TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/16 W212 2246630-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.11.2021
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Entscheidungsdatum

16.11.2021

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch


W212 2246630-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva SINGER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , StA Afghanistan, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.09.2021, ZI. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 30.06.2021 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Laut EURODAC-Abfrage erfolgte zuvor am 10.06.2021 eine erkennungsdienstliche Behandlung (Kategorie 2) in Kroatien.

2. Im Zuge der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 30.06.2021 gab der Beschwerdeführer an, er leide an keinen Krankheiten oder Beschwerden die ihn an der Einvernahme hindern würden. Er habe vor dreieinhalb Jahren den Entschluss gefasst sein Herkunftsland zu verlassen und sei zunächst über den Iran in die Türkei gelangt, wo er sich zweieinhalb Jahre aufgehalten habe. Danach sei er zwei Wochen in Griechenland gewesen, bevor er über Nordmazedonien nach Serbien reiste, wo er ein Jahr gewesen sei. Anschließend habe er sich zwei Stunden in Kroatien aufgehalten, bevor er weitere 20 Tage in Serbien gewesen sei. Schließlich sei er über Ungarn nach Österreich eingereist. Über den Aufenthalt in den von ihm durchreisten EU-Ländern könne er keine Angaben machen und wolle er in diese Länder auch nicht zurück.

Befragt zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, sein Vater habe mit den Amerikanern gearbeitet, sei entführt worden und seitdem verschollen. Er habe deshalb Angst um sein Leben.

3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete daraufhin am 05.07.2021 ein auf Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO gestütztes Aufnahmeersuchen an Kroatien. Mit Schreiben vom 20.08.2021 erklärte sich die kroatische Dublinbehörde gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO ausdrücklich zur Aufnahme des Beschwerdeführers bereit. Aus dem Antwortschreiben geht hervor, dass der Beschwerdeführer wegen illegaler Grenzüberschreitung festgenommen und am 10.06.2021 mit einer Rückkehrentscheidung freigelassen worden sei.

5. Am 02.09.2021 fand die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt. Der Beschwerdeführer gab zunächst an, er fühle sich psychisch und physisch in der Lage die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Er leide an keinen Krankheiten, habe in Österreich aber mit einem Psychologen gesprochen, da er zuhause sehr viele Schwierigkeiten und viel Druck gehabt habe. Der Arzt habe ihm ein Medikament verschrieben, er könne aber Tabletten nicht schlucken und habe dann einen Saft bekommen. Medizinische Unterlagen hierzu habe er in seiner Unterkunft. Bei der Erstbefragung habe er die Wahrheit gesagt, er wolle aber ergänzen, dass er in Kroatien gezwungen worden sei seine Fingerabdrücke abzugeben. Er sei geschlagen worden und nach zwei bis drei Stunden nach Serbien abgeschoben worden. Die kroatische Polizei habe ihn in kein Camp gebracht, er habe keine Karte bekommen und nicht dortbleiben dürfen. Befragt nach den von ihm vorgelegten Unterlagen, gab der Beschwerdeführer an, es handle sich um die Unterlagen seines Vaters, der für die Amerikaner gearbeitet habe. Auch er habe für die Amerikaner gearbeitet. Die Taliban hätten seinen Vater mitgenommen und von ihm wissen wollen, wo der Beschwerdeführer sei. Seine Schwester, XXXX , lebe seit etwa fünf Jahren in Österreich und habe er zu ihr auch Kontakt. Persönlich habe er sie zuletzt vor fünf bis fünfeinhalb Jahren gesehen, in Österreich noch nicht. Unterstützen könne sie ihn nicht, denn sie habe kleine Kinder. Nach Kroatien wolle er nicht zurück, sondern hier bei seiner Schwester bleiben, die ihm sehr wichtig sei. In Kroatien sei er schlecht behandelt worden, die Fingerabdrücke seien ihm mit Gewalt abgenommen worden und würde man ihn wieder nach Serbien abschieben. Außerdem würde er nach Afghanistan abgeschoben werden und herrsche dort Krieg. Befragt ob es in Kroatien noch weitere Vorfälle gegeben habe, antwortete der Beschwerdeführer, nein. Zu den Länderfeststellungen gab der Beschwerdeführer an, dass er nur sagen könne, dass Kroatien keine Flüchtlinge aufnehme und es dort keine Unterkünfte für alleinstehende Personen gebe. Dort habe bis jetzt keiner Dokumente bekommen. Er habe dies von Flüchtlingen in Serbien erfahren.

Vorgelegt wurde:  Unterlagen bezüglich seines Vaters;  Kopie einer Tazkira;

6. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.09.2021, zugestellt am 08.09.2021, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO Kroatien für die Prüfung des Antrages zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Kroatien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Zur Lage in Kroatien wurden folgende Feststellungen getroffen:

Allgemeines zum Asylverfahren

Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (AIDA 22.4.2020; USDOS 11.3.2020 für weitere Informationen siehe dieselben Quellen).

(AIDA 22.4.2020)

Im Jahr 2019 wurden laut Eurostat 1.265 Erstanträge gestellt (von insgesamt 1.400 Anträgen im Vergleich zu 800 Anträgen im Jahr 2018) (Eurostat 20.3.2020; vgl. Eurostat 2.4.2020). Die Zahl der mutmaßlich unbegleiteten Minderjährigen belief sich auf 35 Personen (Eurostat 21.4.2020).

Quellen:

-        AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre (HPC) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 24.4.2020

-        Eurostat (2.4.2020): Asylwerber und erstmalige Asylwerber. Jährliche aggregierte Daten, https://ec.europa.eu/eurostat/tgm/refreshTableAction.do?tab=table&plugin=1&pcode=tps00191&language=de, Zugriff 27.4.2020

-        Eurostat (21.4.2020): Asylwerber. Mutmaßlich unbegleitete Minderjährige, https://ec.europa.eu/eurostat/tgm/table.do?tab=table&init=1&language=de&pcode=tps00194&plugin=1, Zugriff 27.4.2020

-        Eurostat (20.3.2020): News Release. Asylum in the EU-Member States, https://ec.europa.eu/eurostat/documents/2995521/10554400/3-20032020-AP-EN.pdf/6ee052a9-ffb8-d170-e994-9d5107def1a8, Zugriff 24.3.2020

-        USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Croatia, https://www.ecoi.net/en/document/2027527.html, Zugriff 18.5.2020

Dublin-Rückkehrer

Personen, die im Rahmen der Dublin-VO nach Kroatien zurückkehren (dies waren im Jahr 2019 insgesamt 99 Personen), haben prinzipiell vollen Zugang zum kroatischen Asylsystem. Wenn Rückkehrer Kroatien vor dem Ende ihres ursprünglichen Verfahrens verlassen haben und das Verfahren daher suspendiert wurde, müssen sie bei Rückkehr gemäß Art. 18(2) der Dublin-III-VO neuerlich einen Asylantrag stellen. Wer hingegen vor Verlassen des Landes seinen Antrag explizit zurückgezogen hat bzw. eine Zurückweisung erhalten hat, gilt in solch einem Fall als Folgeantragsteller (AIDA 22.4.2020).

