Entscheidungsdatum
29.11.2021Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L512 2183540-2/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Pakistan, vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Susanne SINGER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost, vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG iVm § 68 Abs. 1 AVG 1991, §§ 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 FPG 2005, § 55 Abs. 1a FPG 2005, § 53 Absatz1 iVm Absatz 2 FPG 2005 abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als „BF“ bezeichnet), ein pakistanischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 06.07.2016 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz und wurde am Folgetag einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen.
Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF an, dass es eine Feindschaft wegen ihres Grundstücks gegeben habe. Das sei sein Fluchtgrund, sonst könne er nichts sagen. Im Falle einer Rückkehr in seine Heimat sei er in Lebensgefahr. Er sei oft geschlagen worden, daher wolle er nicht zurück nach Pakistan.
Am 22.02.2017 wurde der BF niederschriftlich durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge "BFA") einvernommen. Als Fluchtgrund gab der BF im Wesentlichen einen alten Grundstücksstreit an. Die Gegner hätten das Land vor seiner Geburt unrechtmäßig übernommen und seine Familie bedroht. Sie seien bei der Polizei gewesen, aber diese habe ihnen nicht geholfen und nicht auf sie gehört. Dann habe es zwei Anzeigen gegen den BF gegeben, er sei per Haftbefehl gesucht worden und habe fliehen müssen. Im Falle seiner Rückkehr nach Pakistan befürchte er Gefahr von der Polizei und den Gegnern.
Der Beschwerdeführer legte im Verfahren vor dem BFA unter anderem zwei pakistanische FIRs in englischer Übersetzung und einen pakistanischen Zeitungsartikel vor.
Mit Bescheid des BFA vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für seine freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.).
Begründend führte das BFA zusammengefasst aus, dass die vom BF angegebenen Gründe für das Verlassen seines Herkunftslandes, nämlich eine lange bestehende Grundstücksfehde, wegen welcher er zweimal zu Unrecht angezeigt und ein Haftbefehl gegen ihn erlassen worden wäre, nicht glaubhaft sei. Eine Gefährdungslage im Heimatland sei nicht glaubhaft vorgebracht worden. Die Schilderungen des BF seien als äußerst vage und oberflächlich, vor allem aber als widersprüchlich zu bezeichnen und würden jegliche persönlichen Eindrücke fehlen.
Gegen den Bescheid des BFA vom XXXX , Zl. XXXX , erhob der Vertreter des BF mit Schreiben vom 16.01.2018 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX , Zl. XXXX , wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Artikel 133 Abs 4. B-VG für nicht zulässig erachtet.
Begründend wurde zusammengefasst dargelegt, dass eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung nicht festgestellt werden konnte. Der BF habe seine Angaben im Laufe des Verfahrens gesteigert bzw. deutlich abgewandelt.
Der BF bzw. seine rechtsfreundliche Vertretung haben gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX , Zl. XXXX , außerordentliche Revision erhoben und hat einen Antrag auf aufschiebende Wirkung gemäß § 30 Abs 2 VwGG gestellt.
Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX , Zl. XXXX , wurde dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 30 Abs 2 VwGG nicht stattgegeben.
Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom XXXX , GZ: XXXX , wurde die Revision zurückgewiesen.
I.2. Am 30.08.2021 stellte der BF den gegenständlichen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz.
I.3. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF im Zuge der Erstbefragung am 30.08.2021 an, er habe seit der Entscheidung bezüglich seines ersten Asylantrages Österreich nicht verlassen. Er stelle einen neuen Asylantrag, da seine alten Asylgründe noch immer gelten würden. Vor ca. XXXX sei sein Vater von denselben Leuten, die den BF in Pakistan verfolgen, angeschossen und dabei verletzt worden. Daraufhin habe sein Vater bei der Polizei eine Anzeige erstattet. Daraufhin sei die Tante des BF von den Leuten ermordet worden. Es sei über den Mord in einer Tageszeitung in Pakistan berichtet worden. Der BF könne die Zeitung besorgen. Im Falle seiner Rückkehr habe der BF Angst um sein Leben.
