Entscheidungsdatum
17.01.2022Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W201 2249306-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Angela SCHIDLOF als Vorsitzende und die Richterin Dr. Margit MÖSLINGER-GEHMAYR sowie den fachkundigen Laienrichter
Franz GROSCHAN als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien vom 25.10.2021, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
Die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzes "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung " in den Behindertenpass liegen nicht vor.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG .
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin hat am 17.05.2021 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) unter Vorlage medizinischer Beweismittel einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gem. § 29b der Straßenverkehrsordnung (StVO) gestellt, welcher auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ gilt.
1.1. Dem zur Überprüfung des Antrages, durch die belangte Behörde eingeholten, auf persönlicher Untersuchung am 08.06.2021 basierenden Sachverständigengutachten
Dris. XXXX , Facharzt für Unfallchirurgie und Arzt für Allgemeinmedizin ist (auszugsweise) Folgendes zu entnehmen:
„Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: altersentsprechend. Ernährungszustand: normal.
Caput/Collum: unauffällig.
Thorax: symmetrisch, elastisch.
Abdomen: klinisch unauffällig, kein Druckschmerz.
Obere Extremitäten: Rechtshänder. Die linke Schulter steht etwas höher. Annähernd symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung und Sensibilität sind ungestört. Benützungszeichen sind seitengleich. An beiden Armen vielfach Hämatomverfärbungen, vereinzelt Krusten nach Schürfung. Sämtliche Gelenke sind bandfest und altersentsprechend unauffällig. Beweglichkeit: Die Schultern sind über der Horizontalen je 1/3 eingeschränkt. Nacken- und Kreuzgriff sind endlagig eingeschränkt. Die übrigen Gelenke sind frei beweglich.
Untere Extremität: Der Barfußgang ist etwas watschelnd und unelastisch, insgesamt aber hinkfrei bei auffälliger X-Beinstellung. Zehenballen-, Fersenstand und Einbeinstand mit anhalten, Anhocken ist nur ansatzweise möglich. X-Beinstellung mit einem Innenknöchelabstand von 20 cm. Die Oberschenkelmuskulatur ist annähernd symmetrisch doch deutlich verschmächtigt. Muskelverschmächtigung am linken Unterschenkel im Seitenvergleich. Die Beinlänge ist gleich. Durchblutung und Sensibilität sind ungestört. Die Fußsohlenbeschwielung ist seitengleich ausgebildet, das Fußgewölbe ist erhalten. An beiden Unterschenkeln vielfach Hämatom Verfärbungen. Ausgeprägt Vorfußödeme beidseits. Die Kniegelenke sind arthrotisch aufgetrieben, rechts mehr als links. Mäßig intraartikulärer Erguss. Annäherns seitengleich vermehrt vermehrte äußere Aufklappbarkeit. Druckschmerz am äußeren Kniegelenksspalt. Übrige Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig. Beweglichkeit: Hüften seitengleich frei. Knie S 0-0-110 beidseits. Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.
Wirbelsäule: Ausgeprägte Rotationsskoliose. Der rechte Beckenkamm und die linke Schulter stehen jeweils etwas höher. Deutlich Rundrücken, Streckhaltung der Lendenwirbelsäule. Zervikal und lumbal Hartspann. Kein wesentlicher Druckschmerz, kein Klopfschmerz. Kreuzbein-Darmbein-Gelenke beidseits frei. Beweglichkeit: Halswirbelsäule: allseits 1/3 eingeschränkt. Brust- und Lendenwirbelsäule: beim Vorwärtsbeugen reichen die Hände bis zu den Kniegelenken, Seitwärtsneigen und Rotation je 1/2 eingeschränkt.
Gesamtmobilität – Gangbild: Kommt in Konfektionsschuhen ohne Gehhilfen zur Untersuchung, das Gangbild ist kleinschrittig, verlangsamt, symmetrisch, hinkfrei, sicher. Das Aus- und Ankleiden wird im Stehen durchgeführt.
