Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G* GmbH, *, vertreten durch Dr. Harald Schwendinger, Dr. Brigitte Piber, Rechtsanwälte in Salzburg, sowie des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei D*, vertreten durch Zumtobel Kronberger Rechtsanwälte OG in Salzburg, gegen die beklagte Partei W* GmbH, *, vertreten durch Kopp – Wittek Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 2.089.593,35 EUR sA und Feststellung (Streitwert 100.000 EUR), über die Revision sowie den Rekurs der beklagten Partei gegen das Teil- und Teilzwischenurteil sowie den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 23. Juli 2021, GZ 2 R 87/21h-81, mit dem das Zwischen- und Teilurteil des Landesgerichts Salzburg vom 13. April 2021, GZ 10 Cg 34/19m-74, teils abgeändert, teils bestätigt und teils aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision und der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss werden zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 5.546,16 EUR (darin 924,36 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisions- und Rekursbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Die Klägerin ließ zwischen 2005 und 2007 eine Wohnhausanlage mit Glasfassaden im Bereich der Stiegenhäuser und Laubengänge errichten. Die Beklagte war aufgrund des Architektenvertrags vom 24./30. 11. 2004 mit der Planung der gesamten Wohnhausanlage beauftragt.
[2] Gemäß Punkt 2.04 oblag ihr die Durcharbeitung aufgrund des genehmigten Entwurfs unter Berücksichtigung der behördlichen Bewilligung und der Beiträge der anderen an der Planung fachlich Beteiligten (Sonderfachleuten) mit allen für die Ausführung notwendigen Angaben, die zeichnerische Darstellung des Objekts als Ausführungs- und Detailzeichnung in den jeweils erforderlichen Maßstäben mit Eintragung der erforderlichen Maßangaben, Materialbestimmungen und textlichen Ausführungen.
[3] Gemäß Punkt 2.06 war ihre Aufgabe auch die künstlerische Oberleitung der Bauausführung, die Überwachung der Herstellung hinsichtlich des Entwurfs und der Gestaltung sowie letzte Klärung von funktionellen und gestalterischen Einzelheiten von der Planung bis zur Mitwirkung an der Schlussabnahme des Bauwerks unmittelbar nach dessen Fertigstellung im Einvernehmen mit der örtlichen Bauaufsicht.
[4] Nach Punkt 2.07 hatte sie als technische Oberleitung die Beratung und Vertretung der Auftraggeberin in den Belangen der Planung im Zug der Teilleistungen 2.01 bis 2.04, die Führung der notwendigen Verhandlungen mit Behörden, Sonderfachleuten und sonstigen mit der Planung im Zusammenhang stehenden Dritten im Einvernehmen mit der Auftraggeberin, die Aufstellung eines Planungszeitplans und eines Grobzeitplans der Gesamtabwicklung der Herstellung des Bauwerks, Koordination und Integration der Leistungen anderer an der Planung fachlich Beteiligter (Sonderfachleute), Überprüfung und Freigabe von Werkzeichnungen der ausführenden Firmen sowie letzte Klärung von erforderlichen, die Planung ergänzenden konstruktiven Einzelheiten zu erledigen.
[5] Da sich Jahre nach Abschluss der Arbeiten Verformungen an der Verglasung der Laubengänge und der Stiegenhäuser sowie Risse in der Stahlkonstruktion zeigten, holte die Klägerin Ende 2016 ein Privatgutachten eines Glasermeisters für den Bereich der Laubengänge ein, das Ausführungsfehler bei Glasauflagerungen und Befestigungen ergab. Weitere Gutachten zweier Ziviltechniker zur statischen Beurteilung der Glasfassade vom 16. 1. bzw 9. 10. 2017 ergaben, dass die Konstruktion und die Ausführung nicht ordnungsgemäß waren. Die gesamte Stahl- und Glaskonstruktion weist erhebliche Mängel der Planung und auch der Ausführung im Bereich der Anschlusspunkte auf. Die Stahlglaskonstruktion weicht – vor allem bei der Unterkonstruktion – erheblich von der Planung der Beklagten ab. Die Geländerkonstruktion entsprach in ihrer Ausführung – so auch dem Abstand der Gläser zu den Geländerstehern – dem Letztstand der Planung der Beklagten. Anhand welcher Pläne die Glasfassade ansonsten letztendlich ausgeführt wurde, ist nicht feststellbar. Nach dem letzten von der Beklagten erstellten Planstand (./OOOO) allein kann nicht gebaut worden sein, weil dieser nur einer Vorplanung und nicht einer Ausführungsplanung entspricht. Anhand einer Vorplanung ist vom ausführenden Unternehmen eine Werkplanung zu erstellen, die einen Genauigkeitsgrad im Millimeterbereich aufweist, die dann vom Architekten oder der technischen Oberleitung auf Eignung im Zusammenhang mit dem Gesamtbauwerk überprüft und an den bestellten Statiker zur Freigabe weitergeleitet wird. Die Beklagte wandte sich in der Planungsphase zwar wiederholt an den Nebenintervenienten mit dem Ersuchen um statische Überprüfung einzelner Detailskizzen. Dass der Letztstand der Planung dem Nebenintervenienten übermittelt worden wäre, steht aber nicht fest. Der letzte Plan ist keine geeignete Zeichnung zur Herstellung eines Bauteils, weil die Tragfähigkeit nicht errechnet werden kann und für eine Ausführungsplanung Angaben von Dübel und Dübelhersteller, Durchmesser und Rand- und Achsenabstände fehlen.
