TE OGH 2021/11/23 4Ob150/21v

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.11.2021
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Hon.-Prof. PD Dr. Rassi als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Dr. Nowotny und MMag. Matzka sowie die Hofrätin Mag. Istjan, LL.M. als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin S* GmbH, *, vertreten durch BINDER GRÖSSWANG Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Beklagte M* GmbH, *, vertreten durch Kaan Cronenberg & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Graz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 31.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 28. Juli 2021, GZ 5 R 73/21a-36, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1]            Die Vorinstanzen haben den Sicherungsantrag der Klägerin, der Beklagten im geschäftlichen Verkehr zu verbieten, für Handelsdienstleistungen im Wesentlichen mit Nahrungsergänzungsmitteln zu behaupten, die „Nr. 1“ und/oder „Deine Nr. 1“ zu sein, insbesondere bezogen auf einen Online-Shop und/oder die verfügbaren Produkte und/oder die Produktvielfalt und/oder eine ähnliche Spitzenstellung zu behaupten, abgewiesen. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, die Beklagte werbe nur mit dem Werbeslogan „Deine Nr. 1“ (und nicht auch mit der Werbeaussage „Nr. 1“). Dabei handle es sich um einen „gewöhnlichen Werbeslogen“, der inhaltlich nichts Wesentliches ausssage. Die angesprochenen Verkehrskreise wüssten auch, dass nur sie selbst beurteilen könnten, wer oder was ihre Nummer 1 für Sportnahrung sei. Es sei daher objektiv nicht überprüfbar, was „Deine Nr. 1“ sei, vielmehr stelle die Werbeaussage schon nach dem Wortsinn bloß auf die subjektive Beurteilung des Adressaten ab. Dieser nehme aufgrund des beanstandeten Werbeslogans nicht an, dass es sich bei der Beklagten um den Anbieter mit etwa dem breitesten Angebot, dem größten Filialnetz, dem höchsten Umsatz oder den meisten Kunden handle. Somit liege keine objektive Tatsachenbehauptung, sondern eine „subjektive Werbung“ (ein Werturteil) vor.

Rechtliche Beurteilung

[2]            Die Klägerin zeigt in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs keine grobe Fehlbeurteilung des Rekursgerichts auf. Der Revisionrekurs ist daher in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen nicht zulässig und somit zurückzuweisen.

[3]            1.1. Die Frage, ob eine bestimmte Werbeaussage eine objektiv überprüfbare Tatsachenbehauptung oder nur eine rein subjektive, jeder objektiven Nachprüfung entzogene Meinungskundgebung ist, ist immer nach dem Gesamteindruck der Ankündigung – unter Berücksichtigung ihres Gegenstands, ihrer Form, des Zusammenhangs, in den sie gestellt wird, sowie aller sonstigen Umstände, die für das angesprochene Publikum maßgebend sein können – zu beurteilen (RS0078340).

[4]            1.2. Die Frage, wie die angesprochenen Verkehrskreise eine Werbeaussage verstehen und ob sie demnach zur Irreführung geeignet ist, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und ist daher nicht erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO, soweit nicht eine krasse Fehlbeurteilung vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss (RS0107771; vgl auch zur Abgrenzung zwischen marktschreierischer Anpreisung und ernst gemeinter Behauptung RS0078340 [T1] und zur Irreführungseignung einer Ankündigung im Einzelfall RS0053112). Ob also die Werbebehauptung zumindest von einem nicht unerheblichen Teil des angesprochenen Publikums als ernstzunehmende Inanspruchnahme einer Spitzenstellung aufgefasst werden kann, ist keine erhebliche Rechtsfrage (4 Ob 402/85; 4 Ob 61/21f).

