Entscheidungsdatum
15.07.2021Norm
BFA-VG §22a Abs4Spruch
G308 2243316-2/19E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft von XXXX , geb. XXXX , StA. PAKISTAN, gegen den Bescheid des BFA RD Tirol, Außenstelle Innsbruck (BFA-T-ASt-Innsbruck) vom 19.02.2021, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Es wird gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der BF reiste zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt unrechtmäßig in Österreich ein und stellte am 12.10.2011 im Stande der Schubhaft einen ersten Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG, wobei er angab, den Namen XXXX (im folgenden betroffene Partei oder BF) zu führen, aus Pakistan zu stammen und am XXXX in XXXX geboren zu sein.
Mit Bescheid des BAA EAST West vom 03.11.2011, Zl: XXXX wurde der Antrag auf internationalem Schutz bezüglich Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG abgewiesen, gem § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG der Antrag auf internationalem Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan abgewiesen und gem § 10 Abs 1 Z 2 AsylG wurden er aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Pakistan ausgewiesen.
Innerhalb offener Frist brachte der BF eine Beschwerde gegen den negativen Bescheid ein.
Mit Erkenntnis des Asylgerichshofes vom 12.04.2012, Zl: E10 422504- 1/2011/8E, wurde die Beschwerde gem §§ 3 und 8 Abs 1 Z 1, 10 Abs 1 Z 2 AsylG als unbegründet abgewiesen, und erwuchs mit 19.04.2012 in Rechtskraft.
2. Mit Schreiben vom „The Ministry of Foreign Affairs of the Islamic Republic of Pakistan, ZL. XXXX ” vom 30.08.2013 wurde er als XXXX identifiziert.
In der Folge wurde die Effektuierung der Außerlandesbringung eingeleitet, wobei am 27.07.2015 ein HRZ der pakistanischen Botschaft in Wien einlangte. Aufgrund dessen hätte er am 23.09.2015 nach Pakistan abgeschoben werden sollen.
3. Am 31.07.2015 stellte er jedoch einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG beim BFA, wobei er wiederum angab, den Namen XXXX zu führen, aus Pakistan zu stammen und am XXXX in XXXX geboren zu sein.
Mit Bescheid des BFA vom 11.02.2016 wurde der Asylantrag abgewiesen, eine Rückkehrentscheidung gem. §52 FPG erlassen und die Abschiebung nach Pakistan für zulässig erklärt.
Er erhob fristgerecht Beschwerde gegen die Entscheidung. Diese hatte aufschiebende Wirkung. Am 18.02.2019 wurde die Beschwerde vom BVwG abgewiesen und die Entscheidung des BFA vollinhaltlich bestätigt.
4. Die Frist für die freiwillige Ausreise endete am 05.03.2019.
Seit 25.02.2019 war der BF unbekannten Aufenthalts und wurde beim GVS-Quartier abgemeldet, wobei vermerkt wurde, dass spätestens seit 17.09.2019 keine aufrechte Meldeadresse bekannt war.
5.Am 18.03.2019 wurde neuerlich ein HRZ-Verfahren eingeleitet.
6. Am 26.09.2019 wurde ein Festnahmeauftrag gem § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG erlassen, da der aktuelle Aufenthalt nicht festgestellt werden konnte.
7. Am 18.02.2021 erschien er auf der PI XXXX und gab an, in Österreich bleiben zu wollen. Er konnte keine Dokumente vorlegen, die seine Identität bestätigen konnten.
Bei einer Identitätsfeststellung wurde erkannt, dass gegen ihn ein aufrechter Festnahmeauftrag besteht und er zur Ausreise aus dem Schengenraum verpflichtet ist und in weiterer Folge der Vollzug der Festnahme angeordnet.
8. Am 18.02.2021 wurden er von einem Beamten des öffentlichen Sicherheitsdienstes vernommen und gab im Wesentlichen folgendes an: In den letzten beiden Jahren sei er in Pakistan gewesen. Er sei erst am heutigen Tag nach Österreich gekommen. Die letzten Tage hätte er in einem Auto, mit dem er nach Österreich gekommen ist, geschlafen. Den Lebensunterhalt hätte er sich durch Feldarbeit in Griechenland von Februar 2020 bis August 2020 verdient. Des Weiteren wäre er gesund, hätte keine Dokumente und hätte sein Reisedokument letztes Jahr weggeworfen. Einen Aufenthaltstitel in einem Schengenstaat hätte er nicht. Ebensowenig hätte er in Österreich Verwandte oder enge Bekannte.
Ihm wird ein Rechtsberater für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zur Person:
Der BF ist ein volljähriger Staatsangehöriger Pakistans. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.
Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
Der BF wird seit XXXX .2021, XXXX Uhr in Schubhaft angehalten, die derzeoit im AHZ XXXX vollzogen wird.
Der BF ist haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließende gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Erkrankungen vor. Der BF hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.
Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf:
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 11.02.2016 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie festgestellt, dass seine Abschiebung nach Pakistan zulässig sei. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.02.2019 als unbegründet abgewiesen. Es liegt eine den BF betreffende rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.
Der BF verfügt seit 17.09.2019 über keine Meldeadresse im Bundesgebiet. Er hielt sich seither im Verborgenen auf und war für die Behörde nicht mehr greifbar, wodurch er seine Abschiebung zumindest erschwert hat.
Der BF hat nie seine Ausreise nachgewiesen.
Der BF ist im Hinblick auf sein bisheriges Verhalten nicht vertrauenswürdig. Er hat seine Ausreiseverpflichtung missachtet und seine Abschiebung durch Untertauchen und Aufenthalt im Verborgenen verhindert. Er hat sohin gegen verwaltungsrechtliche Normen verstoßen bzw. Handlungen gesetzt, um sich weiter illegal in Österreich aufzuhalten. Der BF ist nicht bereit, mit den Behörden zu kooperieren.
Auch stellte der BF im Sinne des §76 Abs. 3 Z5 FPG im Stande der Schubhaft seinen dritten Antrag auf internationalen Schutz, obwohl zu diesem Zeitpunkt eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand. Dieser Antrag wurde gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache rechtskräftig zurückgewiesen.
Der BF verfügt in Österreich über keine familiären Kontakte. Er ging in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach und verfügt zum aktuellen Zeitpunkt über kein Vermögen bzw. Barmittel (165€). Der BF ist mittellos und verfügt über keine gesicherte Unterkunft.
Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft:
Das Bundesamt ist seiner Verpflichtung, auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken, nachgekommen und hat rechtzeitig und zielführend ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF eingeleitet. Es ist nunmehr beabsichtigt, den BF am 03.08./04.08.2021 nach Pakistan zu überstellen. Da bereits die Zustimmung der Botschaft für die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF vorliegt, der BF zum nächsten Abschiebetermin angemeldet wurde und die Zustimmung zur Erteilung der Landegenehmigung für diesen Flug vorliegt, erscheint seine Abschiebung innerhalb der Schubhafthöchstdauer nach wie vor möglich und ist höchst wahrscheinlich.
Eine Änderung der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft zu Gunsten des BF hat sich seit der letzten Überprüfung ihrer Verhältnismäßigkeit im Verfahren nicht ergeben.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes das bisherige Schubhaftverfahren des BF betreffend, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.
Die Feststellungen zur Festnahme des BF, zum völligen Fehlen von sozialen und wirtschaftlichen Anknüpfungspunkten, dem rechtskräftig erledigten Asylverfahren, dem Betreiben zur Erlangung eines Heimreisezertifikats, den fehlenden Integrationsschritten, der laufenden Anhaltung in Schubhaft, gründen auf dem Inhalt des gegenständlichen Verwaltungsaktes. Die Feststellung zu seiner Staatsangehörigkeit lassen sich ebenfalls den vorgelegten Verwaltungsakten entnehmen.
Aus der dem Gericht vorliegenden Stellungnahme des BFA ergibt sich, dass der BF in Österreich keinen Wohnsitz hat, über kein Einkommen und keine sozialen wie wirtschaftlichen Anknüpfungspunkte verfügt und rückkehrunwillig ist. Der BF suchte sich dem Zugriff durch die Fremdenbehörden durch eine illegale Ausreise nach Griechenland zu entziehen.
Vor diesem Hintergrund waren die entsprechenden Feststellungen zu treffen. Zudem sind im sind keine Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass eine geplante Außerlandesbringung des BF bei Ausstellung eines HRZ nicht möglich wäre.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.1. Zu Spruchpunkt AI):
Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet wörtlich wie folgt:
„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß
§§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und
§ 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“
Die Grundlage zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit einer Fortsetzung der Schubhaft über die Viermonatsfrist im BFA-VG iVm. § 80 FPG lautet:
„§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.