[6] Die örtliche Bauaufsicht übernahm die Klägerin selbst. Nach ihrer Auffassung war es nicht Aufgabe der örtlichen Bauaufsicht, sondern der technischen Oberleitung und damit der Beklagten, sicherzustellen, das Geplante auch umzusetzen.
[7] Aufgrund der eingeholten Privatgutachten veranlasste die Klägerin ein Beweissicherungsverfahren und ließ – aufgrund eines drohenden Benützungsverbots – die Glas- und Metallkonstruktion rückbauen und die Fassade mit Verbundsicherheitsglas (VSG) neu errichten.
[8] Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadenersatz für notwendige Sofortsicherungsmaßnahmen, für die Sanierung und für von Bewohnern geltend gemachte Mietzinsminderungsansprüche sowie die Feststellung der Haftung für künftige Schäden. Die Beklagte sei ihren Verpflichtungen aus dem Architektenvertrag nicht ausreichend nachgekommen.
[9] Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und wendete Verjährung ein. Sie habe dem Architektenvertrag entsprechend geplant. Die ausgeführte Konstruktion weiche von der Planung ab. Dass die Subunternehmerin schlampig gearbeitet habe, habe nicht sie zu verantworten, sondern hätte der Klägerin als Trägerin der örtlichen Bauaufsicht auffallen müssen.
[10] Das Erstgericht sprach mit Zwischen- und Teilurteil aus, das Zahlungsbegehren bestehe dem Grunde nach (ohne jegliche Einschränkung) zu Recht, es stellte die (eingeschränkte) Haftung der Beklagten für nicht vorhersehbare Schäden aus der Nichtberücksichtigung der erforderlichen Abstände zwischen den Glasscheiben untereinander und diesen und den Geländerstehern und Holmen fest und wies das Feststellungsmehrbegehren ab.
[11] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise, der Berufung der Klägerin hingegen Folge. In seinem Zwischen- und Teilzwischenurteil sprach es aus, das Klagebegehren auf Zahlung von 2.050.359,76 EUR bestehe dem Grunde nach zu Recht, es stellte die Haftung der Beklagten für alle künftigen Schäden, die der klagenden Partei durch die mangelhafte Planung der Stahlglasfassade der Wohnhausanlage entstehen werden, fest. Das Zwischenurteil über ein Leistungsbegehren von 39.233,59 EUR (den geltend gemachten Mietzinsentgang) hob es auf und trug dem Erstgericht insoweit die neuerliche Entscheidung auf.
