Entscheidungsdatum
28.06.2021Norm
AsylG 2005 §54Spruch
W103 2223239-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. AUTTRIT als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.07.2019, Zl. XXXX , zu Recht:
A) I. In Erledigung der Beschwerde wird ausgesprochen, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG idgF iVm § 9 Abs. 3 BFA-VG idgF auf Dauer unzulässig ist.
II. Gemäß §§ 54, 55 Abs. 1 und 58 Abs. 2 Asylgesetz 2005 iVm § 81 Abs. 36 NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, jeweils idgF., iVm § 14a Abs. 4 Z 2 NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, idF. BGBl. I Nr. 38/2011, wird XXXX der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
III. Die Spruchpunkte III. und IV. der gegenständlichen Bescheide werden ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Vorverfahren
1.1. Die BF reiste am 16.08.2012 unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag unter dem Namen XXXX (alias XXXX alias XXXX ), geb. XXXX , alias XXXX , einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei der von der BF in diesem Verfahren vorgelegte russische Führerschein als Totalfälschung erkannt wurde.
Der Sohn der BF wurde am XXXX im Bundesgebiet nachgeboren.
1.2. Mit Bescheid des ehemaligen Bundesasylamtes vom 31.01.2013, Zl. XXXX wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten, als auch auf Zuerkennung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen. Ihre Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet wurde jedoch für als auf Dauer unzulässig erklärt. Mit Erkenntnis vom 11.06.2013 zu XXXX wies der ehemalige Asylgerichtshof die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. ab.
Der Sohn der BF verfügt seit 01.02.2013 über den Status eines Asylberechtigten im Bundesgebiet, weil seinem Vater, ebenfalls ein Staatsangehöriger des Russischen Föderation der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde.
1.3. Der BF wurde in der Folge mit Bescheid, XXXX , ein Aufenthaltstitel „Niederlassungsbewilligung“ von 31.07.2013 bis 31.07.2014 erteilt. Danach wurde der BF von 01.08.2014 bis 01.08.2015 der Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ erteilt.
1.4. Von 01.08.2015 bis 19.04.2019 hielt sich die BF mit ihrem Sohn in der Russischen Föderation auf.
2. Gegenständliches Verfahren:
2.1. Am 19.04.2019 reiste die BF mit ihrem Sohn, mit einem Schengenvisum C, gültig von 18.04.2019 bis 17.04.2020, erneut nach Österreich ein. Der Sohn der BF verfügte über ein Schengenvisum C von 18.04.2019 bis 10.05.2019.
2.2. Am 12.06.2019 stellte die BF einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 2 AsylG.
Nach Erteilung eines Verbesserungsauftrags führte die BF aus, dass ihr Sohn an einem Hirntumor leide, weshalb er im XXXX in Chemotherapie sei. Im August müsse eine 6-wöchige Protonbehandlung in Deutschland durchgeführt werden und benötige ihr Sohn ständige Betreuung sowie Pflege, weshalb sie so schnell wie möglich ein Visum benötige.
2.3. Mit persönlich eingebrachter Stellungnahme vom 08.07.2019 gab die BF im Wesentlichen an, sie sei am 19.04.2019 mit ihrem Sohn XXXX von Moskau nach Wien geflogen. Ab dem 01.08.2015 habe sich die BF in Moskau bei ihren Eltern aufgehalten, weil ihre Mutter in eine psychiatrische Klinik eingewiesen worden sei. Aus diesem Grund sei die BF nach Moskau gereist, um ihrer Mutter bei der Genesung zu helfen. Ihre Mutter habe an Depressionen und Stress gelitten, seitdem die BF sie 2012 verlassen habe. Aus Angst, ihre Mutter noch mehr zu belasten, sei sie bei ihr in Moskau geblieben. XXXX , den Vater ihres Sohnes, habe die BF im Internet kennengelernt. Sie hätten sich ein paar Mal in der Türkei und Kroatien getroffen, wobei ihre, als auch seine Eltern, gegen diese Beziehung gewesen seien. Die BF sei schwanger geworden, habe nicht gewusst was sie tun solle und sei aus Angst vor der Reaktion ihrer Eltern zu XXXX nach Österreich gegangen. Die BF habe in Moskau an der XXXX studiert und dieses erfolgreich absolviert. Von 08.11.2013 bis 31.03.2014 sei die BF im Bundesgebiet geringfügig angestellt gewesen. Nach ihrer Einreise im Jahr 2012 habe sie Unterstützung von der Caritas erhalten und habe sie für ihren Sohn bis 2015 Familienbeihilfe erhalten. Derzeit würden sie von der Unterstützung des Vaters ihres Sohnes leben. Für ihren Sohn hätten sie Familienbeihilfe beantragt und XXXX bekomme derzeit Arbeitslosengeld vom AMS. Er habe wegen der Erkrankung ihres Sohnes seine Arbeit aufgegeben, um Zeit mit