Status Psychicus: wach, Sprache unauffällig.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Position
GdB
01
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule
Unterer Rahmensatz dieser Position, da deutliche Belastungsminderung mit eingeschränkter Gehstrecke, aber ohne neurologisches Defizit.
02.01.03
50 vH
02
Aufbraucherscheinungen Bewegungsapparat
Oberer Rahmensatz dieser Position, da ausgeprägte Beinachsenfehlstellung mit Funktionsbehinderung an den Kniegelenken, Gangbildstörung und Gangleistungsminderung.
02.02.02
40 vH
03
Chronisch venöse Insuffizienz mit Zustand nach Beinvenenthrombose und Lungenembolie
Wahl dieser Position mit 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da unter medikamentöser Therapie symptomfrei.
05.08.01
20 vH
04
Zustand nach Brustkrebs links
Unterer Rahmensatz dieser Position, da rezidivfrei nach Abschluss der Heilungsbewährung.
13.01.02
10 vH
05
Hypertonie
Fixer Rahmensatz.
05.01.01.
10 vH
Gesamtgrad der Behinderung
60 vH
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Das führende Leiden 1 wird durch Leiden 2 um 1 Stufe erhöht, wegen wechselseitiger ungünstiger Leidensbeeinflussung. Die übrigen Leiden erhöhen wegen fehlender maßgeblicher wechselseitiger ungünstiger Leidensbeeinflussung und zu geringer funktioneller Relevanz nicht weiter.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: Incipiente pAVK erreicht keinen GdB.“
Zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wird Folgendes festgehalten:
„1. Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine. Es bestehen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit. Eine kurze Wegstrecke mit einem Aktionsradius von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 300 bis 400 m ist zumutbar und möglich. Gehbehelfe, die das Einsteigen- und Aussteigen behindern, sind behinderungsbedingt nicht erforderlich. Die Beine können gehoben, Niveauunterschiede können überwunden werden. Es besteht ausreichend Kraft und Beweglichkeit an den oberen Extremitäten. Greifformen sind erhalten.
2. Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein.“
1.2. Im Rahmen des am 15.06.2021 gemäß § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs mit welchem das Gutachten Dris. XXXX übermittelt wurde, hat die Beschwerdeführerin am 23.07.2021 neue medizinische Beweismittel in Vorlage gebracht.
1.3. Zur Überprüfung der neu vorgelegten Beweismittel hat die, belangte Behörde vom bereits zuvor befassten Sachverständigen Dr. XXXX , ein mit 11.08.2021 datiertes, auf der Aktenlage basierendes Sachverständigengutachten eingeholt, welchem im Wesentlichen Folgendes zu entnehmen ist:
„Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe): Bezüglich Vorgeschichte siehe Vorgutachten vom 08.06.2021. Es wurden Befunde nachgereicht.
Der internistische Befund von 2020 ist bekannt.
06/2021 Lungenbefund XXXX beschreibt mittelgradige periphere Obstruktion. Dieser Befund bewirkt ein einschätzungsrelevantes Lungenleiden. Unauffälliges Lungenröntgen.
07/2021 Orthop. Kurzbefund beschreibt hochgradige Varusgonarthrose. Das Knieleiden ist in Leiden 2 mitberücksichtigt.
Internistischer Befund von 07/2021 beschreibt stabile PAVK. Dieser Befund bewirkt keine Änderung der Einschätzung im GA
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Position
GdB
01
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule
Unterer Rahmensatz dieser Position, da deutliche Belastungsminderung mit eingeschränkter Gehstrecke, aber ohne neurologisches Defizit.
02.01.03
50 vH
02
Aufbraucherscheinungen Bewegungsapparat
Oberer Rahmensatz dieser Position, da ausgeprägte Beinachsenfehlstellung mit Funktionsbehinderung an den Kniegelenken, Gangbildstörung und Gangleistungsminderung.
02.02.02
40 vH
03
Chronisch venöse Insuffizienz mit Zustand nach Beinvenenthrombose und Lungenembolie
Wahl dieser Position mit 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da unter medikamentöser Therapie symptomfrei.