I.4. Am 14.10.2021 brachte der BF vor einem Organwalter der belangten Behörde im Wesentlichen Folgendes vor:
Der BF sei körperlich und geistig in der Lage Angaben zu seinem Asylverfahren zu machen. Es gehe ihm gesundheitlich gut. Er sei nicht in medizinischer Behandlung. Er habe in der Erstbefragung und auch im Rahmen seines ersten Asylverfahrens wahrheitsgemäße Angaben gemacht. Der BF legte in Kopie drei Anzeigen, einen Zeitungsartikel und eine ärztliche Bestätigung über die Behandlung seines Vaters vor.
Der BF erklärte weiter, er arbeite seit ca. vier Jahren selbständig als XXXX , er habe ein Gewerbe angemeldet. Er befinde sich nicht in Grundversorgung. In Österreich sei er nicht vorbestraft, es sei auch gegen den BF kein Gerichtsverfahren in Österreich anhängig. Der BF sei in Österreich kein Mitglied in einem Verein oder einer Organisation. Der BF habe Deutschkurse besucht. Er habe diesbezüglich die A1-Prüfung bestanden, die A2-Prüfung habe er nicht bestanden. Der BF habe in Österreich den Führerschein gemacht.
In Pakistan würden sein Vater und seine drei Schwestern leben. Seine Mutter sei bereits verstorben. Außerdem habe der BF vier Onkel väterlicherseits und vier Onkel mütterlicherseits sowie fünf Tanten in Pakistan. Der BF habe hauptsächlich mit einem seiner Onkel Kontakt, selten auch mit seinem Vater. Der BF habe keine Verwandten in Österreich. Der BF lebe mit keiner sonstigen Person in einer Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft.
Er habe einen Asylantrag gestellt, da er in Österreich schon lange gelebt und auch selbstständig gearbeitet habe. Er habe sich bemüht, sich zu integrieren. Er habe Deutschkurse besucht, zahle Steuern und Sozialversicherung. Im XXXX sei sein Vater attackiert worden. Die Gefahr in Pakistan bestehe nach wie vor. Sein Vater habe damals eine Anzeige erstatte. Daraufhin hätten die Gegner die Tante des BF ermordet. Der Grund dafür sei gewesen, dass diese Leute zum BF nach Hause gekommen seien und eigentlich den Vater des BF attackieren wollten. Doch weil dieser nicht zu Hause war, hätten sie die Tante des BF ermordet.
Im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland befürchte der BF dass ihm dasselbe passieren werde wie seinem Vater und seinem Onkel. Der BF würde entweder ins Gefängnis kommen oder umgebracht werden. Die Zukunft des BF werde ruiniert.
I.5. Mit Bescheid des BFA vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Antrag des BF hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).
Begründend führte das BFA aus, die Identität des BF stehe nicht fest, es habe nicht festgestellt werden können, dass der BF an einer schweren lebensbedrohlichen Krankheit leide. Der BF habe keine Gründe vorgebracht, die eine neue Beurteilung des Sachverhaltes notwendig machen würden. Das Vorbringen sei bereits im Vorverfahren einer Prüfung unterzogen worden bzw. habe der BF keine weiteren glaubwürdigen asylrelevanten Gründe vorgebracht.
Der BF verfüge über keine Familienangehörigen oder Verwandten in Österreich. Es habe keine besondere Integrationsverfestigung bezüglich des BF in Österreich festgestellt werden können. Der BF sei seiner Ausreiseverpflichtung nach Abschluss seines letzten Asylverfahrens in Österreich beharrlich nicht nachgekommen. Der BF habe sich nicht bemüht, ein Reisedokument zu erhalten.
I.6. Der BF bzw. seine gewillkürte Vertretung erhoben fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
I.7. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer stellte seit seiner erstmaligen Einreise nach Österreich bzw. seiner ersten Asylantragstellung am 06.07.2016 insgesamt zwei Anträge auf internationalen Schutz.
