Entscheidungsdatum
03.12.2021Norm
BauO NÖ 2014 §18Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch MMag. Kammerhofer als Einzelrichter über die Beschwerde der Eigentümergemeinschaft der Wohnhausanlage B in ***, vertreten durch die A Aktiengesellschaft, diese vertreten durch C, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 22. Dezember 2020, Zl. ***, mit dem über die Berufung gegen einen Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 25. Mai 2020, Zl. ***, betreffend Ergänzungsabgabe gemäß § 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 entschieden wurde, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben und der Spruch des angefochtenen Bescheides dahingehend abgeändert, dass der Berufung Folge gegeben und der Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 25. Mai 2020, Zl. ***, aufgehoben wird.
2. Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.
Rechtsgrundlagen:
§ 279 Abs. 1 Bundesabgabenordnung – BAO
§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG
Entscheidungsgründe:
1. Sachverhalt:
1.1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
Mit Baubewilligungsbescheid vom 16. Dezember 2019, Zl. ***, wurde der Wohnungseigentumsgemeinschaft „B“ die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Müll- und Lagerraumes in ***, ***, auf dem Grundstück Nr. *** in der KG *** erteilt. Gegen diesen Bescheid wurde kein Rechtsmittel erhoben.
Mit einer als „Abgabenbescheid“ bezeichneten Erledigung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 25. Mai 2020, Zl. ***, wurde der „Wohnungsgemeinschaft“ B, vertreten durch die A als Hausverwalter, gemäß § 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 eine Ergänzungsabgabe in der Höhe von 7.043,61 Euro vorgeschrieben. Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass aufgrund des angeführten Baubewilligungsbescheides vom 16. Dezember 2019 die Gemeinde dem Eigentümer eine Ergänzungsabgabe gemäß § 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 aus dem Anlass eines Neu- oder Zubaus eines Gebäudes oder einer großräumigen Anlage auf einen Bauplatz vorzuschreiben habe, wenn bei einer von der Abteilung nach dem 01. Jänner 1970 ein Aufschließungsbeitrag bzw. nach dem 01. Jänner 1989 eine Ergänzungsabgabe oder bei einer Bauplatzerklärung eine Aufschließungsabgabe vorgeschrieben und bei der Berechnung kein oder ein niedrigerer Bauklassenkoeffizient angewendet wurde als jener, der der im Bebauungsplan nunmehr höchstzulässigen Bauklasse oder Gebäudehöhe entspreche. Im Baulandbereich ohne Bebauungsplan sei ein Bauklassenkoeffizient von mindestens 1,25 zu berücksichtigen, sofern nicht eine Höhe eines Gebäudes bewilligt werde oder zulässig sei, die einer höheren Bauklasse entsprechen als der Bauklasse II. Die Ergänzungsabgabe sei so zu berechnen, dass von dem zur Zeit der den Abgabentatbestand auslösenden Baubewilligung anzuwendenden Bauklassenkoeffizienten der bei der Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages bzw. der Aufschließungsabgabe oder der Ergänzungsabgabe angewendete Bauklassenkoeffizient, mindestens jedoch 1, abgezogen werde und die Differenz mit der Berechnungslänge abgeleitet vom Ausmaß des Bauplatzes zur Zeit der den Abgabentatbestand auslösenden Baubewilligung und dem zur Zeit dieser Baubewilligung geltenden Einheitssatz multipliziert werde. Der Einheitssatz betrage gemäß Verordnung des Gemeinderates 450 Euro. Der Bauklassenkoeffizient betrage gemäß § 38 Abs. 5 NÖ Bauordnung 2014 für Grundstücke im Baulandbereich in der Bauklasse I, 1,0 und bei jeder weiteren zulässigen Bauklasse um je 0,25 mehr, in Industriegebieten ohne Bauklassenfestlegung 2,0, bei einer Geschoßflächenzahl bis zu 0,8 1,5, bis zu 1,1 1,75, bis zu 1,5 2,0, bis zu 2,0 2,5 und über 2,0 3,5. Ist eine höchstzulässige Gebäudehöhe festgelegt, sei der Bauklassenkoeffizient von jener Bauklasse abzuleiten, die dieser Gebäudehöhe entspreche. Im Falle einer gleichzeitig festgelegten Geschoßflächenzahl sei jedoch diese für den Bauklassenkoeffizienten maßgeblich. Im Baulandbereich ohne Bebauungsplan betrage der Bauklassenkoeffizient 1,25, sofern nicht eine Höhe eines Gebäudes bewilligt werde oder zulässig sei, der einer höheren Bauklasse entspreche als der Bauklasse II. Der Bauplatz *** habe eine Fläche von 3.920 m², eine Berechnungslänge von 62,6099, Bauklassenkoeffizient neu 1,25, Bauklassenkoeffizient alt 1,00, Bauklassendifferenz 0,25, Einheitssatz 450 wodurch sich eine Ergänzungsabgabe von 7.043,61 Euro ergebe. Dieser Abgabenbescheid wurde an die A als Hausverwalter der Wohnungsgemeinschaft B übermittelt. Laut RSb Rückschein wurde das Schriftstück am 02. Juni 2020 übernommen.
