TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/28 W103 2160753-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.06.2021
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Entscheidungsdatum

28.06.2021

Norm

AsylG 2005 §15b Abs1
AsylG 2005 §54
AsylG 2005 §55
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a
IntG §10 Abs2 Z1
IntG §9
NAG §14a Abs4 Z2
NAG §81

Spruch


W103 2160752-3/20Z

W103 2160966-3/13Z

W103 2160753-3/18Z

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. AUTTRIT als Einzelrichter über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , und 3.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Russische Föderation und vertreten durch XXXX , Rechtsanwalt in XXXX , gegen die Spruchpunkte II., IV., V., VI., VII. und VIII. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 11.02.2020, Zln.: 1.) 811557001-200059016, 2.) 831212108-200059024, und 3.) 1144193609-200059045, zu Recht:

A) 1. In Erledigung der Beschwerden gegen die Spruchpunkte IV. wird ausgesprochen, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG idgF iVm § 9 Abs. 3 BFA-VG idgF auf Dauer unzulässig ist.

III. Gemäß §§ 54 und 55 AsylG 2005 iVm §§ 9, 10 Abs. 2 Z 1 Integrationsgesetz, jeweils idgF, wird 1.) XXXX der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ sowie 2.) XXXX und 3.) XXXX jeweils der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ jeweils für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

2. Die Spruchpunkte V. bis VIII. der gegenständlichen Bescheide werden ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Erste Verfahren auf internationalen Schutz:

1.1. Die Erstbeschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation und der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig, reiste spätestens am 25.12.2011 unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und brachte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

Im Rahmen ihrer Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 26.12.2011 gab die Erstbeschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen befragt an, dass ihr Bruder von den Behörden des Herkunftslandes inhaftiert und getötet worden sei. Sodann hätten die Behörden einen weiteren Bruder verfolgt, welcher jedoch geflohen sei. Als die Behörden des Herkunftsstaates der Mutter der Erstbeschwerdeführerin mit der Ermordung der Töchter gedroht hätten, sei die Erstbeschwerdeführerin geflohen und sei sie mit schlepperunterstützter Hilfe nach Österreich gereist.

1.2. Nach Zulassung des Verfahrens wurde die Erstbeschwerdeführerin am 25.06.2012 vor dem Bundeasylsamt im Beisein einer geeigneten Dolmetscherin für die russische Sprache niederschriftlich einvernommen und führte zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen aus, dass am 21.112011 das Haus der Familie von bewaffneten Männern überfallen worden sei. Männer hätten sich nach dem Verbleib ihres Bruders erkundigt. Da weder die Mutter noch die Schwestern der Erstbeschwerdeführerin über den Aufenthalt des Bruders Bescheid gewusst hätten, hätten die bewaffneten Männer alle auf die Straße gezerrt und der Erstbeschwerdeführerin eine Pistole an den Kopf gehalten. Schließlich habe man die Erstbeschwerdeführerin als Geisel nehmen wollen und ihr mit Misshandlungen gedroht. Auf Flehen der Mutter der Erstbeschwerdeführerin hätten die bewaffneten Männer von einer Geiselnahme abgesehen. Daraufhin sei die Erstbeschwerdeführerin auf Drängen ihrer Mutter geflohen. Bei einer Rückkehr in das Heimatland befürchte die Erstbeschwerdeführerin umgebracht zu werden. In Einem wurden der Erstbeschwerdeführerin aktuelle Länderberichte über die Lage in der Russischen Föderation mit der Möglichkeit zur Stellungnahme ausgehändigt und brachte die Erstbeschwerdeführerin ein Konvolut diverser ärztlicher Berichte in Vorlage.

1.3. Mit am 26.06.2012 beim Bundesasylamt einlangendem Schreiben nahm die Erstbeschwerdeführerin zu den Länderberichten fristgerecht Stellung.

1.4. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 02.07.2012, Zahl: XXXX , wurde der Erstbeschwerdeführerin der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Begründend wurde zusammengefasst festgehalten, dass die Erstbeschwerdeführerin einer asylrelevanten Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt sei.

1.5. Im Juli 2013 wurde der Sohn der Erstbeschwerdeführerin, der nunmehrige Zweitbeschwerdeführer, geboren, und stellte die Erstbeschwerdeführerin als dessen gesetzliche Vertretung am 14.08.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher ihm mit Bescheid vom 03.09.2013, Zahl 13.12.121-BAI, zuerkannt wurde.

1.6. Aufgrund eines Antrages beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erhielt die Erstbeschwerdeführerin im April 2014 einen Konventionsreisepass mit einer Gültigkeit bis Juli 2016 ausgestellt.

1.7. Mit weiterem Antrag beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurde der Erstbeschwerdeführerin im Jahr 2016 ein Konventionspass mit einer Gültigkeit bis April 2021 ausgestellt.

1.8. Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX , Zahl XXXX 9, wurde die Erstbeschwerdeführerin wegen Diebstahls (§ 127 StGB) zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen á € 4,00, sohin einer Gesamtgeldstrafe von € 200,00 (im Falle einer Uneinbringlichkeit 25 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verurteilt.

1.9. Anlässlich einer Personenkontrolle am Flughafen XXXX am 04.06.2016 gab die Erstbeschwerdeführerin bei einer Einreisekontrolle von einem Flug von XXXX nach XXXX kommend an, dass sie sich seit 25.11.2015 im Ausland befunden habe, da es ihrer Mutter nicht gut gehe. Deswegen sei die Erstbeschwerdeführerin mit ihrem Kind über XXXX nach Moskau und von dort weiter nach Tschetschenien gereist. Im Weiteren wurde festgestellt, dass der Konventionsreisepass der Erstbeschwerdeführerin zahlreiche Ein- und Ausreisestempel aufweist und brachte die Erstbeschwerdeführerin zugleich einen russischen Reisepass in Vorlage, demnach sich die Erstbeschwerdeführerin seit dem 25.11.2015 im Ausland befunden habe.

1.10. Im Jänner 2017 brachte die Erstbeschwerdeführerin eine Tochter zur Welt, die nunmehrige Drittbeschwerdeführerin, und stellte die Erstbeschwerdeführerin als deren gesetzliche Vertretung am 21.02.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz im Rahmen des Familienverfahrens.

1.11. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl leitete von Amts wegen ein Verfahren auf Aberkennung des Status der Asylberechtigten ein. Zu Beginn der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 28.03.2017 gab die Erstbeschwerdeführerin zunächst an, dass sie seit Jahren an Anämie leide und legte die Erstbeschwerdeführerin einen Arztbericht vor. Wegen dieser Krankheit sei die Erstbeschwerdeführerin auch schon im Heimatland behandelt worden und erhalte sie Thrombosespritzen gegen die Erkrankung. Zu dem russischen Reisepass befragt, antwortete die Erstbeschwerdeführerin, dass ihr dieser Reisepass gestohlen worden sei. Zu der Häufigkeit der Reisen in die Russische Föderation befragt, gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie seit ihrer Einreise nach Österreich zwei Mal in die Russische Föderation, jedoch nicht nach Tschetschenien, gereist sei, da es ihrer Mutter schlecht gegangen sei. Auf Aufforderung, dass die Erstbeschwerdeführerin die genauen Zeiträume ihrer Reisen in die Russische Föderation bekannt geben solle, führte die Erstbeschwerdeführerin aus, dass sie Ende Januar vor zwei Jahren das erste Mal für eine Woche, aufgrund ihrer Schwester, welche letztlich verstorben sei, in die Russische Föderation gereist sei. Das zweite Mal sei die Erstbeschwerdeführerin nach eigenen Angaben im Mai oder Juni 2016 für circa zehn Tage in die Russischen Föderation gereist.

