Entscheidungsdatum
17.01.2022Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W201 2248836-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Angela SCHIDLOF als Vorsitzende und die Richterin Dr. Margit MÖSLINGER-GEHMAYR sowie den fachkundigen Laienrichter Franz GROSCHAN als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gesetzlich vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 21.10.2021, OB XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar“ in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben.
Die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzvermerkes "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung " in den Behindertenpass liegen vor.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG .
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) hat der Beschwerdeführerin am 30.07.2018 einen unbefristeten Behindertenpass ausgestellt, einen Grad der Behinderung in Höhe von 70 vH eingetragen und die Zusatzeintragung „Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 erster Teilstrich VO 303/1996 liegt vor“ vorgenommen.
2. Mit Bescheid vom 16.06.2020 hat die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin vom 04.11.2019 auf Vornahme der Zusatzeintragung „Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar“ abgewiesen.
3. Die Beschwerdeführerin stellte einlangend am 30.04.2021 bei der belangten Behörde, unter Vorlage medizinischer Beweismittel einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gem. § 29b StvO 1960 (Parkausweis) welcher auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass gilt.
3.1. Zur Überprüfung des Antrages wurden von der belangten Behörde Sachverständigengutachten von Dr. XXXX basierend auf der Aktenlage vom 16.05.2021, DDr. XXXX , Fachärztin für Unfallchirurgie und Allgemeinmedizin und
Dr. XXXX , basierend auf den persönlichen Untersuchungen am 06.07.2021 und 25.08.2021 eingeholt. Diesen Gutachten ist im Wesentlichen Folgendes zu entnehmen:
Status neurologisch:
„Neurologischer Status gemäß COVID-19 Regelung: Deutlich reduzierte Compliance und Mitarbeit. Wach bis schläfrig, kein Meningismus.
Caput: Hypakusis bds (mit Hörgeräte versorgt), keine höhergradigen HN Ausfälle in den untersuchten Bereichen bei deutlich reduzierter Mitarbeit.
OE: Rechtshändigkeit, Trophik unauffällig, Tonus unauffällig, keine höhergardigen Paresen, Arme werden kurz gehalten, keine höhergradige Ataxie, MER (RPR, BSR, TSR) seitengleich mittellebhaft auslösbar, Pyramidenzeichen negativ. Rest bei reduzierter Compliance nicht prüfbar.
UE: Trophik unauffällig, Tonus seitengleich unauffällig, keine höhergradige Parese-Beine werden einzeln kurz gehalten bzw. aufgestellt gehalten, Knie-Hacke-Versuch: nicht demonstriert, MER (PSR, ASR) seitengleich untermittellebhaft auslösbar, Pyramidenzeichen negativ.
Sensibilität: nicht sicher verwertbar. Sprache: soweit beurteilbar unauffällig.
Romberg, Unterberger, Fersen- und Zehengang: nicht demonstriert.
Gesamtmobilität – Gangbild: Mobilitätsstatus: Gangbild: Rollstuhl, steht auf Aufforderung auf und geht zur Liege, beim Zurückgehen schwankendes Gangbild-deutlich funktionell anmutend mit Anhalten seitlich (ohne Hilfsmittel), Schuhe werden vom Sohn aus- und angezogen. Stellt sich auf Aufforderung auf die Waage, um sich abzuwiegen.
Status Psychicus: Wach bis schläfrig, sitzt teilnahmslos im Rollstuhl, hat zumeist die Augen geschlossen, nicht sehr auskunftswillig, gibt an XXXX Jahre alt zu sein, weiß Datum nicht, Duktus deutlich verlangsamt, Aufmerksamkeit reduziert, bezüglich Kognition bei Schläfrigkeit keine aussagekräftige Beurteilung möglich, Affekt nur im negativen Skalenbereich affizierbar, Stimmungslage depressiv, Antrieb verlangsamt, Konzentration reduziert, soweit beurteilbar keine produktive Symptomatik.“
Status unfallchirurgisch/allgemeinmedizinisch
„Allgemeinzustand: reduziert, schläfrig, kaum kontaktierbar. Ernährungszustand: adipös.
Caput/Collum: klinisch unauffälliges Sehvermögen, Hörgeräte beidseits, Hörvermögen bei allgemein eingeschränkter Kommunikationsfähigkeit aufgrund Schläfrigkeit nicht sicher beurteilbar, sichtbare Schleimhautpartien unauffällig, Pupillen rund, isocor. Halsvenen nicht gestaut.