ihm verbringen zu können, doch müsse er bald wieder arbeiten gehen. Die BF habe keine Familienangehörigen im Bundesgebiet, außer ihren Sohn. Vor ihrer Einreise habe sie in Moskau XXXX gelebt. Sie wohne derzeit mit XXXX und ihrem gemeinsamen Sohn zusammen in einer Gemeindewohnung. Von 10.04.2019 bis 10.05.2019 habe die BF eine Touristenversicherung gehabt und werde sie so schnell wie möglich eine Krankenversicherung abschließen. Von ihrem Heimatland werde sie weder strafrechtlich, noch politisch verfolgt. Da XXXX über keine Geburtsurkunde verfüge, hätten sie keine zivilrechtlich gültige Ehe schließen können. Sie hätten lediglich einen islamischen Ehenachweis. Die BF habe in Deutschland ein Visum beantragt, weil ihr Sohn eine 15-monatige geplante Behandlung vor sich habe. Ihr Sohn benötige ständige Pflege, weshalb die BF ein Visum für Österreich brauche. Ihr Sohn habe die letzten Jahre bei ihr gelebt und sei sehr an sie gebunden. Er habe seinen Vater länger nicht gesehen, daher sei er ihm etwas fremd. Seit seiner Erkrankung habe sich sein Vaterhalt sehr geändert, seine Stimmung ändere sich sehr schnell und manchmal werde er auch aggressiv. In diesen Situationen sei die BF die einzige, die ihn beruhigen könne, weil ihr Sohn auf niemand anderen höre. Vor allem nach seinen Behandlungen gehe es ihm meist sehr schlecht und er weigere sich zu essen. Ihr Sohn müsse einen bestimmten Plan befolgen, dürfe Vieles nicht essen, worum sich die BF ebenfalls kümmere. Nachts gehe ihr Sohn nicht ohne sie schlafen und müsse die BF ihn ins Bett bringen sowie darauf warten, dass er eingeschlafen sei. Mit all dieser psychischen Belastung wolle die BF nicht riskieren ihren Sohn noch psychisch zu belassen. Der Kindsvater müsse überdies bald wieder arbeiten, um sich finanziell wieder zu erholen.
2.4. Mit dem gegenständlichen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.07.2019, wurde der Antrag der BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkt II.). Weiters wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung der BF gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
Nach Wiedergabe des Verfahrensganges sowie allgemeinen Feststellungen zu den Personen der BF, ihrem Privat- und Familienleben, ihrem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Lage in der Russischen Föderation hielt die belangte Behörde fest, dass die BF am 01.08.2015 mit ihrem in Österreich asylberechtigten Sohn nach Moskau zurückgekehrt sei. Die BF habe es bis zu ihrer neuerlichen Einreise nach Österreich am 19.04.2019 unterlassen ihre familienrechtlichen Verhältnisse zu klären, allenfalls eine zivilrechtlich gültige ehe mit dem ebenfalls in Österreich asylberechtigten Kindsvater zu schließen und einen Erstantrag auf einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zwecks Familienzusammenführung bei einer österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland zu stellen. Wovon die BF ihren gegenwärtigen Aufenthalt bestreite sei unklar. Sie habe weder Einkünfte, noch Vermögen nachgewiesen und verfüge über keine Krankenversicherung, sei nicht erwerbstätig, oder habe einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft. Integrative Anknüpfungspunkte seien daher nicht bescheinigt worden. Eine engere familienähnliche Bindung zum Vater des Sohnes der BF dürfte nicht bestehen, zumal sie keine Anstrengungen zur Eheschließung unternommen habe und zuletzt vier Jahre lang kein gemeinsamer Wohnsitz zwischen dem Kindsvater, der BF und dem gemeinsamen Sohn bestanden habe. Ein Privatleben in Österreich bestand bisher im Wesentlichen in der Begleitfunktion in Bezug auf den Sohn der BF, der sich in Österreich einer Heilbehandlung im Krankenhaus unterziehe. Diese Begleit- und Betreuungsfunktionen könne die BF durch deutsche und österreichische Reisetitel (Visa) ausreichend wahrnehmen. Dafür bedürfe es keiner dauerhaften Niederlassung, zumal auch der beschäftigungslose Kindsvater zur Betreuung herangezogen werden könne. Die Bindungen an den Heimatstaat der BF würden daher schon aufgrund ihres erst dreimonatigen Aufenthalts im Bundesgebiet, der verbliebenden Familienangehörigen in der Russischen Föderation, der erfolgten Sozialisierung der BF ebendort und der geringfügigen Bindungen an den Vater ihres Kindes, überwiegen. Überdies habe die BF vier Jahre bei ihren Eltern in Moskau gelebt, ohne den Kindsvater und obwohl ihr Sohn in Österreich asylberechtigt sei. Insgesamt sei daher eine Rückkehrentscheidung zulässig.