Gegen diesen Abgabenbescheid des Bürgermeisters vom 25. Mai 2020 erhob die Eigentümergemeinschaft B, vertreten durch die A mit Schreiben vom 19. Juni 2020 Berufung. In der Berufung wurde die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt. Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der Abgabenbescheid zur Ergänzungsabgabe mit 25. Mai 2020 ergangen und am 02. Juni 2020 zugestellt worden sei. Der Bescheid sei unzulässig, da für eine Ergänzung zur Aufschließungsabgabe laut Bescheid kein Anlassfall gegeben sei. Hinsichtlich Zubau zum Müll- und Lagerraum auf der gegenständlichen Liegenschaft werde darauf hingewiesen, dass es bereits einen Bestand gegeben habe. Es werde auf den Bescheid vom 07. Juli 1981 mit der Zl. *** verwiesen. Es sei beim gegenständlichen Bauvorhaben die damalige höchstzulässige Bauklasse und die Gebäudehöhe des damalig errichteten Wohnhauses nicht überschritten worden. Die Aufschließung sei somit schon im Jahr 1976 unter Heranziehung des bis dato noch immer aktuellen Bauklassenkoeffizienten zur Gänze beglichen worden. Des Weiteren sei der Bescheid zum Zubau zum bestehenden Müll- und Lagerraum nicht letztinstanzlich ergangen, sondern von der I. Instanz der Baubehörde der Stadtgemeinde. Es werde daher eine unzulässige Ergänzungsabgabe errechnet und vorgeschrieben. Eine Bezahlung sei daher bis dato nicht erfolgt. Es werde beantragt, den Abgabenbescheid vom 25. Mai 2020 ersatzlos aufzuheben.
Über diese Berufung der Eigentümergemeinschaft B gegen Abgabenbescheid des Bürgermeisters vom 25. Mai 2020 entschied der Stadtrat der Stadtgemeinde *** mit Bescheid vom 22. Dezember 2020. Gemäß §§ 263 iVm 288 Bundesabgabenordnung wurde der Berufung teilweise Folge gegeben und der Spruch des angefochtenen Bescheides dahingehend abgeändert, dass eine Ergänzungsabgabe in der Höhe von 14.087,25 Euro vorgeschrieben wurde. Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass beim Abgabenbescheid der I. Instanz davon ausgegangen worden sei, dass eine Ergänzungsabgabe auf Bauklasse II vorzuschreiben sei. Da das gegenständliche Grundstück mit einem Gebäude der Bauklasse III bebaut sei, sei die Bauklasse III die für eine Bebauung mögliche Bauklasse. Somit ergebe sich, dass die Ergänzungsabgabe nicht auf Bauklasse II sondern auf Bauklasse III vorzuschreiben sei.
1.2. Zum Beschwerdevorbringen:
Gegen den Berufungsbescheid vom 22. Dezember 2020 richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 01. Februar 2021. Die beschwerdeführende Eigentümergemeinschaft brachte durch ihre ausgewiesene Rechtsvertretung im Wesentlichen vor, dass der Berufungsbescheid schon insofern verfehlt sei, als die nach dem Wortlaut des Spruches vorgenommene teilweise Stattgebung der Berufung der Beschwerdeführer in Wahrheit nicht erfolgt sei, weil die im erstinstanzlichen Abgabenbescheid aus Anlass der angeführten Baubewilligung gemäß § 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 vorgeschriebene Ergänzungsabgabe der Höhe nach nicht reduziert sondern ausgeweitet worden sei. Von einer teilweisen Stattgebung der Berufung könne daher keine Rede sein, wenn die Berufungsbehörde die mit der Berufung bekämpfte Rechtsansicht der Abgabenbehörde I. Instanz vollinhaltlich bestätige und der Höhe nach sogar eine Verdoppelung der erstinstanzlichen Vorschreibung ausspreche. Eine derartige Widersprüchlichkeit des Spruches einer Entscheidung in sich selbst belaste den Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, sodass schon aus diesem Grunde der angefochtene Bescheid aufzuheben sei. Die Fassung des Spruches des Berufungsbescheides sei umso erstaunlicher, als die Abgabenbehörde II. Instanz in der Begründung festhalte, dass die gegenständliche Berufung ein wesentlicher Bestandteil des Bescheides sei. Eine Begründung sei dann notwendig, wenn dem Bescheid ein Anbringen zu Grunde liege, dem nicht vollinhaltlich Folge gegeben werde und mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der Berufung nur nicht vollinhaltlich, sondern überhaupt nicht Folge gegeben worden sei, könne die Berufung schon nach den elementarsten Grundsätzen des logischen Denkens nicht in wesentlicher Begründung des Berufungsbescheides bilden. Abgesehen davon sei aus