Die Überstellung von Dublin-Rückkehrern nach Kroatien wurde von europäischen nationalen Gerichten nicht infrage gestellt. Dies wurde vom Gerichtshof der Europäischen Union bestätigt (AIDA 22.4.2020).

In einer im Februar 2019 veröffentlichten Studie der Organisation "Médecins du Monde" wird festgestellt, dass es Dublin-Rückkehrern in Kroatien an psychosozialer Unterstützung fehle (MdM 2.2019). (Siehe dazu auch Abschnitt 6.3. Medizinische Versorgung, Anm.)

Quellen:

-        AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 24.4.2020

-        MdM – Medecins du Monde (2.2019): Nearing a point of no return, https://medecinsdumonde.be/system/files/publications/downloads/Mental%20health%20of%20asylum%20seekers%20in%20Croatia_0.pdf, Zugriff 24.3.2020

Non-Refoulement

Seit 2016 gibt es eine Liste von zehn sicheren Herkunftsstaaten. Diese sind Albanien, Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien, Kosovo, Montenegro, Serbien, Marokko, Algerien, Tunesien und die Türkei. Auf letztere wird das Konzept des sicheren Herkunftsstaates in der Praxis nicht angewandt. Im Jahr 2018 wurde das Konzept in insgesamt 76 Fällen umgesetzt, die sich wie folgt verteilen: bei Algeriern (39), Marokkanern (13), Tunesiern (13), Kosovaren (5), Serben (4) und Bosniern (2). Entsprechende Zahlen für 2019 liegen nicht vor. Laut Gesetz kann ein Land dann als sicherer Drittstaat eingestuft werden, wenn ein Antragsteller dort sicher ist vor Verfolgung oder dem Risiko, ernsten Schaden zu erleiden, wenn das Non-Refoulement-Prinzip beachtet und effektiver Zugang zum Asylverfahren gewährt wird. Ob dies zutrifft, ist eine Einzelfallentscheidung. Wenn ein Antragsteller bereits in einem anderen Staat Schutz erhalten hat oder Refoulement-Schutz genießt, kann sein Antrag in Kroatien als unzulässig zurückgewiesen werden (AIDA 22.4.2020).

Eines der zentralen Themen in Kroatien war in den vergangenen Jahren der eingeschränkte Zugang zum Asylsystem für Personen, die via Serbien oder Bosnien und Herzegowina einreisen wollten (AIDA 22.4.2020). Internationale und kroatische NGOs sowie internationale Organisationen außerhalb des Landes wie das Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) berichteten über polizeiliche Pushbacks von Migranten, die versuchten, über die Grenze zu Serbien und insbesondere zu Bosnien und Herzegowina illegal in das Land einzureisen (USDOS 11.3.2020; vgl. HRW 8.11.2019, SRF 28.9.2019; AI 2019). Es gab auch Berichte über Polizeigewalt (FH 4.2.2019). Durch die erwähnten Pushbacks werden die Migranten von materieller und medizinischer Hilfe ausgeschlossen bzw. sogar ihre Besitztümer (Kleidung, Schlafsäcke, Rucksäcke, Zelte) verbrannt bzw. auch andere Gegenstände wie Mobiltelefone, Powerbanks oder persönliche Dokumente ins Visier genommen (ECRE 30.8.2019).

Es gibt Berichte über einen fortgesetzten und unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt und eine erniedrigende und unmenschliche Behandlung von Asylwerbern (ECRE 31.1.2020).

Seitens der Ombudsperson wurde nach Eingang einer anonymen Beschwerde eines Grenzpolizisten, wonach die illegale Misshandlung von Migranten von den Vorgesetzten der Polizei angeordnet worden sei, schließlich das Parlament informiert. Das Innenministerium wies diese Behauptungen als unbegründet und ungenau zurück. Die Regierung arbeitete in den meisten Fällen mit dem UNHCR und anderen humanitären Organisationen zusammen, um Flüchtlingen, Asylsuchenden, Staatenlosen und anderen Betroffenen Schutz und Hilfe zu gewähren. Die Regierung hat bedeutende Schritte unternommen, um Personen, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben, strafrechtlich zu verfolgen und zu bestrafen (USDOS 11.3.2020). Auch die Europäische Kommission beurteilt die Einrichtung eines Kontrollregimes für das Verhalten der kroatischen Grenzbeamten sowie das Versprechen der kroatischen Regierung, allen Vorwürfen nachzugehen, positiv. Es gebe ausreichende Belege dafür, dass das Land bemüht ist, seine Verpflichtungen zum Schutze der Menschenrechte zu erfüllen (HRW 8.11.2019).

Quellen:

-        AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 24.4.2020

-        AI – Amnesty International (2019): Pushed to the edge. Violence and abuse gainst refugees and migrants along the Balkan route, https://www.amnesty.org/download/Documents/EUR0599642019ENGLISH.PDF, Zugriff 13.3.2020

-        ECRE - European Council on Refugees and Exiles (30.8.2019): Report on Illegal Pushback and Border Violence, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Report%20on%20Illegal%20Pushback%20and%20Border%20Violence%20_%20European%20Council%20on%20Refugees%20and%20Exiles%20%28ECRE%29.pdf, Zugriff 17.1.2020

-        ECRE - European Council on Refugees and Exiles (31.1.2020): New Report on Torture of Asylum Seekers by Authorities, https://www.ecre.org/croatia-new-report-on-torture-of-asylum-seekers-by-authorities/, Zugriff 17.4.2020

-        FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Croatia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2015957.html, Zugriff 13.1.2020

-        HRW – Human Rights Watch (8.11.2019): EU: Push-Backs an kroatischer Grenze beenden, https://www.hrw.org/de/news/2019/11/08/eu-push-backs-kroatischer-grenze-beenden, Zugriff 23.3.2020

-        SRF - Schweizer Rundfunk (28.9.2019): lllegale Push-Backs - SEM bei Kroatien-Rückführungen zurückgepfiffen, https://www.srf.ch/news/schweiz/illegale-push-backs-sem-bei-kroatien-rueckfuehrungen-zurueckgepfiffen, Zugriff 24.3.2020

-        USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Croatia, https://www.ecoi.net/en/document/2027527.html, Zugriff 23.03.2020