Auf Vorhalt der belangten Behörde, dass sich im Reisepass der Erstbeschwerdeführerin mehrere Stempel befinden würden, und sie sich mindestens im Zeitraum vom 25.11.2015 bis zum 24.06.2016 in der Russischen Föderation aufgehalten habe, antwortete die Erstbeschwerdeführerin, dass sie mehrmals in Weißrussland und der Türkei gewesen sei, da ihr Ehemann noch kein Visum gehabt habe.

Auf weiteren Vorhalt, dass die Erstbeschwerdeführerin bei Beamten der Grenzpolizei ausgesagt habe, dass sie via XXXX Türkei nach Moskau/“Russland“ und dann weiter nach Tschetschenien gereist sei, um dort ihre kranke Mutter zu besuchen, und aus dem Reisepass ein Aufenthalt ab dem 25.11.2015 ersichtlich sei, rechtfertigte sich die Erstbeschwerdeführerin, dass sie nicht nach Tschetschenien gereist sei, sondern wäre sie nach Moskau geflogen. Außerdem sei sie nicht sechs Monate im Ausland gewesen, und wenn überhaupt, dann habe sie sich in Weißrussland, der Ukraine und in der Türkei aufgehalten.

Auf weiteren Vorhalt, dass die Angaben der Erstbeschwerdeführerin tatsachenwidrig seien, zumal sich die Erstbeschwerdeführerin ihren russischen Reisepass am XXXX in Tschetschenien habe ausstellen lassen, gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass jemand ihr den Reisepass habe ausstellen lassen und in ihr gebracht habe. Der Vater ihrer Kinder würde sich noch in Tschetschenien aufhalten.

Über Vorhalt, wonach die Erstbeschwerdeführerin durch mehrmalige Anwesenheit in der Russischen Föderation und durch Ausstellen eines Reisepasses klar zu erkennen gegeben habe, dass ihr im Herkunftsstaat keine Gefahr drohe und ihr daher aufgrund der Unterschutzstellung unter den Heimatstaat die Asylberechtigung abzuerkennen sei, antwortete die Erstbeschwerdeführerin, sie habe keine Probleme mit den Behörden des Herkunftsstaates, sondern mit Banditen gehabt.

1.12. Mit dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.05-2017, Zl: 13-811557001 – 170259362, wurde der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 02.07 2012, XXXX , zuerkannte Status der Asylberechtigten der Erstbeschwerdeführerin gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG aberkannt. Gemäß § 7 Abs. 4 AsylG wurde festgestellt, dass der Erstbeschwerdeführerin die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. wurde der Erstbeschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt. Unter Spruchpunkt III. wurde der Erstbeschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen die Erstbeschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen. Weiters wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung der Erstbeschwerdeführerin gemäß § 46 FPG zulässig ist. Mit Spruchpunkt IV. wurde die Frist zur freiwilligen Ausreise mit 2 Wochen festgesetzt.

Nach allgemeinen Feststellungen zur Lage in der Russischen Föderation und nach Wiedergabe des Verfahrensganges hielt die belangte Behörde fest, dass jene Gründe, die zur Anerkennung als Flüchtling geführt hätten, nicht mehr vorliegen würden. Die Erstbeschwerdeführerin habe sich einen russischen Reisepass ausstellen lassen, sei in den Jahren 2014, 2015 und 2016 nachweislich in die Russische Föderation gereist. Am XXXX habe sich die Erstbeschwerdeführerin einen russischen Reisepass ausstellen lassen und habe die Erstbeschwerdeführerin bei ihrer Einreise nach Österreich am 04.062016 angegeben, dass sie seit dem 25.11.2015 in Tschetschenien aufhältig gewesen wäre.

Nicht festgestellt werde könne, dass die Erstbeschwerdeführerin nach einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat in eine bedrohliche Situation geraten würde. Es sei auch die medizinische Versorgung der Erstbeschwerdeführerin gesichert.

In Österreich aufhältig seien die zwei minderjährigen Kinder der Erstbeschwerdeführerin. Die Antragstellerin sei seit ihrer Einreise nach Österreich im Jahr 2011 nicht erwerbstätig, stehe auch in keinem Ausbildungsverhältnis und spreche kein Deutsch. Weitere Integrationsmerkmale seien nicht feststellbar gewesen.

In ihrer rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, die Erstbeschwerdeführerin sei mehrmals freiwillig in ihr Heimatland gereist, habe sich einen russischen Reisepass ausstellen lassen, sich dadurch wieder unter den Schutz ihres Herkunftsstaates gestellt. Da im konkreten Fall seit Zuerkennung des Status der Asylberechtigten weniger als fünf Jahre vergangen seien, sei der Status der Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 AsylG abzuerkennen gewesen.

Die Erstbeschwerdeführerin habe im Rahmen der Einvernahme auch keinerlei Gründe geltend gemacht, die die Gewährung subsidiären Schutzes erforderlich erscheinen lassen.

Bei einer Zusammenschau aller bekannten Umstände würden im Falle der Erstbeschwerdeführerin auch keine Umstände überwiegen, die nicht für eine Rückkehr in ihren Herkunftsstaat sprechen.

1.13. Eine inhaltlich gleichlautende Entscheidung erging mit Bescheid vom 17.05.2017 in Bezug auf den minderjährigen Zweitbeschwerdeführer.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verwies darauf, dass der Mutter des Zweitbeschwerdeführers der Status der Asylberechtigten aberkannt worden sei, weil sie sich freiwillig wieder unter den Schutz des Herkunftsstaates gestellt habe. Sie habe sich im Herkunftsstaat einen Reisepass ausstellen lassen. Sie sei auch mit dem Zweitbeschwerdeführer mehrmals in den „Verfolgerstaat“ gereist, wo sich beide längere Zeit aufgehalten hätten. Der Zweitbeschwerdeführer habe den Status des Asylberechtigten im Rahmen des Familienverfahrens nach § 34 AsylG 2005 zuerkannt erhalten. Für ihn seien keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht worden. Im Aberkennungsverfahren seien keine Gründe hervorgekommen, aus denen auf eine asylrelevante Verfolgung des Zweitbeschwerdeführer in seinem Heimatland zu schließen wäre. Somit sei auch dem Zweitbeschwerdeführer der Status des Asylberechtigten abzuerkennen.

