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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §55Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher und den Hofrat Dr. Pfiel als Richter sowie die Hofrätin Dr. Wiesinger als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des M S, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstr. 13, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11. Februar 2021, W169 1422610-3/2E, betreffend Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 und Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach seiner unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet am 27. Oktober 2011 einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz. Dieser Antrag wurde im Beschwerdeverfahren mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 19. November 2012 vollinhaltlich abgewiesen. Unter einem wurde die Ausweisung des Revisionswerbers aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien verfügt.
2 Am 3. November 2017 beantragte der in Österreich verbliebene Revisionswerber gemäß § 55 Abs. 2 iVm Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 die Erteilung eines „Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK“. Über Aufforderung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA), ein gültiges Reisedokument nachzureichen, teilte der Revisionswerber mit Schreiben vom 21. November 2017 mit, dass er seinen Reisepass bei der Flucht zurückgelassen habe und ihn daher nicht vorlegen könne. Er stellte diesbezüglich einen Antrag auf Heilung gemäß der AsylG-DV 2005.
3 Mit Bescheid vom 5. März 2018 wies das BFA den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 ab. Es erließ gegen den Revisionswerber gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 3 FPG, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung nach Indien zulässig sei, und räumte gemäß § 55 FPG eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise ein. Den Antrag auf Mängelheilung wies das BFA gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 iVm § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG-DV ab, da das Standesamt Mödling eine Kopie des bis 23. Juli 2018 gültigen Reisepasses des Revisionswerbers übermittelt habe, dessen Existenz er bisher verschwiegen habe und dessen Vorlage ihm somit möglich gewesen wäre.
4 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 6. Juni 2018 als unbegründet ab.
5 Am 13. Dezember 2019 beantragte der weiterhin im Bundesgebiet verbliebene Revisionswerber neuerlich die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005.
6 Das BFA wies diesen Antrag mit Bescheid vom 30. November 2020 ab, wobei es gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG abermals eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 3 FPG erließ, gemäß § 52 Abs. 9 FPG neuerlich feststellte, dass seine Abschiebung (gemeint: nach Indien) zulässig sei, und gemäß § 55 FPG eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise einräumte.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 11. Februar 2021 wies das BVwG eine dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
8 Die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision erweist sich als unzulässig.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
11 In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit unter dem genannten Gesichtspunkt erkennbar ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geltend gemacht, wonach bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig ein Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich anzunehmen ist, es sei denn, der Fremde habe die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt, um sich sozial und beruflich zu integrieren (Hinweis u.a. auf VwGH 19.11.2014, 2013/22/0270). Das gelte auch für Fälle, in denen die Aufenthaltsdauer knapp unter zehn Jahren liege.
12 Richtig ist zwar, dass die angesprochene Judikatur vom Verwaltungsgerichtshof - aber nur: bei stärkerem Integrationserfolg - auch auf Fälle übertragen wurde, in denen die Aufenthaltsdauer knapp unter zehn Jahren lag (vgl. dazu zuletzt VwGH 2.9.2021, Ra 2021/21/0209, Rn. 10, und daran anschließend VwGH 7.10.2021, Ra 2021/21/0139, Rn. 11). Abgesehen davon, dass sich der Revisionswerber (im maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses) insgesamt erst neun Jahre und etwa dreieinhalb Monate in Österreich aufhielt, fällt der nach der rechtskräftig gewordenen ersten Abweisung eines Antrags auf Erteilung des Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 und Erlassung einer Rückkehrentscheidung qualifiziert unsichere weitere Aufenthalt nicht maßgeblich ins Gewicht, wurden doch vom Revisionswerber - außer der mittlerweile erfolgten Absolvierung der Deutschprüfung auf dem Niveau A2 - keine seither eingetretenen entscheidungswesentlichen Änderungen geltend gemacht. Vor diesem Hintergrund kann auch die vom BVwG vorgenommene, sowohl für den Aufenthaltstitelantrag als auch für die Rückkehrentscheidung gleichermaßen relevante Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG, bei der kein Eingriff in ein Familienleben zur Debatte stand, jedenfalls nicht als unvertretbar angesehen werden (siehe zur Maßgeblichkeit dieses Maßstabes für das Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aus der ständigen Rechtsprechung etwa die Nachweise in VwGH 5.3.2021, Ra 2020/21/0340, Rn. 11), zumal das BVwG - in der Revision unbekämpft - unter anderem auch davon ausging der Revisionswerber habe durch die Nichtvorlage seines gültigen indischen Reisepasses die Effektuierung der Ausweisung behindert.
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 21. Dezember 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021210079.L00Im RIS seit
02.02.2022Zuletzt aktualisiert am
24.02.2022