[12] Die Auffassung der Beklagten, sie sei für die Freigabe von Werkzeichnungen nicht verantwortlich gewesen, widerspreche dem Architektenvertrag. Allenfalls vor Ort entstandene abweichende Übungen hätten diese vertraglichen Verpflichtungen nicht ändern können. Der Beklagten sei daher eine Missachtung der ihr im Rahmen der technischen Oberleitung zukommenden Pflichten zur Koordination, Überprüfung und Freigabe von Werkzeichnungen der ausführenden Unternehmen anzulasten. Dass sich der mit der technischen Oberleitung Betraute darum kümmern müsse, geeignete Pläne vorgelegt zu erhalten, überspanne seine Kontrollpflichten nicht. Eine Unterbrechung des Kausalzusammenhangs zwischen der unzureichenden Planung der Beklagten und der mangelhaften Ausführung der Fassade liege nicht vor, zumal ein natürlicher Kausalzusammenhang zwischen dem Überlassen der Detailplanung und der mangelhaften Ausführung durch das Schlosserunternehmen einem allgemeinen Erfahrungssatz und dem Vorbringen der Beklagten selbst entspreche. Dass das Schlosserunternehmen auch von einer geprüften und freigegebenen Planung abgewichen wäre, sei nicht behauptet worden. Dass die gravierenden Mängel (auch) der Planung deren Sicherung und die Sanierung erforderten, sei unstrittig; ob allein die Ausführungsmängel denselben Schaden herbeigeführt hätten, könne dahingestellt bleiben, weil sowohl alternative als auch kumulative Kausalität zur Solidarhaftung der Schädiger führt. Eine Verjährung der Schadenersatzansprüche sei zu verneinen, weil die Klägerin erst mit Vorliegen des Sachverständigengutachtens über die Mängelursachen und deren Zurechnung ausreichend Kenntnis für eine erfolgversprechende Klageführung gegen die Beklagte gehabt habe, somit frühestens im Oktober 2017. Die Klage vom 26. 3. 2019 sei daher innerhalb der Verjährungsfrist erhoben. Zum Mietzinsentgang sei ungewiss, ob der Klägerin ein solcher überhaupt entstanden sei, daher sei ein Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs noch nicht möglich. Ein Mitverschulden der Klägerin verneinte das Berufungsgericht. Die von ihr selbst besorgte örtliche Bauaufsicht solle nur vor Fehlern schützen, die in den Verantwortungsbereich der einzelnen bauausführenden Unternehmen fallen, nicht aber diese von deren Verantwortung entlasten oder diese mindern. Der bauausführende Werkunternehmer könne bei Verletzung einer mit der örtlichen Bauaufsicht verbundenen Verpflichtung mangels Rechtswidrigkeitszusammenhangs daher kein seine Haftung minderndes Mitverschulden geltend machen. Wenn auch die örtliche Bauaufsicht im Interesse des Bauherrn sicherstellen solle, dass die Ausführung entsprechend den freigegebenen Plänen erfolge, habe sie nicht den Zweck, den Planer zu entlasten, der keinen oder einen unzureichenden Plan vorlege, und auch nicht den mit der technischen Oberleitung Beauftragten, der es verabsäume, Werkzeichnungen abzufordern, zu überprüfen und freizugeben. Der Vorwurf der Beklagten, die Klägerin als örtliche Bauaufsicht hätte Mängel in der Überwachung der Ausführung zu verantworten, betreffe den Ausgleich der Schadenstragung unter mehreren Schädigern, die dem Geschädigten solidarisch haften. Dazu sei im Innenverhältnis auf die Schwere der Zurechnungsgründe, insbesondere das Verschulden abzustellen. Im Vertrag zwischen den Streitteilen sei das durch die örtliche Bauaufsicht zu schützende Interesse nicht auf die Beklagte ausgedehnt oder eine Regelung über Haftung und/oder Ausgleich getroffen worden, weshalb die mangelhafte Ausführung selbst der örtlichen Bauaufsicht auch im Verhältnis zur Beklagten nicht anzulasten sei. Bei Gewichtung der Zurechnungsmomente trete ein allfälliges Mitverschulden der Klägerin als für die örtliche Bauaufsicht Verantwortliche im Übrigen völlig in den Hintergrund.
[13] Die Revision und den Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss ließ das Berufungsgericht mit der Begründung zu, zur Zurechnung eines Mitverschuldens des Bauherrn, der selbst die örtliche Bauaufsicht übernehme, im Verhältnis zum Architekten – als Planer und technische Oberleitung – liege keine Rechtsprechung vor, die den Rechtswidrigkeitszusammenhang im Verhältnis zum Architekten abgrenze. Es sei auch allgemein relevant, inwieweit ein Mitverschulden des Bauherrn im Rahmen der von ihm übernommenen örtlichen Bauaufsicht beim Übersehen von reinen Ausführungsfehlern eines Werkunternehmers gegenüber dem mangelhaft planenden und technisch leitenden Architekten zu berücksichtigen sei.
[14] Dagegen richtet sich die ordentliche Revision und der Rekurs der beklagten Partei, in denen sie eine Abänderung im Sinn einer vollinhaltlichen Klageabweisung anstrebt, hilfsweise eine Feststellung der Haftung der Beklagten nur zu 1/10 begehrt, eventualiter stellt sie einen Aufhebungsantrag.