[5]       2.1. Die Klägerin vertritt den Standpunkt, dass die gegenständliche Werbeaussage nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck nicht als Werturteil, sondern als überprüfbare Tatsachenbehauptung anzusehen sei, weil sich die Kernaussage der beanstandeten Werbungen immer aus der Angabe „Nr. 1“ ergebe. Sportler verstünden dies natürlich als „den Besten“, etwa den Sieger eines Wettkampfs. Diese Aussage werde ergänzt durch das vorangestellte Wort „Deine“ und nachgestellte Erklärungen, für welche Angebote die Spitzenstellung als „Nr. 1“ in Anspruch genommen werde („… für Sportnahrung/Online Shop für Multisport Food“). In den Anzeigen werde ausdrücklich auf die Produktvielfalt an Sportnahrung Bezug genommen. Die Beklagte stelle somit selbst einen Kontext her, in dem sich „Deine Nr. 1“ ausdrücklich auf überprüfbare Tatsachen beziehe.

[6]            2.2. Damit zeigt der Revisionsrekurs jedoch keine Fehlbeurteilung des Rekursgerichts auf. Nach der Rechtsprechung (siehe oben 1.1.) ist eine Ankündigung nicht isoliert zu betrachten, sondern in ihrem gesamten Wortlaut. Dieser umfasst auch das Possessivpronomen „Deine“, womit ausreichend zum Ausdruck kommt, dass nicht die Bewerbung als „Nr. 1“ ganz allgemein, sondern jene für den individuellen Adressaten gemeint ist. Ob für den einzelnen Sportler das Produkt der Beklagten eine Spitzenstellung einnimmt, ist dessen subjektive Wertung.

[7]            3.1. Die Revisionsrekurswerberin beruft sich zur Stützung ihres Standpunkts auf die Entscheidung 4 Ob 93/00f. Darin wurde die Werbeaussage „Ihr neues Nr 1 – Magazin am Montag. Vom Start weg mehr Käufer als p***** – mit mehr Qualität“ – als offenbar ernstgemeinte Tatsachenbehauptung der Beklagten qualifiziert, wonach ihr Magazin qualitätsvoller als das namentlich genannte Produkt des Mitbewerbers sei.

[8]            3.2. Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt ist aber mit dem hier zu beurteilenden nicht vergleichbar. Es war zwar auch dort eine Werbeaussage mit einem Possessivpronomen im ersten Teil zu beurteilen, doch enthielt die Ankündigung im zweiten Teil noch die weiteren Behauptungen „Vom Start weg mehr Käufer als [Mitbewerber] – mit mehr Qualität“. Die dortige Beurteilung durch das Berufungsgericht, insgesamt handle es sich um eine offenbar ernstgemeinte Tatsachenbehauptung der Beklagten, ihr Magazin sei qualitätsvoller als das namentlich genannte Produkt des Mitbewerbers entspricht der Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen marktschreierischer Anpreisung und Tatsachenbehauptung. An einem objektiv nachprüfbaren Tatsachenkern fehlt es allerdings im Anlassfall.

[9]            3.3. Die von der Revisionsrekurswerberin des Weiteren herangezogene Judikatur zur Werbung mit der Aussage „Nr. 1“ als überprüfbare Tatsachenbehauptung (4 Ob 127/15b, Die starke Nr 1 in Wien; 4 Ob 59/10w, Zur Nummer 1 gewählt; 4 Ob 245/07v, Die neue Nr 1 der ÖAK; 4 Ob 116/07y, Die absolute Nr 1 im Bereich Lifestyle-Magazine; 4 Ob 81/04x, Nr 1-Preise; ua) ist schon deshalb nicht einschlägig, weil hier nach dem als bescheinigt angenommenen Sachverhalt eine Werbung als „Nr 1“ nicht vorliegt.

[10]     Zusammenfassend hat das Rekursgericht daher vertretbar das Vorliegen einer Spitzenstellungswerbung durch die Beklagte verneint.

Textnummer

E133661

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00150.21V.1123.000

Im RIS seit

02.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

02.02.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten