TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/22 L514 2202063-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.11.2021
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Entscheidungsdatum

22.11.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §13
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch


L514 2202063-1/92E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. KLOIBMÜLLER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch die Bundesbetreuungsagentur GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.06.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 15.01.2020 und 15.04.2021 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides zu lauten hat:

„Gemäß § 55 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.“

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, lebt bereits den Großteil seines Lebens in Österreich. Er ist als Kind im Jahr 1988 im Alter von 9 Jahren nach Österreich gekommen. Der Beschwerdeführer ist immer wieder in Österreich strafrechtlich in Erscheinung getreten. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion XXXX (Fremdenpolizeiliches Büro) vom XXXX 2012, Zl. XXXX , wurde gegen den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot erlassen. Der Antrag des Beschwerdeführers vom 24.04.2014 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA) auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes wurde vom BFA mit Bescheid vom 21.10.2015 abgewiesen. Am 29.10.2015 wurde der Beschwerdeführer sodann zwecks der Durchführung und Effektuierung der bestehenden Ausreiseverpflichtung beim BFA niederschriftlich einvernommen. Im Zuge der Einvernahme stellte er in der Folge am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Dabei brachte er vor, dass er sich seines rechtswidrigen Aufenthalts im Bundesgebiet bewusst sei, sein Leben in der Türkei jedoch in Gefahr sei. Er habe in der Türkei keine Familie und auch kein Einkommen. Nach der Haftentlassung werde er bei seinen Eltern in XXXX Unterkunft nehmen.

Weil mit der Antragstellung auf internationalen Schutz der Grund für die Schubhaft weggefallen war, wurde der Beschwerdeführer am selben Tag aus der Haft im XXXX entlassen.

2.       Am 06.11.2015 wurde der Beschwerdeführer von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, Abteilung Fremdenpolizei und Anhaltevollzug, erstbefragt.

Im Rahmen der Erstbefragung brachte der Beschwerdeführer vor, dass er, XXXX heiße, am XXXX in XXXX /Türkei geboren worden sei, mit XXXX , geb. XXXX , verheiratet sei und mit ihr fünf gemeinsame Töchter habe ( XXXX ). Sie würden alle in Österreich leben. Ferner würden noch sein Vater XXXX , seine zwei Brüder, XXXX , sowie sein Halbbruder XXXX und seine Halbschwester XXXX in Österreich leben. Sein Vater und seine beiden Halbgeschwister würden die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen. Seine Ehegattin und seine Kinder und auch seine zwei Brüder würden hingegen die türkische Staatsbürgerschaft besitzen. Seine Mutter XXXX sei bereits verstorben, sie habe in der Türkei gelebt.

Des Weiteren führte der Beschwerdeführer aus, dass er bereits seit seinem 9. Lebensjahr in Österreich lebe. Damals sei er zu seinem Vater nach Österreich gekommen. Er sei in Besitz eines türkischen Reisepasses gewesen und mit dem Flugzeug von Ankara direkt nach Österreich geflogen. Anfang 2001 sei er in die Türkei zurückgekehrt, um seinen Militärdienst abzuleisten, und sei danach im Jahr 2002 wieder nach Österreich gereist. Der Militärdienst habe 18 Monate gedauert. Nach dem Militärdienst habe er seine nunmehrige Ehegattin geheiratet und sei diese ebenfalls nach Österreich gekommen. Er habe bei der Einreise auch ein Visum für Österreich gehabt. Befragt gab er weiter an, dass er seit der Verhängung des Aufenthaltsverbots durch Bescheid der BPD am 22.08.2012 Österreich nicht mehr verlassen und sich seither durchgehend in Österreich aufgehalten habe.

Zu seinem Fluchtgrund befragt führte der Beschwerdeführer aus, dass er nicht in die Türkei zurückkehren könne, weil sein Leben dort in Gefahr sei. Während seines Wehrdienstes sei er Leibwächter von zwei Generälen gewesen. Während des Ausnahmezustandes in der Türkei seien dort viele Leute der PKK hingerichtet worden, wobei man die Schuld für diese Hinrichtungen auch diesen beiden Generälen gegeben habe. Er habe Angst vor einem Racheakt, und zwar konkret vor einem Angehörigen eines Hingerichteten. Aus diesem Grund sei er auch nicht mehr in die Türkei gefahren. Da er seit Ableistung seines Wehrdienstes nicht mehr in seinem Herkunftsland gewesen sei, habe es auch keine direkte Bedrohung gegeben. Er habe keinerlei Bezug mehr zur Türkei. Seine gesamte Familie lebe in Österreich. Seine Ehegattin leide an einem Gehirntumor und sei seit dem Jahr 2005, nach einer Operation, halbseitig gelähmt. Er kümmere sich um seine Ehegattin und seine Kinder. Im Falle einer Rückkehr befürchte er, dass er getötet werde.

Zu seinen persönlichen Verhältnissen befragt gab der Beschwerdeführer an, dass seine Muttersprache Türkisch sei, er spreche jedoch auch Deutsch sowie Englisch und Serbisch. Er sei türkischer Abstammung und moslemischen Glaubens. Er habe 9 Jahre die Grundschule in Österreich besucht und dann eine Installateur-Lehre begonnen. Einen Abschluss habe er jedoch nicht. Seinen Unterhalt bestreite er derzeit von der Familienbeihilfe sowie dem Karenzgeld seiner Ehegattin und werde er auch durch seine Eltern unterstützt.

3.       Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX 2017, RK XXXX 2017, wurde der Beschwerdeführer wegen gefährlicher Drohung (gem. § 107 Abs. 1 StGB, Tatzeitpunkt XXXX 2016.) zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten verurteilt.

4.       Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 03.04.2017 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass er gem. § 13 AsylG wegen Straffälligkeit (§ 2 Abs. 3 AsylG) sein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verloren habe.

5.       Am 07.11.2017 wurde das Asylverfahren vom BFA gem. § 24 Abs.1 Z1 und Abs. 2 AsylG wegen unbekannten Aufenthalts des Beschwerdeführers eingestellt.

6.       Am 06.05.2018 wurde der Beschwerdeführer bei einem Einsatz der PI XXXX in der Wohnung seiner Freundin XXXX angetroffen und gem. § 34 Abs. 4 iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG festgenommen.

7.       Das Asylverfahren wurde in der Folge wieder aufgenommen und der Beschwerdeführer am 07.05.2018 vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Die Einvernahme wurde auf Deutsch geführt, ein türkischer Dolmetscher war dennoch anwesend. Der Beschwerdeführer gab befragt an, dass er keine Dokumente mithabe, diese jedoch nachbringen könne. Des Weiteren gab er befragt an, dass er in der Türkei nicht mit dem Gesetzt in Konflikt geraten sei und er sich auch niemals an die Behörden gewandt habe. In der Türkei habe er zuletzt in XXXX gewohnt, wo er auch geboren sei. Nach Ableistung seines Militärdienstes sei er wieder zurück nach Österreich gekommen. Er lebe derzeit bei seiner Ehegattin in XXXX . Ab und zu halte er sich jedoch auch bei seiner Freundin XXXX auf. Mit seiner Ehegattin habe er 6 gemeinsame Kinder; derzeit habe er jedoch nicht die Obsorge für seine Kinder. Uneheliche Kinder habe er nicht. Sein Vater namens XXXX sei in Österreich 25 Jahre lang bei der Firma XXXX beschäftigt gewesen, habe dann ein eigenes Restaurant eröffnet und sei mittlerweile in Pension. Seine Stiefmutter XXXX sei bei einer Reinigungsfirma beschäftigt gewesen. Sie und zwei seiner Kinder würden gemeinsam mit seinem Vater im XXXX in XXXX leben. Er habe auch vier Brüder und eine Schwester, die sich alle in XXXX niedergelassen hätten. Seit einem halben Jahr führe er eine Beziehung mit Frau XXXX . Sie würden sich ca. zwei bis drei Mal in der Woche sehen. Sonst wohne er bei seiner Ehegattin. Diese würde von der außerehelichen Beziehung wissen, er wolle ihr jedoch nicht sagen, dass sie zusammen seien, weil seine Ehegattin krank sei. In der Türkei habe er keine Familie mehr; nur die Mutter und Geschwister seiner Ehegattin würden noch in der Türkei leben. Zu diesen habe er selbst jedoch keinen Kontakt. Er gehöre der Volksgruppe der Türken an und sei Moslem mit der Glaubensrichtung Sunnit. Er habe 9 Jahre die Pflichtschule besucht. Damals sei er mit seinem Vater nach Österreich eingereist, der bereits zu diesem Zeitpunkt die österreichische Staatsbürgerschaft besessen habe. So gut sei er jedoch nicht mit seinem Vater. Im Jahr 2000 sei er wieder zurück in sie Türkei gegangen, um dort seinen Grundwehrdienst abzuleisten. Seit der Beschwerdeführer den Grundwehrdienst am XXXX 2002 abgeschlossen habe, sei er nicht mehr in der Türkei gewesen. Während seiner Zeit beim Militär habe er Geld verdient.