der völlig undifferenzierten Verweisung auf die Berufung nicht einmal ansatzweise entnehmbar, welche Elemente der Berufungsschrift überhaupt gemeint sein könnten. Der Bescheidbegründung seien auch keine sonstigen Feststellungen zu entnehmen, anhand derer nachvollziehbar werde, von welchen Feststellungen die Berufungsbehörde eigentlich ausgehe, aufgrund welcher Umstände die Berufungsbehörde vom Vorliegen eines Tatbestandes, der die Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe auslösen würde ausgehe. Auch der erstinstanzliche Abgabenbescheid enthalte keine diesbezüglichen Feststellungen. Selbst wenn man aufgrund der einzelnen im Spruch enthaltenen Elemente davon ausgehen wolle, dass die Abgabenbehörde II. Instanz die Bestimmung des § 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 im Auge hatte und die Baubewilligung vom 16. Dezember 2019 für die Errichtung eines Müll- und Lagerraumes als auslösendes Element für die Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe ansehe, sei immer noch nicht ersichtlich, welcher der übrigen Voraussetzungen des § 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 vorliegen, zumal in der Berufungsschrift ausdrücklich angeführt sei, dass die Aufschließungsabgabe schon im Jahr 1976 unter Heranziehung des bis dato noch immer aktuellen Bauklassenkoeffizienten zur Gänze beglichen worden sei. Der angefochtene Berufungsbescheid sei daher nicht geeignet, Grundlage für die Einhebung einer Ergänzungsabgabe zu sein. Die Berufungsbehörde hätte erkennen müssen, dass die Berufung der Beschwerdeführer berechtigt sei und in Stattgebung der Berufung den bekämpften erstinstanzlichen Abgabenbescheid ersatzlos hätte aufheben müssen. Des Weiteren bestünden auch verfassungsrechtliche Bedenken gegen die sachliche Rechtfertigung der völlig undifferenzierten Abgabenregelung des § 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014, insbesondere auch in der hier anzuwendenden Fassung der 7. Novelle LGBL 2018/53. Die Regelungen des § 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 seien durchwegs unsachlich und würden keineswegs, wie vom Gesetzgeber anlässlich der diversen Novellen behauptet, eine Gleichstellung zwischen Bauwerbern, deren Grundstücke bereits alte Baubestände aufweisen mit denjenigen, die die erstmalige Bebauung eines Grundstückes beabsichtigen, darstellen. Tatsächlich erfolge damit eine völlig undifferenzierte, durch nichts gerechtfertigte nachträgliche Belastung der Eigentümer alter Baubestände, durch die überdies die teilweise höchstgerichtliche Judikatur ausgehebelt werden solle. Der im gegenständlichen Abgabenverfahren zu Grunde liegende Sachverhalt, den die Abgabenbehörde nicht einmal erhoben habe, verdeutliche diese Unsachlichkeit geradezu exemplarisch. Die auf dem Grundstück *** in der KG *** befindliche Wohnhausanlage mit 27 Wohneinheiten sei aufgrund der von der Stadtgemeinde *** mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 21. September 1976 erteilten Baubewilligung errichtet worden. Im Jahre 1981 sei auf dem Grundstück ein offener Müll-Container Verbau errichtet worden, damit die vorher freien und zeitweise ungeordnet herumstehenden Mülltonnen auf dem Grundstück in einem baulich abgegrenzten Bereich untergebracht werden konnten. Gemäß der damaligen Rechtslage (NÖ Bauordnung 1976) sei die diesbezüglich eingebrachte Bauanzeige „bescheidmäßig zur Kenntnis genommen“ worden (Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 07. Juli 1981). Mit dem das gegenständliche Abgabenverfahren auslösenden Bescheid des Bürgermeisters vom 16. Dezember 2019 sei der „A“ als Hausverwalter der Wohnungseigentumsgemeinschaft „B“ (gemeint vermutlich: Eigentümergemeinschaft der Liegenschaft EZ *** GB ***, ***, vertreten durch die A als Hausverwalter) die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Müll- und Lagerraumes erteilt worden. Es solle sohin nach der offensichtlichen Intension des Gesetzgebers die Erteilung einer Baubewilligung für einen Müll- und Lagerraum, die eine bereits vorher bestehende Offene ergänzen solle, Rechtsgrundlage dafür sein, eine Ergänzungsabgabe für ein Gebäude mit der Bauklasse III vorzuschreiben. Dies obwohl durch das Bauvorhaben keine