05.08.01
20 vH
04
Zustand nach Brustkrebs links
Unterer Rahmensatz dieser Position, da rezidivfrei nach Abschluss der Heilungsbewährung.
13.01.02
10 vH
05
Hypertonie
Fixer Rahmensatz.
05.01.01.
10 vH
06
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)
Wahl dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da ohne medikamentöse Dauertherapie.
06.06.01
10 vH
Gesamtgrad der Behinderung
60 vH
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Das führende Leiden 1 wird durch Leiden 2 um 1 Stufe erhöht, wegen wechselseitiger ungünstiger Leidensbeeinflussung. Die übrigen Leiden erhöhen wegen fehlender maßgeblicher wechselseitiger ungünstiger Leidensbeeinflussung und zu geringer funktioneller Relevanz nicht weiter.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: Incipiente pAVK erreicht keinen GdB.
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: Leiden 6 wird zusätzlich berücksichtigt.
Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten:
Keine Änderung.“
Zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wird Folgendes festgehalten:
„1. Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine. Es bestehen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit. Eine kurze Wegstrecke mit einem Aktionsradius von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 300 bis 400 m ist zumutbar und möglich. Gehbehelfe, die das Einsteigen- und Aussteigen behindern, sind behinderungsbedingt nicht erforderlich. Die Beine können gehoben, Niveauunterschiede können überwunden werden. Es besteht ausreichend Kraft und Beweglichkeit an den oberen Extremitäten. Greifformen sind erhalten.
2. Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein.“
1.4. Im Rahmen des am 12.08.2021 gemäß § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs mit welchem das Gutachten Dris. XXXX übermittelt wurde, hat die Beschwerdeführerin am 18.10.2021 weitere medizinische Beweismittel in Vorlage gebracht.
1.5. Zur Überprüfung der neu vorgelegten Beweismittel hat die, belangte Behörde vom bereits befassten Sachverständigen Dr. XXXX , eine mit 25.10.2021 datierte auf der Aktenlage basierende Stellungnahme eingeholt welcher im Wesentlichen Folgendes zu entnehmen ist:
„Es wurden neuerlich Befunde nachgereicht.
09/21 Röntgenbefund beschreibt Degeneration der Brustwirbelsäule und frische Brüche der 3. bis 6. Rippe links.
12/20 Röntgenbefund beschreibt fortgeschrittene Gonarthrose beidseits.
11/20 Röntgenbefund beschreibt mittelgradige Coxarthrose beidseits.
10/20 Befundbericht über CT-gezielte Infiltration L4/L5 und L5/S1.
Rippenbrüche heilen in der Regel folgenlos aus und bewirken kein einschätzungsrelevantes Leiden.
Die übrigen Befunde sind in Leiden 1 und 2 berücksichtigt. Die nachgereichten Befunde bringen keine neuen Erkenntnisse. Eine Änderung des Gutachtens ist nicht angezeigt.“
1.6 Am 25.10.2021 hat die belangte Behörde der Beschwerdeführerin gemäß § 40, § 41 und § 45 BBG einen unbefristeten Behindertenpass ausgestellt und einen Grad der Behinderung in Höhe von 60 vH eingetragen. Gegen die Ausstellung des Behindertenpasses wurde keine Beschwerde erhoben.
1.7. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 25.10.2021 hat die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung“ Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen.
Die Abweisung wurde mit dem Ergebnis der fachärztlichen Untersuchung begründet.
Als Beilage zum Bescheid wurde die medizinische Stellungnahme Dris. XXXX vom 25.10.2021 übermittelt.
2. Gegen diesen Bescheid wurde von der Beschwerdeführerin am 13.12.2021 ohne Vorlage weiterer Beweismittel fristgerecht Beschwerde erhoben. Begründend wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass sie 60% behindert sei. Ihr Zustand habe sich erheblich verschlechtert und sie ersuche um Ausstellung eines Parkausweises.