Seinen Unterhalt bestreite der Beschwerdeführer dadurch, indem er Geld von seiner Ehegattin bekomme, welche Geld von der MA40 (Ann. Mindestsicherung) beziehe. Früher sei er in der Grundversorgung gewesen und könne er sich nun wieder für die Grundversorgung anmelden. In der Freizeit gehe er auch „Pfuschen“, wenn er die Möglichkeit dazu habe. Sonst verbringe er Zeit mit seiner Ehegattin und seiner Familie. Er könne seine Ehegattin nicht verlassen, solange diese krank sei, weshalb er diese erst dann verlassen werde, wenn sie wieder gesund sei.

Danach befragt, wieso er untergetaucht sei, führte der Beschwerdeführer aus, dass er einfach nie zu Hause gewesen sei, als die Beamten bei ihm gewesen seien, um ihm die Ladung zur behördlichen Einvernahme zu übergeben. Da seine Ehegattin schlecht höre, habe sie die Beamten auch nicht gehört. Er sei jedoch immer an der genannten Adresse gemeldet gewesen.

Nach seinen Ausreisegründen befragt führte der Beschwerdeführer zuerst aus, dass er in Österreich für seine Familie sorgen und arbeiten wolle. Er wolle nun einen geradlinigen Weg gehen, ohne Asyl würde das nicht gehen. Die Frage ob er noch weitere Fluchtgründe habe, verneinte der Beschwerdeführer. Auf Vorhalt, wonach seine Angaben zu seinem Fluchtgrund vage und unkonkret seien, führte er anschließend aus, dass er in der Türkei 15 Monate lang einen General beschützt habe. Dieser habe XXXX geheißen. Er habe nicht gewusst, dass dieser die PKK-Terroristen unterstützt habe. Der General sei deshalb später auch verhaftet worden. Seine Leibwächter, also auch der Beschwerdeführer selbst, seien ebenfalls in den Fokus geraten. Bei Ausgängen sei er deshalb auch immer angesprochen worden. Er sei auch fotografiert worden, wenn er die Dienststelle verlassen habe. Der Vorfall sei schon lange her. Einmal sei er mit den Worten angesprochen worden „Du wirst getötet, wenn du nicht aufhörst.“. Der Beschwerdeführer habe sich nicht getraut, dies dem General zu erzählen. Er sei aber in Folge vorsichtiger und auch bewaffnet gewesen. Wenn er nun wieder zurückgehen würde, würde das wieder so sein. Während seiner Grundausbildung hätten keine Bedrohungen stattgefunden, erst zwei Monate danach, als er zur Leibwache des Generals ernannt worden sei, hätten die Drohungen begonnen. Die Drohungen hätten einmal in der Woche stattgefunden und wahrscheinlich gebe es auch Fotos. Auf Vorhalt der Behörde, er habe bei der Erstbefragung von zwei Generälen gesprochen, führte der Beschwerdeführer aus, dass der zweite General XXXX geheißen habe. General XXXX sei für die Unterstützung von Terroristen zu 21 Jahren Haft verurteilt worden. Aus diesem Grund habe auch wahrscheinlich er die ganzen Probleme bekommen. XXXX sei ein Korps-General gewesen, mit ihm habe er keine Probleme gehabt, er sei ein gemütlicher Typ gewesen und sei nur für besondere Anlässe außer Haus gegangen. Nach der Grundausbildung erfolgte eine Zuteilung und er sei dabei den Generälen zugeteilt worden. Er habe nach der Grundausbildung auch ein Schießtraining erhalten und eine Zusatzausbildung von 3-6 Monaten. XXXX sei sehr aktiv gewesen und ständig draußen; bei Opernbällen und Offizierscasinos. Es habe auch Besprechungen gegeben, wo sie in einem Anstand von ca. 5-10 Metern aufpassen hätten müssen. Zwei Monate nach der Zuteilung habe der Beschwerdeführer die Drohungen bekommen. In den Dokumenten, welche er vorlegen könne, stehe auch alles drin. Er habe die Bedrohungen vor dem General verheimlicht, damit sich dieser keine Sorgen mache. Er habe sich ohnehin gewundert, weshalb der General alles so locker sehen würde. Da habe er noch nicht gewusst, dass der General selbst involviert sei und PKK-Terroristen unterstütze. Aufgefordert eine Bedrohungshandlung so detailliert und plastisch wie möglich zu schildern, führte der Beschwerdeführer aus, dass einmal jemand zu ihm gekommen sei und gesagt habe, er solle damit aufhören den General zu beschützen, weil sie ihn sonst umbringen würden. Es sei jedes Wochenende so gewesen. Die Bedrohungen hätten immer dann stattgefunden, wenn er Ausgang gehabt habe, da ansonsten zu viele Leute bei ihm gewesen seien. Dies habe sich ungefähr fünf Monate nach der Grundausbildung zugetragen. Optisch könne er hinsichtlich seiner Bedroher nur angeben, dass diese ausgesehen hätten wie jeder anderer Türke, ein „Misch-Masch“. Es seien junge Burschen gewesen, 18-19 Jahre alt. Sie hätten ihn über einen Zeitraum von ca. vier Monaten beschimpft, gewürgt und mit dem Tode bedroht. Die erste persönliche Bedrohung sei im 7. Dienstmonat gewesen und das letzte Mal vier Monate später. Er habe wegen den Bedrohungen auch manchmal auf die Ausgänge verzichtet. Er befürchte bei einer Rückkehr getötet zu werden.

Am selben Tag wurde der Beschwerdeführer vom BFA noch über die Rechtfolgen der Wohnsitzbeschränkung gem. § 15c AsylG aufgeklärt und sodann aus dem PAZ XXXX entlassen.

8.       Am 01.06.2018 erfolgte die Mitteilung des Landesgerichts für Strafsachen XXXX an das BFA, dass der Beschwerdeführer am XXXX 2018 wegen Körperverletzung an einem Beamten und Widerstand gegen die Staatsgewalt in Untersuchungshaft genommen worden ist.

9.       Mit gegenständlich in Beschwerde gezogenen Bescheid des BFA vom 08.06.2018, Zl. 119518401/151707474-RD Wien, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a (Spruchpunkt VI.) wurde ausgesprochen, dass keine Frist zur freiwillige Ausreise bestehe. Des Weiteren wurde ausgesprochen (Spruchpunkt VII.), dass einer Beschwerde gegen die Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt wird. Festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer gem. § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 07.04.2017 verloren habe (Spruchpunkt VIII.). Schließlich wurde wider den Beschwerdeführer gem. § 53 Abs. 3 Z1 FPG ein auf 10 Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IX.).

Beweiswürdigend führte das BFA aus, dass dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers, in der Türkei aufgrund der Leibwächtertätigkeit für einen General, welcher mit PKK-Terroristen zusammengearbeitet habe, verfolgt zu werden, kein Glaube geschenkt werde. Die Schilderungen des Beschwerdeführers seien außerordentlich oberflächlich gehalten, selbst bei mehrmaligem Nachfragen sei er nicht imstande gewesen, deren Detailgrad zu erhöhen. Weder könne er umfangreiche Angaben zum Fluchtgrund machen, noch zu den Bedrohern oder den Bedrohungsszenarien. Eine Online-Recherche zu General XXXX habe zwar ergeben, dass dieser verhaftet worden sei, jedoch nicht wegen der Unterstützung der PKK. Auch bei einer Recherche zu General XXXX hätten keinerlei Informationen gewonnen werden können, welche das Vorbringen des Beschwerdeführers untermauern würden. Ferner würde es nach Ansicht der Behörde auch an einem zeitlichen Zusammenhang fehlen. Die geschilderten Bedrohungshandlungen würden zum Entscheidungszeitpunkt bereits 16 Jahre zurückliegen, es könne daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass das Leben des Beschwerdeführers deshalb in der Türkei bedroht sei. Die Behörde führte außerdem aus, dass nicht von einer Bedrohung im Heimatland ausgegangen werde, sondern die Asylantragstellung den Zweck verfolge, den Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich wieder zu legalisieren.

Spruchpunkt II. begründete die Behörde zusammengefasst damit, dass dem Beschwerdeführer keine Verletzung der von der EMRK gewährleisteten Rechte im Heimatland drohe.

Zu Spruchpunkt III. hielt das BFA fest, dass der Beschwerdeführer zwar seit seinem 9. Lebensjahr in Österreich lebe und in Österreich sozial verankert sei, die Obsorge für seine Kinder sei ihm jedoch entzogen worden und beabsichtige er auch seine Ehegattin zu verlassen. Der Beschwerdeführer sei nicht selbsterhaltungsfähig und in Österreich massiv straffällig geworden. Der Beschwerdeführer stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar und sei ihm bereits der Status eines zum Daueraufenthalt in der EU Berechtigten aberkannt worden. Seit 28.03.2014 habe er sich illegal im Bundesgebiet aufhalten. Wichtige Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich würden hingegen nicht vorliegen. Die Rückkehrentscheidung würde daher nicht auf unzulässige Weise im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK in das Recht des Beschwerdeführers auf Schutz des Familien- und Privatlebens eingegriffen.

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde (Spruchpunkt VII.) stützte die Behörde auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Straftaten eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle und sei eine negative Zukunftsprognose gegeben.

Das in Spruchpunkt IX. des Bescheides verhängte befristete Einreiseverbot für 10 Jahre wurde mit den rechtkräftigen strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers begründet. Nach einer Gesamtbeurteilung würde sich eine negative Zukunftsprognose ergeben welche aus dem bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers erstellt wurde. Der Aufenthalt stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.

10.      Mit Verfahrensanordnung vom selben Tag wurde dem Beschwerdeführer gem. § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtberater amtwegig zu Seite gestellt.

11.     Die beiden Dokumente (Bescheid und Verfahrensanordnung) wurden dem Beschwerdeführer am 25.06.2018 in der Justizanstalt XXXX zugestellt.

12.     Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer vertreten durch den Verein ARGE Rechtsberatung, Diakonie und Flüchtlingsdient, mit Schriftsatz vom 05.07.2018 fristgerecht vollumfängliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

In der Beschwerde wurde ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer in der Türkei eine unmenschliche Behandlung iSd Art 3 EMRK drohe, sowie die Abschiebung das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht des Beschwerdeführers auf ein Familien- und Privatleben verletze. Mit der Abschiebung und dem zehnjährigen Einreiseverbot würde dem Beschwerdeführer nämlich insbesondere der persönliche Kontakt mit seinen sechs in Österreich lebenden Kindern sowie die Unterstützung seiner pflegebedürftigen Ehefrau verunmöglicht werden. Der Beschwerdeführer lebe – mit lediglich einer wesentlichen Unterbrechung von etwa zwei Jahren – seit er sieben Jahre alt sei in Österreich und habe daher neben seinem Familienleben auch ein schützenswertes Privatleben aufgebaut. Die Abschiebung des Beschwerdeführers sowie das Einreiseverbot würden einen gravierenden Eingriff in die Rechte des Beschwerdeführers gemäß Art 8 EMRK darstellen, weshalb der gegenständlichen Beschwerde jedenfalls die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen sei. Der Beschwerdeführer habe in Österreich 9 Jahre die Schule besucht und eine Lehre als Installateur absolviert. Lediglich von 2001-2002 habe er seinen Militärdienst in der Türkei absolviert. Bei seiner Tätigkeit als Leibwächter von zwei Generälen sei er dort wiederholt von PKK-Terroristen mit dem Tode bedroht worden, sollte er nicht Istanbul verlassen. 2003 habe der Beschwerdeführer seine Ehegattin geheiratet, mit welcher er sechs Kinder habe. Sowohl die Ehefrau des Beschwerdeführers als auch seine sechs Kinder und seine fünf Geschwister würden in Österreich leben. Die Ehefrau des Beschwerdeführers sei aufgrund eines Tumors im Kopf halbseitig gelähmt und nahezu gehörlos. Der Beschwerdeführer müsse seine Ehegattin daher pflegen. Nach Beendigung seiner vierjährigen Lehre sei der Beschwerdeführer sechs Jahre in Österreich berufstätig gewesen. Die Obsorge über seine Kinder sei dem Beschwerdeführer zwar entzogen worden, er wolle sie jedoch zurückerlangen. Der Beschwerdeführer verfüge auch über einen ausgedehnten Freundeskreis in Österreich. Der Beschwerdeführer sei früher drogenabhängig gewesen, was zu den mehrfachen Verurteilungen geführt habe. Er sei jedoch inzwischen „clean“ und bereue seine Taten aufrichtig.

Die Länderfeststellungen seien als Begründung zur Abweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nur unzureichend, da sie sich nur am Rande mit dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers beschäftigen würden. Die PKK sei für zahlreiche Anschläge auf Zivilpersonen verantwortlich und selbst aus den Länderberichten der Behörde ergebe sich, dass die PKK einen Guerilla-Krieg führe, bei dem es regelmäßig zu Toten auch unter der Zivilbevölkerung komme. Eine entsprechende Würdigung der eigenen Berichte, sei durch die Behörde nicht erfolgt. Richtig sei, dass die Ereignisse bereits 16 Jahre zurückliegen würden, weshalb es logisch nachvollziehbar sei, dass der Beschwerdeführer sich an diese, lang zurückliegenden Ereignisse nicht mehr mit einem hohen Detailgrad erinnern könne. Einen Vorwurf an General XXXX , wonach dieser PKK-Terroristen unterstütze, habe es sehr wohl gegeben. Auch nach dieser langen Zeit bestehe im Falle einer Rückkehr noch eine Gefahr für den Beschwerdeführer.

Die Behörde sei unrichtigerweise davon ausgegangen, der Beschwerdeführer verfüge noch über Familie in der Türkei und dass er den Kontakt niemals getrennt habe. Richtig sei, dass keine Verwurzelung mit seinem Heimatstaat angenommen werden könne.

Der Beschwerdeführer wolle seine Ehegattin keineswegs verlassen, sondern sich um sie und ihre gemeinsamen Kinder kümmern. Der Beschwerdeführer führe keine ernsthafte Beziehung mit Frau XXXX , sondern sei diese lediglich eine Freundin gewesen, mit der er sich gelegentlich getroffen habe. Die belangte Behörde würde sich somit auf teils unrichtige Annahmen stützen und zwar insbesondere hinsichtlich des Vorliegens eines schützenswerten Privat- und Familienlebens. Der Beschwerdeführer werde in der Türkei von Terroristen der PKK verfolgt und mit dem Tode bedroht. Ihm sei gesagt worden, er müsse Istanbul verlassen. Bei einer Rückkehr in die Türkei wäre der Beschwerdeführer erneut Verfolgung durch die PKK ausgesetzt. Eine Schutzfähigkeit des Staates liege nicht vor, weshalb ein Asylrecht zu gewähren gewesen wäre. Da dem Beschwerdeführer in der Türkei der Tod drohe, wäre ihm zumindest der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu erteilen gewesen.