Versorgung

Asylwerber in Kroatien haben das Recht auf materielle Versorgung während des Asylverfahrens. Dieses Recht gilt ab dem Zeitpunkt, an dem die betreffenden Personen den Willen zur Asylantragsstellung erkennen lassen und umfasst Unterbringung in einem Aufnahmezentrum, Verpflegung, Kleidung und finanzielle Unterstützung sowie Refundierung der Fahrtkosten in öffentlichen Verkehrsmitteln. Die monatliche finanzielle Unterstützung wird ab der Unterbringung in einem Aufnahmezentrum gewährt und beläuft sich per 31.12.2019 auf 100 Kuna (EUR 13,40) pro Person. Auch wenn sich der Betrag bei abhängigen Familienmitgliedern erhöht, gilt er doch als sehr gering bemessen. Asylwerber, deren Verfahren nach neun Monaten noch nicht entschieden ist, haben das Recht zu arbeiten. Der faktische Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylwerber wird jedoch durch die Sprachbarriere und die hohe Arbeitslosigkeit behindert. Asylwerber haben keinen Zugang zu Jobtrainings, sie können aber auf freiwilliger Basis innerhalb der Aufnahmezentren mitarbeiten. Auch können sie bei gemeinnützigen Tätigkeiten oder bei der Arbeit humanitärer Organisationen mitwirken (AIDA 22.4.2020).

Quellen:

-        AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 24.4.2020

Unterbringung

Gemäß Asylgesetz haben Asylwerber während des Asylverfahrens das Recht auf Unterbringung in entsprechenden Aufnahmezentren. Auf Antrag können sie auf eigene Kosten außerhalb eines Zentrums wohnen. Kroatien verfügt über zwei offene Aufnahmezentren für Asylwerber, in Zagreb im „Hotel Porin“ (Kapazität: 600 Plätze) und in Kutina (Kapazität: 100 Plätze). Beide Zentren werden vom kroatischen Innenministerium geführt. Das Zentrum in Kutina zielt auf die Unterbringung vulnerabler Antragsteller ab, auch wenn 2019 dort hauptsächlich umgesiedelte Personen beherbergt wurden, bis diese am Ende des Jahres in anderen Städten mit bezahlten Wohnungen ausgestattet wurden. Der Plan, in Mala Gorica ein neues Aufnahmezentrum zu bauen, wurde nach Protesten der lokalen Bevölkerung wieder verworfen und das veranschlagte Geld in die Renovierung der bestehenden Zentren investiert (AIDA 22.4.2020).

Das „Hotel Porin“, offizielle Bezeichnung „Reception Center for Asylum Seekers Zagreb“, ist ein ehemaliges Hotel, das nach der Schließung nunmehr im Eigentum der Polizei steht. Das Zentrum wird von Polizei und Regierung mit Unterstützung zahlreicher NGOs wie Croatian Baptist Aid, MSF, dem Roten Kreuz und IOM betrieben (BGAV 13.5.2019). Eine umfassende Renovierung 2019 hat die Lebensbedingungen für die Asylwerber wesentlich verbessert (AIDA 22.4.2020).

Die Bewohner können sich frei bewegen, müssen aber – sofern keine Sondergenehmigung vorliegt – bis 23 Uhr wieder im Haus sein. In Kutina teilen sich Familien ein Zimmer, unbegleitete Minderjährige und alleinstehende Frauen werden getrennt untergebracht. In Zagreb werden maximal vier Personen pro Zimmer untergebracht; Familien mit mehr als fünf Mitgliedern werden nach Möglichkeit zwei Zimmer zur Verfügung gestellt. Die Ausstattung mit Duschen und Toiletten ist ausreichend und die Einrichtungen werden regelmäßig gereinigt (AIDA 22.4.2020).

In beiden Zentren erhalten die Bewohner drei Mahlzeiten pro Tag und schwangere Frauen, Wöchnerinnen und Minderjährige bis 16 Jahre erhalten zusätzlich eine Nachmittagsjause. In vom Roten Kreuz ausgestatteten Küchen können sich die Asylwerber außerdem selbst Mahlzeiten zubereiten (AIDA 22.4.2020).

Das Personal des Innenministeriums in den Aufnahmezentren ist ausreichend. Es werden soziale und pädagogische Aktivitäten organisiert wie etwa Sportaktivitäten, Sprach- und EDV-Kurse und verschiedenste Workshops beispielsweise über kroatische Kultur und über Sitten und Gebräuche. Auch Kinderspielzimmer, Bibliothek, Friseur und ähnliches stehen zur Verfügung. Die meisten Asylwerber bleiben nicht lange in den Aufnahmezentren, da sie sich auf der Durchreise befinden (AIDA 22.4.2020).

Der Jesuitische Flüchtlingsdienst JRS organisiert zahlreiche Freizeitaktivitäten und Sprachkurse. Zudem können die Bewohner der Aufnahmezentren eine asylrechtliche Beratung und psychosoziale Unterstützung in Anspruch nehmen (JRS o.D.).

UNICEF setzt sich besonders dafür ein, dass bei der Organisation und Planung der Dienste in den Aufnahmezentren den Bedürfnissen der Kinder besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird (AIDA 22.4.2020). Für Familien mit Kindern stellt UNICEF die medizinische Versorgung von Müttern und Kindern sowie Unterstützung für schwangere und stillende Mütter bereit. Weiters organisiert UNICEF abgeschlossene Bereiche, in denen die Kinder spielen und informell lernen können (UNICEF o.D.).

Antragsteller können bis zum Ende ihres Verfahrens in den Unterbringungszentren bleiben. Wenn eine rechtskräftig negative Entscheidung vorliegt und die postulierte Frist zur freiwilligen Ausreise verstrichen ist, muss das Zentrum verlassen werden (AIDA 22.4.2020).

Kroatien verfügt zurzeit über drei Schubhaftzentren mit einer Gesamtkapazität von insgesamt 219 Personen: das geschlossene (Schubhaft-) Zentrum (Center for Foreigners) in Jezevo mit 95 Plätzen und die Transitzentren in Trilj und in Torvarnik mit jeweils 62 Plätzen. 2018 wurden gemäß kroatischen Innenministerium insgesamt 928 Migranten inhaftiert, davon 535 in Jezevo, 109 in Tovarnik und 284 in Trilj. Diese Zahl umfasst nicht die von der Polizei angeordneten Inhaftierungen, sondern nur jene, die von Aufnahmezentren für Asylwerber oder den Asylbehörden angeordnet wurden. Es liegen keine Daten über die Inhaftierung von Migranten und Bewerbern um internationalen Schutz im Laufe des Jahres 2019 vor (AIDA 22.4.2020).