Den Antrag auf internationalen Schutz der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin hat das Bundesamt mit Bescheid ebenfalls vom 17.05.2017 zur Gänze abgewiesen, erteilte der Drittbeschwerdeführerin keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

1.14. Mit Schriftsatz vom 12.06.2017 wurde fristgerecht Beschwerde im Familienverfahren gegen die genannten Bescheide erhoben und die erstinstanzlichen Erledigungen wegen Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger Feststellungen und unrichtiger richtiger Beurteilung in vollem Umfang angefochten.

1.15. Ein Vollmachtswechsel samt Ankündigung einer Beschwerdeergänzung langte am 26.04.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

1.16. Die Beschwerdeergänzung langte am 14.06.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

1.17. Am 20.09.2018 fand, nachdem die Erstbeschwerdeführerin zu einem für den 27.03.2018 anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung unentschuldigt nicht erschienen ist, zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die russische Sprache sowie ihres Rechtsvertreters eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in welcher die Erstbeschwerdeführerin zu ihren Verwandten in Tschetschenien, ihrem Tagesablauf in Österreich, zu Krankheiten und zu ihren Reisebewegungen in die Russische Föderation bzw. Tschetschenien befragt wurde.

1.18. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.12.2018, Zahlen W147 2160752-1/16E u.a., wurden die Beschwerden gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.05.2017 als unbegründet abgewiesen.

Im Erkenntnis betreffend die Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: Beschwerdeführerin) traf das Bundesverwaltungsgericht zum Nichtvorliegen einer relevanten Gefährdung im Herkunftsland im Wesentlichen die folgenden Erwägungen:

„Der Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. Juli 2012, Zahl XXXX , wurde der Beschwerdeführerin am 9. Juli 2012 zugestellt. Der nunmehr angefochtene Bescheid der belangten Behörde vom 17. Mai 2017, Zl: 13-811557001 - 170259362, wurde daher binnen der Fünfjahresfrist erlassen.

Entgegen den ersten Angaben der Beschwerdeführerin vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes wird auch im Beschwerdeschriftsatz nicht bestritten, dass die Beschwerdeführerin über einen längeren Zeitraum in der Russischen Föderation aufhältig war und sich einen Russischen Auslandsreisepass ausstellen ließ.

Trotzdem muss an dieser Stelle auch in Zusammenhang mit dem Eindruck in der Beschwerdeverhandlung festgehalten werden, dass die Beschwerdeführerin falsche Angaben erstattet hat; dies wohl im Bewusstsein, dass ihr die Reise in die Russische Föderation als Asylberechtigte in Österreich eigentlich nicht gestattet ist. So gab sie zunächst noch an, nur in Weißrussland, der Ukraine und der Türkei gewesen zu sein, korrigierte dies nach Vorhalt der Eintragungen in ihrem Konventionsreisepass dahingehend, um letztendlich nach Vorhalt der Eintragungen in ihrem Auslandsreisepass einzugestehen, in der Russischen Föderation gewesen zu sein.

Auch hatte die Beschwerdeführerin keinerlei Scheu, sich mehrmals der strengen Personenkontrolle am Flughafen zu unterziehen, ist doch laut Eintragungen in deren Reisepass nachgewiesen, dass die Ausreise aus der Russischen Föderation zumindest zweimal mit einem Flugzeug erfolgt ist. Aus alledem kann somit zumindest keine subjektive Furcht vor Verfolgung seitens der Beschwerdeführerin geschlossen werden.

Mag auch die Ausstellung eines Reisepasses für sich genommen noch kein alleinig ausreichendes Argument, sondern lediglich ein Indiz einer Unterschutzstellung unter den Heimatstaat sein, ist ausdrücklich zu betonen, dass die Beschwerdeführerin nicht nur einmal zu einem kurzen, allenfalls nachvollziehbaren Aufenthalt (wie beispielsweise ein Begräbnis eines nahen Angehörigen) samt ihrem Sohn in den Herkunftsstaat reiste, sondern sich mehrmals, sogar über Wochen in der Russischen Föderation unbehelligt aufhielt, ohne irgendwelchen Verfolgungshandlugen ausgesetzt gewesen zu sein.

Auch wenn die Beschwerdeführerin mehrmals in der Beschwerdeverhandlung erwähnte, dass sie zu ihrer kranken Mutter und Schwester gefahren sei und immer nur für kurze Zeiträume, ist zu betonen, dass die Beschwerdeführerin laut den Eintragungen in ihrem Auslandreisepass jedenfalls zumindest über knapp acht Wochen (!) hinweg unbehelligt bei Angehörigen in der Russischen Föderation Aufenthalt genommen hat und ihr dies auch im Falle einer – nunmehr endgültigen - Rückkehr möglich wäre.

Zur Ausstellung eines Auslandsreisepasses in der Russischen Föderation ist zu betonen, dass die Beschwerdeführerin entsprechend dem Passgesetz ihren Inlandsreisepass in Vorlage gebracht haben muss. Der entsprechende Eintrag im Inlandsreisepass konnte festgestellt werden. In diesem Zusammenhang ist jedoch weiters zu erwähnen, dass die Daten des Antragstellers vom "Zagranpasport" Informationssystem kontrolliert werden. Die Identität des Antragstellers ebenso vom FSB kontrolliert wird, als auch Umstände, die eine Ausreise verbieten. Ebenso wird kontrolliert, ob ein Antragsteller vom FSB gesucht wird. Von Bedeutung für die ohnehin durch zahlreiche Widersprüche geprägte persönliche Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin verbleibt schlussendlich festzuhalten, dass ein Auslandsreisepass persönlich abgeholt werden und in Gegenwart eines Angestellten der Behörde unterzeichnet werden muss. Auch hiezu wurde der Beschwerdeführerin vorgehalten, wie ihre Unterschrift auf den Auslandsreisepass gelangt sei, wenn – wie behauptet – ihr „Ehemann“ die Behördenwege für sie erledigt hätte.

Sowohl aus der Ausstellung des Auslandsreisepasses als auch aufgrund der zahlreichen Kontrollen bei Grenzübertritten, insbesondere den strengen Sicherheitskontrollen auf Flughäfen, ist zu schließen, dass eine asylrelevante Verfolgung der Beschwerdeführerin, objektiv nicht mehr gegeben ist. Auch ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin eine subjektive Furcht vor einer möglichen Verfolgung nach Rückkehr in die Russische Föderation offenbar gar nicht (mehr) annimmt, da sie sich doch in den vergangenen Jahren mehrmals freiwillig in die Russische Föderation begeben hat, quer durch die Russische Föderation gereist ist und sich zum Zwecke der Ausstellung eines Auslandsreisepasses an die zuständigen Behörden im Herkunftsstaat gewendet hat.

Auch kann angesichts des Umstandes, wonach die Beschwerdeführerin für einen längeren Zeitraum bei Angehörigen in der Russischen Föderation Aufenthalt genommen hat, wobei die Angehörigen staatliche Unterstützung beziehen und die Mutter der Beschwerdeführerin Eigentümerin eines Einfamilienhauses ist, nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer nunmehr endgültigen Rückkehr in eine ausweglose Lage geraten würde.