2.5. Mit Schriftsatz vom 05.08.2019, eingelangt am selben Tag, wurde die verfahrensgegenständliche Beschwerde fristgerecht gegen den genannten Bescheid, zugestellt durch Hinterlegung am 17.07.2019, erhoben und die erstinstanzlichen Erledigungen in vollem Umfang wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, mangelhafter bzw. unrichtiger Bescheidbegründung sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die BF zwischen 2012 und 2015 legal in Österreich gelebt und einen Aufenthaltstitel gehabt habe. Sie habe sich vom Vater ihres Sohnes getrennt und sei zu ihrer kranken Mutter nach Russland zurückgegangen. Mittlerweile befinde sich die BF wieder in Österreich und lebe mit ihrem Sohn sowie ihrem Lebensgefährten in einem gemeinsamen Haushalt. Sie sei mit ihrem Lebensgefährten nach islamischen Recht verheiratet und würden sie versuchen auch standesamtlich zu heiraten. Der Sohn der BF sei krank und auf medizinische Versorgung angewiesen. Sowohl der Lebensgefährte der BF, als auch ihr Sohn seien in Österreich anerkannte Flüchtlinge und sei ihr Familienleben außerhalb Österreichs nicht möglich. Die BF sei unbescholten, habe sich keine Verstöße gegen die öffentliche Ordnung zuschulden kommen lassen und spreche sehr gut Deutsch. Der Sohn der BF, XXXX , geb. am XXXX in Wien, genieße in Österreich den Status eines Asylberechtigten, ebenso wie der Gatte der BF, ebenfalls ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation. Ihnen beiden kann eine Reise in die Russische Föderation nicht zugemutet werden, zumal der Sohn der BF schwer krank ist. Auch sonst sei kein Staat erkennbar, in dem das Familienleben fortgesetzt werden könnte. Der mit einer Rückkehrentscheidung verbundene Eingriff in das Familienleben zwischen der BF, ihrem Kind sowie dem Ehegatten, wäre sohin besonders intensiv und habe das Familienleben bereits in einer Zeit bestanden, in welcher sich die BF legal in Österreich aufgehalten habe. Maßgeblich sei, dass das Familienleben zwischen der BF und ihrem asylberechtigten Sohn jedenfalls beendet würde, weil kein Staat zur Verfügung stehe, indem sich die beiden gemeinsam aufhalten könnten. Der VfGH habe judiziert, dass in der ersatzlosen Beendigung des Familienlebens eines Elternteils zu einem (asylberechtigten) mj. Kind, das in den Staat der Abschiebung des Elternteils nicht folgen könne, jedenfalls eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstelle und sich eine Rückkehrentscheidung als unzulässig erweise. Das Kind der BF sei zudem krank und auf Behandlung angewiesen. Die Aufenthaltsbeendigung würde überdies dem Wohl des mj. Kindes, das erkrankt sei und in dessen Betreuung die BF eine maßgebliche Rolle spiele, zuwiderlaufen. Insgesamt führe die Interessenabwägung zum Ergebnis, dass eine Rückkehrentscheidung gegen die BF wegen ihres Familien- und Privatlebens in Österreich auf Dauer unzulässig sei.
Beantragt wurde eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen.
2.6. Die Beschwerdevorlagen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langten am 09.09.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
2.7. Am 29.09.2020 langte eine Beschwerdeergänzung hg. ein, in welcher zusammenfassend vorgebracht wurde, dass ihr Sohn mittlerweile operiert worden sei und sich einer Protonentherapie in Deutschland unterzogen habe. In Zukunft müssten engmaschige Kontrolltermine wahrgenommen werden, weshalb ein Ende der Behandlung derzeit nicht in Sicht sei. Das Asylaberkennungsverfahren ihres Ehemannes sei mit Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.06.2020 zu XXXX beendet worden, wobei festgestellt worden sei, dass ihrem Ehemann wegen aufrechter Gefährdung als Angehöriger seines Onkels weiterhin Schutz als anerkanntem Flüchtling zu gewähren sei. Aus diesem Grund sei auch der Asylstatus ihres Sohnes weiterhin aufrecht. Ein gemeinsames Familienleben sei aufgrund der schweren Erkrankung ihres Sohnes nur in Österreich möglich. Da derzeit eine standesamtliche Eheschließung weder nach russischem, noch österreichischem Recht möglich sei, habe die BF auch keine niederlassungsrechtliche Alternative zu ihrem gegenständlichen Antrag. Eine auch nur vorübergehende Trennung von ihrem im Bundesgebiet asylberechtigten Sohn, wäre schrecklich, weil er schwer krank und auf die Fürsorge der BF angewiesen sei.