Quellen:

-        AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 24.4.2020

-        BGAV - Baptist General Association of Virginia (13.5.2019): Via Will Cumbia, Venturer: Partnering with Croatian Baptists in Ministry with Refugees in Bosnia, https://bgav.org/partnering-with-croatian-baptists-in-ministry-with-refugees-in-bosnia/, Zugriff 7.1.2020

-        JRS – Jesuit Refugee Service (o.D.): Activities in Organisation. Activities in the detention, http://www.jrs.hr/en/activities-in-organization/, Zugriff 27.4.2020

-        UNICEF - Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (o.D.): Helping child refugees and migrants, https://www.unicef.org/croatia/en/helping-child-refugees-and-migrants, Zugriff 27.4.2020

Medizinische Versorgung

Asylwerber haben das Recht auf medizinische Notversorgung und notwendige medizinische und psychologische Behandlung. Diese Behandlung ist in den Aufnahmezentren Zagreb und Kutina verfügbar. Zudem wurde in beiden Zentren eine Ambulanz für chronische und lebensbedrohliche Krankheiten eingerichtet. Das Kroatische Rote Kreuz bietet ein breites Spektrum verschiedenster Leistungen an. Dazu gehören eine permanente psychologische und psychosoziale Unterstützung sowie eine besondere Betreuung potentieller Opfer von Folter und Traumata (AIDA 22.4.2020).

Zur spezialisierteren Behandlung werden die betroffenen Personen an das Spital in Kutina überwiesen, das unter anderem über Ambulanzen in den Bereichen Kinderheilkunde, Gynäkologie und Neuropsychiatrie verfügt. Im Spital in Zagreb sind Suchtbehandlung, eine Zahnambulanz sowie eine Psychiatrie verfügbar. Darüber hinaus werden Antragsteller an lokale Krankenhäuser überwiesen, d.h. in Sisak für diejenigen, die in Kutina untergebracht sind, und an das Krankenhaus von Zagreb. Auch wurden für die Asylwerber zuständige Apotheken, jeweils eine in Zagreb und Kutina, festgelegt. Ein Ärzteteam von MdM war jeden Werktag von 9 bis 15 Uhr im Aufnahmezentrum in Zagreb und je nach Bedarf im Aufnahmezentrum in Kutina anwesend (AIDA 22.4.2020).

Vulnerable Antragsteller, insbesondere Opfer von Folter, Vergewaltigung oder sonstigen schwerwiegenden Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt, sind entsprechend medizinisch zu behandeln. In der Praxis ist diese zusätzliche Gesundheitsversorgung jedoch nicht regelmäßig zugänglich. Ein Mechanismus zur Identifizierung Vulnerabler existiert nicht, sie werden oft an den Arzt im Unterbringungszentrum verwiesen. Seit 2010 betreibt das Croatian Law Centre das Projekt “Protection of Victims of Torture among Vulnerable Groups of Migrants”. 24 Personen wurden 2019 im Rahmen dieses Projekts betreut (AIDA 22.4.2020).

Teams von Medecins du Monde - bestehend aus Allgemeinmedizinern, einer Krankenschwester, einem Psychologen und einem Dolmetscher - bieten bei Bedarf medizinische und psychologische Unterstützung an. MdM arbeitet täglich mit diesen Menschen, von denen die meisten Opfer von multiplen Traumata sind, zusammen und kümmert sich – sofern erforderlich - auch um den Transport und die Begleitung in Krankenhäuser. Weiters wird Asylwerbern auch eine spezialisierte Betreuung angeboten. Zweimal im Monat sind ein Psychiater, ein Kinderarzt und ein Gynäkologe bei den Konsultationen anwesend. Sie ermöglichen Frauen und Kindern eine fachärztliche Betreuung. Schließlich wird auch die Impfung von Kindern gefördert, indem diese zu den entsprechenden Einrichtungen begleitet werden (MdM o.D.; vgl. MdM 6.2018). Im Jahr 2019 führte das Ärzteteam von MdM 3.556 ärztliche Konsultationen durch, hiervon 1.360 Erstuntersuchungen neu eingetroffener Asylwerber, weiters 1.200 psychologische Einzelberatungen und 110 psychiatrische Fachuntersuchungen (AIDA 22.4.2020).

Darüber hinaus bietet als Teil des MdM-Teams ein Sozialarbeiter Informationen, Anleitungen und praktische Unterstützung für Asylwerber (z.B. Begleitung von Patienten in Gesundheitseinrichtungen, Begleitung von Kindern von Asylwerbern zur Impfung). Auch Schutzberechtigte werden entsprechend unterstützt, damit sie ihre Rechte geltend machen können. Durch Workshops oder individuelle Beratung informiert das medizinische Team von MdM über Prävention von Infektionskrankheiten, Hygiene, Zugang zur Gesundheitsversorgung und Familienplanung (MdM 6.2018).

Außerdem hat das "Zentrum für Kinder, Jugend und Familie“ (Modus) seit März 2015 mit der Bereitstellung von kostenloser Beratung und Psychotherapie für Antragsteller und Flüchtlinge begonnen. 2019 wurde die Beratung nicht in den Aufnahmezentren selbst, sondern in den Räumlichkeiten der Organisation angeboten und von drei Psychologen und zwei Dolmetschern für Farsi und Arabisch unterstützt. Eine Sitzung dauert zwischen 45 und 60 Minuten und beinhaltet die üblichen Regeln für die Gewährung psychologischer Unterstützung, wie z.B. Vertraulichkeit und die Möglichkeit, sich auf die zu behandelnden Themen zu einigen (AIDA 22.4.2020).

MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).

Quellen:

-        AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 27.4.2020

-        MdM - Médecins du Monde (o.D.): Soigner et soutenir les demandeurs d'asile à Zagreb & Kutina. Croatie, https://medecinsdumonde.be/projets/soigner-et-soutenir-les-demandeurs-dasile-a-zagreb-kutina#Notreaction, Zugriff 27.4.2020

-        MdM - Médecins du Monde (6.2018): Croatia – Hidden (human) faces of European Union’s Dublin regulation from a health perspective, https://medecinsdumonde.be/system/files/publications/downloads/MdM-BE%20-%20Croatia%20Hidden%20human%20faces%20Dublin%20-%20June%202018.pdf, Zugriff 27.4.2020

-        MedCOI – Medical Country of Origin Information (14.12.2016): Auskunft MedCOI, per E-Mail

Schutzberechtigte

Anerkannte Flüchtlinge erhalten eine Aufenthaltserlaubnis für fünf Jahre, subsidiär Schutzberechtigte eine solche für drei Jahre. Die Kosten für die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung trägt der Staat; eine etwaige Verlängerung hingegen verursacht Kosten, die vom Betreffenden selbst zu tragen sind. Alle Schutzberechtigten dürfen sich im Land frei bewegen. Wer fünf Jahre ununterbrochen legal im Land aufhältig war, kommt für eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis infrage, wenn gewisse Bedingungen erfüllt werden. Sowohl anerkannte Flüchtlinge als auch subsidiär Schutzberechtigte haben grundsätzlich ein Recht auf Familienzusammenführung (AIDA 22.4.2020), wenngleich ein im Jahr 2020 veröffentlichter Bericht des Croatian Law Centers besagt, dass de facto zahlreiche unter anderem auch administrative Hindernisse wie z.B. die Notwendigkeit, verschiedene ins Kroatische übersetzte Dokumente zu erhalten, die Ausübung des Rechts auf Familienzusammenführung behindern (BalkanInsight 13.3.2020).

Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte, die nicht über die Mittel verfügen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, haben das Recht auf Unterbringung für einen Zeitraum von zwei Jahren ab Statuszuerkennung. Dazu ist ein Antrag bei der zuständigen Sozialfürsorgestelle nötig. Nach der zweijährigen Integrationsphase wird die Unterbringung nach dem Gesetz über Sozialleistungen geregelt. In der Praxis dürfen Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz in den entsprechenden Aufnahmezentren bleiben, bis eine angemessene Unterkunft bzw. Wohnung für sie gefunden ist. Alle Schutzberechtigten haben denselben Anspruch auf Sozialhilfe wie kroatische Bürger. Berichten zufolge ist die Sozialhilfe jedoch nicht ausreichend, um den eigenen Lebensunterhalt zu decken. Somit bleibt diese Personengruppe weiterhin von der Unterstützung durch zivile Organisationen abhängig (AIDA 22.4.2020).

2018 wurden ca. 60 Wohnungen für Schutzberechtigte renoviert. Diese Wohnungen befinden sich jedoch nicht in Zagreb, sondern in der Region Sisak/Karlovac (VB 20.4.2018). Vor Ort werden die Flüchtlinge in ihren Integrationsbemühungen von NGOs wie beispielsweise „Welcomm“ unterstützt (Welcomm o.D.).

Es wird davon ausgegangen, dass die Schutzberechtigten in den zwei Jahren der Integrationsphase Kroatisch gelernt und eine Arbeit gefunden haben werden. Das Haupthindernis hierbei ist das Erlernen der kroatischen Sprache, deren Beherrschung eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration und den Zugang zum Arbeitsmarkt ist. Das Ministerium für Wissenschaft und Bildung organisierte hierzu in Kooperation mit dem Innenministerium ein Integrationsprojekt mit Sprachkursen in Zagreb, Slavonski Brod und in Sisakand Karlovac (AIDA 22.4.2020). Anerkannte Flüchtlinge profitieren von einem soliden Integrationsprogramm, wobei aber das Erlernen der Sprache eine der größten Herausforderungen darstellt. Obwohl die Regierung Sprachkurse anbietet, ist dieses Angebot unzureichend und überdies nicht überall verfügbar (Euractiv 27.12.2019).

Schutzberechtigte werden in der Integrationsphase von Sozialarbeitern betreut, die auch bei der Arbeitsvermittlung und Ausbildungsmaßnahmen helfen, zum Teil auch in Zusammenarbeit mit NGOs. In der Praxis sind Schutzberechtigte nach zwei Jahren, in denen sie auf Staatskosten gewohnt haben, oft nicht in der Lage, eine eigene Unterkunft zu finden und zu bezahlen. Die Gründe dafür sind vor allem Sprachbarrieren und Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt, obwohl Schutzberechtigte denselben Zugang zum Arbeitsmarkt haben wie kroatische Bürger. Daneben zögern Vermieter oft, Wohnungen an diese Personengruppe zu vermieten. Das Kroatische Rote Kreuz betreibt Programme und ein sogenanntes „Integrationshaus“ als Anlaufstelle für Schutzberechtigte. Auch viele andere NGOs (z.B. Jesuitischer Flüchtlingsdienst, Centre for Peace Studies, Rehabilitation Centre for Stress and Trauma) bieten Unterstützung bei der Integration. Das kroatische Arbeitsamt (Croatian Employment Service - CES) ist für die Umsetzung von Maßnahmen für den Arbeitsmarktzugang von Schutzberechtigten zuständig (AIDA 22.4.2020; vgl. CoE-ECRI 15.5.2018). Laut Informationen des Arbeitsamts waren im Jahr 2019 146 anerkannte Flüchtlinge, 12 Personen unter subsidiärem Schutz und 13 Familienangehörige von Personen mit internationalem Schutzstatus als arbeitslos registriert. Die Mehrheit der registrierten Personen stammte aus Syrien (117) und dem Irak (24). Das Arbeitsamt hebt die mangelnden Kenntnisse der kroatischen und/oder englischen Sprache sowie die geringe Motivation zum Erlernen der Sprache und zur Teilnahme an anderen Programmen, die die Chancen auf eine Beschäftigung erhöhen können, als Haupthindernis für die Integration von Schutzberechtigten hervor. Als zusätzliche Herausforderung für die Integration hebt CES außerdem die Arbeitseinstellung und die kulturellen Unterschiede, insbesondere bei Frauen, hervor (AIDA 22.4.2020).

Schutzberechtigte sind zwar keine krankenversicherte Personengruppe, sie haben jedoch vollen Zugang zu medizinischer Versorgung, wobei der kroatische Staat analog zu Pflichtversicherten die Kosten zu tragen hat. Sie müssen dazu bloß ihre Identitätskarte vorlegen. Trotzdem gibt es in der Praxis Zugangshindernisse: zum einen die Sprachbarriere und zum anderen Unwissenheit seitens des medizinischen Personals über die Rechte von Schutzberechtigten (AIDA 22.4.2020).

Quellen:

-        AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 27.4.2020

-        BalkanInsight (13.3.2020): BIRN Fact-check: Will Croatia Have to Accept ‘20 Relatives’ of Unaccompanied Refugee Children?, https://balkaninsight.com/2020/03/13/birn-fact-check-will-croatia-have-to-accept-20-relatives-of-unaccompanied-refugee-children/, Zugriff 28.3.2020

-        CoE-ECRI - Council of Europe - European Commission against Racism and Intolerance (15.5.2018): ECRI Report on Croatia (fifth monitoring cycle); Adopted on 21 March 2018; Published on 15 May 2018 [CRI(2018)17],
https://www.ecoi.net/en/file/local/1439742/1226_1533191118_hrv-cbc-v-2018-017-eng.pdf, Zugriff 27.4.2020

-        Euractiv (27.12.2019): UN official ‘concerned’ about denial of access to asylum procedures in Croatia, https://www.euractiv.com/section/justice-home-affairs/interview/un-official-concerned-about-denial-of-access-to-asylum-procedures-in-croatia/, Zugriff 14.4.2020

-        VB des BM.I für Kroatien (20.4.2018): Bericht des VB, per E-Mail

-        Welcomm (o.D.): Comunity of Practice Meeting held in Sisak, Croatia, https://welcomm-europe.eu/cop-meeting-croatia/, Zugriff 27.4.2020

COVID-19

Derzeit herrscht weltweit die als COVID-19 bezeichnete Pandemie. COVID-19 wird durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte. In Kroatien wurden bisher 378.022 Fälle von mit diesem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei bisher 8.375 diesbezügliche Todesfälle bestätigt wurden.