Merkmale einer Integration in die österreichische Gesellschaft konnten bei der Beschwerdeführerin nicht festgestellt werden. Sie spricht trotz ihres langen Aufenthalts in Österreich kaum Deutsch, war in Österreich nicht erwerbstätig und ist ihr soziales Umfeld auf die in Österreich lebenden Familienangehörigen und jene in der Russischen Föderation eingeschränkt.

[…]

Die Beschwerdeführerin ist grundsätzlich zur Teilnahme am Erwerbsleben fähig. Es ist ihr mit Unterstützung ihrer Angehörigen im Herkunftsstaat zumutbar, den notdürftigen Lebensunterhalt zu bestreiten. In diesem Zusammenhang ist zu betonten, dass die Mutter der Beschwerdeführerin nach wie vor Eigentümerin eines Einfamilienhauses ist, welches sie mit der Beschwerdeführerin selbst bewohnen oder durch Mieteinnahmen zusätzlich den Lebensunterhalt finanzieren kann. Auch der „Ehegatte“ der Beschwerdeführerin samt seiner Familie lebt im Herkunftsstaat.

Die Beschwerdeführerin leidet auch an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten, die für sich genommen eine Verletzung von Art. 2 EMRK und Art. 3 EMRK darstellen würden, zumal sie ihre Blutanämie und Schmerzen im Bein auch im Herkunftsstaat ärztlich behandeln ließ und in Österreich keine weiteren Erkrankungen der Beschwerdeführerin auftraten.“

Das Bundesverwaltungsgericht stützte sich beim Ausspruch über die Aberkennung des Status des Asylberechtigten des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers darauf, dass der Mutter des Zweitbeschwerdeführers der Status der Asylberechtigten aberkannt worden sei. Somit lägen auch bei ihm die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten vor. Auch sonst seien im Falle des Minderjährigen keine Gefährdungspotentiale erkannt worden und es sprächen keine Umstände gegen eine Rückkehr in den Herkunftsstaat gemeinsam mit seiner Mutter.

Im Fall der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin führte das BVwG im Wesentlichen aus, für die minderjährige Drittbeschwerdeführerin seien keine eigenen Gründe vorgebracht worden, die eine Zuerkennung von internationalem Schutz rechtfertigen würden. Eine Gewährung dieses Schutzes im Familienverfahren gemäß § 34 AsylG 2005 komme nicht in Betracht, weil der Mutter der Drittbeschwerdeführerin der Status der Asylberechtigten in einem parallel geführten Verfahren aberkannt worden sei. Der Bezugsperson sei auch kein subsidiärer Schutz zuerkannt worden und es sei gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen worden. Letzteres rechtfertige es ungeachtet des Umstandes, dass die Drittbeschwerdeführerin aufgrund ihres jungen Alters weiterhin der Unterstützung der Bezugsperson bedürfe, auch gegen sie eine Rückkehrentscheidung zu treffen.

Diese Erkenntnisse wurde der Erstbeschwerdeführerin am 07.01.2019 zugestellt.

1.19. Die Erstbeschwerdeführerin erhob in der Folge Revisionen gegen die dargestellten Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes.

1.20. Mit Eingabe vom 30.01.2019 brachte die Erstbeschwerdeführerin Anträge auf Wiederaufnahme der Verfahren und auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Frist zur Stellung des Antrages auf Wiederaufnahme dieses Verfahrens ein. Weiters beantragte die Erstbeschwerdeführerin diesem Antrag die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde damit begründet, dass in Ansehung des Gesundheitszustandes des Sohnes der Erstbeschwerdeführerin, dem Zweitbeschwerdeführer, am 25.11.2018 von der zuständigen Psychologin einer Gemeinschaftspraxis ein klinisch-psychologischer Befund erstellt worden sei. Aus diesem gehe hervor, dass bei dem minderjährigen Zweitbeschwerdeführer in Folge einer Frühgeburt eine kombinierte Entwicklungsstörung vorliege. Daher benötige der Zweitbeschwerdeführer aus psychologischer Sicht eine ganzheitliche Entwicklungsförderung durch Integrationsförderung im Kindergarten, Frühforderung, Sprachförderung sowie Training sozialer Kompetenzen einschließlich einer klinisch-psychologischen Verlaufskontrolluntersuchung innerhalb von zwölf Monaten. Der nunmehrige Rechtsvertreter der Erstbeschwerdeführerin habe erstmalig am 17.01.2019 im Rahmen der Revisionsvorbereitung vom Gesundheits- und Entwicklungszustand des Sohnes der Erstbeschwerdeführerin und am 18.01.2019 erstmalig von dem Befund vom 25.11.2018 erfahren. Daher erweise sich der Antrag als rechtzeitig.

Weiters sei der Erstbeschwerdeführerin nicht bewusst gewesen, dass der klinisch-psychologische Befund der Gemeinschaftspraxis vom 25.11.2018 über den Entwicklungsstand des minderjährigen Sohnes für die Rückkehrentscheidung der Familie wichtig sei und sie dies dem Gericht sowie dem Rechtsvertreter mitzuteilen gehabt habe. Auch habe niemand der nicht sprachkundigen Erstbeschwerdeführerin den Inhalt und das Ergebnis des Gutachtens übersetzt und im Einzelnen erklärt.

Zum Wiederaufnahmeantrag führte die Erstbeschwerdeführerin im Wesentlichen aus, dass ihr als gesetzlicher Vertreterin des Sohnes nicht bewusst gewesen sei, dass der klinisch-psychologische Befund ihres Sohnes ein wichtiges Beweismittel darstelle, zumal der Befund von dem Kindergarten in Auftrag gegeben worden sei und man ihr das Ergebnis, den Inhalt des Befundes auch nicht übersetzt habe.

1.21. Mit Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.04.2019, Zahlen W147 2160752-2/2E u.a., wurden in Spruchteil A I. die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 33 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2017, abgewiesen sowie II. die Anträge auf Wiederaufnahme wird gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 2/2017, als unzulässig zurückgewiesen. In Spruchteil B) wurde ausgesprochen, dass die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 164/2013, nicht zulässig ist.

Begründend wurde in der Erledigung betreffend die Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: Antragstellerin) im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

„Die Antragstellerin bringt zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Wesentlichen vor, dass ihr nicht bewusst gewesen sei, dass der klinisch-psychologische Befund der Gemeinschaftspraxis XXXX vom 25. November 2018 über den Entwicklungsstand des minderjährigen Sohnes für die Rückkehrentscheidung wichtig sei. Erst im Zuge der Recherchen ihres nunmehrigen Rechtsvertreters sei die Antragstellerin über die Möglichkeit des Antrages auf Wiedereinsetzung informiert worden. Da der Rechtsvertreter erst am 17. Januar 2019 von dem Befund des minderjährigen Sohnes der Antragstellerin Kenntnis erlangt habe, sei die Antragstellung am 30. Januar 2019 auch innerhalb der Frist für den Wiedereinsetzungsantrag und somit rechtzeitig.