2.8. Am 09.04.2021 langte eine Urkundenvorlage ein, wobei eine Anmeldebestätigung hinsichtlich der Sprachprüfung auf Sprachniveau B1, ein Arztbrief des XXXX sowie drei Unterstützungsschreiben vorgelegt wurden.
2.9. Am 22.06.2021 langte das Zeugnis zur Integrationsprüfung B1 des OIF vom 17.06.2021 ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die BF ist Staatsangehörige der Russischen Föderation und ihre Identität steht fest. Die BF ist mit XXXX , einem in Österreich asylberechtigten Staatsangehörigen der Russischen Föderation, nach islamischen Recht verheiratet und hat mit ihm einen am XXXX , im Bundesgebiet geborenen Sohn, XXXX Gegen den Lebensgefährten der BF wurde, nach Zuerkennung des Aufenthaltstitels „Daueraufenthaltes EU“ im Jahr 2018, ein Asylaberkennungsverfahren eingeleitet und ihm mit Bescheid vom 06.12.2019 der Status eines Asylberechtigten aberkannt. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.07.2020, XXXX , wurde der dagegen erhobenen Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben. Im Wesentlichen wird darin ausgeführt, dass für den Vater des Sohnes der BF wegen seines Onkels bzw. seines Vaters auf dem Gebiet der Russischen Föderation nach wie vor ein Risiko bestehe einer unmenschlichen Behandlung oder Verfolgung ausgesetzt zu sein.
1.2. Die BF lebte von 16.08.2012 bis 01.08.2015 im Bundesgebiet, wobei sie zunächst unter falscher Identität einen Antrag auf internationalen Schutz stellte, der bezüglich des Status der Asylberechtigten, als auch der subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde. Ihre Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet wurde jedoch für als auf Dauer unzulässig erklärt. Die BF verfügte, von 31.07.2013 bis 31.07.2014 über einen Aufenthaltstitel „Niederlassungsbewilligung“ und von 01.08.2014 bis 01.08.2015 sodann unter ihrer wahren Identität über den Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“.
Am 01.08.2015 reiste die BF mit ihrem Sohn in die Russische Föderation, wo sie bis April 2019 lebten. Am 19.04.2019 reiste die BF mit einem gültigen Schengenvisum C, gemeinsam mit ihrem Sohn erneut in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte sie am 12.06.2019 gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Art. 8 EMRK.
1.3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.07.2019, wurde der Antrag der BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK abgewiesen, gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig ist und die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.
1.4. Der Sohn der BF verfügt seit 01.02.2013 über den Status eines Asylberechtigten im Bundesgebiet. Der Asylstatus wurde ihm im Familienverfahren, abgeleitet von seinem Vater, zuerkannt. Seit 30.12.2020 verfügt der Sohn der BF über den Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“ und wurde ein Aberkennungsverfahren eingeleitet, das jedoch aufgrund der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.07.2020 hinsichtlich seines Vaters ad acta gelegt wurde. Der Sohn der BF leidet an einer Krebserkrankung, wobei bei ihm ein Medulloblastom (Hirntumor) diagnostiziert wurde, der operativ entfernt wurde. Seit Mai 2019 befindet er sich im XXXX in medizinischer Betreuung, wobei er eine intensive chemotherapeutische Behandlung erhielt sowie sich einer Protonentherapie in Deutschland unterzog. Der Sohn der BF hat ein hohes Risiko, dass sein Tumor rezidiviert, weshalb sehr engmaschige medizinische Kontrollen notwendig sind. Die BF übernimmt den Großteil der Betreuung und Pflege ihres Sohnes. Der Sohn der BF ist auf die Pflege und Betreuung seiner Mutter angewiesen.
Die unbescholtene BF verfügt in Österreich über ein schützenswertes Privat- und Familienleben. Die BF lebt in einer gemeinsamen Wohnung mit ihrem Lebensgefährten und dem gemeinsamen Sohn.
Die BF ist gesund und leidet an keinen lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Krankheiten.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt der belangten Behörde und die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Feststellungen zur aktuellen, im Hinblick auf das gegenständliche Verfahren relevanten Situation in der Russischen Föderation. Diese Feststellungen beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen und bilden dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche, sodass vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles und auch unter Bedachtnahme auf das Beschwerdevorbringen kein Anlass besteht, an der Richtigkeit der von der belangten Behörde getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln.
2.2. Die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit der BF erfolgte auf Grundlage der Kopie des russischen Reisepasses der BF in Zusammenschau mit ihren diesbezüglich glaubhaften Angaben.
2.3. Die Feststellungen zum Aufenthaltstitel und dem Gesundheitszustand des Sohnes und des Lebensgefährten der BF beruhen auf eingeholten IZR-Auszügen, ZMR-Auszügen, der Einsicht in das Erkenntnis des BVwG vom 10.07.2020 zu XXXX , sowie sämtlichen, vorgelegten, medizinischen Unterlagen. Die Feststellungen zum Aufenthalt der BF in Österreich, beruhen auf den vorgelegten und im Akt einliegenden Unterlagen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 7 Abs. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht u.a. über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Z. 1) sowie über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG (Z. 3).
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 3 BFA-Einrichtungsgesetz – BFA-G, BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, obliegt dem Bundesamt die Vollziehung des BFA-VG (Z. 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z. 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr.100 (Z. 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes – Bund 2005, BGBl. I Nr.100 (Z. 4).
Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z. 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs.1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z. 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z. 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: „Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. §66 Abs.4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein.“
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
3.2. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels und Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig:
3.2.1. Gemäß § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.
Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn die Rückkehrentscheidung aufgrund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wird, weil dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK geboten ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung kommt ein Abspruch über einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 überhaupt in Betracht (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).
Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs. 3 AsylG). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der §§ 55 und 57 AsylG von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des Beschwerdeführers, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes (vgl VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).
3.2.2. Indizien dafür, dass die Beschwerdeführerin einen Sachverhalt verwirklichen, bei dem ihnen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt der Beschwerdeführerin seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist die Beschwerdeführerin Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG war daher nicht zu erteilen.
Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG wurde von der BF nicht behauptet und auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich keinerlei Hinweise, die nahe legen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt.
3.2.3. Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG nicht gegeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
3.2.4. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 die Entscheidung, mit welcher der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen wird, mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
Die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung steht unter dem Vorbehalt des § 9 Abs. 1 BFA-VG, wonach dann, wenn (insbesondere) durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, deren Erlassung (nur) zulässig ist, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Dazu judiziert der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist (siehe zum Ganzen etwa VwGH 25.1.2018, Ra 2017/21/0218, Rn. 20, mwN).
Bei der Interessenabwägung sind insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen (vgl. grundlegend etwa VfGH 29.9.2007, B328/07, VfSlg 18223; sowie aus der jüngeren Rechtsprechung VwGH 7.9.2016, Ra 2016/19/0168; VwGH 5.9.2016, Ra 2016/19/0074, VwGH 18.3.2016, Ra 2015/01/0255; VwGH 15.3.2016, Ra 2016/19/0031; ebenso Ra 2016/19/0032, Ra 2016/19/0034, Ra 2016/19/0033 unter Hinweis auf Stammrechtssatz VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0265 sowie VwGH 28.4.2014, Ra 2014/18/0146-0149 und 22.7.2011, 2009/22/0183; siehe auch Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention2, 194; Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 9 BFA-VG, K15 bis K30.; Ecker/Ziegelbecker, Die Rückkehrentscheidung in Filzwieser/Taucher [Hrsg.], Jahrbuch Asyl- und Fremdenrecht 2017, 151 bis 215).
Im Rahmen der so gebotenen Interessenabwägung kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter dem Gesichtspunkt der Bindungen zum Heimatstaat (§ 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG) auch der Frage Bedeutung zukommen, ob sich der Fremde bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat eine Existenzgrundlage schaffen kann (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101; siehe darauf bezugnehmend etwa auch VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119, 21.12.2017, Ra 2017/21/0135). Ferner judiziert der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass eine in Österreich vorgenommene medizinische Behandlung im Einzelfall zu einer maßgeblichen Verstärkung der persönlichen Interessen eines Fremden an einem Verbleib im Bundesgebiet führen kann. Dabei kommt es maßgeblich darauf an, ob diese medizinische Behandlung auch außerhalb Österreichs erfolgen bzw. fortgesetzt werden kann (vgl. dazu etwa VwGH 23.3.2017, Ra 2017/21/0004, Rn. 12, mwN; 22.8.2019, Ra 2019/21/0026-8).
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. etwa VwGH 25.4.2018, Ra 2018/18/0187; 6.9.2017, Ra 2017/20/0209; 30.8.2017, Ra 2017/18/0070 bis 0072; 20.6.2017, Ra 2017/22/0037, jeweils mwN). Es kann jedoch auch nicht gesagt werden, dass eine in drei Jahren erlangte Integration keine außergewöhnliche, die Erteilung eines Aufenthaltstitels rechtfertigende Konstellation begründen "kann" und somit schon allein auf Grund eines Aufenthaltes von weniger als drei Jahren von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen gegenüber den privaten Interessen auszugehen wäre (vgl. etwa VwGH 28.1.2016, Ra 2015/21/0191, mwN; 10.4.2019; Ra 2019/18/0049).
Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem mehrfach darauf hingewiesen, dass es im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 28.2.2019, Ro 2019/01/0003, mwN).
Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, sind Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0041 mit Hinweis auf E 30.8.2011, 2008/21/0605; 14.4.2016, Ra 2016/21/0029 bis 0032; 30.6.2016, Ra 2016/21/0165; 4.8.2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253-12; 19.12.2019, Ra 2019/21/0185; 15.1.2020, Ra 2017/22/0047).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind bei einer Rückkehrentscheidung, von welcher Kinder bzw. Minderjährige betroffen sind, die besten Interessen und das Wohlergehen dieser Kinder, insbesondere das Maß an Schwierigkeiten, denen sie im Heimatstaat begegnen, sowie die sozialen, kulturellen und familiären Bindungen sowohl zum Aufenthaltsstaat als auch zum Heimatstaat zu berücksichtigen. Maßgebliche Bedeutung kommt hinsichtlich der Beurteilung des Kriteriums der Bindungen zum Heimatstaat nach § 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG dabei den Fragen zu, wo die Kinder geboren wurden, in welchem Land und in welchem kulturellen und sprachlichen Umfeld sie gelebt haben, wo sie ihre Schulbildung absolviert haben, ob sie die Sprache des Heimatstaats sprechen, und insbesondere, ob sie sich in einem anpassungsfähigen Alter befinden (vgl. VwGH 30.8.2017, Ra 2017/18/0070 bis 0072, mwN; 21.3.2018, Ra 2017/18/0333).
Der Verwaltungsgerichtshof hat mehrfach darauf hingewiesen, dass es im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 28.2.2019, Ro 2019/01/0003, mwN). Wenngleich minderjährigen Kindern dieser Vorwurf nicht zu machen ist, muss das Bewusstsein der Eltern über die Unsicherheit ihres Aufenthalts nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch auf die Kinder durchschlagen, wobei diesem Umstand allerdings bei ihnen im Rahmen der Gesamtabwägung im Vergleich zu anderen Kriterien weniger Gewicht zukommt (vgl. VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0205 bis 0210, mwN; 21.5.2019, Ra 2019/19/0136).
3.2.5. Die BF führt mit ihrem in Österreich asylberechtigten Sohn und mit ihrem in Österreich asylberechtigten Lebensgefährten, mit denen sie im gemeinsamen Haushalt lebt, ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK.
Eine Rückkehrentscheidung kann daher einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Familienlebens der BF begründen. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) zwar grundsätzlich ein hoher Stellenwert zu (vgl. etwa VfGH 1. 7. 2009, U992/08 bzw. VwGH 17. 12. 2007, 2006/01/0216; 26. 6. 2007, 2007/01/0479; 16. 1. 2007, 2006/18/0453; 8. 11. 2006, 2006/18/0336 bzw. 2006/18/0316; 22. 6. 2006, 2006/21/0109; 20. 9. 2006, 2005/01/0699), doch überwiegen im gegenständlichen Fall in einer Gesamtabwägung aller Umstände dennoch die familiären Interessen der BF an einem Verbleib in Österreich gegenüber dem öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung:
Die BF ist unbescholten und lebt seit April 2019 (wieder) mit ihrem Sohn im Bundesgebiet. Die BF hielt sich mit ihrem Sohn bereits von August 2012 bzw. ihr Sohn seit seiner Geburt im Dezember 2012 bis 01.08.2015 legal in Österreich auf, wobei die BF über entsprechende Aufenthaltstitel nach dem NAG verfügte. Sie lebt derzeit mit ihrem in Österreich asylberechtigten Sohn und ihrem asylberechtigten Lebensgefährten seit ihrer Wiedereinreise vor 2 Jahren in einem gemeinsamen Haushalt. Die BF entwickelte bereits während ihres legalen Aufenthalts zwischen 2012 und 2015 ein schützenswertes Familienleben mit ihrem Sohn und Lebensgefährten in Österreich. Nicht verkannt wird, dass das Familienleben der BF zum Vater ihres Sohnes während ihres Aufenthalt in der Russischen Föderation von 01.08.2015 bis 19.04.2019 nicht sehr ausgeprägt war, zumal dieser sich weiterhin in Österreich aufgehalten und von der BF getrennt gelebt hat. Maßgeblich ist gegenständlich jedoch der Asylstatus des mj., 8 Jahre alten Sohnes der BF und sein Gesundheitszustand.
Nach Ansicht der VwGH könnte gerade wenn ein Kind auf die Pflege und Obsorge durch einen Elternteil angewiesen ist, eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen diesen Elternteil eine Verletzung nach Art. 8 MRK darstellen, wenn dem Kind eine Ausreise mit diesem nicht zumutbar wäre (vgl. VwGH vom 18.10.2012, 2011/23/0300, mwN).