[15] Die Klägerin beantragt in ihrer Revisions- und Rekursbeantwortung, Revision und Rekurs mangels erheblicher Rechtsfrage als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[16] Die Revision und der Rekurs sind – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruchs des Berufungsgerichts – nicht zulässig. Sie zeigen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.
[17] 1.1. Die Frage nach dem Umfang der von der Beklagten vertraglich übernommenen Pflichten ist eine solche der Auslegung des konkreten Architektenvertrags im Einzelfall. Fragen der Vertragsauslegung kommt in der Regel keine über diesen Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, falls nicht eine auffallende Fehlbeurteilung im Sinn einer krassen Verkennung der Auslegungsgrundsätze vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden müsste (RIS-Justiz RS0044298 [T39, T46]; RS0042936). Eine aufzugreifende Fehlbeurteilung zeigt die Revision nicht auf.
[18] 1.2. Die auf § 914 ABGB gestützte Auslegung des Punktes 2.07 des Architektenvertrags durch das Berufungsgericht ist nicht korrekturbedürftig. Dort wird der Beklagten ausdrücklich die Verpflichtung zur Überprüfung und Freigabe von Werkzeichnungen der ausführenden Firmen zugewiesen, die sie nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen nicht erfüllt hat. Auf einen vom Wortlaut abweichenden übereinstimmenden Parteiwillen hat sich die Beklagte im Verfahren erster Instanz nicht berufen; ihre diesbezügliche Argumentation in der Revision verstößt gegen das Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO). Wird aber eine übereinstimmend abweichende Parteienabsicht nicht festgestellt, so ist bei der Auslegung des Vertrags von dessen Wortlaut auszugehen (RS0017831).
[19] 1.3. Ob die Beklagte selbst technische Freigaben erteilte und bei Baubesprechungen darauf hinwies, dass sie ihres Erachtens dafür nicht zuständig sei, ist irrelevant. Feststellungen, aus denen sich ergeben könnte, die Beklagte hätte entgegen dem Vertrag die Werkpläne nicht selbst überprüfen, sondern an Sonderfachleute zur Freigabe weiterleiten müssen, fehlen. Das Erstgericht stellte zwar eine „an sich übliche“ Vorgangsweise in dem Sinn fest, die im Architektenvertrag der Streitteile aber eindeutig gegenteilig geregelt wurde. Dass die Tätigkeit der Beklagten nicht jedenfalls mit einer – hier gar nicht ausreichend erstellten – Ausführungsplanung beendet sein sollte, ergibt sich auch aus Punkt 2.06 (Künstlerische Oberleitung), der eine Mitwirkung an der Schlussabnahme (!) des Bauwerks unmittelbar nach dessen Fertigstellung vorsieht und aus Punkt 2.07 (Technische Oberleitung) selbst, wonach nach Überprüfung und Freigabe von Werkzeichnungen der ausführenden Firmen auch die letzte Klärung von erforderlichen, die Planung ergänzenden konstruktiven Einzelheiten der Beklagten (!) zukam. Dass diese konkreten Pflichten der Beklagten laut Architektenvertrag im Weg abweichender Übung anlässlich von Baubesprechungen mit der General- und/oder Subunternehmerin auch im Verhältnis zur Klägerin einvernehmlich abgeändert worden wären, wurde weder behauptet noch festgestellt. Von einer Verletzung der Vertragspflichten der Beklagten auszugehen, ist daher keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung.
[20] 2. Zu der – von den Vorinstanzen übereinstimmend verneinten – Verjährung der Klageansprüche bezeichnet die Rechtsrüge der Revision die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts zwar als unrichtig, ohne sich aber mit der Argumentation des Berufungsgerichts konkret auseinanderzusetzen. Selbst wenn man im Hinweis, der Hausbesorger der Klägerin habe bereits im Herbst 2015 Verformungen und Risse an der Stahlkonstruktion bemerkt, noch eine ausreichend gesetzmäßige Ausführung der Rechtsrüge erkennen wollte (vgl RS0043605), muss nach ständiger Rechtsprechung (RS0034374 [T13]) die Kenntnis des Geschädigten den gesamten anspruchsbegründenden Sachverhalt umfassen, so auch die Kenntnis des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Schaden und einem bestimmten, dem Schädiger anzulastenden Verhalten. Dass der Hausbesorger der Klägerin im Herbst 2015 bereits den Schaden selbst bemerkt hat, ändert nach der nicht korrekturbedürftigen Auffassung des Berufungsgerichts nichts daran, dass die Klägerin sich erst durch Einholung von Sachverständigengutachten Kenntnis der Mängelursachen und deren Zurechnung verschaffen musste. Dies war aber hier erst im Oktober 2017 der Fall. Sowohl die Beurteilung, wann die notwendige Kenntnis iSd § 1489 ABGB konkret eintritt (RS0113916 [T1]) als auch die Frage des Ausmaßes der Erkundungspflicht des Geschädigten über den die Verjährungsfrist auslösenden Sachverhalt (RS0113916) sind einzelfallabhängig, auch insoweit zeigt die Revision keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung auf.