3. Mit Schreiben vom 15.12.2021, eingelangt im Bundesverwaltungsgericht am gleichen Tag hat die belangte Behörde die Beschwerde und den Verwaltungsakt vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Da sich die Beschwerdeführerin mit der Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass nicht einverstanden erklärt hat, war dies zu überprüfen.
1. Feststellungen:
1.1. Die Beschwerdeführerin erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Die Beschwerdeführerin hat seinen Wohnsitz im Inland und ist im Besitz eines unbefristet ausgestellten Behindertenpasses.
1.2. Der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ ist am 17.05.2021 bei der belangten Behörde eingelangt.
1.3. Bei der Beschwerdeführerin liegen folgende Funktionseinschränkungen vor:
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
01
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule
Deutliche Belastungsminderung mit eingeschränkter Gehstrecke, aber ohne neurologisches Defizit.
02
Aufbraucherscheinungen Bewegungsapparat
Ausgeprägte Beinachsenfehlstellung mit Funktionsbehinderung an den Kniegelenken, Gangbildstörung und Gangleistungsminderung.
03
Chronisch venöse Insuffizienz mit Zustand nach Beinvenenthrombose und Lungenembolie
Unter medikamentöser Therapie symptomfrei.
04
Zustand nach Brustkrebs links
Rezidivfrei nach Abschluss der Heilungsbewährung.
05
Hypertonie
06
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)
Ohne medikamentöse Dauertherapie.
1.4. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Die Beschwerdeführerin kann sich im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen, eine kurze Wegstrecke (ca. 300 m - 400 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, gegebenenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe, ohne maßgebende Unterbrechung zurücklegen bzw. wird durch die Verwendung eines Behelfes die Benützung des öffentlichen Transportmittels nicht in hohem Maße erschwert. Die dauernden Gesundheitsschädigungen wirken sich nicht maßgebend auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens aus. Der sichere und gefährdungsfreie Transport im öffentlichen Verkehrsmittel ist nicht erheblich eingeschränkt.
Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit der Beschwerdeführerin sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend. Niveauunterschiede können überwunden werden, da die Beugefunktion im Bereich der Hüft-, Knie- und Sprunggelenke ausreichend ist und das sichere Ein- und Aussteigen gewährleistet sind. Es ist eine für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ausreichende Funktionsfähigkeit des Stütz- und Bewegungsapparates gegeben.
Die objektivierte chronisch obstruktive Lungenerkrankung erreicht kein Ausmaß welches das Zurücklegen kurzer Wegstrecken, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln maßgebend behindern würde.
Es liegen weder erhebliche dauerhafte Einschränkungen der der oberen und unteren Extremitäten noch der körperlichen Leistungsfähigkeit vor. Die Beschwerdeführerin leidet nicht an erheblichen Einschränkungen der Sinnesfunktionen oder an einer schweren anhaltenden Erkrankung des Immunsystems.
Die festgestellten Funktionseinschränkungen wirken sich - auch im Zusammenwirken - nicht in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel aus.
1.5. Der Beschwerdeführerin ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
2. Beweiswürdigung:
Zu 1.1. und 1.2.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.
Zu 1.3. bis 1.5.) Die Feststellungen zu Art, Ausmaß und Auswirkungen der Funktionseinschränkungen gründen sich – in freier Beweiswürdigung – auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel.
Die durch die belangte Behörde eingeholten Sachverständigengutachten
Dris. XXXX und dessen ergänzende medizinische Stellungnahme sind schlüssig und nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden, deren Ausmaß und Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel eingegangen.
Die vorgelegten Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen und der befasste Sachverständige hat sich damit auseinandergesetzt. Die Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises, es wird kein aktuell höheres Funktionsdefizit beschrieben als gutachterlich festgestellt wurde und sie enthalten auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin erhobenen klinischen Befund, entsprechen unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel der festgestellten Funktionseinschränkung.