Insbesondere ist das Familienleben der BF mit ihrem Sohn zu berücksichtigen, zumal bei der Beurteilung der Auswirkungen einer Aufenthaltsbeendigung auch auf die wechselseitigen Beziehungen eines Elternteils und seines Kindes, sowie auf die im Entscheidungszeitpunkt konkret absehbaren zukünftigen Entwicklungen Bedacht zu nehmen ist (vgl. VwGH vom 24.09.2019, Ra 2019/20/0420). Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind die konkreten Auswirkungen einer Aufenthaltsbeendigung für ein Elternteil auf das Wohl eines Kindes zu ermitteln und bei der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 19.362/2011; VfGH 25.2.2013, U 2241/2012; 19.6.2015, E 426/2015; 9.6.2016, E 2617/2015; 12.10.2016, E 1349/2016; 14.3.2018, E 3964/2017; 11.6.2018, E 343/2018, E 345/2018; 11.6.2018, E 435/2018).
Der Sohn der BF ist auf engmaschige medizinische Betreuung im Bundesgebiet und insbesondere auf die Betreuung sowie Pflege durch seine Mutter, die BF, angewiesen. Die BF hat ihren Sohn bis dato zum Großteil während seiner Erkrankung sowie nun bei seiner medizinischen Nachsorge betreut, wie aus dem aktuellen Arztbrief vom 08.04.2021 hervorgeht. Zweifellos hat der 8-jährige, schwerkranke Sohn der BF ein großes Interesse daran weiterhin durch seine Mutter als Bezugsperson betreut zu werden.
Der Sohn der BF ist in Österreich asylberechtigt, weshalb die gemeinsame Ausreise und Rückkehr mit seiner Mutter in die Russische Föderation nicht möglich und nicht zumutbar ist. Überdies verlangt die Krebserkrankung des Sohnes der BF eine engmaschige medizinische Betreuung. Vor dem Hintergrund dieser Judikatur, erweist sich eine Ausreise des Sohnes der BF und eine Rückkehr seinerseits in die Russische Föderation als unmöglich. Eine Trennung des Sohnes der BF von seiner Mutter ist im Übrigen aufgrund seines so jungen Alters und vor allem auch seines Gesundheitszustandes, wobei er auf die Betreuung, Fürsorge und Pflege seiner Mutter als wesentliche Bezugsperson angewiesen ist, ebenfalls unzumutbar.
Die BF hat bereits im März 2014 eine Integrationsprüfung A2 beim ÖSD positiv abgelegt.
Die BF hat weiters ein Zeugnis zur Integrationsprüfung B1 des OIF vom 17.06.2021 vorgelegt.
Vor diesem Hintergrund treten die für eine Aufenthaltsbeendigung sprechenden Umstände, die überwiegende Aufenthaltsdauer der BF im Herkunftsstaat, sowie die Asylantragstellung im Jahr 2012 unter falscher Identität, ihre aktuell fehlende Selbsterhaltungsfähigkeit und die im Bundesgebiet erst (wieder) seit April 2019 vorliegende Aufenthaltsdauer, zurück. Insbesondere ist auszuführen, dass der BF bereits im Jahr 2014 neuerlich ein Aufenthaltstitel erteilt wurde, obwohl bekannt war, dass sie ihren Asylantrag unter falscher Identität gestellt hat, weshalb diesem Aspekt, auch wegen des Verstreichens von mittlerweile einigen Jahren, keine allzu große Bedeutung mehr zukommt.
Nicht übersehen wird die sehr kurze Aufenthaltsdauer der BF von 2 Jahren, für die grundsätzlich eine außergewöhnliche Integration gefordert wird. Gegenständlich wird jedoch gerade nicht auf die Integration der BF abgestellt, sondern, wie höchstgerichtlich gefordert, besonderes Augenmerk auf das Kindeswohl des erst 8-jährigen, kranken und im Bundesgebiet asylberechtigten Sohnes der BF gelegt und ist vor diesem Hintergrund eine Trennung der BF von ihrem Sohn im Sinne des Kindeswohles unzumutbar.
Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes besteht daher in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der oben dargestellten Umstände, insbesondere, des Gesundheitszustandes des unmündigen mj. und im Bundesgebiet asylberechtigten Sohnes der BF, der auf die Betreuung und Fürsorge durch seine Mutter angewiesen ist, ein überwiegendes Interesse im Sinne des Kindeswohls am Verbleib der BF in Österreich. Vielmehr würden die Auswirkungen einer Rückkehrentscheidung auf die Lebenssituation der BF und vor allem der Lebenssituation ihres Sohnes, vor diesem Hintergrund und des sich daraus entwickelten, schützenswerten Familienlebens in Österreich schwerer wiegen, als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt darauf verwiesen, dass ein Kind grundsätzlich Anspruch auf „verlässliche Kontakte“ zu beiden Elternteilen hat. Wird es durch die Rückkehrentscheidung gegen den Vater/die Mutter gezwungen, ohne diesen aufzuwachsen, so bedarf diese Konsequenz einer besonderen Rechtfertigung. Eine derartige Rechtfertigung kann etwa dann bejaht werden, wenn dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ein sehr großes Gewicht beizumessen ist, wie insbesondere bei - relevanter - Straffälligkeit des Fremden (vgl. VwGH vom 16.7.2020, Ra 2020/18/0226, Rn. 8/9 und zuletzt VwGH vom 05.03.2021, Ra 2020/18/0060).
