Entscheidungsdatum
07.06.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z5Spruch
W237 2172476-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Martin WERNER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch Mag.a XXXX , p.A. XXXX , XXXX , gegen die Erledigung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 17.06.2019, Zl. 1105690203-190218835:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm § 18 Abs. 3 AVG als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
1. Feststellungen:
1.1. Mit als Bescheid bezeichneter Erledigung vom 17.06.2019 (im Folgenden auch: Bescheid) erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer den ihm zukommenden Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), entzog ihm gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter (Spruchpunkt II.) und wies den Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 zweiter Satz AsylG 2005 ab (Spruchpunkt III.). Weiters erteilte das Bundesamt keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt IV.), erließ im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG (Spruchpunkt V.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG iVm § 46 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Somalia fest (Spruchpunkt V.) und legte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI.).
Die im Verwaltungsakt befindliche Urschrift des Bescheids bezeichnet auf der letzten Seite „ XXXX “ in einwandfrei leserlicher Druckschrift als Genehmiger. Über diesem Namen befindet sich folgender, mit blauem Kugelschreiber angefertigter Schriftzug:
Sonstige Hinweise bzw. Vermerke enthält die Urschrift nicht.
1.2. Im Verwaltungsakt ist der Bescheidurschrift die Zustellverfügung vom selben Tag angeschlossen, die ebenso in einem Textverarbeitungsprogramm abgefasst wurde. Die Zustellverfügungsseite enthält rechts unten die Wortfolge „Unterschrift Referent“ mit einer darüber befindlichen Punktlinie; über dieser Punktlinie befindet sich ein mit blauem Kugelschreiber geschriebener Schriftzug, der die Buchstabenfolge „ XXXX “ bildet:
Die ähnliche Abzeichnung findet sich auf der letzten Seite der Niederschrift der mit dem Beschwerdeführer durchgeführten Einvernahme vom 09.04.2019. Der dort angefertigte Schriftzug bildet die Buchstabenfolge „ XXXX “ sowie eine aus dem letzten Buchstaben „g“ nach rechts oben auslaufende Linie.
1.3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl adressierte die Erledigung vom 17.06.2019 an die Vertreterin des Beschwerdeführers, die für diesen dagegen am 26.06.2019 Beschwerde erhob. Der Beschwerdeschriftsatz sowie der Bezug habende Verwaltungsakt wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 04.07.2019 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
2. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt bzw. der darin aufliegenden Niederschrift der Einvernahme vom 09.04.2019, der Urschrift des angefochtenen Bescheids, der Zustellverfügung, dem Rückschein sowie den Angaben des Beschwerdeführers, gegen welchen behördlichen Akt sich seine Beschwerde richtet.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
1. Im Anwendungsbereich des § 18 AVG wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der Grundsatz aufgestellt, dass jede Erledigung zu genehmigen ist, und zwar durch die Unterschrift eines (hiezu berufenen) Organwalters. Damit wird der wichtige Grundsatz zum Ausdruck gebracht, dass die Identität des Menschen, der eine Erledigung getroffen und daher zu verantworten hat, für den Betroffenen erkennbar sein muss. Die "Urschrift" einer Erledigung muss also das genehmigende Organ erkennen lassen (vgl VwGH 10.09.2015, Ra 2015/09/0043).
Unabhängig von der Frage, welchen Voraussetzungen die schriftliche Ausfertigung einer Erledigung zu genügen hat (externe Erledigung), muss daher die – interne – Erledigung selbst von jenem Organwalter, der die Behördenfunktion innehat, oder von einem approbationsbefugten Organwalter genehmigt worden sein. Fehlt es an einer solchen Genehmigung, liegt kein Bescheid vor (VwGH 11.11.2014, Ra 2014/08/0018).
Gemäß § 18 Abs. 3 AVG sind schriftliche Erledigungen vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten. Im vorliegenden Fall wurde kein derartiges Verfahren nach E-GovG durchgeführt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Unterschrift im Sinn dieser Vorschrift ein Gebilde aus Buchstaben einer üblichen Schrift, aus der ein Dritter, der den Namen des Unterzeichneten kennt, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen kann; eine Unterschrift muss nicht lesbar, aber ein "individueller Schriftzug" sein, der entsprechend charakteristische Merkmale aufweist. Die Anzahl der Schriftzeichen muss der Anzahl der Buchstaben des Namens nicht entsprechen (vgl. für viele VwGH 07.11.2019, Ra 2019/14/0389; 20.04.2017, Ra 2017/20/0095 mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hielt aber wiederholt fest, dass eine Paraphe keine Unterschrift ist (vgl. VwGH 07.11.2019, Ra 2019/14/0389; 04.09.2000, 98/10/0013 und 0014; s. auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 18, Rz 23 mwH).
2. Der Schriftzug auf der im Verwaltungsakt aufliegenden Urschrift des angefochtenen Bescheids erfüllt die Merkmale einer Unterschrift nicht:
2.1. Zwar muss die Anzahl der Schriftzeichen einer Unterschrift der Anzahl der Buchstaben des Namens nicht entsprechen, doch besteht der Nachname des Genehmigers im vorliegenden Fall aus zwei Wortstämmen („ XXXX “ und „ XXXX “) und insgesamt 13 Buchstaben. Die Urschrift ist hingegen mit einem kurzen Schriftzug abgezeichnet, dem keine irgendwie geartete Buchstabenfolge zu entnehmen ist. Selbst wenn dem Zeichen – in Kenntnis des Nachnamens des Genehmigers und größtmöglicher Abstrahierungstoleranz – die Ansätze des Buchstabens „W“ entnommen werden könnten, liegt jedenfalls kein Buchstabengebilde vor, aus dem der Name des Genehmigers auch in Kenntnis desselben noch in irgendeiner Form herauslesbar wäre.