Der erste Antrag auf internationalen Schutz wurde rechtskräftig negativ entschieden. Dem Vorbringen des BF wurde kein Glauben geschenkt bzw. keine Asylrelevanz zuerkannt.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX , Zl. XXXX , wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , die Beschwerde des BF als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Artikel 133 Abs 4. B-VG für nicht zulässig erachtet. Begründend wurde zusammengefasst dargelegt, dass eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung nicht festgestellt werden konnte.
Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom XXXX , GZ: XXXX , wurde die Revision des BF zurückgewiesen.
Am 14.10.2021 stellte der BF seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Im gegenständlichen Fall ergab sich weder eine maßgebliche Änderung in Bezug auf die dem BF betreffende asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Herkunftsstaat noch in sonstigen in der Person des BF gelegenen Umstände.
Ebenso ergab sich keine sonstige aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation des BF.
Eine relevante Änderung der Rechtslage konnte ebenfalls nicht festgestellt werden.
Die Identität des BF steht nicht fest. Der BF ist Staatsangehöriger von Pakistan und der Volksgruppe der XXXX zugehörig. Er bekennt sich zum sunnitischen Islam. Der BF spricht Punjabi als Muttersprache sowie Urdu; weiters spricht er ein wenig Englisch. Der BF ist gesund.
Der Beschwerdeführer stammt aus der Stadt XXXX , Provinz Punjab. Er besuchte zunächst fünf bzw. sechs Jahre die Schule, danach – im Anschluss an zwei bis drei Jahre einer Koranschule. Der BF lebte gemeinsam mit seinem Vater, seinen drei Schwestern sowie den Ehegatten seiner beiden verheirateten Schwestern in einem Haus. Die Mutter des BF ist bereits verstorben. Der Vater des BF ist XXXX und arbeitet als XXXX ; zudem verfügt er über landwirtschaftliche Gründe.
Der BF ist ledig und hat keine Kinder.
Der BF reiste im XXXX aus Pakistan aus.
Der BF möchte offensichtlich sein künftiges Leben in Österreich gestalten. Der BF reiste im Juli 2016 illegal und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein. Der BF hat keine Familienangehörigen oder Verwandten in Österreich. Er lebt auch nicht in einer Lebensgemeinschaft oder mit einer ihm sonst nahestehenden Person zusammen. Der BF verfügt über soziale Kontakte in Österreich; engere freundschaftliche Kontakte oder Beziehungen zu Österreichern konnten nicht festgestellt werden. Der BF ist nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation. Vom XXXX bis XXXX war der BF im XXXX freiwillig tätig und hat dort Gartenarbeiten bzw. sonst anfallende Arbeiten, z.B. Malerarbeiten, erledigt. Der BF unterstützte bedürftige Menschen.
Seine Freizeit verbringt der BF mit Fußballspielen oder im Fitnessstudio. Er wohnt in einer Mietwohnung.
Der BF hat Deutschkurse besucht. Der BF hat eine Deutschprüfung auf A1 Niveau bestanden, jedoch keine auf A2 Niveau.
Der BF verfügte über aufrechte Gewerbeberechtigungen als XXXX . Er war als XXXX berufstätig und als XXXX nach GSVG sozialversichert. Der BF verfügt über österreichische Lenkberechtigungen der Klassen AM und B und besitzt auch ein eigenes Fahrzeug. Er bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung mehr und ist derzeit nicht selbsterhaltungsfähig.
Der BF ist kein Mitglied in einem Verein oder einer Organisation.
Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten. Von ihm begangene Verwaltungsübertretungen sind nicht aktenkundig.
Zur Lage im Herkunftsstaat:
Die den BF betreffende allgemeine maßgebliche Lage im Herkunftsland hat sich seit rechtskräftigem Abschluss seines Erstverfahrens nicht geändert. Dies basiert auf den vorliegenden Länderfeststellungen zu Pakistan (Stand 24.06.2021), die von der Staatendokumentation des BFA laufend aktualisierten werden.