einzige zusätzliche Wohneinheit geschaffen worden sei und auch keine sonstige zusätzliche Inanspruchnahme von Gemeindeinfrastruktur erfolge, weil sich mit Sicherheit die Anzahl der notwendigen Fahrten für die Durchführung der Müllabfuhr nicht erhöhe. Eine derartige Regelung sei sachlich in keiner Weise gerechtfertigt. Aus diesem Grunde enthalte auch der Einleitungssatz des § 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung 1996 eine Einschränkung, dass die Ergänzungsabgabe nur im Falle der erstmaligen Erteilung einer Baubewilligung mit den weiteren Voraussetzungen vorzuschreiben sei. Erst mit Inkrafttreten der NÖ Bauordnung 2014 sei die Einschränkung „erstmalig“ im Gesetzestext gestrichen worden. Dadurch komme es aber wie insbesondere auch im vorliegenden Fall zu völlig undifferenzierten sachlich nicht gerechtfertigten Vorschreibungen von Ergänzungsabgaben denen jeglicher Bezug zum eigentlichen Zweck der Abgabe, nämlich den Bau von Straßen und Gehsteigen samt den erforderlichen Oberflächenentwässerungen und Beleuchtungen fehle. Eine derartige Regelung bedeute entgegen den im Zuge der Gesetzeswerdung erstellten Motivenberichten gerade keine Gleichbehandlung, sondern eine massive Ungleichbehandlung von Eigentümern von Altbauten gegenüber denjenigen Bauführern, die nunmehr erstmal eine Baubewilligung beantragen würden. Nach der aktuellen Rechtslage müsse nämlich völlig unabhängig von der Art des nunmehrigen Bauvorhabens, selbst bei geringfügigen bewilligungspflichtigen Zubauten oder einfachen Nebengebäuden, eine Abgabe für eine längst bestehende Infrastruktur bezahlt werden, noch dazu für die jeweils auf dem Grundstück höchstzulässige Bauklasse, auch wenn sich durch das Bauvorhaben überhaupt keine zusätzliche Belastung ergebe. Dies sei umso unverständlicher, als § 39 Abs. 4 NÖ Bauordnung 2014 ausdrücklich regle, dass für die Ergänzungsabgabe die Bestimmungen des § 38 Abs. 4-6 und 9 NÖ Bauordnung 2014 sinngemäß gelten würden und § 38 Abs. 6 NÖ Bauordnung 2014 die Grundlagen für die Ermittlung des Einheitssatzes, nämlich die durchschnittlichen Herstellungskosten für Straßen, Gehsteige, Oberflächenentwässerung und Beleuchtung regle. Die Ergänzungsabgabe in dieser Form sei daher in Wahrheit keine Gebühr im Sinn des Finanzverfassungsrechtes, sondern eine unzulässige Steuer. Zwar ermächtige § 17 Abs. 3 Z. 4 Finanzausgleichsgesetz 2017 sowie auch die entsprechenden Vorgängerbestimmungen die Gemeinden zur Einhebung von Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und Anlagen bis zu einem Ausmaß, bei dem der mutmaßliche Jahresbetrag der Gebühr das doppelte des Jahreserfordernisses für die Erhaltung und den Betrieb der Einrichtung oder Anlage betrage. Dies ändere jedoch nichts an dem Umstand, dass die angeführte Ermächtigung im Finanzausgleichsgesetz so verstanden werden müsse, dass ihre Ausschöpfung nur aus Gründen in Betracht komme, die mit der betreffenden Einrichtung in einem inneren Zusammenhang stehe. Mit der durch die Novelle LGBl. Nr. 53/2018 in die Bestimmung des § 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 eingeführten Regelung, dass die Ergänzungsabgabe aus diesem Anlass, gemeint Baubewilligung, auch dann vorzuschreiben sei, wenn bei einem bebauten Bauplatz noch nie ein Aufschließungsbeitrag, eine Aufschließungsabgabe oder eine Ergänzungsabgabe vorgeschrieben worden sei, unternehme der Landesgesetzgeber überdies den Versuch, die entsprechende höchstgerichtliche Judikatur auszuhebeln, der zufolge ein bereits früher entstandener Abgabenanspruch der Vorschreibung einer Aufschließungsabgabe entgegen stehe, selbst wenn diese Abgabe nicht entrichtet worden sei und der Abgabenanspruch nunmehr verehrt sei. Da die angeführte Bestimmung in keiner Weise differenziere, ob anlässlich einer vorübergehenden Bebauung die Vorschreibung eines Aufschließungsbeitrages, einer Aufschließungsabgabe oder Ergänzungsabgabe möglich und zulässig war und nur seitens der Abgabenbehörde keine derartige Abgabe vorgeschrieben worden sei, oder ob die Vorschreibung eben schon aus rein rechtlichen Gründen nicht möglich gewesen sei, sei diese Regelung auch aus diesem Grunde eindeutig verfassungswidrig. Auch eine derartige Regelung könne