Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der * 2019 verstorbenen J* D*, zuletzt *, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller 1. J* D*, 2. W* R*, beide vertreten durch Dr. Artur Reisenberger, Rechtsanwalt in Ohlsdorf, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 26. April 2021, GZ 15 R 136/21g, 15 R 137/21d-34, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Eine Urkunde ist nicht schon dann unbedenklich iSv § 154 Abs 2 Z 3 AußStrG, wenn sie frei von besonderen, ihre Glaubwürdigkeit beeinträchtigenden Mängeln ist (§ 27 GBG); vielmehr muss es sich um ein Schriftstück handeln, dem besondere Glaubwürdigkeit zukommt (RS0001391, vgl auch RS0001395). Dies setzt bei einer Privaturkunde insbesondere voraus, dass kein Zweifel daran besteht, dass sie von jener Person stammt, die darin eine sie belastende Erklärung abgegeben hat (4 Ob 166/14m mwN; 2 Ob 75/17v).
[2] Dieses Erfordernis ist bei der hier strittigen Aufzeichnung eines Anwalts über ein mündlich geschlossenes Erbteilungsübereinkommen nicht erfüllt. Die Rechtsmittelwerber können sich daher nicht auf eine unbedenkliche Urkunde stützen. Damit kann offen bleiben, ob für das Erbteilungsübereinkommen nicht ohnehin Notariatsaktpflicht bestand, weil eine der Erbinnen praktisch den gesamten Nachlass ohne wirkliche Übergabe ihren Miterben überließ (vgl Bittner in Gruber/Kalss/ Müller/Schauer, Erbrecht und Vermögensnachfolge2 [2018] § 14 Rz 35; Bruckner, Erbteilungsübereinkommen [2007] 117).
[3] 2. Richtig ist, dass eine unbestrittene Forderung nach dem eindeutigen Wortlaut von § 154 Abs 2 Z 3 AußStrG („oder“) nicht noch zusätzlich durch eine unbedenkliche Urkunde nachgewiesen werden muss (2 Ob 161/18t mwN).
[4] „Unbestritten“ kann eine Forderung allerdings nur dann sein, wenn sie den Beteiligten bekannt war. Denn das Abstellen auf die fehlende Bestreitung in § 154 Abs 2 Z 3 AußStrG dient offenkundig dazu, ein Bescheinigungsverfahren zu vermeiden, wenn sich die Beteiligten über das Bestehen der Forderung ohnehin einig sind. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn einzelne Beteiligte die Forderung gar nicht kannten. Dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, dass er Schweigen auch in diesem Fall als Zustimmung werten wollte. Eine Obliegenheit zum Bestreiten in einer Rekursbeantwortung (so die Fallgestaltung in 2 Ob 75/17v) lässt sich aus dem Gesetz nicht ableiten.
[5] Im vorliegenden Fall hatte die Gerichtskommissärin den erbantrittserklärten Erben unmissverständlich mitgeteilt, dass neben den im Inventar verzeichneten, von ihnen anerkannten Verbindlichkeiten keine weiteren Forderungsanmeldungen eingelangt seien. Dass die unvertretenen Erben dieser (unzutreffenden) Erklärung vertrauten, kann nicht dazu führen, dass nun vom Bestehen der Forderung auszugehen wäre und der Nachlass wegen der in diesem Fall bestehenden Überschuldung an Zahlungs statt überlassen werden müsste. Den Gläubigern steht ohnehin frei, ihren Anspruch gegen die Erben, denen inzwischen eingeantwortet wurde, geltend zu machen.
[6] Den in der unrichtigen Mitteilung liegenden Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Rechtsmittelwerber in ihren Rekursen nicht gerügt. Daher können sie ihn im Revisionsrekurs nicht mehr geltend machen (RS0050037 [T13]).
[7] 3. Auf die Frage, ob die Einantwortung im Verlassverfahren nach dem Ehemann der Erblasserin schon rechtskräftig ist, kommt es unter diesen Umständen nicht an. Der Revisionsrekurs ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.
Textnummer
E133484European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0020OB00124.21F.1021.000Im RIS seit
03.02.2022Zuletzt aktualisiert am
03.02.2022