Covid-19
Letzte Änderung: 16.06.2021
In Pakistan wurden bisher mehr als 882.900 Infektionen mit dem Virus Covid-19 sowie mehr als 19.700 Todesfälle bestätigt (Stand 18.5.2021). Laut lokalen Medienberichten mit Verweis auf das Gesundheitsministerium, wurden bisher etwa 3,9 Millionen Menschen landesweit geimpft (Einwohner gesamt: 220 Millionen). Hauptsächlich wurden Personen, die im Gesundheitsbereich tätig sind und Personen über 50 Jahre geimpft. Am 17. Mai 2021 hat man mit der Impfregistrierung für die Altersgruppe der 30 bis 49-Jährigen begonnen. Am gleichen Tag hat Pakistan die Covid-Maßnahmen nach der landesweiten Sperre vom 8. bis 16. Mai gelockert und Geschäften, Märkten und Büros unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln die Öffnung erlaubt. Märkte und Geschäfte dürfen nun wieder bis 20 Uhr öffnen. Das pakistanische National Command and Operation Center hat zudem festgehalten, dass touristische Aktivitäten im Land weiterhin untersagt seien. Öffentliche städtische und interprovinzielle Verkehrsmittel haben ihren Betrieb wieder aufgenommen, dürfen jedoch nur mit einer maximal 50 prozentigen Belegung operieren. Auch wenn sich die Covid-19-Situation aktuell etwas entspannt, warnen die Behörden, dass das Gesundheitssystem noch immer unter Druck stehe und Krankenhäuser stark belegt seien (ÖB 18.5.2021).
Pakistan hat am 2.2.2021 mit seinem nationalen Impfprogramm gegen das Coronavirus begonnen. In dem südasiatischen Land mit mehr als 220 Millionen Einwohnern werden zunächst Beschäftigte des Gesundheitswesens geimpft, gefolgt von älteren Menschen. Dazu waren etwa eine halbe Million Impfdosen des chinesischen Unternehmens Sinopharm mit einem Militärflugzeug aus Peking nach Pakistan gebracht worden. Das Land hat zudem 17 Millionen Impfdosen des Herstellers Astra Zeneca bestellt, die im Lauf des Monats Februar 2021 geliefert werden sollen. Nach einer einer Ende Januar 2021 veröffentlichten Umfrage des Instituts Gallup, will sich fast die Hälfte aller Pakistaner nicht impfen lassen (ÄfW 2.2.2021). Hinsichtlich anstehender Impfungen hat die Regierung bei der COVAX-Organisation der UN um Unterstützung angesucht. Diese wird die Impfung von vorrangig zu impfenden Gruppen - etwa 20% der Bevölkerung - abdecken. Die Regierung führt außerdem Gespräche mit mehreren Impfstoffherstellern und mit Gebern (Weltbank und Asiatische Entwicklungsbank) über die Beschaffung zusätzlicher Impfstoffe, die mit einem Budget von 250 Millionen US-Dollar finanziert werden sollen. Der Start der Impfkampagne wird für das zweite Quartal des Jahres 2021 erwartet (IMF 8.1.2021).
Am 24. März 2020 wurde von der Bundesregierung ein Hilfspaket im Wert von 1,2 Billionen PKR (ca. 6,2 Milliarden Euro) angekündigt, das inzwischen fast vollständig umgesetzt wurde. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören u.a. die Abschaffung der Importzölle auf medizinische Notfallausrüstung (kürzlich bis Dezember 2020 verlängert); Bargeldtransfers an 6,2 Millionen Tagelöhner (75 Mrd. PKR); Bargeldtransfers an mehr als 12 Millionen einkommensschwache Familien (150 Mrd. PKR); Unterstützung für KMUs und den Agrarsektor (100 Mrd. PKR) in Form eines Aufschubs der Stromrechnung, Bankkrediten sowie Subventionen und Steueranreizen. Das Konjunkturpaket sah außerdem Mittel für eine beschleunigte Beschaffung von Weizen (280 Mrd. PKR), finanzielle Unterstützung für Versorgungsunternehmen (50 Mrd. PKR), eine Senkung der regulierten Kraftstoffpreise (mit einem geschätzten Nutzen für die Endverbraucher in Höhe von 70 Mrd. PKR), Unterstützung für die Gesundheits- und Lebensmittelversorgung (15 Mrd. PKR), Erleichterungen bei der Bezahlung von Stromrechnungen (110 Mrd. PKR), einen Notfallfonds (100 Mrd. PKR) und eine Überweisung an die National Disaster Management Authority (NDMA) für den Kauf von COVID-19-bezogener Ausrüstung (25 Mrd. PKR) vor. Der nicht ausgeführte Teil des Hilfspakets wird auf das Jahr 2021 übertragen. Darüber hinaus enthält das Budget für das Jahr 2021 weitere Erhöhungen der Gesundheits- und Sozialausgaben, Zollsenkungen auf Lebensmittel, eine Zuweisung für das "COVID-19 Responsive and Other Natural Calamities Control Program" (70 Mrd. PKR), ein Wohnungsbaupaket zur Subventionierung von Hypotheken (30 Mrd. PKR) sowie die Bereitstellung von Steueranreizen für den Bausektor (Einzelhandels- und Zementunternehmen), die im Rahmen der zweiten Welle bis Ende Dezember 2021 verlängert wurden (IMF 8.1.2021; vgl. WKO 18.2.2021).