daher nicht mit einer vorgeblichen Gleichbehandlung begründend werden zumal es denknotwendiger Weise nicht dem Grundeigentümer angelastet werden könne, wenn die Abgaben seitens der Abgabenbehörde nicht vorgeschrieben würden. Die Abgabenbehörden hätten daher das Gesetz nicht nur insofern unrichtig angewendet als im Abgabenverfahren ein Sachverhalt, der die Anwendung dieser Bestimmung rechtfertigen würde, nicht festgestellt wurde und auch nicht festgestellt werden habe können, sondern wäre die Anwendung dieser Bestimmung insbesondere im Hinblick darauf, dass die auslösende Baubewilligung lediglich zur Errichtung eines Müll- und Lagerraumes umfasst habe, sachlich nicht gerechtfertigt.
Es wurde beantragt, das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich möge in Stattgebung der Beschwerde den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 25. Mai 2020, GZ. ***, Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid ersatzlos behoben werde, in eventu den angefochtenen Bescheid aufheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Abgabenbehörde II. Instanz zurückverweisen.
Es wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
1.3. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Die belangte Behörde legte mit Schreiben vom 02. Februar 2021 die Beschwerde einschließlich des bezughabenden Abgabenaktes dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vor.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. In dieser wurde Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt und das Parteienvorbringen.
1.4. Beweiswürdigung:
Der Sachverhalt ergibt sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Abgabenakt in Zusammenhalt mit dem Parteienvorbringen.
2. Rechtslage:
2.1. Bundesabgabenordnung:
§ 1.
( 1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.
§ 2a.
Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden. …
§ 279.
(1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.
(3) Im Verfahren betreffend Bescheide, die Erkenntnisse (Abs. 1) abändern, aufheben oder ersetzen, sind die Abgabenbehörden an die für das Erkenntnis maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn das Erkenntnis einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.
§ 288.
(1) Besteht ein zweistufiger Instanzenzug für Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinden, so gelten für das Berufungsverfahren die für Bescheidbeschwerden und für den Inhalt der Berufungsentscheidungen die für Beschwerdevorentscheidungen anzuwendenden Bestimmungen sinngemäß. Weiters sind die Beschwerden betreffenden Bestimmungen (insbesondere die §§ 76 Abs. 1 lit. d, 209a, 212 Abs. 4, 212a und 254) sowie § 93 Abs. 3 lit. b und Abs. 4 bis 6 sinngemäß anzuwenden.
[…]
2.2. NÖ Bauordnung 2014:
§ 38
Aufschließungsabgabe
(1) Dem Eigentümer eines Grundstücks im Bauland ist von der Gemeinde eine Aufschließungsabgabe vorzuschreiben, wenn mit Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2
1. ein Grundstück oder Grundstücksteil zum Bauplatz (§ 11) erklärt oder
2. eine Baubewilligung für die erstmalige Errichtung eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage (§ 23 Abs. 3) auf einem Bauplatz nach § 11 Abs. 1 Z 2, 3 und 5 erteilt wird.
Die Errichtung eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage auf einem Bauplatz gilt als erstmalig, wenn auf diesem Bauplatz am 1. Jänner 1970 und danach kein unbefristet bewilligtes Gebäude gestanden ist.
Die Aufschließungsabgabe nach Z 2 ist nicht vorzuschreiben, wenn die Errichtung eines Gebäudes nach § 23 Abs. 3 vorletzter Satz bewilligt wird. Wird auf demselben Bauplatz ein weiteres Gebäude im Sinn des § 23 Abs. 3 erster Satz oder eine großvolumige Anlage errichtet, ist die Abgabe vorzuschreiben.
[…]
§ 39
Ergänzungsabgabe
(1) Bei der Änderung der Grenzen von Bauplätzen (§ 10 und V. Abschnitt des NÖ Raumordnungsgesetzes 2014, LGBl. Nr. 3/2015 in der geltenden Fassung) ist dem Eigentümer mit Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2 bzw. mit Erlassung des Umlegungsbescheides nach § 44 des NÖ Raumordnungsgesetzes 2014 für jeden der neugeformten Bauplätze eine Ergänzungsabgabe vorzuschreiben, wenn das Gesamtausmaß oder die Anzahl der Bauplätze vergrößert wird.