Dr. XXXX erläutert nachvollziehbar, dass die bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparates kein Ausmaß erreichen, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel verunmöglichen würde. Diese Beurteilung steht im Einklang mit dem Ergebnis der klinischen Untersuchung im Rahmen welcher objektiviert werden konnte, dass Gehbehelfe nicht erforderlich sind, die Beine angehoben und Niveauunterschiede überwunden werden können. Zwar konnte eine Verschmächtigung der Beinmuskulatur objektiviert werden, die Beschwerdeführerin kam jedoch ohne Gehhilfe in Konfektionsschuhen zur Untersuchung. Das Gangbild stellte sich zwar kleinschrittig und verlangsamt dar, aber insgesamt symmetrisch, hinkfrei und sicher. Auch konnte die Fußsohlenbeschwielung als seitengleich ausgebildet objektiviert werden, waren die Hüftgelenke frei beweglich, konnten die Knie bis 0-0-110 gebeugt werden und waren die Sprung- und Zehengelenke frei beweglich. Die Gelenke der oberen Extremitäten sind frei beweglich und die Schultern sind über der Horizontalen nur zu 1/3 eingeschränkt.
Orthopädische Befunde, welche eine höhere Einschränkung des Bewegungsapparates dokumentieren würden wurden von der Beschwerdeführerin nicht vorgelegt. Dem vorgelegten Befund der XXXX ist lediglich eine Auflistung der bekannten Diagnosen zu entnehmen. Der vorgelegte Befund enthält aber keinen klinischen Befund und kommt ihm daher mangels Beschreibung von Funktionsdefiziten keine Aussagekraft zu.
Ebenso enthalten die vorgelegten Röntgenbefunde keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind. Hinzuzufügen ist, dass bei radiologischen Befunden lediglich die Korrelation mit der klinischen Symptomatik relevant für die Einschätzung ist. Die vorgelegten radiologischen Befunde enthalten aber keinen klinischen Befund und kommt ihnen daher mangels Beschreibung von Funktionsdefiziten keine Aussagekraft zu.
Der Röntgenbefund von 09/2021 beschreibt die Degeneration der Brustwirbelsäule und frische Brüche der 3. Bis 6. Rippe links. Rippenbrüche heilen in der Regel folgenlos ab und stellen daher kein Leiden dar, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dauerhaft verunmöglicht.
Das bei der Beschwerdeführerin vorliegende Lungenleiden – ohne medikamentöse Dauertherapie - erreicht kein Ausmaß welches sich maßgeblich negativ auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirken würde. Es liegt weder eine Lungengerüsterkrankung unter Langzeitsauerstofftherapie, noch eine COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie oder ein Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie vor und ein mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nicht benützt werden.
Die Krankengeschichte der Beschwerdeführerin wurde somit umfassend berücksichtigt. Dem Beschwerdevorbringen wurde insofern entsprochen, als nun eine Überprüfung des durch die belangte Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigenbeweises erfolgte. Das Beschwerdevorbringen ist jedoch nicht geeignet, die gutachterliche Beurteilung wonach das vorliegende Beschwerdebild nicht geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zu bergründen, zu entkräften.
Die Angaben der Beschwerdeführerin konnten nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden.
Die Sachverständigengutachten Dris. XXXX und dessen ergänzende Stellungnahme stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen. Die Sachverständigengutachten und die ergänzende Stellungnahme werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.
Zur Erörterung der Rechtsfrage, ob der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, siehe die rechtlichen Erwägungen unter Punkt II.3.1.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
1. Abweisung der Beschwerde
Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)
Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)
Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)
Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist u.a. jedenfalls einzutragen:
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
(§ 1 Abs. 4 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise)
Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktions-beeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(§ 1 Abs. 5 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen)
In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird Folgendes ausgeführt:
Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise):
Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion – das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen – ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Die Begriffe „erheblich“ und „schwer“ werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.
Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, und die dort angeführte Vorjudikatur sowie vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0242, vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242).
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).
Betreffend das Kalkül „kurze Wegstrecke“ wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 - 400 m ausgeht (vgl. u.a. VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013).
