2012 bis 2018 bedroht worden sei, weil er 2012 und 2013 an Demos gegen den damaligen Präsidenten Mursi teilgenommen habe und sie davon Fotos hätten. Zuletzt sei er 2018 bedroht worden und sei er im Jahr 2012 zwei Wochen gefoltert worden. Aus diesem Grund habe er mehrmals seinen Standort gewechselt.
Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde bzw. das Gericht muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.
Generell ist zur Glaubwürdigkeit eines Vorbringens auszuführen, dass eine Aussage grundsätzlich dann als glaubhaft zu qualifizieren ist, wenn das Vorbringen hinreichend substantiiert ist; der BF sohin in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über von ihm relevierte Umstände bzw. Erlebnisse zu machen. Weiters muss das Vorbringen plausibel sein, d.h. mit überprüfbaren Tatsachen oder der allgemeinen Lebenserfahrung entspringenden Erkenntnissen übereinstimmen. Hingegen scheinen erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt einer Aussage angezeigt, wenn der BF den seiner Meinung nach, seinen Antrag stützenden Sachverhalt bloß vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt. Weiteres Erfordernis für den Wahrheitsgehalt einer Aussage ist, dass die Angaben in sich schlüssig sind; so darf sich der BF nicht in wesentlichen Passagen seiner Aussage widersprechen.
Gegenständlich konnten diese Kriterien nicht erfüllt werden, weshalb das Fluchtvorbringen als unglaubwürdig zu werten ist:
Zunächst haben sich erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt seines Vorbringens ergeben, weil der BF nicht in der Lage war, konkrete und detaillierte Angaben über von ihm relevierte Umstände bzw. Erlebnisse zu machen und seinen Sachverhalt bloß vage schilderte und von der belangten Behörde mehrmals darauf hingewiesen werden musste, ein konkretes und vollständiges Vorbringen zu erstatten.
So führte der BF aus, dass sie 2012 und 2013 mehrmals bei ihnen zuhause gewesen seien und auch mit seiner Mutter geredet hätten und ihn bedroht hätten und hätten gesagt, dass er aufhören solle und normal denken solle wie sie. Auch als die belangte Behörde die Frage wiederholte, vermochte der BF lediglich zu schildern, dass er nicht immer zuhause gewesen sei, als sie gekommen seien und sie seien dann wieder gegangen und hätten es wieder versucht. Wenn er zuhause gewesen sei, hätten sie ihn gehalten und gesagt, er solle aufhören, sonst passiere ihm etwas (Protokoll vom 17.05.2021, AS 72 f). Auf die Frage des BFA, wann die letzte Bedrohung stattgefunden hat und dass er diese vollständig und wahrheitsgemäß schildern soll, gab der BF wiederum nur zu Protokoll:
F: Wann war die letzte Bedrohung?
A: Das war in Al-Ismaileya, 2018.
F: Schildern Sie diese Bedrohung vollständig und wahrheitsgemäß!
A: Ich habe dort in einer WG gelebt, dort waren auch die Muslimbrüderschaften bei mir. Sie wurden von den anderen benachrichtigt, haben mir die Fotos von mir gezeigt. Sie sagten, ich soll von hier weggehen. Ich habe mir eine Woche Zeit gelassen, sie sind dann wieder zu mir gekommen, sagten, wenn ich nicht gehe, dann werden sie mich mitnehmen. Ich habe ihnen gesagt, dass ich gehen werde. Danach habe ich ein bisschen Geld gespart und ging nach Alexandria.
Als die belangte Behörde in weiterer Folge fragte, was zwischen 2013 und 2018 passiert ist, antwortete er vage: „Überall wo er war, passierte das Gleiche.“
Nicht nachvollziehbar ist, dass er erst, als die belangte Behörde den BF zum wiederholten Male aufforderte, ein konkretes und nachvollziehbares Vorbringen zu erstatten, zu Protokoll gab, in Al-Mansura für zwei Wochen mitgenommen und gefoltert worden zu sein und hätten sie ihm nach zwei Wochen gesagt, dass das seine letzte Chance sei und er damit aufhören solle, sonst würden sie ihn nochmal holen. Auf Nachfrage des BFA, wann genau dies passiert sei, gab er 2012 an (Protokoll vom 17.05.201, AS 73 f). Diese Angaben erscheinen insofern als unglaubwürdig, als nicht plausibel ist, warum der BF dieses Erlebnis erst auf Nachfrage der bela