Quellen:
? ÄfW - Ärztekammer für Wien (2.2.2021): Pakistan startet mit Coronaimpfung, https://www.medinlive.at/gesundheitspolitik/pakistan-startet-mit-corona-impfungen, Zugriff 26.2.2021
? IMF - International Monetary Fund (8.1.2021): Policy Responses to COVID-19, Pakistan, https://www.imf.org/en/Topics/imf-and-covid19/Policy-Responses-to-COVID-19#P, Zugriff 28.1.2021
? ÖB - Österreichische Botschaft Bangkok [Österreich] (18.5.2021): Kurzbericht zur Entwicklung der Covid-19-Situation in Pakistan, per E-Mail, Zugriff 11.6.2021
? WKO - Wirtschaftskammer Österreich (18.2.2021): Coronavirus: Situation in Pakistan, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-infos-pakistan.html, Zugriff 26.2.2021
Sicherheitslage
Letzte Änderung: 23.06.2021
Die Sicherheitslage in Pakistan ist landesweit unterschiedlich und wird von verschiedenen Faktoren wie politischer Gewalt, Gewalt von Aufständischen, ethnischen Konflikten und konfessioneller Gewalt beeinflusst. Die Sicherheitslage im Inneren wird auch von Auseinandersetzungen mit den Nachbarländern Indien und Afghanistan beeinflusst, die gelegentlich gewalttätig werden (EASO 10.2020). Die Anzahl terroristischer Anschläge mit Todesopfern in Pakistan ist seit 2009 deutlich rückläufig (AA 14.5.2021; vgl. USDOS 24.6.2020). Kontinuierliche Einsatz- und Überwachungskampagnen der Sicherheitskräfte gegen militante Gruppen und polizeiliche Antiterrorabteilungen sowie einige Antiextremismusmaßnahmen im Rahmen des Nationalen Aktionsplans, haben dazu beigetragen (USDOS 24.6.2020). Trotzdem bleibt die Zahl terroristischer Anschläge auch weiterhin auf einem erhöhten Niveau. Schwerpunkte sind die Provinzen Khyber Pakhtunkhwa (KP) und Belutschistan (inkl. Quetta). Es besteht weiterhin landesweit – auch in den Großstädten Islamabad, Lahore, Karachi, Multan und Rawalpindi – eine Gefahr für terroristische Anschläge seitens der Pakistanischen Taliban sowie religiös motivierter oder separatistischer Gruppen - insbesondere durch Sprengstoffanschläge und Selbstmordattentate. Die Anschläge richten sich vor allem gegen Streitkräfte, Sicherheitsdienste, Polizei, Märkte, Einrichtungen der Infrastruktur, gegen religiöse Stätten (Moscheen, Schreine, Kirchen) sowie gegen ethnische Minderheiten (AA 14.5.2021).