Insbesondere muss der Anspruch eines schwerkranken Kindes auf verlässlichen Kontakt zu seiner Bezugsperson, zumal dieses noch mehr Betreuung und Pflege bedarf, noch schwerer wiegen, als der eines gesunden Kindes. Ein so großes Gewicht an der Aufenthaltsbeendigung der BF kann, trotz deren Asylantragstellung im Jahr 2012 unter falscher Identität und ihrer so kurzen Aufenthaltsdauer, nicht erkannt werden, zumal diese im Bundesgebiet unbescholten ist und sich in den Jahren 2013-2015 legal in Österreich aufgehalten hat.
3.2.6. Wie dargelegt, ist das Interesse der BF, vor allem auch ihres Sohnes, an der Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens als schützenswert anzusehen und überwiegt im konkreten Einzelfall die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen. Daher liegen die Voraussetzungen für eine Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 fallgegenständlich vor. Es beruhen die drohenden Verletzungen des Privat- und Familienlebens auf Umständen, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.
3.2.7. Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn 1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und 2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird. Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.
Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist gemäß § 9 Abs. 4 Integrationsgesetz (IntG), idgF, erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige
1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,
2. einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt,
3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,
4. einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt oder
5. als Inhaber eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung – Künstler“ gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.
Gemäß der Übergangsbestimmung des Art. 81 Abs. 36 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) gilt das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG - in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl I 68/2017, d.h. vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl I 68/2017, erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren. Mit dem BGBl I 68/2017 (Titel: Bundesgesetz, mit dem ein Integrationsgesetz und ein Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz erlassen, sowie das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert werden) wurde das Integrationsgesetz erstmalig erlassen, welches für die §§ 1 bis 6 und 17 bis 28 leg. cit. mit 9.6.2017 und für die §§ 7 bis 16 leg. cit. am 01.10.2017 in Kraft trat.
3.2.8. Die BF verfügt über ein Deutsch-Zertifikat A2 des ÖSD, ausgestellt am 26.03.2014- und damit vor dem 01.10.2017-, weshalb sie die Voraussetzung für das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a Abs. 4 Z 2 NAG in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017, vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 9 IntG BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt hat. Gemäß der zitierten Übergangsbestimmung ist die mangelnde Absolvierung eines Wertekurses gemäß § 11 Abs. 2 IntG als Nachweis, dass die BF mit den Werten der Republik Österreich in Kenntnis und verbunden ist, nicht maßgeblich für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005, soweit er die Voraussetzungen des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG idF vor dem BGBl. I Nr. 68/2017, vor dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens erfüllt hat. Die BF erfüllt somit gemäß § 81 Abs. 36 NAG, idgF, iVm § 14a Abs. 4 Z 2 NAG, idF BGBl. I Nr. 38/2011 die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005.
Es war der BF somit gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen.
3.2.9. Angesichts des Verfahrensergebnisses waren sohin auch die Spruchpunkte III. und IV. des bekämpften Beschiedes spruchgemäß zu beheben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.3. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Grundlegend sprach der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und -0018, aus, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 23.1.2019, Ra 2018/19/0391, mwN).
Bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die (allenfalls erforderliche) Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK (sonst) relevanten Umstände. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann allerdings eine Verhandlung unterbleiben (vgl. etwa VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0316; 26.1.2017, Ra 2016/21/0233; 29.8.2019, Ra 2017/19/0532, jeweils mwN).
Da unter Berücksichtigung der in Vorlage gebrachten Unterlagen bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass sich der Ausspruch einer Rückkehrentscheidung in Bezug auf die BF als unzulässig erweist, konnte die zusätzliche Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Beschwerdeverhandlung unterbleiben.
Im gegenständlichen Verfahren konnte somit die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht unterbleiben, da die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, entgegenstehen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Schlagworte
Aufenthaltsberechtigung plus Deutschkenntnisse Integration Kindeswohl Obsorge Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig Spruchpunktbehebung Voraussetzungen VwGH Wegfall der GründeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W103.2223239.1.00Im RIS seit
01.02.2022Zuletzt aktualisiert am
01.02.2022