Eine Vorschreibung hat bei der Vereinigung eines nach § 11 Abs. 1 Z 4 bebauten Grundstücks mit unbebauten Grundstücken nicht zu erfolgen, wenn für den Baubestand erst durch die Vereinigung mit den an einer oder mehreren Seiten anschließenden unbebauten Grundstücken oder Teilen davon die Voraussetzungen für eine Bewilligung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes und des Bebauungsplans sowie im Hinblick auf den Brandschutz bei (Außen-)Wänden gegenüber einer Grundstücksgrenze nach einer Verordnung der Landesregierung erfüllt würden.
Die Höhe der Ergänzungsabgabe (EA) wird wie folgt berechnet:
Von der Summe der neuen Berechnungslängen wird die Summe der damaligen Berechnungslängen abgezogen. Der Differenzbetrag wird mit dem zur Zeit der Bewilligung der Grenzänderung (§ 10) geltenden Bauklassenkoeffizienten und Einheitssatz multipliziert und das Produkt nach dem Verhältnis der neuen Berechnungslängen auf die neuen Bauplätze aufgeteilt;
z. B. 3 Bauplätze neu (1, 2, 3), 2 Bauplätze alt (a, b)
EA = [(BL1 + BL2 + BL3) – (BLa + BLb)] x BKK x ES
EA/m (Ergänzungsabgabe pro Meter) = EA : (BL1 + BL2 + BL3)
EA für Bauplatz 1 = EA/m x BL1
EA für Bauplatz 2 = EA/m x BL2
EA für Bauplatz 3 = EA/m x BL3
Erfolgt die Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe für einen Bauplatz, der durch eine Teilfläche des Grundstücks vergrößert wurde, für das eine Vorauszahlung nach § 38 Abs. 2 vorgeschrieben wurde, sind die entrichteten Teilbeträge anteilsmäßig zu berücksichtigen. Der Anteil ergibt sich aus dem Verhältnis des Ausmaßes der Teilfläche zum Gesamtausmaß der Grundstücksfläche, für die die Vorauszahlung nach § 38 Abs. 2 entrichtet wurde. Bei der Berechnung der auf den Anteil entfallenden Vorauszahlung ist der Einheitssatz, der der Vorschreibung der Ergänzungsabgabe zu Grunde zu legen ist, heranzuziehen.
(2) Erfolgt eine Bauplatzerklärung für einen Grundstücksteil nach § 11 Abs. 5, ist eine Ergänzungsabgabe unter sinngemäßer Anwendung von Abs. 1 vorzuschreiben.
(3) Eine Ergänzungsabgabe ist auch vorzuschreiben, wenn mit Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2 eine Baubewilligung für den Neu- oder Zubau eines Gebäudes – ausgenommen Gebäude im Sinn des § 18 Abs. 1a Z 1 und nicht raumbildende Maßnahmen (z. B. Vordächer) – oder einer großvolumigen Anlage erteilt wird und
- bei einer Grundteilung (§ 10 Abs. 1 NÖ Bauordnung, LGBl. Nr. 166/1969, und NÖ Bauordnung 1976 bzw. NÖ Bauordnung 1996, LGBl. 8200) nach dem 1. Jänner 1970 ein Aufschließungsbeitrag bzw. nach dem 1. Jänner 1989 eine Ergänzungsabgabe oder
- bei einer Bauplatzerklärung eine Aufschließungsabgabe oder
- anlässlich einer Baubewilligung ein Aufschließungsbeitrag, eine Aufschließungsabgabe oder eine Ergänzungsabgabe
vorgeschrieben und bei der Berechnung
- kein oder
- ein niedriger Bauklassenkoeffizient angewendet wurde als jener, der der im Bebauungsplan nunmehr höchstzulässigen Bauklasse oder Gebäudehöhe entspricht. Im Baulandbereich ohne Bebauungsplan ist ein Bauklassenkoeffizient von mindestens 1,25 zu berücksichtigen, sofern nicht eine Höhe eines Gebäudes bewilligt wird oder zulässig ist, die einer höheren Bauklasse entspricht als der Bauklasse II.
Die Ergänzungsabgabe ist aus diesem Anlass auch dann vorzuschreiben, wenn bei einem Bauplatz, der nicht erstmalig im Sinn des § 38 Abs. 1 zweiter Satz bebaut wird, noch nie ein Kostenbeitrag nach § 14 Abs. 5 der Bauordnung für NÖ 1883, ein Aufschließungsbeitrag, eine Aufschließungsabgabe oder eine Ergänzungsabgabe vorgeschrieben wurde, wobei bei der Berechnung ein fiktiver Bauklassenkoeffizient von 1 abzuziehen ist.