Thorax: Symmetrisch, elastisch. Atemexkursion seitengleich, VA. HAT rein, rhythmisch. Keine Dyspnoe, keine Zyanose.
Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar. Integument: unauffällig.
Schultergürtel und beide oberen Extremitäten: Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, seitengleich mittelkräftig entwickelte Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, Radialispulse beidseits tastbar, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden. Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig. Aktive Beweglichkeit: Schultern endlagig eingeschränkt, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig. Nacken- und Schürzengriff sind endlagig eingeschränkt durchführbar.
Becken und beide unteren Extremitäten: Freies Stehen kaum möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits nicht durchführbar. Der Einbeinstand ist nicht möglich. Hocken ist nicht möglich. Die Beinachse ist im Lot. Seitengleich mittelkräftig entwickelte Muskelverhältnisse. Beinlänge ident. Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird in den Füßen als gestört angegeben. Hüftgelenke: Bewegungsschmerzen werden angegeben bei allgemein erhöhter Schmerzangabe. Kniegelenke beidseits: äußerlich unauffällig, keine Überwärmung, kein Erguss, Schmerzangabe. Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig. Aktive Beweglichkeit: Hüften S0/90, IR/AR 10/0/35, Knie beidseits 0/0/110, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich. Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich.
Wirbelsäule: Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet. deutlich Hartspann. Klopfschmerz über der gesamten LWS, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei. Aktive Beweglichkeit: HWS: in allen Ebenen endlagig eingeschränkt. BWS/LWS: FBA: Füße werden im Sitzen nicht ganz erreicht, Rotation und Seitneigen 20°. Lasegue bds. negativ, geprüfte Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.
Gesamtmobilität – Gangbild: Kommt im Rollstuhl mit Sandalen, Gehen im Untersuchungszimmer möglich, selbständiges Erheben vom Rollstuhl und Gehen einige Schritte bis zur Untersuchungsliege möglich, Hinsetzen und Hinlegen auf die Untersuchungsliege selbstständig möglich, dann wird akut Schwindel angegeben. Bewegungsabläufe verlangsamt. Das Aus- und Ankleiden wird mit Hilfe im Sitzen durchgeführt.
Status Psychicus: Zeitlich und örtlich nicht orientiert; Merkfähigkeit deutlich eingeschränkt, Konzentration und Antrieb herabgesetzt; Stimmungslage gedrückt.“
Die Zusammenfassung der Gutachten erfolge durch die neurologische Sachverständige und ist dieser Zusammenfassung – auszugsweise – Folgendes zu entnehmen:
„Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen, oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate dauern werden
01
Depressionen mit teils psychotischen Symptomen
02
Hörstörung beidseits
03
Diabetes mellitus mit weitgehend ausgeglichener Blutzuckereinstellung durch Insulintherapie
04
Medikamentös stabilisierter arterieller Bluthochdruck
05
Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom (OSAS)
06
Abnützungserscheinungen des gesamten Bewegungsapparates, vor allem der Schultergelenke und Kniegelenke mit mäßigen funktionellen Einschränkungen
07
Mäßiggradige degenerative Veränderungen der Wirbelsäule
08
Polyneuropathie
09
Adnexektomie beidseits
10
Mischinkontinenz
11
Dementielles Syndrom DD Pseudodemenz
Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine. Eine Hörstörung behindert weder das Erreichen eines öffentlichen Verkehrsmittels noch das sichere Ein- und Aussteigen oder den sicheren Transport. Bei der fachärztlich-orthopädischen Untersuchung fanden sich an beiden oberen Extremitäten keine behinderungsrelevanten funktionsbeeinträchtigenden Einschränkungen der Beweglichkeit, Motorik oder Sensibilität, wodurch ein festes Anhalten und ein sicherer Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel gegeben ist. Trotz der angegebenen Schmerzen im Bereich beider Kniegelenke und der Wirbelsäule ohne relevante objektivierbare Funktionseinschränkung ist eine ausreichende Gehstrecke von 300-400 Metern aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe bewältigbar. Das Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel, sowie das Bewältigen von Niveauunterschieden oder Hindernissen, die Sitzplatzsuche und die notwendige Fortbewegung innerhalb eines öffentlichen Verkehrsmittels ist wegen des ausreichenden Bewegungsumfanges aller großen Gelenke der unteren Extremitäten, wenn erforderlich im Nachstellschritt, durchführbar und zuzumuten. Die Verwendung eines einfachen Hilfsmittels erhöht die Stabilität, stellt keine erhebliche Erschwernis bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dar und ist somit zuzumuten. Die dauerhafte Verwendung eines Rollstuhls ist aus orthopädischer und allgemeinmedizinischer Sicht nicht nachvollziehbar. Die beantragte Zusatzeintragung wird gutachterlicherseits nicht empfohlen.
Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt ein Immundefekt vor im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten?
Nein
Gutachterliche Stellungnahme:
Als neurologisches Hauptproblem gibt Fr. XXXX Schwindel und Kopfschmerzen an, es liegen allerdings keine fachärztlichen Befunde über eine entsprechende Abklärung oder Therapieversuche vor. Es wird keine analgetische Dauertherapie eingenommen. Im Rahmen der ho durchgeführten neurologischen Untersuchung fanden sich keine erheblichen funktionellen Einschränkungen der Gelenke und es waren keine motorischen Defizite und Lähmungen festzustellen. Eine persistierende Gangstörung konnte nicht objektiviert werden. Das behinderungsbedingte Erfordernis eines Rollstuhls oder Rollators ist durch die objektivierbaren Funktionseinschränkungen daher nicht ausreichend begründbar. Eine Demenzabklärung ist bisher nicht erfolgt, es liegen keine neuropsychologische Testung, kein Gedächtnistest, kein Kurztest (MMST) und keine bildgebenden Untersuchungen vor. Ein stationärer Aufenthalt, ein entsprechendes Therapieregime bzw. der Wechsel eines solchen sind nicht dokumentiert. Im Rahmen der ho Begutachtung konnte zudem aufgrund der Schläfrigkeit (Tagesmüdigkeit/hang over?) keine mit den Befunden in Einklang zu bringende Beurteilung erfolgen.“
3.2. Im Rahmen des gemäß § 45 Abs. 3 AVG durch die belangte Behörde am 09.09.2021 erteilten Parteiengehörs wurden keine Einwendungen erhoben.
3.3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 21.10.2021 hat die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ abgewiesen.
Die Abweisung wurde mit dem Ergebnis der ärztlichen Untersuchung begründet.
4. Gegen diesen Bescheid wurde von der gesetzlichen Vertretung der Beschwerdeführerin ohne Vorlage medizinischer Beweismittel fristgerecht Beschwerde erhoben. Begründend wurde im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass die vorgelegten Befunde nicht ausreichend gewürdigt worden seien. Die eingeholten Sachverständigengutachten seien falsch.
4.1. Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt langte der Aktenlage nach am 01.12.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die Beschwerdeführerin erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz im Inland. Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin eines unbefristet ausgestellten Behindertenpasses.
1.2. Der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ ist am 30.04.2021 bei der belangten Behörde eingelangt.
1.3. Bei der Beschwerdeführerin liegen folgende Funktionseinschränkungen vor:
„Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen, oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate dauern werden:
01
Depressionen mit teils psychotischen Symptomen
02
Hörstörung beidseits
03
Diabetes mellitus mit weitgehend ausgeglichener Blutzuckereinstellung durch Insulintherapie
04
Medikamentös stabilisierter arterieller Bluthochdruck
05
Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom (OSAS)
06
Abnützungserscheinungen des gesamten Bewegungsapparates, vor allem der Schultergelenke und Kniegelenke mit mäßigen funktionellen Einschränkungen
07
Mäßiggradige degenerative Veränderungen der Wirbelsäule
08
Polyneuropathie
09
Adnexektomie beidseits
10
Mischinkontinenz
11
Dementielles Syndrom DD Pseudodemenz
1.4. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Die bei der Beschwerdeführerin vorliegende Depression teils mit psychotischen Symptomen, das obstruktive Schlafapnoe-Syndrom und das dementielle Syndrom führen im Zusammenwirken zu einer maßgeblichen Reduktion des Allgemeinzustandes und der Fähigkeit der selbständigen Orientierung im öffentlichen Raum, wodurch sowohl die Möglichkeit öffentliche Verkehrsmittel selbständig zu erreichen, als auch der sichere und gefährdungsfreie Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich beeinträchtigt sind.
Die festgestellten Funktionseinschränkungen wirken sich im Gesamtbild in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel aus.
1.5. Der Beschwerdeführerin ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar.
2. Beweiswürdigung:
Zu 1.1.) bis 1.2.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.