Quellen:

?        https://coronavirus.jhu.edu/map.html, abgerufen am 07.09.2021

Wie gefährlich der Erreger SARS-CoV-2 ist, kann derzeit noch nicht genau beurteilt werden. Man geht aber von einer Sterblichkeitsrate von bis zu drei Prozent aus, wobei v.a. alte Menschen und immungeschwächte Personen betroffen sind.

Quellen:

?        https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen_alt.html, abgerufen am 07.09.2021

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, dass im Verfahren keine Hinweise hervorgekommen seien, wonach der Beschwerdeführe an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leiden würde oder immungeschwächt wäre bzw. habe er dies auch nicht einmal ansatzweise behauptet. Er sei aufgefordert worden, seine medizinischen Unterlagen unverzüglich vorzulegen, was er aber nicht getan habe. Zu seinen Angaben, wonach er von Kroatien nach Serbien zurückgeschoben worden sei, sei festzuhalten, dass der Beschwerdeführer in Kroatien keinen Asylantrag gestellt habe und sich daher illegal in Kroatien aufgehalten habe. Eine derartige Ausreiseverpflichtung hätte er auch in Österreich erhalten. Zusammenfassend könne den Angaben des Beschwerdeführers keine stichhaltigen Gründe entnommen werden, dass er tatsächlich konkret Gefahr liefe, in Kroatien Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass ihm eine Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könne. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe daher zu. Enge familiäre oder andere enge private Anknüpfungspunkte bzw. Abhängigkeiten zu in Österreich aufenthaltsberechtigten Personen hätten nicht festgestellt werden können. Insbesondere werde darauf verwiesen, dass seinen eigenen Angaben zufolge, ein Familienleben mit seiner Schwester seit ca. fünfeinhalb Jahren nicht mehr bestanden habe.

Vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurden auch Feststellungen im Zusammenhang mit der aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Coronavirus getroffen.

7. Gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erhob der Beschwerdeführer am 20.09.2021 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. Zusammengefasst wurde vorgebracht, der belangten Behörde sei insbesondere vorzuwerfen, dass sie den maßgeblichen Sachverhalt zur Feststellung der Zuständigkeit gemäß der Dublin III-VO, sowie die Situation in Kroatien vor dem Hintergrund des Vorbringens des Beschwerdeführers sowie der Berichte über Misshandlungen und illegale Push-backs nicht hinreichend ermittelt habe. Darüber hinaus finde hierzu im Bescheid keine ausreichende Beweiswürdigung statt und gehe nicht hervor, ob sie dem Beschwerdeführer glaube, dass er Opfer von Gewalt und illegalen Push-backs geworden sei. Die Ausführungen der belangten Behörde zur Situation in Kroatien und die verwendeten Länderberichte seien völlig ungeeignet die tatsächliche Situation, die der Beschwerdeführer auch vorgebracht habe, zu beschreiben. Hierzu wurde in der Beschwerde eine Entscheidung des Schweizer Bundesverwaltungsgerichts vom 12.07.2019 (E-3078/2019) zitiert. So würde es ausreichend Hinweise darauf geben, dass Kroatien die Grundrechte nicht einhalte und damit die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG nicht angewendet werden könne. Ebenfalls wurde auf mehrere Berichte, die sich mit Push-backs auseinandersetzen verwiesen, wie den Bericht der Sonderberichterstatterin, „Europäische Union Menschenrechtslage 2019“ von Human Rights Watch, zwei Berichte von Amnesty Internation von März 2019 und 11.12.2020, einen von Border Violence Monitoring vom 17.07.2019, sowie einen Artikel aus der Süddeutschen Zeitung vom 05.08.2019 und einen Bericht von tagesschau.de aus Dezember 2018. Im vorliegenden Fall bestehe auch die Gefahr einer Kettenabschiebung und damit ein Verstoß gegen das Refoulment Verbot. Die belangte Behörde gehe davon aus, dass der Push-back des Beschwerdeführers aus der Nichtantragstellung resultiere, würdige die Hinweise, dass es vielen Schutzsuchenden gar nicht ermöglicht werde, einen Antrag zu stellen, aber nicht. Aufgrund der derzeitigen Situation in Kroatien sei davon auszugehen, dass die Versorgung und der Zugang zum Asylverfahren nicht gesichert seien. Eine individuelle Zusicherung durch die kroatischen Behörden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Überstellung nach Kroatien adäquat untergebracht und versorgt werde, sei nicht erfolgt. Aufgrund des familiären Anknüpfungspunktes mit seiner Schwester in Österreich, hätte die belangte Behörde vom Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO Gebrauch machen müssen. Eine Rücküberstellung hätte daneben auch eine Verletzung des Art. 8 EMRK zur Folge.

8. Die Beschwerdevorlage langte am 22.09.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

9. Während der Dauer des anhängigen Beschwerdeverfahrens wurden die aktuellen Entwicklungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie begleitend beobachtet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 30.06.2021 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Laut EURODAC-Abfrage erfolgte zuvor am 10.06.2021 eine erkennungsdienstliche Behandlung der Kategorie 2 in Kroatien.

Der Beschwerdeführer stellte in Kroatien keinen Antrag auf internationalen Schutz.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 05.07.2021 ein auf Art. 13 Abs. 1 der Dublin III VO gestütztes Aufnahmeersuchen an Kroatien, dem die kroatische Dublinbehörde mit Schreiben vom 20.08.2021 ausdrücklich zustimmte. Im Antwortschreiben wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer aufgrund eines illegalen Grenzübertritts festgenommen, am 10.06.2021 freigelassen und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung entlassen wurde.

Ein Sachverhalt, der die Zuständigkeit Kroatien wieder beendet hätte, liegt nicht vor.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Kroatien an.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Überstellung nach Kroatien Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe beziehungsweise einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ist notorisch:

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gab es mit Stand 11.11.2021, 896.435 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 11.243 Todesfälle; in Kroatien wurden zu diesem Zeitpunkt 507.535 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen und wurden bisher 9.605 Todesfälle bestätigt (WHO, 11.11.2021).