3.2.4. Obzwar die Antragstellung innerhalb der in § 33 Abs. 3 VwGVG normierten Frist erfolgte, war der gegenständliche Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus folgendem Grund unberechtigt.

Die Antragstellerin behauptet mit ihrem Vorbringen eine Unkenntnis der Rechtslage (Seite 18 des Antrages: „Zur Begründung wird ausgeführt, dass der gesetzlichen Vertreterin nicht bewusst und bekannt war, dass der klinisch-psychologische Befund vom 25.11.2018 ein wichtiges Beweismittel im gegenständlichen Verfahren betreffend Erlassung von Rückkehrentscheidungen, dies in Ansehung aller drei Rückkehrentscheidungen und aller drei Verfahren vor dem BVwG, darstellt [..]“.). Wie aus der oben zitierten Judikatur hervorgeht, kann mangelnde Rechtskenntnis oder ein Rechtsirrtum ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis darstellen, welches eine Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen kann (vgl. VwGH, vom 15.10.1999, 96/21/0185). Wird ein solcher Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht, ist im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die Partei an der Unkenntnis der Rechtslage bzw. am Rechtsirrtum ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden trifft (vgl. VwGH v. 16.9.1999, 99/20/364).

Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG steht der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein Verschulden der Partei nur dann entgegen, wenn es den minderen Grad des Versehens übersteigt. Unter einem minderen Grad des Versehens ist nach der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts leichte Fahrlässigkeit iSd §1332 ABGB zu verstehen (vgl. VwGH 17.5.1990, 90/06/0039).

Die Antragstellerin führt im Antrag aus, sie habe nicht gewusst, dass es für die Rückkehrentscheidung wichtig sei, dass sie das Gericht oder ihre Rechtsvertretung im Detail über die bei ihrem Sohn vorliegende, erhebliche Entwicklungsstörung in Kenntnis setzte (vgl. Seite 8 des Antrages).

Eine der Wiedereinsetzung entgegenstehende auffallende Sorglosigkeit nahm der Verwaltungsgerichtshof beispielsweise an, wenn die Rechtsunkenntnis bzw. der Rechtsirrtum vermieden hätte werden können durch die Rücksprache mit einem Rechtsvertreter (VwGH 08.05.1998, 97/19/1271) oder die Einholung von Informationen bei einem Rechtskundigen (VwGH 24.02.1994, 91/10/0291, 02.07.1998, 97/06/0056, 24.02.2006, 2005/12/0237).

Dem Argument der Antragstellerin ist daher kein Erfolg beschieden, da die im Zeitpunkt der klinisch-psychologischen Untersuchung nachweislich vertretene Antragstellerin laut dem klinisch-psychologischem Befund der Gemeinschaftspraxis XXXX bei dem im Rahmen der Untersuchung geführten Beratungsgespräch im Oktober 2018 anwesend war und ihr der Inhalt des Gespräches von einer Dolmetscherin fernmündlich übersetzt wurde. Der Antragstellerin war sohin der Grund für die Untersuchung ihres Sohnes bekannt und gab die Antragstellerin auf die Fragen der zuständigen Psychologin zum Entwicklungszustand des Sohnes konkrete Antworten.

Vielmehr ist der Antragstellerin in ihrem Handeln eine auffallende Sorglosigkeit vorzuwerfen, hätte sie doch auch die Möglichkeit gehabt und wahrnehmen müssen, den Befund ihres Sohnes einem Rechtskundigen (bzw. ihrem Rechtsvertreter) vorzulegen, Informationen bei einem Rechtskundigen einzuholen sowie den Befund in das Verfahren einzubringen.

Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin im Rahmen der Beschwerdeverhandlung dezidiert nach dem Gesundheitszustand ihrer Kinder befragt wurde.

Der Antragstellerin ist es daher nicht gelungen, ein entsprechendes unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis glaubhaft zu machen. Denn gemäß der in § 33 Abs. 1 VwGVG normierten "Glaubhaftmachung" muss bei der entscheidenden Instanz die Überzeugung der Wahrscheinlichkeit der vorgebrachten Tatsache hervorgerufen werden. Reine Behauptungen betreffend das Vorliegen des Wiedereinsetzungsgrundes reichen nicht aus (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 116). Eine solche Glaubhaftmachung ist der Antragstellerin im gegenständlichen Verfahren nicht gelungen.

3.2.5. Neben der Unkenntnis der Rechtslage macht die Antragstellerin auch Verständigungsschwierigkeiten geltend (Seite 10 des Antrages: „Niemand hat der nicht ausreichend sprachkundigen Mutter den Inhalt und das Ergebnis des Gutachtens übersetzt und im Einzelnen erklärt.“).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt der Umstand, dass die Partei die deutsche Sprache überhaupt nicht oder nur mangelhaft beherrscht, keinen Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dar (VwGH 22.05.1997, 97/18/257; 01.08.2000, 2000/21/0097).

3.2.6. Obiter bleibt in diesem Zusammenhang auszuführen, dass auch die rechtzeitige Einbringung des klinisch-psychologischen Befundes keine Änderung des Ergebnisses der von dem Bundesverwaltungsgericht bestätigten Rückkehrentscheidung ergeben hätte. Wie dem Länderinformationsblatt zur Russischen Föderation, insbesondere Tschetschenien, vom 31.08.2018 – Kurzinformationen vom 12.11.2018, zu entnehmen ist, ist eine weiterführende medizinische Versorgung des Sohnes der Antragstellerin im Heimatland aufgrund eines bestehenden Gesundheitssystems in Tschetschenien jedenfalls gesichert.“

Da die Erstbeschwerdeführerin mit ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand demnach eine unverschuldete Säumnis der rechtzeitigen Antragstellung auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.12.2018, Zl. W147 2160752-1/16E, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens nicht glaubhaft machen habe können, sei auch der vorliegende Antrag gemäß § 32 Abs. 2 VwGVG als verspätet zurückzuweisen gewesen.

1.22. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.10.2019, Ra 2019/19/0046-13, wurde die Revision der Erstbeschwerdeführerin gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.12.2018, W147 2160752-1/16E, betreffend die Aberkennung des Status der Asylberechtigten als unbegründet abgewiesen.

Die Revision im Verfahren der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 19.11.2019, Ra 2019/18/0413-16, zurückgewiesen.

Die Revision im Verfahren des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 18.12.2019, Ra 2019/14/0492-16, ebenfalls zurückgewiesen.

Den Revisionen war zuvor jeweils die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden.

2. Zweite Verfahren auf internationalen Schutz:

2.1. Am 16.01.2020 stellte die Erstbeschwerdeführerin für sich und die von ihr gesetzlich vertretenen minderjährigen beschwerdeführenden Parteien die verfahrensgegenständlichen Folgeanträge auf internationalen Schutz, zu welchen sie am gleichen Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich erstbefragt wurde. Angesprochen auf ihr abgeschlossenes Verfahren und gefragt nach den Gründen ihrer neuerlichen Antragstellung erklärte die Erstbeschwerdeführerin, sie sei in Russland gewesen und anschließend wieder nach Österreich zurückgekommen, da sich die Lage nicht verbessert hätte; sie habe immer noch dieselben Probleme in Russland und erhalte dort außerdem keine ausreichende medizinische Versorgung für den minderjährigen Zweitbeschwerdeführer. Überdies sei auch sie selbst krank, sie leide unter Problemen mit dem Magen und zu niedrigem Blutdruck. In Russland wäre die Situation für sie aufgrund der bereits im Zuge der ersten Asylantragstellung benannten Gründe lebensbedrohlich. Ihr Sohn habe Ende Februar 2020 einen wichtigen Termin bezüglich seiner weiteren medizinischen Behandlung.

Mit von der Erstbeschwerdeführerin am 16.01.2020 persönlich übernommenen Verfahrensanordnungen wurde den beschwerdeführenden Parteien aufgetragen, ab sofort in einem näher bezeichneten Quartier Unterkunft zu nehmen.

Mit Schriftsatz vom 23.01.2020 gab der nunmehr bevollmächtigte Rechtsanwalt seine Vertretungsmacht bekannt und führte zur Begründung der Folgeanträge zusammengefasst aus, in Bezug auf den minderjährigen Zweitbeschwerdeführer sei nach Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.12.2018 ein neuer Sachverhalt eingetreten, welcher zur Gewährung subsidiären Schutzes führen müsse. Der Minderjährige leide an einer globalen Entwicklungsverzögerung (sprachlich und motorisch) und an Dystrophie, es bestehe zudem ein Verdacht auf Schluckstörung und eine Mikrozephalie, sodass dieser gesundheitsbezogene und spezielle Förderungsmaßnahmen benötige, welche er im Herkunftsstaat nicht erhalten könnte. Derzeit erhalte dieser eine Frühförderung. Auf all dies sei im ersten Asylverfahren nicht Bedacht genommen worden. Eine Abschiebung sowie eine Rückkehrentscheidung erwiesen sich daher in Bezug auf den minderjährigen Zweitbeschwerdeführer unzulässig, sodass auch dessen Familienmitgliedern ein entsprechender Aufenthaltsstatus zuzuerkennen sei. Die Kindesmutter habe es im Ausgangsverfahren nicht verstanden, die Rechte ihres an einer globalen Entwicklungsstörung leidenden Kindes entsprechend wahrzunehmen. Sollte der Minderjährige nicht den Zugang zur erforderlichen medizinischen Behandlung und zu den gebotenen pädagogischen und therapeutischen Maßnahmen zur Kompensation seiner Behinderung und seiner Entwicklungsstörung erhalten – was im Herkunftsstaat ausgeschlossen sei – drohe ihm ein lebenslanges „Zurückgeblieben-Sein“ und sohin eine lebenslange Beeinträchtigung des physischen und psychischen Wohlbefindens.

Am 27.01.2020 fand vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine niederschriftliche Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin im Beisein eines Dolmetschers für die russische Sprache statt. Die Erstbeschwerdeführerin gab zusammengefasst an, sie fühle sich körperlich und geistig zur Durchführung der Einvernahme in der Lage und leide an keinen Erkrankungen. Nach Rückübersetzung der Niederschrift erklärte sie, sie habe ein Magengeschwür sowie Probleme mit den Lymphdrüsen und stehe unter Beobachtung. Mangels Versicherung sei sie knapp zwei Jahre bei keinem Arzt gewesen. Die angeführten Beschwerden würden seit mehreren Jahren bestehen, die letzte Untersuchung habe vor mehr als drei Jahren stattgefunden.

Die Erstbeschwerdeführerin gab weiters an, ihre in der Erstbefragung erstatteten Angaben seien richtig. Den neuerlichen Asylantrag stelle sie, da sie auf keinen Fall nach Tschetschenien zurückkehren könne. Ihre dortigen Probleme seien bis jetzt nicht gelöst, sondern im Gegenteil noch größer geworden. Eine Änderung in Bezug auf ihre Probleme respektive Fluchtgründe sei nicht eingetreten. Auf die Frage, ob sich für ihren Sohn seit dem Vorverfahren eine relevante Änderung ergeben hätte, meinte die Erstbeschwerdeführerin, dieser sei ein Integrationskind und benötige viel Therapie und medizinische Behandlung. Er sei jetzt sechs Jahre alt und benehme sich wie ein dreijähriges Kind. Diese Probleme würden seit der Geburt ihres Sohnes bestehen. Bei ihrer Tochter sei alles in Ordnung. Ende Februar 2020 habe die Erstbeschwerdeführerin mit ihrem Sohn einen Arzttermin, bei welchem die Gründe für dessen Entwicklungsverzögerung festgestellt werden sollen. Die Erstbeschwerdeführerin habe vor der Geburt des Zweitbeschwerdeführers drei Fehlgeburten erlitten und habe sich im Mai 2019 von ihrem Mann scheiden lassen. Im Falle einer Rückkehr in die Heimat würde ihr Ex-Mann ihr die Kinder entsprechend den dortigen Traditionen wegnehmen. Ihr Kind zu verlieren wäre für sie gleichbedeutend mit dem Tod. Hinsichtlich ihres Privat- und Familienlebens sei es zu keinen Änderungen gekommen.

Die Erstbeschwerdeführerin legte ein Konvolut an ärztlichen Unterlagen sie selbst und den Zweitbeschwerdeführer betreffend sowie eine Ladung durch ein Bezirksgericht für einen Termin im April 2020 betreffend die Vaterschaftsfeststellung zu ihren Kindern vor.

Am 04.02.2020 wurde die Erstbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die russische Sprache und eines Rechtsberaters ergänzend einvernommen. Die Erstbeschwerdeführerin bestätigte, dass ihre bisher erstatteten Angaben korrekt gewesen wären und sie keine Ergänzungen oder Korrekturen vorzubringen habe. Ihr wurde zur Kenntnis gebracht, dass das Bundesamt die Verhängung eines Einreiseverbotes erwäge.

Durch die anwesenden Rechtsberaterin wurde ausgeführt, die Erstbeschwerdeführerin habe in mehrfacher Hinsicht einen maßgeblichen neuen Sachverhalt vorgebracht. Hier sei auf die schwerwiegende Erkrankung des Zweitbeschwerdeführers zu verweisen, welche im Erstverfahren nicht zu Tage getreten sei. Auch habe sich die Familiensituation in Bezug auf den Ehegatten dahingehend verändert, dass eine Scheidung vollzogen worden sei und die Erstbeschwerdeführerin bei einer Rückkehr nach Tschetschenien real Gefahr laufe, von ihren Kindern getrennt zu werden. Eine begründete Asylfolgeantragstellung könne nicht per se zur Erlassung eines Einreiseverbotes führen. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten habe die Erstbeschwerdeführerin während der letzten Jahre bewiesen, ohne Unterstützung aus staatlichen Mitteln in Österreich selbsterhaltungsfähig zu sein. Die Rechtsberaterin ersuchte um Zulassung der Verfahren sowie Aufhebung der Wohnsitzbeschränkung angesichts der Notwendigkeit der medizinischen Behandlung des Sohnes.