(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“
3.1.1. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf Art 1 Abs. 3 PersFrSchG 1988 hinzuweisen, aus dem sich das für alle Freiheitsentziehungen geltende Gebot der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit ergibt, deren Prüfung im Einzelfall eine entsprechende Interessenabwägung verlangt. Für die Schubhaft ergibt sich das im Übrigen auch noch aus der Wendung „... wenn dies notwendig ist, um ...“ in Art 2 Abs. 1 Z 7 PersFrSchG 1988. Dementsprechend hat der VfGH - nachdem er bereits in seinem Erkenntnis vom 24.06.2006, B 362/06, die Verpflichtung der Behörden betont hatte, von der Anwendung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist - in seinem Erkenntnis vom 15.06.2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden in allen Fällen des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Der VwGH hat dazu beginnend mit der Erkenntnis vom 30.08.2007, 2007/21/0043, mehrfach festgehalten, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein dürfe (VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt. Die begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ist dabei ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (vgl. dazu etwa VwGH vom 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389 und vom 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039). Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Anderenfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) „nutzlos“. Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FPG ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Den erwähnten Verlängerungstatbeständen liegt freilich zu Grunde, dass die in Frage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann (vgl. VwGH vom 11.06.2013, Zl. 2013/21/0024 zum Erfordernis einer Prognosebeurteilung, ob die baldige Ausstellung eines Heimreisezertifikates trotz wiederholter Urgenzen durch das Bundesministerium für Inneres angesichts der Untätigkeit der Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates zu erwarten ist; vgl. VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582, zur rechtswidrigen Aufrechterhaltung der Schubhaft trotz eines ärztlichen Gutachtens, wonach ein neuerlicher Versuch einer Abschiebung des Fremden in den nächsten Monaten aus medizinischen Gründen nicht vorstellbar sei).
3.1.2. Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, vorzulegen.
Es besteht nun die Verpflichtung, gegenständlich durch die Aktenvorlage die Voraussetzungen für die Fortführung der Schubhaft zu prüfen. Dabei hat die Behörde darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft weiter notwendig und verhältnismäßig wäre. Dem Bundesverwaltungsgericht kommt es zu, hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat das Bundesverwaltungsgericht in deren Rahmen eine Zukunftsprognose vorzunehmen, ob eine weitere Anhaltung als verhältnismäßig angesehen werden kann. Berücksichtigt man die Interessen des BF in Bezug auf sein Recht der persönlichen Freiheit, ergibt sich, dass er im Inland keinerlei integrative Bezugspunkte vorzuweisen vermag und auch sonstige soziale Beziehungen zur Gänze fehlen.
Auch hat das Ermittlungsverfahren ergeben, dass er in finanzieller Hinsicht nicht selbsterhaltungsfähig ist.
Betrachtet man seinen Unwillen zur Mitwirkung an der Feststellung seiner Identität, seinen fehlenden Ausreisewillen und das rechtskräftig abgeschlossene negative Asyl(folge)verfahren und berücksichtigt man sein Bestreben, sich dem Zugriff durch die Fremdenbehörden durch seine illegale Ausreise zu entziehen, sind bei ihm konkrete Anhaltspunkte, die eine sehr hohe Fluchtgefahr durch Untertauchen nahelegen, jedenfalls gegeben.
In Hinblick auf die Bemühungen der belangten Behörde zur Erlangung eines HRZ ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zum Zeitpunkt der Entscheidungserlassung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass eine Außerlandesbringung des BF nach heutigem Wissensstand auch in der Covid-Krise durchaus möglich und realistisch ist.
Mit dem Herkunftsstaat des BF, Pakistan, funktioniert die Zusammenarbeit, sodass an der Erlangung eines Heimreisezertifikates keine Zweifel bestehen und auch dass eine Abschiebung jedenfalls innnerhalb der gesetzlichen Frist möglich sein wird. Seitens der Behörde wird durch Urgenzen bei der Botschaft von Pakistan auch darauf hingewirkt .
Der Zweck der Schubhaft kann auch nicht durch Anwendung eines gelinderen Mittels erreicht werden, zumal der BF keine ausreichenden eigenen Unterhaltsmittel hat, über keinen gesicherten Wohnsitz verfügt und sich bislang nicht vertrauenswürdig erwiesen hat.
Die Schubhaftdauer überschreitet die im § 80 Abs. 2 Z2 FPG grundsätzlich angeordnete Dauer von sechs Monaten nicht.
Die Anhaltung ist weiterhin verhältnismäßig, da der BF haftfähig ist und das Verfahren vom BFA effizient geführt wurde. Auch sind Abschiebungen nach Pakistan grundsätzlich möglich und wurde der BF bereits am 30.08.2013 als pakistanischer Staatangehöriger identifiziert. Zudem werden HRZ seitens der pakistanischen Botschaft ausgestellt und liegt eine diesbezügliche Zusage vor. Es ist daher davon auszugehen, dass eine Abschiebung innerhalb der höchstmöglichen Schubhaftdauer möglich sein wird, da bereits eine begleitete
Das erkennende Gericht gelangt daher zum Schluss, dass eine weitere Fortsetzung der Schubhaft weiterhin verhältnismäßig und notwendig ist.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
4. Entfall der mündlichen Verhandlung:
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014,
Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) hinsichtlich Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (VfGH 14.03.2012, VfSlg. 19.632/2012) festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Verwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.
Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Für eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. So ist die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht hinreichend nachgekommen. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Fluchtgefahr Interessenabwägung öffentliche Interessen Schubhaft Schubhaftbeschwerde Sicherungsbedarf Verhältnismäßigkeit VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:G308.2243316.2.00Im RIS seit
01.02.2022Zuletzt aktualisiert am
01.02.2022