Auf den Beschwerdefall bezogen:
Die Beschwerdeführerin kann sich im öffentlichen Raum selbstständig fortbewegen, eine kurze Wegstrecke aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, ohne Unterbrechung zurücklegen. Einschränkungen der Geh-, Steh- und Steigfähigkeit der Beschwerdeführerin in einem Ausmaß, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel maßgebend erschweren, konnten nicht festgestellt werden. Ebenso sind bei ausreichender Funktionsfähigkeit der oberen Extremitäten das Festhalten beim Ein- und Aussteigen sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten ausreichend möglich. Der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar.
Das bestehende Lungenleiden konnten nicht in einem Ausmaß festgestellt werden, welches die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschwert.
Bei der Beschwerdeführerin konnten auch keine Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen festgestellt werden, es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.
Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, sind das Beschwerdevorbringen und die vorliegenden Beweismittel nicht geeignet darzutun, dass die gutachterliche Beurteilung, wonach sich die dauernden Gesundheitsschädigungen nicht maßgebend negativ auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirken, nicht dem tatsächlichen Leidensausmaß der Beschwerdeführerin entspräche.
Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist daher zumutbar.
Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung " rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte das Gericht von der Verhandlung absehen, weil der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde. Die Schriftsätze der Parteien und die Akten des Verfahrens lassen erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Vielmehr erschien der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage geklärt. Dem steht auch Art 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegensteht, vgl. dazu auch das zuletzt das Erkenntnis des VwGH vom 21.02.2019, Ra 2019/08/0027
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen für die gegenständliche Zusatzeintragung sind die Art, das Ausmaß und die Auswirkungen der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Funktionseinschränkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
Zur Klärung des Sachverhaltes wurde in die durch die belangte Behörde im erstinstanzlichen Verfahren - auf persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin basierenden - fachärztlich unfallchirurgisch/allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten Einsicht genommen. Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, wurden diese als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Die Beschwerdeführerin hat von diesem Sachverständigenbeweis vollinhaltlich Kenntnis erlangt.
Das Beschwerdevorbringen war - wie im Rahmen der Beweiswürdigung bereits ausgeführt - nicht geeignet die sachverständigen Feststellungen und Beurteilungen zu entkräften bzw. relevante Bedenken an den gutachterlichen Schlussfolgerungen hervorzurufen. Die Beschwerdeführerin wurde im behördlichen Verfahren persönlich untersucht. Die durch die vorgelegten Beweismittel dokumentierten, Gesundheitsschädigungen wurden bei der Gutachtenerstellung berücksichtigt. Mit der Beschwerde wurden keine weiteren Beweismittel in Vorlage gebracht.
Das Bundesverwaltungsgericht hat sich den tragenden beweiswürdigenden Erwägungen der belangten Behörde, dass die eingeholten Sachverständigengutachten und deren ergänzende Stellungnahme schlüssig und frei von Widersprüchen sind, angeschlossen. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch kein absoluter (VfGH 09.06.2017, E 1162/2017-5).
Zu B)
Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung einerseits von Tatsachenfragen abhängt. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen. Andererseits sind Rechtsfragen zu lösen, welchen keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen stützen.
In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird ausgeführt, dass damit präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden sollen. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt. Es war sohin keine – von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abweichende – Neuregelung beabsichtigt.
Vielmehr wird in den Erläuterungen ausdrücklich festgehalten, dass im Hinblick auf die ab 01.01.2014 eingerichtete zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und die Einheitlichkeit der Vollziehung der im Behindertenpass möglichen Eintragungen sicherzustellen, die Voraussetzungen, die die Vornahme von Eintragungen im Behindertenpass rechtfertigen, in einer Verordnung geregelt werden sollen.
Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.
Schlagworte
Behindertenpass öffentliche Verkehrsmittel Sachverständigengutachten Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2022:W201.2249306.1.00Im RIS seit
02.02.2022Zuletzt aktualisiert am
02.02.2022