[21] 3.1. Selbst wenn das Berufungsgericht – zu Recht – ausgesprochen hatte, die ordentliche Revision (oder der Rekurs an den Obersten Gerichtshof) sei zulässig, das Rechtsmittel aber dann nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist die Revision bzw der Rekurs trotz Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen (RS0102059). Greift der Revisionswerber eine der beiden vom Berufungsgericht für die Zulässigkeit der Revision ins Treffen geführten Rechtsfragen in seinem Rechtsmittel nicht mehr auf, hat sich die Zulässigkeit der Anrufung des Obersten Gerichtshofs nur an der zweiten angesprochenen Rechtsfrage zu orientieren (RS0102059 [T6]).
[22] 3.2. Der erste Teil der Zulassungsbegründung bezieht sich auf das Fehlen von Rechtsprechung zur Zurechnung eines Mitverschuldens des Bauherrn, der selbst die örtliche Bauaufsicht übernimmt, im Verhältnis zum Architekten – als Planer und technische Oberleitung –, die den Rechtswidrigkeitszusammenhang im Verhältnis zum Architekten abgrenzt. Dazu meint die Revisionswerberin nur, „entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts fehle es nicht am erforderlichen Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Unterlassung des Architekten und der mangelhaften Bauüberwachung“. Eine konkrete juristische Auseinandersetzung mit der Begründung des Berufungsgerichts zum fehlenden Rechtswidrigkeitszusammenhang fehlt; die Entscheidung 8 Ob 88/19b betrifft die insoweit nicht einschlägige Thematik des Solidarschuldnerregresses. Auch die zitierte Judikatur (vgl RS0058803) zur Frage, was üblicherweise zur örtlichen Bauaufsicht gehört, befasst sich mit dieser Frage nicht. Sie umschreibt überdies nur die üblicherweise von der örtlichen Bauaufsicht erfassten Tätigkeiten, schließt eine andere Vertragsgestaltung im Einzelfall – von der das Berufungsgericht hier ausging – aber nicht aus (vgl Schmidinger – Haftungsrechtliche Fragen der örtlichen Bauaufsicht in Berlakovits/Hussian/Klete?ka [Hrsg] FS Georg Karasek, 759 f; 8 Ob 88/19b Punkt 4.2.2). Dass sich die Klägerin im Verhältnis zur Beklagten – der ja die näher definierte technische Oberleitung laut Vertrag überantwortet war – zur Prüfung der Übereinstimmung des Werks mit den Plänen verpflichtet hätte, wurde weder behauptet noch festgestellt. Warum das Berufungsgericht im Einzelfall hier nicht – bereits vorliegender – Rechtsprechung zum Fehlen des Rechtswidrigkeitszusammenhangs bei Verletzung einer mit der örtlichen Bauaufsicht verbundenen Verpflichtung (RS0108535; RS0107245 [T1]) folgen hätte sollen, legt die Revision nicht dar, die somit insoweit die gesetzmäßige Ausführung vermissen lässt (vgl RS0043605).
[23] 3.3. Der zweite Teil der Zulassungsbegründung bezieht sich auf ein allfälliges Mitverschulden des Bauherrn im Rahmen der von ihm übernommenen örtlichen Bauaufsicht beim Übersehen von reinen Ausführungsfehlern eines Werkunternehmens gegenüber dem mangelhaft planenden und technisch leitenden Architekten. Darauf geht die Revision unter Hinweis auf die Entscheidung 8 Ob 88/19b ein und hält einen Schadensausgleich für geboten. Das Verschulden der Klägerin als Trägerin der örtlichen Bauaufsicht wiege schwerer, weil diese ihre Verpflichtung, das auszuführende Werk auf Übereinstimmung mit den Plänen zu überprüfen, verletzt habe. Das Berufungsgericht lehnte (auf Basis der Entscheidung 8 Ob 88/19b) einen Schadensausgleich nicht grundsätzlich ab, hielt diesen nach Gewichtung der Zurechnungsmomente – keine Ausführungsplanung, Überlassung der Detailplanung an den Schlosser, ohne die Werkplanung zu überprüfen und danach freizugeben, auf Seite der Beklagten, gegenüber Ausführungsmängeln auf Seite des Schlossers und deren Nichterkennung auf Seite der örtlichen Bauaufsicht – allerdings für nicht gerechtfertigt, weil das Verschulden der Klägerin als örtlicher Bauaufsicht völlig in den Hintergrund trete.