Zu 1.3.) bis 1.5.) Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin gründen sich - in freier Beweiswürdigung - auf die durch die belangte Behörde eingeholten Sachverständigengutachten Dris. XXXX ,
Dris. XXXX und Dris. XXXX , sowie auf die von der Beschwerdeführerin vorgelegten medizinischen Beweismittel.
Die von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten
sind hinsichtlich der erhobenen Diagnosen und des klinischen Status vollständig, schlüssig, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die Krankengeschichte der Beschwerdeführerin wurde umfassend nach dem konkret vorliegenden Krankheitsbild berücksichtigt. Hinsichtlich der erhobenen Diagnosen wurden von der Beschwerdeführerin auch keine Einwendungen erhoben. Die vorgelegten Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen, die befassten Sachverständigen haben sich damit auseinandergesetzt.
Hinsichtlich der Beurteilung der Auswirkungen der Gesundheitsschädigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel kann den Sachverständigengutachten jedoch nicht gefolgt werden.
So wird in den Gutachten dargestellt, dass die Beschwerdeführerin u.a. an Depressionen mit teils psychotischen Symptomen, einem obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom und einem dementiellen Syndrom leidet, dass aber diese Gesundheitsschädigungen der Erreichbarkeit und dem sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht entgegenstehen.
Diese Beurteilung steht aber in erheblichem Gegensatz sowohl zum erhobenen klinischen Status als auch zu den von der Beschwerdeführerin vorgelegten medizinischen Beweismitteln.
So wird im von der Beschwerdeführerin vorgelegten Befund Dr. XXXX , Facharzt für Neurologie und Psychiatrie vom 09.03.2021 – welcher im eingeholten neurologischen Gutachten ausführlich zitiert wurde – dargestellt, dass die Beschwerdeführerin sich seit 2013 in Behandlung befindet und aufgrund der vorliegenden Gesundheitsschädigungen Unterstützung in allen Belangen des täglichen Lebens benötigt und öffentliche Verkehrsmittel nicht benützen kann. So wird u. a. beschrieben, dass die Beschwerdeführerin an einer rezidivierenden depressiven Störung, teilweise mit psychotischen Symptomen und mit chronischen akustischen und optischen Halluzinationen und einem dementiellen Syndrom mit ausgeprägten Verhaltensstörungen leidet, wobei insbesondere eine Verwirrungs- und Orientierungsstörung vorliegt.
Diese Beurteilung steht auch mit dem erhobenen Status Dris. XXXX in Einklang, wonach die Beschwerdeführerin zeitlich und örtlich nicht orientiert ist, die Merkfähigkeit deutlich eingeschränkt ist, Konzentration und Antrieb herabgesetzt sind, der Allgemeinzustand reduziert ist, die Bewegungsanläufe verlangsamt sind und die Beschwerdeführerin kaum kontaktierbar ist.
Auch im vorgelegten ärztlichen Zeugnis Dris. XXXX vom 30.09.2021 - welches im Rahmen eines Verfahrens zur Erlangung einer gesetzlichen Erwachsenenvertretung erstellt wurde – wird dargestellt, dass bei der Beschwerdeführerin keine Entscheidungsfähigkeit hinsichtlich ihrer persönlichen Angelegenheit vorliegt, weshalb ihr zuletzt auch gesetzliche Erwachsenenvertretung zur Seite gestellt wurden.
Ebenso wird im lungenfachärztlichen Befund, Dr. XXXX dargestellt, dass bei der Beschwerdeführerin nach Corona-Infektion Atemnot bei geringster Belastung besteht, in der Lunge eine interstitielle Strukturvermehrung vorliegt, was trotz des bestehenden Diabetes eine Kortisontherapie erforderlich machte. Auch der Lungenfacharzt bestätigt, dass die Beschwerdeführerin im täglichen Leben auf die Hilfe fremder Personen angewiesen ist.
Es ist daher in Zusammenschau der eingeholten Sachverständigengutachten und der vorgelegten medizinischen Beweismittel auf Grund der vorliegenden zeitlichen und örtlichen Desorientierung des reduzierten Allgemeinzustandes sowie der psychischen Beeinträchtigung in Form von psychotischen Symptomen mit chronischen akustischen und optischen Halluzinationen und einem dementiellen Syndrom mit ausgeprägten Verhaltensstörungen nicht davon auszugehen, dass es der Beschwerdeführerin möglich ist, sich selbständig im öffentlichen Raum zu orientieren um ein öffentliches Verkehrsmittel ausreichend sicher zu erreichen, zu Be- und Entsteigen und darin sicher transportiert zu werden.