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.

Da sich die epidemiologische Lage innerhalb der EU weitgehend stabilisiert hat, wurden – neben anderen Lockerungen der Corona-Maßnahmen – die Reisebeschränkungen, die eingeführt worden waren, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, wieder schrittweise aufgehoben.

Seit 01.07.2021 können Reisende aus Ländern und Regionen der Europäischen Union, des Europäischen Wirtschaftsraumes und des Schengenraums ohne Vorlage eines Impfzertifikats, einer Genesungsbestätigung oder eines Testes nach Kroatien einreisen, wenn sie über ein digitales COVID-Zertifikat der EU verfügen. Ansonsten ist die Einreise auch mit Nachweis über eine COVID-19-Impfung, eine Genesung von einer COVID-19-Erkrankung, eines nicht mehr als 72 Stunden alten negativen PCR-Test oder eines nicht mehr als 48 Stunden alten negativen Antigen-Test möglich. Für Kroatien gilt seit 01.07.2021 weiterhin die Sicherheitsstufe 2 (Sicherheitsrisiko) (BMEIA, 11.11.2021).

Der 21-jährige Beschwerdeführer leidet an keinen lebensbedrohenden Krankheiten oder sonstigen gesundheitlichen Beschwerden und fällt somit nicht unter die oben angeführten Risikogruppen. Er brachte zwar vor mit einem Psychologen gesprochen und ein Medikament verschrieben bekommen zu haben, legte hierzu aber keine Befunde oder Rezepte vor, obwohl er angab, diese in seiner Unterkunft zu haben.

Der Beschwerdeführer hat eine asylberechtigte Schwester in Österreich, zu der keine besonders enge Beziehung und auch keinerlei Abhängigkeitsverhältnis besteht. Es besteht auch kein gemeinsamer Haushalt. Sonstige verwandtschaftliche, private oder berufliche Anknüpfungspunkte, die den Beschwerdeführer in besonderem Maße an Österreich binden, bestehen nicht. Eine besondere Integrationsverfestigung liegt ebenfalls nicht vor.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Reiseweg und der Antragstellung in Österreich ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in Zusammenschau mit dem Verwaltungsakt.

Die Feststellungen zum Verfahrensgang, insbesondere zum Konsultationsverfahren mit Kroatien, ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und dem darin befindlichen Schriftwechsel zwischen der österreichischen und der kroatischen Dublin-Behörde.

Dass der Beschwerdeführer in Kroatien keinen Asylantrag stellte, ergibt sich aus der EURODAC-Abfrage, die nur einen Treffer der Kategorie 2 zeigt, was das illegale Überqueren einer Außengrenze der Europäischen Union bedeutet.

Die Feststellungen zur Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultieren aus den umfangreichen und durch Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur medizinischen und allgemeinen Versorgungslage von Asylwerbern auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin III-VO) getroffen. Sofern Quellen älteren Datums herangezogen wurden, ist davon auszugehen, dass sich die Lage in Kroatien nicht maßgeblich geändert hat.

Aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderinformationen ergeben sich keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass das kroatische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens sowie auf die Versorgungslage von Asylsuchenden in Kroatien den Feststellungen der verwaltungsbehördlichen Entscheidung zu folgen.

Eine den Beschwerdeführer konkret treffende Bedrohungssituation in Kroatien wurde nicht ausreichend substantiiert vorgebracht (vgl. hierzu die weiteren Ausführungen unter Punkt 3.1.2.1. des gegenständlichen Erkenntnisses).

Die getroffenen notorischen Feststellungen zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ergeben sich aus den unbedenklichen tagesaktuellen Berichten und Informationen. Demnach ist nicht zu erkennen, dass sich die Situation in Kroatien schlechter darstelle als in Österreich. Die Länderfeststellungen sind grundsätzlich ausreichend aktuell, sie zeichnen allerdings – angesichts der derzeit sich schnell ändernden Gegebenheiten in Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie – naturgemäß ein Bild der Versorgung von Asylwerbern in Kroatien, welches sich auf den Zeitraum vor Ausbruch der Pandemie bezieht.

Es ist notorisch, dass die Mitgliedstaaten allesamt - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - vom Ausbruch der Pandemie betroffen sind und hier vor großen Herausforderungen im Gesundheitsbereich stehen. Diesbezüglich wurden und werden in den einzelnen Ländern tagesaktuell entsprechende Maßnahmen gesetzt (beispielsweise die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie teilweise die Vornahme von Grenzschließungen und Einschränkungen im Personen- und Warenverkehr), welche die Ausbreitung von COVID-19 hintanhalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Bevölkerung - seien es nun eigene Staatsbürger oder dort ansässige Fremde - möglichst sicherstellen sollen. In diesem Sinne wurde in den Mitgliedstaaten der EU auch die Durchführung von Überstellungen beziehungsweise die Übernahme von Dublin-Rückkehrern temporär ausgesetzt.

Nachdem sich die epidemiologische Lage innerhalb der EU weitgehend stabilisiert hat und vor dem Hintergrund der sukzessiven Aufhebungen von Reisebeschränkungen, sind die Mitgliedstaaten, die im regen Austausch miteinander stehen, mittlerweile aber dazu übergegangen, Überstellungen von Dublin-Rückkehrern (sowohl „in“ als auch „out“) wieder durchzuführen.

Zwar verkennt das Gericht nicht, dass die Pandemie noch nicht überstanden ist, es ist aber davon auszugehen, dass etwaig daraus resultierende erneute Überstellungshindernisse jedenfalls in der Maximalfrist der Verordnung (vgl. die in Art. 29 Dublin III-VO geregelte grundsätzliche sechsmonatige Überstellungsfrist) überwunden sein werden.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers basieren im Wesentlichen auf seinen eigenen Angaben im Verfahren im Zusammenschau mit dem Akteninhalt.

Die festgestellten Tatsachen hinsichtlich der privaten, familiären und beruflichen Anknüpfungspunkte in Österreich, ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers und dem Verwaltungsakt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Die maßgeblichen Bestimmungen des nationalen Rechts sind §§ 5 und 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und § 61 FPG; unionsrechtlich sind primär Art. 3, 7, 13, 16, 17, 18, 21, 22 und 25 Dublin III-VO relevant.

3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz):

3.1.1. In materieller Hinsicht ist die Zuständigkeit Kroatiens zur Prüfung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz in Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO begründet, da der Beschwerdeführer aus einem Drittstaat kommend die Landgrenze Kroatiens überschritten und sohin das Gebiet der „Dublinstaaten“ betreten hat.