[24] Die Beurteilung des Verschuldensgrades unter Anwendung der richtig dargestellten Grundsätze, ohne dass ein wesentlicher Verstoß gegen maßgebliche Abgrenzungskriterien vorläge, und das Ausmaß eines Mitverschuldens des Geschädigten werfen aber grundsätzlich wegen ihrer Einzelfallbezogenheit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (RS0087606). Dies gilt auch für die Frage, ob ein geringes Verschulden noch vernachlässigt werden kann (RS0087606 [T7, T11]). Weshalb eine „auch nur rudimentär effektive örtliche Bauaufsicht“ das gänzliche Fehlen von Werkplänen bemerken hätte müssen und sie zu „weiteren Nachforschungen bzw zum Unterbinden der Ausführungen bis zum Vorliegen der Pläne“ verpflichtet gewesen wäre, kann die Revision nicht nachvollziehbar begründen, war es doch ausdrücklich Aufgabe der Beklagten als technische Oberleitung, diese Werkzeichnungen zu überprüfen und freizugeben. Der Beurteilung, die Ausführungsmängel des Schlossers und deren Nichterkennen durch die örtliche Bauaufsicht träten gegenüber den massiven Unterlassungen der Beklagten betreffend Ausführungsplanung und mangelnder Prüfung und Freigabe von Werkplänen deutlich in den Hintergrund, stellt die Revisionswerberin nur allgemein gehaltene Überlegungen entgegen, die teils nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgehen. Die Frage, ob im Sinn der Entscheidung 8 Ob 88/19b ein „Solidarschuldnerregress“ im Fall von Ausführungsmängeln von Werkunternehmern, die der örtlichen Bauaufsicht nicht auffielen, auch gegenüber der Bauherrin überhaupt denkbar wäre, die selbst die örtliche Bauaufsicht führt, bedarf daher keiner weiteren Erörterung. Selbst bei Bejahung eines solchen „Solidarschuldnerregresses“ würde nach der nicht korrekturbedürftigen Auffassung des Berufungsgerichts das Verschulden der Klägerin hier in den Hintergrund treten.
[25] 3.4. Zu dem vom Berufungsgericht angenommenen natürlichen Kausalzusammenhang zwischen den Pflichtverletzungen der Beklagten und den Sanierungskosten meint die Revision nur, ein solcher Kausalzusammenhang fehle, weil „kein Werkplan auch nicht ausgeführt werden könne“, weshalb von einer Unterbrechung des Kausalzusammenhangs wegen völlig anderer Umsetzung der Vorplanung auszugehen sei. Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens spricht sie nicht an. Hinsichtlich der vom Berufungsgericht angenommenen Pflichtverletzungen der Beklagten war aber nach dessen Auffassung – aufgrund der erstgerichtlichen Feststellungen – ein natürlicher Kausalzusammenhang zu bejahen. Dieser ist – wie das Berufungsgericht richtig ausführt – zunächst eine Tatsachenfeststellung (RS0022582), deren Richtigkeit durch den Obersten Gerichtshof – der nicht Tatsacheninstanz ist – im Revisionsverfahren inhaltlich nicht zu überprüfen ist. Die Auslegung der Feststellung im Einzelfall wiederum wirft im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage auf (RS0118891). Eine unvertretbare Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts macht die Revision dazu nicht geltend. Die rechtlichen Ausführungen des Berufungsgerichts zur Adäquanz, zur Kausalität der Unterlassung und die Solidarhaftung mehrerer Schädiger sowohl im Fall alternativer als auch kumulativer Kausalität spricht die Revision nicht an.
[26] 4. Damit war die Revision zurückzuweisen.
[27] 5. Da die Klägerin auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, hat die Beklagte ihr die tarifgemäß verzeichneten Kosten der Revisions- und Rekursbeantwortung zu ersetzen.
Textnummer
E133667European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00198.21K.1216.000Im RIS seit
02.02.2022Zuletzt aktualisiert am
02.02.2022