Auch wenn der Beschwerdeführer mehrmals straffällig geworden sei, müsse bei einer Abwägung all dieser Umstände davon ausgegangen werden, dass das Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich höher sei, als das Interesse Österreichs an einer Ausweisung.

Zum verhängten Einreiseverbot wurde ausgeführt, dass entgegen der Ansicht der Behörde eine positive Zukunftsprognose anzunehmen sei, da der Beschwerdeführer aufgrund der Beendigung seiner Drogenabhängigkeit seinen Lebenswandel nachhaltig zum Besseren verändert habe und zukünftig nicht mehr straffällig werden würde. Die von der Behörde angenommene Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit bestehe daher nicht, weshalb das Einreiseverbot nicht erlassen hätte werden dürfen. Die Dauer des Einreiseverbots sei überhöht und sei nicht auf die Familie (Frau und Kinder) des Beschwerdeführers Rücksicht genommen worden. Beantragt wurde letztendlich noch die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

13.      Gegenständliche Beschwerde langte samt dem bezughabenden Verwaltungsakt am 27.07.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurde an die Außenstelle Linz zuständigkeitshalber weitergeleitet.

14.      Mit Beschluss des BVwG vom 03.08.2018, L526 2202063-1/3Z, wurde der Beschwerde gem. § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

15.      Am 06.03.2019 langte bei Gericht eine Stellungnahme der belangten Behörde ein, dass die Beschwerde wegen 8-facher Verurteilung des Beschwerdeführers abzuweisen sei. Der Beschwerdeführer befinde sich momentan wieder in Haft.

16.      In Folge wurden von dem erkennenden Gericht die gekürzten Urteilsausfertigungen der strafgerichtlichen Verurteilungen, ein Kriminalpolizeilicher Aktenindex (KPA) und ein Besucherverzeichnis für die Dauer der Haft in der JA XXXX angefordert. Die Unterlagen wurden vorgelegt.

17.      Am 21.03.2019 wurde der Beschwerdeführer mittels Parteiengehör aufgefordert mit schriftlicher Stellungnahme bekanntzugeben, ob sich Änderungen hinsichtlich des Privat- und Familienlebens ergeben haben und entsprechende Bescheinigungsmittel vorzulegen. Ferner wurde erbeten Befunde der kranken Ehegattin vorzulegen.

18.      Am 03.04.2019 langte die Stellungnahme der rechtlichen Vertretung (ARGE Rechtsberatung) des Beschwerdeführers bei Gericht ein. Darin wurde ausgeführt, dass sich im Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers keine Änderung ergeben hätten. Er sei nach wie vor verheiratet und würden die Kinder ebenfalls weiterhin in Österreich leben. Der Beschwerdeführer spreche perfekt Deutsch und sei deshalb ein Dolmetscher bei der Verhandlung nicht notwendig. Hingewiesen wurde auf die gesundheitlichen Einschränkungen der Ehefrau. Zum Beweis wurden auch die angeforderten Befunde vorgelegt. Ferner wurde ausgeführt, dass die Frau nicht die notwendige Pflegeunterstützung bekomme, weshalb sich der Beschwerdeführer um eine vorzeitige Entlassung aus der Haft bemühe. An medizinischen Unterlagen betreffend der Ehegattin wurden vorgelegt: ärztliches Gutachten der PVA LSt XXXX betreffend Mindestsicherung vom 18.12.2018; MR–Befund der Krankenanstalt XXXX vom 27.08.2015, Bericht der Gynäkologischen Abteilung des KH XXXX vom 05.05.2017; Neurochirurgischer Bericht der Krankenanstalt XXXX vom 30.11.2017; Patientenbrief des XXXX Spitals vom 03.07.2017- Gynäkologische Abteilung und Patientenbrief des XXXX Spitals vom 21.08.2018 Neurologische Abteilung.

19.      Mit Eingang vom 20.12.2019 erfolgte eine ergänzende Urkundenvorlage der belangten Behörde an das erkennende Gericht. Vorgelegt wurden die Anklageerhebung (StA XXXX vom XXXX 2018) und Verständigung von der rechtskräftigen Verurteilung (LG für Strafsachen XXXX ) wegen § 15 StGB § 269 (1) 1. Fall StGB und §§ 83 (1), 84 (2) StGB, Urteil vom XXXX 2018, 15 Monate Haft (Tat XXXX 2018); eine Verständigung vom Strafantritt (vom XXXX 2019, Antritt XXXX 2019) und ein Straferkenntnis der LPD XXXX vom XXXX 2018 (Lenken eines KFZ im [leicht] alkoholisierten Zustand ohne Lenkerberechtigung, Strafe € 1.719, 3).

20.      Am 15.01.2020 fand vor dem erkennenden Gericht eine mündliche Verhandlung statt, zu welcher die Parteien ordnungsgemäß geladen wurden. Mit der Ladung wurden den Parteien die Länderfeststellungen der Türkei übermittelt und dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt in der Verhandlung dazu Stellung zu nehmen.

Breits im Vorfeld wurde dem erkennenden Gericht mit Schriftsatz vom 10.01.2020 vom Erwachsenenvertreter der Ehefrau des Beschwerdeführers mitgeteilt, dass die Ehegattin der Ladung als Zeugin nicht Folge leisten könne, da zur selben Zeit eine Tagsatzung im Schuldenregulierungsverfahren stattfinden würde. Eine Verständigung mit dieser sei aufgrund ihrer Erkrankung ohnehin nur schwer möglich.

21.      Am 10.01.2010 wurde mit dem Erwachsenenvertreter der Ehegattin Kontakt aufgenommen und ihm mitgeteilt, dass diese nicht an der Verhandlung teilnehmen müsse und die Befragung durch die Übermittlung eines Fragenkatalogs erfolgen werde.

22.      Am 14.02.2020 langte der Pflegschaftsakt der Ehegattin des Beschwerdeführers bei Gericht ein.

23.      Am 19.02.2020 langte bei Gericht die Anfragebeantwortung der Kinder- und Jugendhilfe XXXX ein, in welcher Fragen zum aktuelle Status und Wohlbefinden der minderjährigen Kinder XXXX , XXXX und XXXX beantwortet wurden.

24.      Am 20.02.2020 langte die Anfragebeantwortung der Kinder- und Jugendhilfe zu der mj. Tochter XXXX bei Gericht ein.

25.      Am 20.02.2020 langte auch die Anfragebeantwortung des Erwachsenenvertreters zur aktuellen Gesundheit und Situation der Ehegattin des Beschwerdeführers bei Gericht ein.

26.      Am 21.02.2020 teilte der Verein Neustart aufgrund eines Ersuchens des Gerichts mit, dass der Beschwerdeführer zumindest während der letzten drei Jahre nicht von Neustart betreut wurde und ältere Akten bereits gelöscht seien, weshalb keine Angaben zur Person (bzw. zum Häftling) gemacht werden könnten.

27.      Das Ergebnis der Beweisaufnahme, die Berichte der Kinder- und Jugendwohlfahrt, die Anfragebeantwortung des Erwachsenenvertreters der Ehegattin und auch das aktuelle Länderinformationsblatt der Türkei wurde dem Beschwerdeführer am 26.02.2020 mit der Aufforderung übermittelt, dazu innerhalb einer Frist von zwei Wochen Stellung zu nehmen.

28.      Am 11.03.2020 langte die Stellungnahme der rechtlichen Vertretung des Beschwerdeführers bei Gericht ein. Darin wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer und seine Ehegattin seit Februar wieder in einem gemeinsamen Haushalt leben würden. Der Mietvertrag und Meldezettel wurden angeschlossen. Der Beschwerdeführer würde somit die Unterstützung und die Pflege der Ehefrau wieder wahrnehmen können. Davor habe seine Ehegattin in einer Obdachloseneinrichtung gelebt, wo sie aber keine Pflege oder Unterstützung bekommen habe. Unterstützung bekomme seine Ehegattin nur von ihrem Ehemann, dem Beschwerdeführer, und in rechtlicher Hinsicht von ihrem Erwachsenenvertreter. Zu seiner Familie und den Kindern wurde auszuführt, dass der Beschwerdeführer nach der Strafhaft nun endlich ein neues Leben beginnen und für seine Familie da sein wolle. Er sei „clean“ und wolle auch wieder arbeiten gehen. Ergänzend wolle der Beschwerdeführer anführen, dass seine Eltern die Kinder- und Jugendhilfe eingeschaltet hätten, weil sie sich Unterstützung erhofft hätten, sie hätten jedoch nicht damit gerechnet, dass ihnen die Kinder abgenommen werden würden. Der Beschwerdeführer wolle weiterhin am Aufbau der Beziehung zu seinen Kindern arbeiten und hoffe diesen auch wieder näher zu kommen. Er werde dem Gericht auch noch eine Einstellungszusage vorlegen. Die Fluchtgründe würden aufrecht bleiben. Der Beschwerdeführer sei sowohl in XXXX als auch in XXXX bedroht worden.

29.      Mit Schriftsätzen vom 13.10.2020 und 21.20,2020 teilte die Kinder- und Jugendhilfe der Stadt XXXX aufgrund eines Ersuchens des Gerichts mit, dass sich seit den Stellungnahmen vom Februar 2020 keine Änderungen ergeben hätten.

30.      Mit Schreiben vom 04.11.2020 teilte der Erwachsenvertreter der Ehegattin des Beschwerdeführers auf Nachfrage mit, dass die Erwachsenenvertretung nach wie vor aufrecht sei. Die Ehegattin habe Kontakt zu den Kindern XXXX und XXXX und wohne mit ihrem Ehegatten in einem gemeinsamen Haushalt. Sie werde vom Beschwerdeführer unterstützt und kümmere sich dieser auch um die medizinischen Bedürfnisse seiner Ehegattin. Ihr Gesundheitszustand sei derzeit stabil. Sie sei aktuell nicht schwanger.

31.      Am 15.04.2021 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht nochmals eine mündliche Beschwerdeverhandlung im Beisein des Beschwerdeführers sowie seiner rechtsfreundlichen Vertretung durchgeführt. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben, die der Antragstellung zugrundeliegenden Umstände neuerlich umfassend darzulegen. Mit der Ladung wurden dem Beschwerdeführer die Länderfeststellungen der Türkei (LIB Stand 27.01.2021) übermittelt und dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt bis zur Verhandlung dazu Stellung zu nehmen.

32.      Das Bundesverwaltungsgericht wurde darüber informiert, dass mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX 2021, Zl. XXXX , die Untersuchungshaft wegen §§ 15, 201 Abs. 1 StGB über den Beschwerdeführer verhängt wurde.

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Sachverhalt:

1.1. Feststellungen zur Person:

Die Identität des Beschwerdeführers steht fest. Der Beschwerdeführer heißt XXXX und wurden am XXXX in XXXX in der Türkei geboren.

Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger und Angehöriger der türkischen Volksgruppe. Der Beschwerdeführer ist moslemischen Glaubens mit der Glaubensrichtung Sunnit. Er ist seit dem Jahr 2001 mit XXXX , geb. am XXXX , verheiratet. Gemeinsam haben sie sechs Kinder, namens: XXXX , geb. am XXXX , XXXX , geb. am XXXX , XXXX , geb. am XXXX , XXXX , geb. am XXXX , XXXX , geb. am XXXX und XXXX , geb. am XXXX .

Im Jahr 2010 wurden den Eltern die drei gemeinsamen Kinder XXXX , XXXX und XXXX wegen Vernachlässigung abgenommen. Auch die Obsorge der nachgeborenen Kinder XXXX , XXXX und XXXX wurde kurz nach der Geburt auf die Kinder- und Jugendhilfe XXXX übertragen.

Die beiden Töchter XXXX und XXXX sind bei ihren Großeltern väterlicherseits untergebracht, welchen auch die Obsorge obliegt, während sich die Kinder XXXX , XXXX , XXXX und XXXX bei anderen familienfernen Pflegefamilien befinden.

Derzeit hat der Beschwerdeführer zu den beiden Kindern, welche bei seinem Vater leben, XXXX und XXXX , ca. einmal im Monat Kontakt. Zu seinen vier anderen Kindern hat der Beschwerdeführer keinen Kontakt und hat er diese zuletzt im Jahr 2017 gesehen. XXXX , XXXX und XXXX lehnen den Kontakt zum Beschwerdeführer ab. XXXX kennt den Beschwerdeführer gar nicht. Der Beschwerdeführer äußerte zwar in der Beschwerde den Wunsch, die Obsorge für seine Kinder wieder zurückzuerlangen, nach der klaren Stellungnahme der Kinder- und Jugendhilfe XXXX wird dies jedoch bei keinem der Kinder befürwortet und setzte der Beschwerdeführer bisher auch keinerlei konkrete Schritte diesbezüglich.

Die Ehegattin des Beschwerdeführers XXXX ist nach einer Gehirntumoroperation am 25.06.2018 gesundheitlich stark beeinträchtigt. Sie leidet an der Erbkrankheit Morbus Recklinghausen (Neurofibromatose Typ 2) mit zerebralem Befall. Ferner ist ihr Hörvermögen hochgradig eingeschränkt, am linken Ohr ist sie taub. Für die Ehegattin des Beschwerdeführers war von 30.10.2019 bis April 2021 ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt. Sie bestreitet ihren Unterhalt in Österreich durch die Mindestsicherung und erhält darüber hinaus auch Pflegegeld der Pflegestufe 1. Im Jänner 2020 wurde ein Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen der Ehefrau eröffnet. Von XXXX 2018 bis XXXX 2020 hat die Ehegattin in einem betreuten Obdachlosenheim in XXXX gelebt, wo sie jedoch keine Pflege oder Unterstützung erhalten hat, sondern dies allein als Unterkunft gedacht war. Gelegentlich hielt sie sich auch beim Vater des Beschwerdeführers auf. Gepflegt hat der Schwiegervater die Ehegattin des Beschwerdeführers zu dieser Zeit nicht, sondern war sie in der Lage sich selbst zu versorgen. Seit der Entlassung des Beschwerdeführers aus der Justizanstalt XXXX am 29.01.2020 lebt dieser wieder mit seiner Ehegattin in einer gemeinsamen Wohnung in XXXX , welche er seit XXXX 2020 anmietet, seit 25.02.2020 ist er dort mit Hauptwohnsitz aufrecht gemeldet. Die Ehegattin des Beschwerdeführers ist nach wie vor in der Lage, Aufgaben des täglichen Lebens wie putzen, kochen oder Körperhygiene selbst wahrzunehmen, wenn gleich der Beschwerdeführer beim Putzen hilft, gemeinsam mit seiner Gattin kocht und diese zu Arzt- oder Behördengängen begleitet.

Der Beschwerdeführer führte im Jahr 2018 während aufrechter Ehe ca. ein halbes Jahr lang eine Beziehung mit XXXX , geb. XXXX .

Der Beschwerdeführer ist in XXXX geboren und hat dort bei seiner Mutter gelebt bis diese gestorben ist, anschließend hat er zwei Jahre in einem Kinderheim gelebt. Im Alter von neun Jahren ist er gemeinsam mit seinen beiden Brüdern zu seinem Vater nach Österreich gezogen. Sein Vater hat erneut geheiratet. Dieser Ehe entstammen zwei weitere Kinder. Alle genannten Verwandten des Beschwerdeführers leben in Österreich. Darüber hinaus leben noch Onkeln und Tanten sowie Cousins und Cousinen im Bundesgebiet. Ein finanzielles oder anderweitiges (wechselseitiges) Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Familienangehörigen kam im Verfahren nicht hervor. Zu seiner Halbschwester und einem seiner Brüder steht der Beschwerdeführer in Kontakt, mit seinem anderen Bruder sowie seinem Halbbruder hat er keinen Kontakt. Während der letzten Inhaftierung des Beschwerdeführers in der Justizanstalt XXXX von XXXX 2018 bis XXXX 2020 wurde der Beschwerdeführer regelmäßig von seiner Ehegattin und gelegentlich von seiner Stiefmutter XXXX besucht, von weiteren Verwandten wurde er nicht besucht; auch nicht von seinem Vater.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit seiner Kindheit in Österreich und hat beginnend ab 20.01.1989 die Schule (3. Klasse) in XXXX besucht. Der Beschwerdeführer befinde sich folglich seit seinem 9. Lebensjahr in Österreich und hat insgesamt 9 Jahre lang die Pflichtschule besucht (zum Teil auch in der Türkei). Anschließend hat der Beschwerdeführer am 28.11.1994 bis 13.03.1997 eine Lehre als Installateur bei der Fa. „ XXXX “ absolviert, jedoch keinen Abschluss erlangt. Der Beschwerdeführer spricht Deutsch und Türkisch auf muttersprachlichem Niveau, außerdem geringfügig Serbisch und Englisch. Er ist weder Mitglied in einem Verein, noch ehrenamtlich tätig.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich nur im Zeitraum von 1997 bis 2004 regelmäßig im Baugewerbe gearbeitet (zeitweise stand er auch in diesem Zeitraum unter Arbeitslosen- und Krankengeldbezug). Seit 2004 geht der Beschwerdeführer mit einer einzigen Unterbrechung von 10.03.2008 bis 31.05.2008 (bei einer Baugesellschaft) keiner legalen Erwerbstätigkeit mehr nach. Der Beschwerdeführer hat jedoch gelegentlich Geld mit Schwarzarbeit verdient.

Im Zeitraum von 2005 bis 2009, sowie von 2015 bis 2016 bezog er überwiegend Notstandshilfe. Seit 20.11.2016 bezieht der Beschwerdeführer keine Leistungen mehr vom AMS. Von 02.01.2017 bis 31.01.2018 bezog der Beschwerdeführer Leistungen aus der Grundversorgung. Die Leistungen der GVS wurden sodann wegen Einstellung des Asylverfahrens durch das BFA gem. § 24 AsylG, unbekannter Aufenthalt des Asylwerbers, mit 31.01.2018 eingestellt. Am 10.03.2020 wurde der Beschwerdeführer wieder in die GVS XXXX aufgenommen und steht seither im vollen Leistungsbezug (Miete, Versorgung und Krankenversicherung).

Der Beschwerdeführer verfügt in der Türkei über verwandtschaftliche und soziale Anknüpfungspunkte. Der Beschwerdeführer hat seine Cousine geheiratet. Die Mutter der Ehegattin ist daher gleichzeitig die Schwester des Vaters des Beschwerdeführers, somit die Tante des Beschwerdeführers selbst. Die Mutter seiner Ehegattin (bzw. seine Tante) lebt noch im Heimatdorf des Beschwerdeführers zusammen mit ihren drei Söhnen, ihrer Tochter und mehreren Enkelkindern. Diese verfügt über einen eigenen, großen Bungalow, in dem alle Familienmitglieder leben sowie über eine Landwirtschaft mit Tieren und ca. zwei Hektar Felder. Der Beschwerdeführer und seine Ehegattin stehen per WhatsApp mit dieser in Kontakt. Darüber hinaus verfügt der Beschwerdeführer über eine weitere Tante in der Türkei. Diese lebt gemeinsam mit ihren Söhnen und deren Ehefrauen in einem gemeinsamen Haushalt in XXXX .

Fest steht, dass die Familie des Beschwerdeführers, insbesondere sein Vater, regelmäßig in die Türkei fährt, um dort die Mutter der Ehegattin (bzw. die Tante) des Beschwerdeführers zu besuchen. Der Vater des Beschwerdeführers besitzt eine eigene Wohnung in der Stadt XXXX , wo er wohnt, wenn er Urlaub in der Türkei macht. Auch seine Ehegattin hält sich öfter in der Türkei auf, um ihre Mutter zu besuchen, zuletzt im Jahr 2017. Und auch die beiden Kinder des Beschwerdeführers, die sich beim Großvater in Obsorge befinden, XXXX , waren bereits in der Türkei auf Urlaub.

Fest steht auch, dass der Beschwerdeführer früher ebenfalls mehrmals in die Türkei gefahren ist, um dort Urlaub zu machen. Der Beschwerdeführer reiste im Jahr 2000 in die Türkei, um dort seinen Grundwehrdienst abzuleisten. Im Jahr 2001 hat der Beschwerdeführer in der Türkei geheiratet und reiste anschließend wieder zurück nach Österreich. Es konnte hingegen nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer seit der Rückkehr nach Österreich im Jahr 2001 nicht mehr in der Türkei gewesen ist.

Der Beschwerdeführer leidet an keiner chronischen sowie schweren oder lebensbedrohlichen Erkrankung. Er ist arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer ist im Bundesgebiet mehrfach straffällig geworden:

01) LG F.STRAFS. XXXX vom XXXX 1998 RK XXXX 1998

PAR 27 ABS 1 U 2/2 SMG

PAR 15 StGB

Freiheitsstrafe 4 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Vollzugsdatum XXXX 1998

zu LG F.STRAFS. XXXX RK XXXX 1998

(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig

Vollzugsdatum XXXX 1998

LG F.STRAFS. XXXX vom XXXX 2002

02) BG XXXX vom XXXX 1999 RK XXXX 1999

PAR 27/1 SMG

Geldstrafe von 70 Tags zu je 30,00 ATS (2.100,00 ATS) im NEF 35 Tage

Ersatzfreiheitsstrafe

Vollzugsdatum XXXX 2002

03) BG XXXX vom XXXX 2004 RK 04.05.2004

PAR 27/1 SMG

PAR 125 83/1 StGB

Freiheitsstrafe 5 Wochen, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Vollzugsdatum XXXX 2007

zu BG XXXX RK XXXX 2004

Bedingte Nachsicht der Strafe wird widerrufen

LG F.STRAFS. XXXX vom XXXX 2006

04) LG F.STRAFS. XXXX vom XXXX 2006 RK XXXX 2006

PAR 27 ABS 1 U 2/2 (1. FALL) SMG

PAR 15 StGB

Freiheitsstrafe 10 Monate

Vollzugsdatum XXXX 2007

05) BG XXXX vom XXXX 2006 RK XXXX 2006

PAR 27/1 SMG

Keine Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 STGB unter Bedachtnahme auf LG F.STRAFS. XXXX RK XXXX 2006

Vollzugsdatum XXXX 2006

06) LG F.STRAFS. XXXX vom XXXX 2011 RK XXXX 2011

§ 142 (1) StGB

§ 27 (1) Z 1 Abs 2 SMG

Freiheitsstrafe 2 Jahre 6 Monate

Vollzugsdatum XXXX 2014

07) BG XXXX vom XXXX 2014 RK XXXX 2014

§ 83 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat XXXX 2012

Freiheitsstrafe 4 Monate

Vollzugsdatum XXXX 2015

08) LG F.STRAFS. XXXX vom XXXX 2017 RK XXXX 2017

§ 107 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat XXXX 2016

Freiheitsstrafe 5 Monate

09) LG F.STRAFS. XXXX vom XXXX 2018 RK XXXX 2019

§ 15 StGB § 269 (1) 1.Fall StGB

§§ 83 (1), 84 (2) StGB

Datum der (letzten) Tat XXXX 2018

Freiheitstrafe 15 Monate

Der Beschwerdeführer hat wegen der zuletzt genannten Tat seine Haftstrafe in der Justizanstalt XXXX im Zeitraum von 29.05.2018 bis 28.01.2020 verbüßt. Der Beschwerdeführer ist in der Haft ebenfalls durch negatives Verhalten aufgefallen und mussten während der Inhaftierung fünf Ordnungstrafen verhängt werden. Darüber hinaus wurde der Beschwerdeführer mehrmals wegen Problemen mit anderen Mitinsassen innerhalb des Hauses verlegt.

Mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX 2021, XXXX , wurde über den Beschwerdeführer die Untersuchungshaft wegen §§ 15, 201 Abs. 1 StGB verhängt.

Zur Legalität des Aufenthalts des Beschwerdeführers:

Dem Beschwerdeführer wurde am 01.08.2006 ein unbefristeter Aufenthaltstitel nach dem NAG „Daueraufenthalt-EU“ verliehen.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion XXXX vom XXXX 2012, XXXX , wurde wider den Beschwerdeführer ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Das Aufenthaltsverbot ist am XXXX 2012 rechtskräftig geworden und bestand aufgrund einer Strafhaft des Beschwerdeführers ein Durchsetzungsaufschub bis zum XXXX 2014. Der Beschwerdeführer ist jedoch auch nach Verbüßung seiner Strafhaft seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen.

Am XXXX 2013 wurde auch der Aufenthaltstitel nach dem NAG vom Magistrat XXXX wegen Straffälligkeit widerrufen.

Am XXXX 2014 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots beim BFA. Der Antrag des Beschwerdeführers wurde vom BFA mit Bescheid vom 21.10.2015 abgewiesen.

Mit Stellung des Antrages auf internationalen Schutz am XXXX 2015 kam dem Beschwerdeführer wieder ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht gem. § 13 Abs. 1 AsylG zu.

Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 03.04.2017 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass er gem. § 13 AsylG wegen Straffälligkeit (§ 2 Abs. 3 AsylG) sein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verloren hat. Seither besteht kein gültiges Aufenthaltsrecht mehr in Österreich und hält sich der Beschwerdeführer seither somit unrechtmäßig in Österreich auf.

1.2. Feststellungen zu den Gründen für das Verlassen des Heimatstaates:

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsland Türkei Schwierigkeiten aufgrund seiner politischen Ansichten, der Religion, der Volksgruppenzugehörigkeit oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe hatte.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in der Türkei einer aktuellen, unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt war oder im Falle einer Rückkehr dorthin einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre.

Das Vorbringen in der Türkei verfolgt und bedroht zu werden, weil er während seines Militärdienstes der Leibwächter von zwei Generälen gewesen sei, und einem davon, XXXX , Verbindungen zu PKK-Terroristen vorgeworfen worden sei, war nicht glaubhaft.

Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat Türkei einer staatlichen Verfolgung ausgesetzt ist.

Weiters kann nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei eine reale Gefahr einer Verletzung der EMRK bedeuten würde oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit mit sich bringen würde.

1.3.    Zur aktuellen Lage in der Türkei wird auf folgende Feststellungen verwiesen (Länderinformation der Staatendokumentation Türkei aus dem COI-CMS, 27.01.2021):

COVID-19

Am 11.3.2020 verkündete der türkische Gesundheitsminister, Fahrettin Koca, die Nachricht vom tags zuvor ersten bestätigten Corona-Fall (FNS 16.3.2020; vgl. DS 11.3.2020). Mit Jahresende 2020 wurden 2,18 Mio. Corona-Fälle und rund 21.000 Tote in der Türkei verzeichnet (JHU 30.12.2020).

Am 25.11.2020 erklärte Gesundheitsminister Fahrettin Koca, dass nunmehr alle positiv auf COVID-19 getesteten Personen in die Statistik aufgenommen werden. Ende Juli 2020 hatte das Gesundheitsministerium nämlich damit begonnen, die Corona-Infektionszahlen anzupassen, indem nur noch diejenigen, die tatsächlich Symptome entwickelten und einer Behandlung bedurften, statistisch gemeldet wurden. Dadurch blieben die offiziellen Zahlen in der Türkei im internationalen Vergleich niedrig. Auf diese Weise seien nach Medienberichten bis Ende Oktober 2020 bis zu 350.000 Corona-Infektionen verschwiegen worden (BAMF 30.11.2020). Das kam für den türkischen Ärzteverband nicht überraschend, der seit Monaten davor warnt, dass die bisherigen Zahlen der Regierung das Ausmaß der Ausbreitung verschleiern und dass der Mangel an Transparenz zu dem Anstieg beiträgt. Der Ärzteverband behauptet, dass die Zahlen des Ministeriums immer noch zu niedrig seien, verglichen mit ihrer eigenen Schätzung von mindestens 50.000 neuen Infektionen pro Tag. Die Krankenhäuser des Landes sind laut der Vorsitzenden des Ärzteverbandes, Sebnem Korur Fincanci, überlastet, das medizinische Personal ist ausgebrannt und die Contract-Tracer, die einst dafür bekannt waren, den Ausbruch unter Kontrolle zu halten, haben Schwierigkeiten, die Übertragungen zu verfolgen (AP 29.11.2020).

Beginnend mit 1.12.2020 ist ein Lockdown in Kraft getreten, welcher Ausgangssperren unter der Woche von 21.00 Uhr bis 5.00 Uhr umfasst. An den Wochenenden herrschte eine totale Ausgangssperre von Freitag 21.00 Uhr bis Montag 5.00 Uhr. An allen Orten, wo sich mehrere Menschen befinden, insbesondere auf Märkten und in Geschäften, gilt Maskenpflicht. Auf öffentlichen Plätzen wurde ein Rauchverbot auch im Freien eingeführt. Das Verbot zur Durchführung von öffentlichen Veranstaltungen durch staatliche und staatsnahe Organisationen sowie von Verbänden bleibt aufrecht. Sportveranstaltungen werden ohne Zuschauer durchgeführt. An Beerdigungen und Hochzeiten dürfen maximal 30 Personen teilnehmen. Feiern und Zusammenkünfte in häuslicher Umgebung sind untersagt. Gastronomische Einrichtungen bleiben tagsüber nur für Lieferservice geöffnet. Einkaufszentren und Lebensmittelgeschäfte dürfen nur zwischen 10.00 Uhr und 20.00 Uhr geöffnet haben. Beim Betreten von Einkaufszentren wird der sogenannten HES (Hayat Eve Sigar) - Code verlangt, ein behördlich verliehener elektronischer Schlüssel, mittels welchem der momentane Status der jeweiligen Person in Hinblick auf Corona verfolgt und überprüft werden kann. Er dient z.B. als Zutrittsvoraussetzung zu Ämtern oder eben Einkaufszentren. Beginnend mit 5.11.2020 müssen kulturelle Einrichtungen, wie Theater, ab 22.00 Uhr geschlossen sein. Kinos bleiben bis auf weiteres geschlossen. Alle Schulen inklusive Vorschulen sind geschlossen und werden bis auf weiteres nur mehr im Fernunterricht fortgeführt. Jugendliche unter 20 Jahren dürfen nur zwischen 13.00 Uhr und 16.00 Uhr die Wohnung verlassen. Die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln ist Ihnen untersagt. Ältere Menschen über 65 Jahre dürfen tagsüber nur während bestimmter Uhrzeiten (10.00 Uhr – 13.00 Uhr) die Wohnungen verlassen. Auch für diese Personengruppe ist die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln verboten (WKO 21.1.2021).

Ab 28.12.2020 müssen alle Personen, die mit dem Flugzeug in die Türkei reisen, einen Nachweis erbringen, dass sie innerhalb von 72 Stunden vor der Einreise mit einem PCR-Test negativ auf COVID-19 getestet wurden. Einreisende ohne einen negativen Test müssen entweder an ihrer gemeldeten Adresse in der Türkei oder in einer von der Regierung bezeichneten Einrichtung in Quarantäne gehen. Alle Personen, die über die Land- oder Seegrenzen in die Türkei einreisen, unterliegen ab dem 30.12.2020 den gleichen Anforderungen. Die Richtlinie wird mindestens bis zum 1.3.2021 in Kraft bleiben (Garda World 25.12.2020).

Am 30.12.2020 wurde das bis 17.1.2021 gültige Entlassungsverbot per Präsidialdekret um weitere zwei Monate verlängert (Hürriyet 30.12.2020).

In der zweiten Jänner-Woche 2021 ist mit den Impfungen begonnen worden. Zum Einsatz kommt das chinesische Vakzin der Firma Sinovac, dem am 13.1.2021 nach einem Eilverfahren eine Notzulassung erteilt wurde. Die Prüfung sei noch nicht abgeschlossen, sie werde parallel zur Impfkampagne fortgesetzt, teilten die Behörden mit. Prioritär werden die 1,1 Mio. Mitarbeiter des Gesundheitswesens sowie Menschen über 65 Jahren geimpft. Laut dem Generalsekretär der Ärztevereinigung werde die landesweite Impfkampagne voraussichtlich im Juli 2021 angeschlossen werden. Bei Lieferverzögerungen könne sie auch bis Dezember dauern. Türkische Mediziner haben infolge der Ergebnisse in Brasilien und Indonesien ihre Zweifel an der Wirksamkeit des Impfstoffs geäußert. Die türkische Rechtsmedizinerin und Vorsitzende der Ärztevereinigung Sebnem Korur Fincanci sagte, die Sicherheit des Impfstoffs stehe jedoch außer Frage und appellierte, sich impfen zu lassen. Als Folge der intransparenten Politik will sich allerdings nur jeder zweite impfen lassen (FAZ 14.1.2021).

Quellen:

?        AP - Associated Press (29.11.2020): Turkey’s new virus figures confirm experts' worst fears, https://apnews.com/article/turkey-europe-coronavirus-pandemic-recep-tayyip-erdogan-07b8e18fa2268b847e84cd9702e9a895, Zugriff 11.1.2021

?        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (30.11.2020): Briefing Notes, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041720/briefingnotes-kw49-2020.pdf, Zugriff 11.1.2021

?        DS - Daily Sabah (11.3.2020): Turkey remains firm, calm as first coronavirus case confirmed, https://www.dailysabah.com/turkey/turkey-remains-firm-calm-as-first-coronavirus-case-confirmed/news, Zugriff 30.12.2020

?        Hürriyet (30.12.2020): Entlassungsverbot der Türkei erneut verlängert, https://www.hurriyet.de/news_entlassungsverbot-der-tuerkei-erneut-verlaengert_143543902.html, Zugriff 30.12.2020

?        FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (14.1.2021): Türkei beginnt mit Impfkampagne, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/tuerkei-impfung-gegen-corona-beginnt-mit-china-impfstoff-sinovac-17146041.html, Zugriff 15.1.2021

?        FNS - Friedrich-Naumann-Stiftung (16.3.2020): Türkei Bulletin 5-2020, http://shop.freiheit.org/download/P2@876/248113/05-2020-T%C3%Bcrkei-Bulletin.pdf, Zugriff 30.12.2020

?        Garda World (25.12.2020): Turkey: Government to tighten COVID-related international entry restrictions effective Dec. 28; flights with Netherlands resume /update 30, https://www.garda.com/crisis24/news-alerts/421926/turkey-government-to-tighten-covid-related-international-entry-restrictions-effective-dec-28-flights-with-netherlands-resume-update-30, Zugriff 11.1.2020

?        Hürriyet (30.12.2020): Entlassungsverbot der Türkei erneut verlängert, https://www.hurriyet.de/news_entlassungsverbot-der-tuerkei-erneut-verlaengert_143543902.html, Zugriff 30.12.2020

?        JHU - Johns Hopkins University & Medicine (30.12.2020): COVID-19 Dashboard by the Center for Systems Science and Engineering (CSSE) at Johns Hopkins University (JHU), https://coronavirus.jhu.edu/map.html, Zugriff 30.12.2020

?        WKO - Wirtschaftskammer Österreich (21.1.2020): Coronavirus: Situation in der Türkei, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-infos-tuerkei.html#heading_Schutzmassnahmen_und_Geschaeftsleben, Zugriff 25.1.2021

Politische Lage

Die Türkei ist eine Präsidialrepublik und laut Art. 2 ihrer Verfassung ein demokratischer, laizistischer und sozialer Rechtsstaat auf der Grundlage öffentlichen Friedens, nationaler Solidarität, Gerechtigkeit und der Menschenrechte. Staats- und zugleich Regierungschef ist seit Einführung des präsidialen Regierungssystems am 9.7.2018 der Staatspräsident, der die politischen Geschäfte führt (AA 24.8.2020; vgl. DFAT 10.9.2020), wobei das Amt des Ministerpräsidenten abgeschafft wurde (DFAT 10.9.2020; vgl. bpb 9.7.2018).

Die Verfassungsarchitektur ist weiterhin von einer fortschreitenden Zentralisierung der Befugnisse im Bereich des Präsidentenamtes geprägt, ohne eine solide und wirksame Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative zu gewährleisten. Da es keinen wirksamen Kontroll- und Ausgleichsmechanismus gibt, bleibt die demokratische Rechenschaftspflicht der Exekutive auf Wahlen beschränkt. Unter diesen Bedingungen setzten sich die gravierenden Rückschritte bei der Achtung demokratischer Normen, der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten fort. Die politische Polarisierung verhindert einen konstruktiven parlamentarischen Dialog. Die parlamentarische Kontrolle über die Exekutive bleibt schwach. Unter dem Präsidialsystem sind viele Regulierungsbehörden und die Zentralbank direkt mit dem Präsidentenamt verbunden, wodurch deren Unabhängigkeit untergraben wird. Mehrere Schlüsselinstitutionen, wie der Generalstab, der Nationale Nachrichtendienst, der Nationale Sicherheitsrat und der Souveräne Wohlfahrtsfonds, sind dem Büro des Präsidenten angegliedert worden (EC 29.5.2019). Der öffentliche Dienst wurde politisiert, insbesondere durch weitere Ernennungen von politischen Beauftragten auf der Ebene hoher Beamter und die Senkung der beruflichen Anforderungen an die Amtsinhaber (EC 6.10.2020).

Der Präsident wird für eine Amtszeit von fünf Jahren direkt gewählt und kann bis zu zwei Amtszeiten innehaben, mit der Möglichkeit einer dritten Amtszeit, wenn während der zweiten Amtszeit vorgezogene Präsidentschaftswahlen ausgerufen werden. Erhält kein Kandidat in der ersten Runde die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen, findet eine Stichwahl zwischen den beiden stimmenstärksten Kandidaten statt. Die 600 Mitglieder des Einkammerparlaments werden durch ein proportionales System mit geschlossenen Parteienlisten bzw. unabhängigen Kandidaten in 87 Wahlkreisen für eine Amtszeit von fünf (vor der Verfassungsänderung vier) Jahren gewählt. Wahlkoalitionen sind erlaubt. Die Zehn-Prozent-Hürde, die höchste unter den OSZE-Mitgliedstaaten, wurde trotz der langjährigen Empfehlung internationaler Organisationen und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) nicht gesenkt. Die unter der Militärherrschaft verabschiedete Verfassung garantiert die Grundrechte und -freiheiten nicht ausreichend, da sie sich auf Verbote zum Schutze des Staates konzentriert und der Gesetzgebung erlaubt, weitere unangemessene Einschränkungen festzulegen. Die Vereinigungs-, Versammlungs- und Meinungsfreiheit und das Wahlrecht selbst werden durch die Verfassung und die Gesetzgebung übermäßig eingeschränkt (OSCE/ODIHR 21.9.2018).

Am 16.4.2017 stimmten 51,4% der türkischen Wählerschaft für die von der regierenden Partei für Ge

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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