Die Verpflichtung zur Wiederaufnahme des Beschwerdeführers basiert weiters auf der ausdrücklichen Zustimmung der kroatischen Dublinbehörde auf Grundlage des Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO. Es sind im gegenständlichen Fall keine Mängel im Konsultationsverfahren hervorgekommen und insbesondere alle von der Dublin III-VO normierten Fristen eingehalten worden.

Für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates als Kroatien finden sich keine Anhaltspunkte. Die Zuständigkeit Kroatiens ist auch nicht etwa zwischenzeitig wieder erloschen.

Auch aus Art. 16 (abhängige Personen) und Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO (humanitäre Klausel) ergibt sich mangels familiärer Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet keine Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung des Antrages des Beschwerdeführers.

Nach der Rechtsprechung der Höchstgerichte ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben, sofern die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben sollte, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO keinen Gebrauch gemacht. Es ist daher zu prüfen, ob von diesem im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK oder der GRC zwingend Gebrauch zu machen wäre:

3.1.2. Mögliche Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK:

Gemäß Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK darf niemand Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Die bloße Möglichkeit einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigenden notorischen Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter, auf den betreffenden Fremden bezogene Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung in Bezug auf seine Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 09.05.2003, 98/18/0317; 26.11.1999, 96/21/0499; vgl. auch 16.07.2003, 2003/01/0059). "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, 2006/01/0949).

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, 96/18/0379; EGMR 04.02.2005, 46827/99 und 46951/99, Mamatkulov und Askarov/Türkei Rz 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung, ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK, sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde. Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 25.04.2006, 2006/19/0673; 31.05.2005, 2005/20/0025; 31.03.2005, 2002/20/0582), ebenso weitere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung³, K 13 zu Art. 19).

Der EuGH sprach in seinem Urteil vom 10.12.2013, C-394/12, Shamso Abdullahi/Österreich Rz 60, zur Dublin II-VO aus, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO festgelegten Kriteriums zugestimmt hat, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, welche ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC ausgesetzt zu werden.

Zudem hat der EuGH in seinem Urteil vom 07.06.2016, C-63/15, Gezelbash (Große Kammer), festgestellt, dass Art. 27 Abs. 1 Dublin-III-VO im Licht des 19. Erwägungsgrundes dieser Verordnung dahin auszulegen ist, dass […] ein Asylbewerber im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung die fehlerhafte Anwendung eines in Kapitel III dieser Verordnung festgelegten Zuständigkeitskriteriums […] geltend machen kann.

Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich den EGMR zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO auszuüben ist, hat sich der EuGH in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, N.S. ua/Vereinigtes Königreich, befasst und - ausgehend von der Rechtsprechung des EGMR in der Entscheidung vom 02.12.2008, 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung vom 21.01.2011 (GK), 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - ausdrücklich ausgesprochen, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechtes durch den zuständigen Mitgliedstaat, sondern erst systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch den Aufenthaltsstaat gebieten.

Somit ist zum einen unionsrechtlich zu prüfen, ob im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylwerber vorherrschen, und zum anderen aus verfassungsrechtlichen Erwägungen, ob die beschwerdeführende Partei im Falle der Zurückweisung ihres Antrages auf internationalen Schutz und ihrer Außerlandesbringung gemäß §§ 5 AsylG und 61 FPG – unter Bezugnahme auf ihre persönliche Situation – in ihren Rechten gemäß Art. 3 und/oder Art. 8 EMRK verletzt werden würde, wobei der Maßstab des "real risk" anzulegen ist. (vgl dazu auch näher Baumann/Filzwieser in Filzwieser/Taucher [Hrsg.], Asyl- und Fremdenrecht – Jahrbuch 2018, Seiten 213ff.).

3.1.2.1. Kritik am kroatischen Asylwesen/die Situation in Kroatien

Der angefochtene Bescheid enthält für den gegenständlichen Fall hinreichende Feststellungen zum kroatischen Asylwesen. Diese stammen von der Staatendokumentation, die zur Objektivität verpflichtet ist und der Beobachtung eines Beirates unterliegt. Sie stützen sich auf verlässliche und unzweifelhafte aktuelle Quellen von angesehenen staatlichen und nicht staatlichen Einrichtungen, und wurden ausgewogen zusammengestellt. Im Übrigen ist hinsichtlich der Feststellungen älteren Datums anzumerken, dass sich in Bezug auf gegenständliches Beschwerdevorbringen keine entscheidungswesentlichen Änderungen ergeben haben und sich die Lage in Kroatien in diesen Zusammenhängen im Wesentlichen unverändert darstellt.

Vor dem Hintergrund der gegenständlich herangezogenen Länderberichte und der verwaltungsbehördlichen Erwägungen kann nicht erkannt werden, dass im Hinblick auf Asylwerber, die von Österreich im Rahmen der Dublin III-VO nach Kroatien überstellt werden, aufgrund der kroatischen Rechtslage und/oder Vollzugspraxis systematische Verletzungen von Rechten gemäß der EMRK erfolgen würden, oder dass diesbezüglich eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit im Sinne eine „real risk“ für den Einzelnen bestehen würde.

Eine wie in der Entscheidung des EGMR vom 21.01.2011 in der Rechtssache M.S.S./Belgien und Griechenland in Bezug auf Griechenland beschriebene Situation systematischer Mängel im Asylverfahren in Verbindung mit schweren Mängeln bei der Aufnahme von Asylwerbern kann in Kroatien im Hinblick auf die behördlichen Länderfeststellungen nicht erkannt werden. Des Weiteren vermögen einzelne Grundrechtsverletzungen, respektive Verstöße gegen Asylrichtlinien, die Anwendung der Dublin II-VO (und nunmehr Dublin III-VO) demgegenüber unionsrechtlich nicht zu hindern und bedingen keinen zwingenden, von der Beschwerdeinstanz wahrzunehmenden, Selbsteintrittsrecht (EuGH C-411/10 und C-493/10).

Den in der Beschwerde geäußerten vagen Befürchtungen, die Versorgung und der Zugang zum Asylverfahren in Kroatien seien im Falle der Rückkehr des Beschwerdeführers nicht gesichert, sind die Länderfeststellungen entgegenzuhalten. Aus diesen geht hervor, dass Asylwerber ab dem Zeitpunkt der Asylantragstellung das Recht auf Unterbringung in einem Aufnahmezentrum, Verpflegung, Kleidung, finanzielle Unterstützung sowie Refundierung der Fahrtkosten in öffentlichen Verkehrsmitteln haben. Die monatliche finanzielle Unterstützung wird ab der Unterbringung in einem Aufnahmezentrum gewährt und beläuft sich auf 100 Kun

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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