Der Nationale Aktionsplan (NAP) wurde fast unmittelbar nach dem Anschlag auf die Army Public School (APS) im Dezember 2014 mit der Absicht eingeführt, einen sinnvollen Konsens zur Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus zu erreichen. Die 20 Aktionspunkte des NAP haben seither unterschiedliche Erfolge erzielt. Taktische Operationen in ganz Pakistan haben zu einem verbesserten allgemeinen Sicherheitsumfeld beigetragen, was sich in einem allmählichen Rückgang der Zahl gewalttätiger Vorfälle im ganzen Land seit dem Start des NAP zeigt. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass der NAP bei der Bekämpfung des gewalttätigen und gewaltfreien Extremismus im Land nur geringe Erfolge erzielt hat. Extremistische Literatur ist online und offline in Hülle und Fülle vorhanden und die Verherrlichung von Terroristen und ihren Taten geht weiter. Auch zur Unterstützung des politischen Versöhnungsprozesses in Belutschistan wurde bisher nichts Wesentliches unternommen (FES 12.2020; vgl. GIZ 9.2020).
Im Jahr 2020 verübten verschiedene militante, nationalistische/aufständische und gewalttätige sektiererische Gruppen in ganz Pakistan insgesamt 146 Terroranschläge. 220 Menschen kamen bei diesen Anschlägen ums Leben - ein Rückgang von 38% im Vergleich zu 2019. Eine Verteilung dieser Terroranschläge nach ihren Urhebern legt nahe, dass sogenannte religiös inspirierte militante Gruppen wie die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP), ihre Splittergruppen Hizbul Ahrar und Jamaat-ul Ahrar, sowie andere militante Gruppen mit ähnlichen Zielen wie lokale Taliban-Gruppen, Lashkar-e-Islam und ISIS-nahe Gruppen die meisten Terroranschläge verübten. Anschläge nationalistisch aufständischer Gruppen der Belutschen und Sindhi verübten weitere Anschläge. In KP wurden dabei die meisten Terroranschläge in Pakistan verübt, mehrheitlich im Stammesgebiet Nord-Waziristan. Während die Mehrheit dieser Anschläge auf Sicherheitskräfte abzielte, waren auch Zivilisten, Stammesälteste, politische Führer/Mitarbeiter und Schiiten Ziele der Anschläge. Nach KP war die Provinz Belutschistan im Jahr 2020 am stärksten von Terrorismus durch verschiedene aufständische Gruppen der Belutschen wie die Baloch Liberation Army (BLA), die Balochistan Liberation Front (BLF), Lashkar-e-Balochistan, die Baloch Republican Army (BRA) und die United Baloch Army (UBA) usw. betroffen (PIPS 2021; vgl. USDOS 30.3.2021, AA 29.9.2020).
Pakistan dient weiterhin als sicherer Hafen für bestimmte regional ausgerichtete terroristische Gruppen. Es erlaubt Gruppen, die gegen Afghanistan gerichtet sind, einschließlich der afghanischen Taliban und des mit ihnen verbundenen Haqqani-Netzwerks, sowie Gruppen, die gegen Indien gerichtet sind, einschließlich LeT (Lashkar-e Taiba) und der mit ihr verbundenen Frontorganisationen und JeM (Jaish-e Mohammad), von seinem Territorium aus zu operieren (USDOS 24.6.2020; vgl. CEP o.D.).
Das Militär und paramilitärische Organisationen führten mehrere Operationen zur Aufstandsbekämpfung und Terrorismusbekämpfung durch, um sichere Zufluchtsorte von Militanten zu beseitigen. Die 2017 begonnene Operation Radd-ul-Fasaad des Militärs wurde das ganze Jahr 2020 über fortgesetzt. Radd-ul-Fasaad ist eine landesweite Anti-Terror-Kampagne, die darauf abzielt, die Errungenschaften der Operation Zarb-e-Azb (2014-17) zu konsolidieren, welche gegen aus- und inländische Terroristen in den ehemaligen FATA vorging. Die Polizei dehnte ihre Präsenz in ehemals unregierte Gebiete aus, insbesondere in Belutschistan, wo Militäroperationen zur Normalität geworden waren (USDOS 30.3.2021).
Der im März 2017 begonnene Bau eines befestigten Zaunes entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze sei nach pakistanischen Regierungsangaben fast fertiggestellt und soll planmäßig im April 2021 abgeschlossen sein (BAMF 1.3.2021).