Die Angaben der Beschwerdeführerin waren sohin geeignet, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegten Sachverständigengutachten zu entkräften und eine geänderte Beurteilung herbeizuführen.
Zur Erörterung der Rechtsfrage, ob der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, siehe die rechtlichen Erwägungen unter Punkt II. 3.A.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)
Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)
Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)
Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist u.a. jedenfalls einzutragen:
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
(§ 1 Abs. 4 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise)
Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktions-beeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(§ 1 Abs. 5 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen)
In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird Folgendes ausgeführt:
Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise):
Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion – das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen – ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.
Die Begriffe „erheblich“ und „schwer“ werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr
- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten
- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen
- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, und die dort angeführte Vorjudikatur sowie vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0242, vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.
Betreffend das Kalkül "kurze Wegstrecke" wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 - 400 m ausgeht. (vgl. u.a. Ro 2014/11/0013 vom 27.05.2014, 2012/11/0186 vom 27.01.2015)
Auf den Beschwerdefall bezogen:
Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, ist das Beschwerdevorbringen in Verbindung mit den vorgelegten medizinischen Beweismitteln geeignet darzutun, dass die der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte gutachterliche Beurteilung hinsichtlich der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt nicht dem tatsächlichen Leidensausmaß der Beschwerdeführerin entspricht.
Die bei der Beschwerdeführerin vorliegende zeitliche und örtliche Desorientierung, der reduzierte Allgemeinzustand sowie die psychische Beeinträchtigung in Form von psychotischen Symptomen mit chronischen akustischen und optischen Halluzinationen sowie das dementiellen Syndrom wirken sich in Zusammenschau maßgeblich negativ auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus.
Durch die vorliegenden Gesundheitsschädigungen sind das sichere Erreichen, das Be- und Entsteigen und der sichere Transport im öffentlichen Verkehrsmittel nicht gewährleistet.
Die bei der Beschwerdeführerin festgestellten Funktionseinschränkungen wirken sich somit maßgeblich negativ auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus und ist es der Beschwerdeführerin daher nicht zumutbar öffentliche Verkehrsmittel zu benützen.
Da festgestellt worden ist, dass der Leidenszustand der Beschwerdeführerin ein Ausmaß erreicht, welches die Vornahme der Zusatzeintragung „Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar“ rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Die Verhandlung kann entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)
Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)
Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen für den beantragten Zusatzvermerk sind die Art, das Ausmaß und die Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher der, der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte, Sachverständigenbeweis geprüft. Unter Punkt II. 2. wurde bereits ausgeführt, in welchem Umfang dieser als schlüssig erachtet wurde.
Das Beschwerdevorbringen war – wie unter Punkt II.2. bzw. II.3.1. bereits ausgeführt – geeignet, relevante Bedenken an der Beurteilung der belangten Behörde hervorzurufen. Die vorgebrachten Argumente und vorgelegten Beweismittel wurden berücksichtigt und resultiert daraus die geänderte Beurteilung. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch kein absoluter. (VfGH vom 09.06.2017, E 1162/2017)
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung einerseits von Tatsachenfragen abhängt. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen. Andererseits sind Rechtsfragen zu lösen, welchen keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird ausgeführt, dass ausgehend von den bisherigen durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Beurteilungskriterien zur Frage „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ Funktionseinschränkungen relevant sind, die die selbstständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Als Aktionsradius ist eine Gehstrecke von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 300 bis 400 m anzunehmen. Es war sohin keine – von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abweichende – Neuregelung beabsichtigt.
Vielmehr wird in den Erläuterung ausdrücklich festgehalten, dass im Hinblick auf die ab 01.01.2014 eingerichtete zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und die Einheitlichkeit der Vollziehung der im Behindertenpass möglichen Eintragungen sicherzustellen, die Voraussetzungen, die die Vornahme von Eintragungen im Behindertenpass rechtfertigen, in einer Verordnung geregelt werden sollen.
Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.
Schlagworte
Behindertenpass öffentliche Verkehrsmittel Sachverständigengutachten Unzumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2022:W201.2248836.1.00Im RIS seit
02.02.2022Zuletzt aktualisiert am
02.02.2022