Die Ergänzungsabgabe ist aus diesem Anlass ebenfalls vorzuschreiben, wenn anlässlich einer früheren Vereinigung von
- bebauten Bauplätzen gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 mit umliegenden Grundstücken aufgrund des § 39 Abs. 1 zweiter Satz von einer Ergänzungsabgabe abzusehen war oder
- Bauplätzen und Baulandgrundstücken bzw. Teilen davon die Berechnung einer Ergänzungsabgabe zu keinem positiven Betrag führte, sofern sich dies nicht aufgrund der Anrechnung früherer Leistungen nach § 38 Abs. 7 ergab.
Die Höhe dieser Ergänzungsabgabe wird wie folgt berechnet:
Von dem zur Zeit der den Abgabentatbestand auslösenden Baubewilligung (§ 23) anzuwendenden Bauklassenkoeffizienten wird der bei der Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages bzw. der Aufschließungsabgabe oder der Ergänzungsabgabe angewendete Bauklassenkoeffizient – mindestens jedoch 1 – abgezogen und die Differenz mit der Berechnungslänge (abgeleitet vom Ausmaß des Bauplatzes zur Zeit der den Abgabentatbestand auslösenden Baubewilligung) und dem zur Zeit dieser Baubewilligung geltenden Einheitssatz multipliziert:
BKK alt = 1 oder höher
EA = (BKK neu – BKK alt) x BL x ES neu
(4) Die Ergänzungsabgabe ist eine ausschließliche Gemeindeabgabe nach § 6 Abs. 1 Z 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr. 45/1948 in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012. Für die Ergänzungsabgabe gelten die Bestimmungen des § 38 Abs. 4 bis 6 und 9 sinngemäß. Falls bisher kein Aufschließungsbeitrag und keine Aufschließungsabgabe eingehoben wurde, gilt auch § 38 Abs. 7 sinngemäß. Wenn eine Ergänzungsabgabe nach Abs. 1 für Bauplätze im Baulandbereich ohne Bebauungsplan vorzuschreiben ist, beträgt der Bauklassenkoeffizient mindestens 1,25, sofern auf den neugeformten Bauplätzen nicht Gebäude mit einer Höhe zulässig sind, die einer höheren Bauklasse entspricht als der Bauklasse II.
2.3. Wohnungseigentumsgesetz 2002 - WEG 2002:
§ 2.
(1) Wohnungseigentum ist das dem Miteigentümer einer Liegenschaft oder einer Eigentümerpartnerschaft eingeräumte dingliche Recht, ein Wohnungseigentumsobjekt ausschließlich zu nutzen und allein darüber zu verfügen. […]
(2) Wohnungseigentumsobjekte sind Wohnungen, sonstige selbständige Räumlichkeiten und Abstellplätze für Kraftfahrzeuge (wohnungseigentumstaugliche Objekte), an denen Wohnungseigentum begründet wurde.
[…]
(5) Wohnungseigentümer ist ein Miteigentümer der Liegenschaft, dem Wohnungseigentum an einem darauf befindlichen Wohnungseigentumsobjekt zukommt. Alle Wohnungseigentümer bilden zur Verwaltung der Liegenschaft die Eigentümergemeinschaft; sie ist eine juristische Person mit Rechtsfähigkeit in dem durch § 18 Abs. 1 und 2 umschriebenen Umfang.
§ 18.
(1) Die Eigentümergemeinschaft kann in Angelegenheiten der Verwaltung der Liegenschaft Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen sowie klagen und geklagt werden. Für Klagen gegen die Eigentümergemeinschaft ist das Gericht örtlich zuständig, in dessen Sprengel die Liegenschaft gelegen ist. Bei diesem Gericht kann auch ein Wohnungseigentümer von der Eigentümergemeinschaft geklagt werden. Forderungen gegen die Eigentümergemeinschaft können gegen die einzelnen Wohnungseigentümer nur nach Maßgabe des Abs. 4 zweiter Satz und nur durch gesonderte Klagsführung geltend gemacht werden.
(2) Die Wohnungseigentümer können der Eigentümergemeinschaft aus ihrem Miteigentum erfließende Unterlassungsansprüche sowie die Liegenschaft betreffende Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche abtreten, wodurch die Eigentümergemeinschaft diese Ansprüche erwirbt und in eigenem Namen geltend machen kann. Unterlässt die Eigentümergemeinschaft die Geltendmachung eines ihr abgetretenen Anspruchs und droht dadurch eine Frist für die Anspruchsverfolgung abzulaufen, so kann der betreffende Wohnungseigentümer den Anspruch für die Eigentümergemeinschaft geltend machen.