Quelle: ACLED o.D.; UCDP Candidate o.D.; UCDP GED o.D.
Farbig hervorgehoben: Hauptstadtregion. UCDP weist sicherheitsrelevante Vorfälle in den ehem. FATA eigens aus, hier wurden sie zur besseren Vergleichbarkeit der Provinz Khyber Pakhtunkhwa hinzugezählt.
Anmerkung: ACLED und UCDP erfassen sicherheitsrelevante Vorfälle unter Verwendung festgelegter Kriterien und Methodologien mittels Medienbeobachtung, wobei sich die festgelegten Kriterien der beiden Organisationen voneinander unterscheiden. Dies trägt zur unterschiedlichen Höhe bei den dargestellten Fallzahlen bei (ACLED 2020; UCDP 2020).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (14.5.2021): Pakistan: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung und COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistansicherheit/204974#content_0, Zugriff 14.5.2021
? AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf, Zugriff 14.4.2021
? ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (2020): ACLED Codebook, https://acleddata.com/acleddatanew/wp-content/uploads/dlm_uploads/2019/01/ACLED_Codebook_2019FINAL.docx.pdf, Zugriff 10.3.2021
? ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (o.D.): ACLED Data, http://www.acleddata.com/data/, Zugriff 26.2.2021
? BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (1.3.2021): Briefing Notes, https://www.ecoi.net/en/document-search/?country%5B%5D=pak&countryOperator=should&srcId%5B%5D=11010&srcIdOperator=should&useSynonyms=Y&sort_by=origPublicationDate&sort_order=desc&content=briefing%20notes&page=2, Zugriff 14.5.2021
? CEP - Counter Extremism Project (o.D.): Pakistan: Extremism and Terrorism, https://www.counterextremism.com/countries/pakistan, Zugriff 28.4.2021
? EASO - European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf, Zugriff 14.4.2021
? FES - Friedrich-Ebert-Stiftung (12.2020): Strengthening Governance in Pakistan Assessing the National Action Plan to counter Terrorism and Extremism, https://www.pakpips.com/web/wp-content/uploads/2021/01/NAP-Final-from-Hamayun.pdf, Zugriff 9.3.2021
? GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020): Das Länderinformationsportal - Pakistan - Gesellschaft, https://www.liportal.de/pakistan/gesellschaft/, Zugriff 9.3.2021
? PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (2021): Pakistan Security Report 2020, https://www.pakpips.com/web/wp-content/uploads/2021/01/Conflict-and-Peace-Studies.pdf, Zugriff 2.3.2021
? UCDP Candidate - Uppsala Conflict Data Program (o.D.): UCDP Candidate Events Dataset Version 20.01.20.12 (global), https://ucdp.uu.se/downloads/, Zugriff 2.3.2021
? UCDP GED - Uppsala Conflict Data Program (o.D.): UCDP Georeferenced Event Dataset (GED) Global version 20.1, https://ucdp.uu.se/downloads/, Zugriff 4.3.2021
? UCDP - Uppsala Conflict Data Program (2020): UCDP Candidate Events Dataset CodebookVersion 1.1, https://ucdp.uu.se/downloads/candidateged/ucdp-candidate-codebook%201.1.pdf, Zugriff 10.3.2021
? USDOS - US Department of State [USA] (24.6.2020): Country Report on Terrorism 2019 - Chapter 1 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2032437.html, Zugriff 14.4.2021
? USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html, Zugriff 15.4.2021
Punjab und Islamabad
Letzte Änderung: 23.06.2021
Insgesamt fanden im Jahr 2020 in Punjab sieben (7) Terroranschläge statt, die fünf Todesopfer und 59 Verletzte forderten. Mit Ausnahme eines Anschlags, der von der aufständischen Gruppe der Belutschen (BLA) in Tehsil Sadiqabad im Bezirk Rahim Yar Khan im Süden des Punjab verübt wurde, konzentrierten sich alle anderen Anschläge auf Rawalpindi und wurden von den pakistanischen Taliban, einschließlich der TTP und ihrer Abspaltungen Jamaat-ul Ahrar und Hizb-ul Ahrar, die sich im August 2020 wieder der TTP anschlossen, verübt. Während fünf dieser Anschläge im Punjab offenbar Zivilisten zum Ziel hatten, richtete sich ein Anschlag gegen die Polizei und ein weiterer gegen eine Gaspipeline (PIPS 2021).