Nach Rückübersetzung der Niederschrift gab die Erstbeschwerdeführerin an, der Vater des Sohnes werde sich überhaupt nicht um eine Behandlung des Sohnes kümmern und die Erstbeschwerdeführerin werde keinen Zugang zu ihrem Sohn mehr bekommen. Sie brauche die Erlaubnis, hierbleiben zu dürfen, um in der Lage zu sein, selbst für sich und ihre Kinder zu sorgen.

2.2. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden vom 11.02.2020 wurden die Folgeanträge auf internationalen Schutz der beschwerdeführenden Parteien vom 16.01.2020 sowohl hinsichtlich des Status der Asylberechtigten als auch jenes der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkte I. und II.). In Spruchpunkt III. wurde den beschwerdeführenden Parteien jeweils ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die beschwerdeführenden Parteien eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkte IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Genannten in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkte V.). In Spruchpunkt VI. wurde jeweils festgehalten, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestünde. In Spruchpunkt VII. wurde gegen die beschwerdeführenden Parteien jeweils gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen und in Spruchteil VIII. wurde ausgeführt, dass den beschwerdeführenden Parteien gemäß § 15b Abs. 1 AsylG 2005 aufgetragen worden wäre, ab dem 16.01.2020 in einem näher bezeichneten Quartier Unterkunft zu nehmen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte der Entscheidung aktuelle Feststellungen zur entscheidungsmaßgeblichen Lage im Herkunftsstaat der beschwerdeführenden Parteien zugrunde und führte begründend im Wesentlichen aus, der für die Entscheidung relevante Sachverhalt habe sich seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert. Die Erstbeschwerdeführerin habe sich ausdrücklich auf die bereits im vorangegangenen Verfahren geltend gemachten Gründe berufen, bezüglich derer durch die rechtskräftige Entscheidung über die Aberkennung ihres Asylstatus entschiedene Sache vorliege. Auch bezüglich des Vorbringens zum Gesundheitszustand des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers sei auf den rechtskräftigen Abschluss des vorangegangenen Verfahrens zu verweisen. Es habe daher im Vergleich zu den Erstverfahren kein neuer Sachverhalt festgestellt werden können, sodass das Bundesamt zu einer Zurückweisung der neuerlichen Anträge gemäß § 68 AVG verpflichtet sei.

Gründe für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 lägen nicht vor. Änderungen im Privat- und Familienleben der beschwerdeführenden Parteien hätten sich seit dem rechtskräftigen Abschluss der vorangegangenen Verfahren nicht ergeben, sodass sich eine Rückkehrentscheidung als zulässig erweise.

Die Erlassung von Einreiseverboten wurde damit begründet, dass die beschwerdeführenden Parteien der ihnen im Vorverfahren gewährten Frist zur freiwilligen Ausreise von zwei Wochen nicht nachgekommen wären und sich fremdenpolizeilichen Maßnahmen entzogen hätten. Zudem seien die beschwerdeführenden Parteien nicht selbsterhaltungsfähig. Das Verhalten der Erstbeschwerdeführerin mache ihre mangelnde Bereitschaft, sich Entscheidungen österreichischer Behörden und Gerichte zu fügen, und damit eine negative Zukunftsprognose ersichtlich.

Da gegen die beschwerdeführenden Parteien eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung bereits erlassen worden wäre, sei die Anordnung einer Unterkunftnahme auszusprechen gewesen.

Die angeführten Bescheide wurden dem bevollmächtigten Vertreter der beschwerdeführenden Parteien am 13.02.2020 zugestellt.

2.3. Mit Eingabe vom 26.02.2020 brachte der bevollmächtigte Vertreter mit für alle Familienmitglieder gleichlautendem Schriftsatz die verfahrensgegenständliche Beschwerde jeweils gegen die Spruchpunkte II., IV., V., VI, VII. und VIII. der angeführten Bescheide ein und beantragte zugleich die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wegen einer drohenden Verletzung von Art. 3 und Art. 8 EMRK.

Begründend wurde ausgeführt, die Erstbeschwerdeführerin wäre mit ihren beiden Kindern bei einer Rückkehr völlig auf sich alleine gestellt. Auf die Pflege und Fürsorge ihrer Kinder, insbesondere des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers, konzentriert, bestünde für sie keine Möglichkeit, die materiellen Existenzmittel der Familie durch Arbeit aufzubringen. Staatliche Unterstützung könnte sie nicht erwarten. Der Kindesvater und mit ihr ursprünglich verheiratet gewesene Ex-Gatte habe die Familie ins Unglück gestürzt. Er trage die Verantwortung dafür, dass die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer ihren Asylstatus in Österreich verloren hätten und der Antrag der Drittbeschwerdeführerin abgewiesen worden sei. Im Mai 2019 sei die Ehe als Fernscheidung nach den Regeln des Islam und der Tradition in Tschetschenien wieder geschieden worden. Danach habe der Ex-Gatte der Erstbeschwerdeführerin konkret damit gedroht, dass sie nach Tschetschenien zurückzukehren habe, weil er die Kinder haben wolle. Nach den tschetschenischen Sitten und Gebräuchen entscheide der Vater nach der Scheidung, ob ein Kind in seiner Obsorge oder jener der Mutter bleibe. Insbesondere für den minderjährigen Zweitbeschwerdeführer wäre dies aufgrund dessen geistiger und körperlicher Konstitution und seinen besonderen, geistigen, psychischen und physischen Bedürfnissen eine echte humanitäre Tragödie, die zur exzessiven Gefährdung des Kindeswohls führen würde.