2.2. Damit unterscheidet sich dieses Zeichen auch maßgeblich von jenen Schriftzügen, die der zuständige Referent der Behörde auf der Zustellverfügung und der letzten Seite der Niederschrift vom 09.04.2019 anbrachte. Dabei handelt es sich unzweifelhaft um Unterschriften: Der Name auf der Zustellverfügung ist vollständig lesbar; beim Schriftzug auf der letzten Seite der Niederschrift ist der erste Wortstamm des Namens des Genehmigers einwandfrei lesbar und der zweite durch den Anfangsbuchstaben „g“ sowie eine infolge eines starken Abschleifungsprozesses abstrahierende Linie gebildet, aus der – in Namenskenntnis und in Zusammenschau mit dem ersten Wortstamm – auf weitere Buchstaben geschlossen werden kann (vgl. dazu VwGH 19.02.2018, Ra 2017/12/0051).
2.3. Daraus erhellt umso mehr, dass es sich bei dem Schriftzeichen auf dem Bescheid eindeutig um eine bloße Paraphe (also ein auf wenige Zeichen verkürztes Namenszeichen bzw. -kürzel) handelt. Ob diese von der namentlich als genehmigende Person „ XXXX “ stammt oder der Bescheid überhaupt von einem anderen Bediensteten des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl abgezeichnet wurde, kann dahingestellt bleiben, weil bereits die bloße Paraphe der namentlich als Genehmiger angeführten Person nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Unterschrift darstellt.
2.4. An dieser Beurteilung ändert auch nichts, dass die Zustellverfügung durch den „Referent[en]“ unterschrieben wurde, weil es sich dabei – bereits dem Namen nach – um eine eigene behördliche Verfügung handelt, die die Zustellung eines separat davon zu genehmigenden Behördenaktes betrifft. So kann eine Zustellverfügung (§ 5 ZustG) auch von einer von dem den behördlichen Akt – sei es eine Ladung, ein Bescheid oder sonstiges – genehmigenden Organwalter verschiedenen Person getroffen werden und muss mit der Genehmigung dieses Behördenakts auch zeitlich nicht zusammenfallen. Im vorliegenden Fall kann die Zustellverfügung auch nicht als Teil des angefochtenen Bescheids gelesen werden, sodass die darauf befindliche Unterschrift dem auf der letzten Seite des Bescheids namentlich ausgewiesenen Genehmiger (allenfalls) zugerechnet werden könnte: So datiert die Zustellverfügung zwar ebenso auf den 17.06.2019, ist aber bereits ausweislich der – bei ihr nicht vorhandenen – Seitennummerierung des Bescheids erkennbar kein Teil desselben; die Zustellverfügung samt Referentenunterschrift wurde – obwohl dies möglich gewesen wäre – auch nicht auf der abschließenden Leerseite des Bescheids angebracht, was eine Zurechnung der Unterschrift zum Bescheid ermöglichen hätte können.
3. Der (als Bescheid bezeichneten) Erledigung der belangten Behörde vom 17.06.2019 fehlt es mangels Unterschrift des genehmigenden Organs und eines Hinweises auf eine elektronische Genehmigung sohin an der Bescheidqualität, weshalb sich die Beschwerde gegen eine als Bescheid absolut nichtige Erledigung richtet. Dies hat den Mangel der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zu einem meritorischen Abspruch über das Rechtsmittel zur Folge; das Verfahren über die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist stattdessen nach wie vor vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anhängig.
Die Beschwerde ist daher als unzulässig zurückzuweisen (vgl. auch BVwG 10.12.2020, W237 2201995-1; 26.05.2020, W234 2127997-2; 26.03.2021, W112 2217194-1 ua.).
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.
4. Ergänzend ist festzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht die vorliegende (Formal-) Entscheidung erst nach einer bei Weitem zu langen Verfahrensdauer trifft, die in keinem Verhältnis zur (lediglich geringen) Komplexität der gegenständlichen Rechtssache steht. Die Zurückweisung der Beschwerde mangels Vorliegens eines Bescheids hätte bereits im Sinne der Verfahrensökonomie umgehend nach Beschwerdevorlage ergehen müssen, um einen zügigen Abschluss des – sohin immer noch offenen – Verfahrens vor der Verwaltungsbehörde gewährleisten zu können.
Die Verzögerung in der Erlassung des vorliegenden Beschlusses liegt im alleinigen Verschulden des entscheidenden Richters, weil die mangelnde Unterschrift bzw. die bloße Paraphenqualität des die Bescheidurschrift abzeichnenden Schriftzugs bei einer ersten Aktendurchsicht nach Einlangen in der Gerichtsabteilung nicht auffielen. Die Zurückweisung der Beschwerde ist angesichts der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aber gleichwohl zwingend.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; zudem fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in dieser auch nicht uneinheitlich beantwortet. So entspricht es ständiger, einheitlicher Rechtsprechung, dass eine Paraphe keine Unterschrift darstellt, wobei die Beurteilung, was (noch) eine Unterschrift darstellt, stets einzelfallbezogen ausfallen muss.
Schlagworte
Nichtbescheid Organwalter Rechtswidrigkeit UnterschriftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W237.2172476.2.00Im RIS seit
01.02.2022Zuletzt aktualisiert am
01.02.2022