[…]
2.4. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG:
§ 25a.
(1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
[…]
(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
3. Erwägungen:
3.1.
Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht außer in den Fällen des § 278 (Zurückweisung mit Beschluss) immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Die gegenständliche Beschwerde vom 1. Februar 2021 richtet sich gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** womit über eine Berufung vom 19. Juni 2020 entschieden wurde. Beschwerdeführerin ist die Wohnungseigentümergemeinschaft des verfahrensgegenständlichen Grundstückes.
Nach § 2 Abs. 5 Wohnungseigentumsgesetz 2002 (WEG 2002) ist Wohnungseigentümer ein Miteigentümer der Liegenschaft, dem Wohnungseigentum an einem darauf befindlichen Wohnungseigentumsobjekt zukommt. Alle Wohnungseigentümer bilden zur Verwaltung der Liegenschaft die Eigentümergemeinschaft; sie ist eine juristische Person mit Rechtsfähigkeit in dem durch § 18 Abs. 1 und 2 bestimmten Umfang. Nach § 18 Abs. 1 Wohnungseigentumsgesetz 2002 kann die Eigentümergemeinschaft in Angelegenheiten der Verwaltung der Liegenschaft Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen sowie klagen und geklagt werden.
Insofern kommt einer Wohnungseigentümergemeinschaft auch beschränkte Rechts- und Parteifähigkeit zu. Nur unter diesem Aspekt kann den an die Wohnungseigentümer als Gemeinschaft adressierten Bescheiden überhaupt Bescheidqualität zukommen, nur unter diesem Aspekt kann eine Berufungs- und Beschwerdelegitimation der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Abwehr der an sie gerichteten Vorschreibung und somit die Zulässigkeit der namens der Wohnungseigentumsgemeinschaft eingebrachten Beschwerde bejaht werden.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 24.10.2006, Zl. 2006/06/0165, ausgeführt hat, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in früheren Erkenntnissen unter Hinweis auf sein zur Vorgängerbestimmung des § 18 Abs. 1 WEG 2002, zu § 13c Abs. 1 WEG 1975, ergangenes Erkenntnis vom 27.02.1998, Zl. 96/06/0182, festgehalten, dass mit der mit eingeschränkter Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Eigentümergemeinschaft an den Eigentumsverhältnissen an der Liegenschaft und an den darauf befindlichen Gebäuden keine Änderung eintritt und dass die Eigentümergemeinschaft vom Gesetzgeber auch nicht in der Weise ausgeformt wurde, dass sie in die Rechtsstellung der Eigentümer (Miteigentümer) der Liegenschaft einzutreten hätte.
Die Eigentümergemeinschaft im Falle von Wohnungseigentum ist demnach juristische Person mit Teilrechtsfähigkeit, nämlich mit Rechtsfähigkeit nur auf dem Gebiet der Verwaltung der Liegenschaft, aber eben nicht Eigentümerin der Liegenschaft.
Ob die Wohnungseigentümergemeinschaft nach dem WEG zum Abgabenschuldner bestimmt wird, ist Sache des (materiellen) Abgabengesetzgebers (VwGH 2003/17/0318).
Als Adressat der Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe zur Aufschließungsabgaben kommen zufolge § 39 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014 nur die Grundstückseigentümer in Betracht.
Dies sind im gegenständlichen Fall aber die einzelnen Wohnungseigentümer, somit alle Miteigentümer, nicht aber die „A als Hausverwalter der Wohnungsgemeinschaft B“ oder die mit dieser Formulierung gemeinte Eigentümergemeinschaft der Liegenschaft EZ *** GB ***, ***, vertreten durch die A als Hausverwalter. Als Adressat der Ergänzungsabgabe zur Aufschließungsabgabe nach § 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 durch bescheidmäßige Geltendmachung des öffentlich-rechtlichen Abgabenanspruches kommen nur die einzelnen Wohnungseigentümer als Miteigentümer der Liegenschaft, nicht aber die Wohnungseigentümergemeinschaft in Betracht.
Da die gegenständliche Abgabe mit dem angefochtenen Bescheid der Eigentümergemeinschaft zu Unrecht vorgeschrieben wurde, war spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß
Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im Hinblick auf die obigen Ausführungen liegen jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.
Schlagworte
Finanzrecht; Aufschließungsabgabe; Ergänzungsabgabe; Vorschreibung, Adressat; Eigentümergemeinschaft;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.243.001.2021Zuletzt aktualisiert am
01.02.2022