Verwiesen wurde auf das Vorbringen in der schriftlichem Stellungnahme vom 23.01.2020 sowie die Angaben der Erstbeschwerdeführerin im Verfahren vor dem Bundesamt. Ergänzend habe diese dem anwaltlichen Vertreter zwischenzeitlich mitgeteilt, dass die Ehe im Jahr 2005 in XXXX geschlossen, jedoch nicht standesamtlich registriert worden sei. Im Mai 2019 habe sie die Scheidung verlangt, ihr Mann habe eingewilligt. Ihr Ex-Mann habe ihr telefonisch gedroht, sei sehr böse auf sie und habe sie auch früher häufig misshandelt und geschlagen. Bereits damals habe er eine Zweitfrau gehabt, welche er nach wie vor habe. Ihr Mann habe sie, nachdem sie bereits zwei Fehlgeburten erlitten hätte, während einer weiteren Schwangerschaft so stark geschlagen, dass es abermals zu einer Fehlgeburt gekommen wäre. In Tschetschenien entspräche es der Tradition, dass nach der Scheidung der Vater die Kinder bekomme. Ihr Sohn spreche nur in Wörtern, bilde noch keine Sätze, habe eine schlechte Auffassungsgabe und sei zu klein und zu leicht für sein Alter. Es bestehe eine Essstörung und das Kind sei körperlich sehr schwach. Der bevorstehende Krankenhaustermin am 25.02.2020, auf den sie lange hätten warten müssen, sei sehr wichtig, da das Kind nun genau durchuntersucht werden solle. Die Erstbeschwerdeführerin habe grundlegende Deutschkenntnisse, aufgrund der Betreuung ihrer Kinder habe sie bislang nicht arbeiten können. In Tschetschenien hätte sie nirgendwo Obdach. Ihre noch lebende Mutter bewohne gemeinsam mit der Schwester der Erstbeschwerdeführerin ein kleines Häuschen, in welchem die beschwerdeführenden Parteien keinen Platz finden könnten. Die Auffassung der Behörde zum Vorliegen entschiedener Sache erwiese sich rechtlich als verfehlt, da der Umstand, dass die Erstbeschwerdeführerin es im Vorverfahren unterlassen hätte, die gesundheitliche Situation ihres minderjährigen Sohnes vorzubringen, nicht zu dessen Nachteil gereichen dürfe. Die wesentliche Behinderung und Entwicklungsverzögerung des Minderjährigen lasse sich nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt eingrenzen und unterliege einer laufenden Veränderung. Inzwischen sei der Zweitbeschwerdeführer zu einem Vorschulkind herangewachsen, sodass sich auch andere Förderungsbedürfnisse ergeben. Deshalb erweise sich ein „versteinertes Festhalten“ an der Rechtskraft der Vorentscheidung und dem damaligen Sachverhalt als rechtlich verfehlt. Schließlich habe sich die entscheidungsmaßgebliche Situation dadurch entscheidend verändert, dass die traditionell geschlossene Ehe zwischen der Erstbeschwerdeführerin und dem Kindesvater zwischenzeitlich geschieden worden sei und dadurch ein hohes Risiko ausgelöst worden wäre, dass es im Fall der Abschiebung zu schwerwiegenden Veränderungen der Obsorgeverhältnisse bei den beiden minderjährigen Kindern kommen würde, die nicht nur dem Kindeswohl widerstreiten, sondern in Verbindung und im Zusammenwirken mit jenen Gefährdungs- und Vulnerabilitätsaspekten , welche bereits im Zeitpunkt der Vorentscheidung vorhanden gewesen wären, insgesamt bewirken würden, dass die Intensitätsschwelle einer unmenschlichen Behandlung – zumindest beim minderjährigen Zweitbeschwerdeführer – überschritten würde.

Die Behörde wäre zur materiell umfassenden Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung verpflichtet gewesen. Wäre eine derartige, den Gesamtsachverhalt miteinbeziehende, Interessensabwägung in Bezug auf den minderjährigen Zweitbeschwerdeführer durchgeführt worden, so hätte das Bundesamt zur Feststellung gelangen müssen, dass die Interessensabwägung zu Gunsten des Minderjährigen auszugehen habe, welcher im Jahr 2013 in Österreich geboren worden sei und den Asylstatus bis zum Zeitpunkt der Zustellung des Beschlusses des VwGH am 09.01.2020 innegehabt hätte. Es liege sohin ein sechseinhalbjähriger rechtmäßiger Aufenthalt des Minderjährigen im Bundesgebiet vor, wohingegen keine Bindungen zum Heimatland bestehen würden. Die Mutter hätte in der Heimat keine Möglichkeit, die Existenz der Familie zu sichern, zudem sei zu erwarten, dass der Zweitbeschwerdeführer nicht jene besonderen medizinischen, psychologischen, pädagogischen und sonstigen Unterstützungs-, Förderungs- und Behandlungsmaßnahmen sowie Therapien erhalten könnte, welche er dringend benötige. Es drohe daher eine Verschlechterung der beim Minderjährigen vorliegenden, globalen Entwicklungsverzögerung im maßgeblichen Ausmaß. Zudem hätte das Kindeswohl als vorrangige Erwägung in die Prüfung miteinbezogen werden müssen. Das Bundesamt habe die für die diesbezügliche Beurteilung maßgeblichen Feststellungen unterlassen.

2.4. Die Beschwerdevorlagen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langten am 28.02.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

2.5. Mit Erkenntnis vom 11.03.2020 (Zlen W103 2160752-3/2E, W103 2160966-3/2E, W103 2160753-3/2E), wurden die Beschwerden gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 68 Abs. 1 AVG sowie gemäß §§ 10 Abs. 1 Z 3, 15b Abs. 1 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 53 Abs. 2 Z 6, 55 Abs. 1a FPG, jeweils idgF, als unbegründet abgewiesen.

Mit Erkenntnis des VwGH vom 23.09.2020 zur Zl Ra 2020/140175-9 wurde eine oa. Revision hinsichtlich des XXXX soweit es die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie eines Einreiseverbotes, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und die Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise betrifft, mit folgender Begründung stattgegeben.

„Rechtsprechung zur Zurückweisung wegen entschiedener Sache

Bei der Prüfung des Vorliegens der entschiedenen Sache ist von der rechtskräftigen Vorentscheidung auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit derselben nochmals zu überprüfen. Identität der Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber der früheren Entscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Erst nach Erlassung der rechtskräftigen Erstentscheidung hervorkommende Umstände, die eine Unrichtigkeit dieser Entscheidung dartun, stellen keine Änderung des Sachverhalts dar, sondern können lediglich einen Grund zur Wiederaufnahme eines Verfahrens darstellen. Dieser tragende Grundsatz soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern; die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die entschiedene Sache, also durch die Identität der Rechtssache, über die bereits mit einer formell rechtskräftigen Entscheidung abgesprochen wurde, mit der nunmehr vorliegenden (etwa der in einem neuen Antrag intendierten) bestimmt. Auf dem Boden der Rechtsprechung hat auch das Verwaltungsgericht dann, wenn der bei ihm in Beschwerde gezogene verwaltungsbehördliche Bescheid nach den vorstehenden Grundsätzen zu Unrecht eine Sachentscheidung beinhaltete, im Rahmen seiner Prüf- und Entscheidungsbefugnis einen Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Im Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz entspricht es der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten kann, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufweisen, dem Relevanz zukommt.

In jenem Fall, in dem das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den verfahrenseinleitenden Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat, ist insoweit „Sache des Beschwerdeverfahrens“ vor dem Bundesverwaltungsgericht die Frage, ob diese Zurückweisung zu Recht erfolgt ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat diesfalls zu prüfen, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen früheren Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist. Die Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrags auf Grund geänderten Sachverhalts hat - von allgemein bekannten Tatsachen abgesehen - im Beschwerdeverfahren nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen (vgl. zum Ganzen VwGH 3.7.2020, Ra 2020/14/0255, mwN).

Rechtsprechung zu § 8 Abs. 1 AsylG 2005

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK - nur eine solche wird im Zusammenhang mit der Frage des subsidiären Schutzes vom Revisionswerber ins Treffen geführt - eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die

reale Gefahr („real risk“) einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen.

Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass, wenn im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage herrscht, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vorliegen, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen.

Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen.

Weiters hat nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. auch zu diesem gesamten Themenkomp

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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