Quellen:
? PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (2021): Pakistan Security Report 2020, https://www.pakpips.com/web/wp-content/uploads/2021/01/Conflict-and-Peace-Studies.pdf, Zugriff 29.4.2021
Rechtsschutz, Justizwesen
Letzte Änderung: 24.06.2021
Das Gesetz sieht eine unabhängige Justiz vor, aber laut NGOs und Rechtsexperten unterliegt die Justiz oft externen Einflüssen, wie z.B. der Angst vor Repressalien durch extremistische Elemente in Terrorismus- oder Blasphemie-Fällen und der öffentlichen Politisierung von hochkarätigen Fällen. Zivilgesellschaftliche Organisationen berichteten, dass Richter zögern, der Blasphemie beschuldigte Personen zu entlasten, weil sie Selbstjustiz befürchten (USDOS 30.3.2021). Die pakistanische Verfassung und die gesamte pakistanische Rechtsordnung basieren weitgehend auf dem britischen Rechtssystem. Wenngleich gemäß Art. 227 der Verfassung alle Gesetze grundsätzlich im Einklang mit der Scharia stehen müssen, ist deren Einfluss auf die Gesetzgebung trotz Bestehens des Konsultativorgans Council of Islamic Ideology jedoch eher beschränkt, abgesehen von bestimmten Bereichen wie beispielsweise den Blasphemiegesetzen (ÖB 12.2020).
Der Supreme Court ist das pakistanische Höchstgericht. Die fünf High Courts fungieren u.a. als Berufungsinstanz gegen Beschlüsse und Urteile von Special Courts sowie als Aufsichts- und Kontrollorgane für alle ihnen unterstehenden Gerichte. Ferner bestehen Provinz- und Bezirksgerichte, Zivil- und Strafgerichte sowie spezialisierte Gerichte für Steuern, Banken und Zoll. Des Weiteren existiert gemäß Verfassung ein Federal Shariat Court (FSC), das zur Prüfung von Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Islam angerufen wird und diesbezüglich auch von sich aus tätig werden kann. Er fungiert zusätzlich zum Teil als Rechtsmittelinstanz in Delikten nach den Hudood Ordinances von 1979, die eine v.a. Frauen stark benachteiligende Islamisierung des Strafrechts brachten und durch den Protection of Women (Criminal Law Amendment) Act 2006 in Teilen etwas entschärft wurden. In Azad Jammu und Kaschmir (AJK) sowie in Gilgit-Baltistan gibt es derzeit noch eigene Justizsysteme (ÖB 12.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Einzelpersonen können gegen Entscheidungen der FSC Berufung bei der Shariat Appellate Bench des Obersten Gerichtshofs einlegen, wobei noch eine weitere Berufung durch den Obersten Gerichtshof zugelassen werden kann. Im Zivil-, Straf- und Familienrecht gibt es öffentliche Verhandlungen, es gilt die Unschuldsvermutung, und es gibt die Möglichkeit einer Berufung. Angeklagte haben das Recht auf Anhörung und auf Konsultation eines Anwalts (USDOS 30.3.2021).
Die Justiz verteidigt ihre nach Ende der Militärherrschaft zurückgewonnene Unabhängigkeit und bemüht sich, den Rechtsstaat in Pakistan zu stärken. Gleichzeitig steht sie weiterhin unter dem Einfluss der mächtigen pakistanischen Armee. Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen fort. Die Gerichte und das pakistanische Rechtssystem sind hochgradig ineffizient (AA 29.9.2020).
De facto spielt in weiten Landesteilen das staatliche Recht für die meisten Pakistaner kaum eine Rolle. Rechtsstreitigkeiten werden nach Scharia-Recht oder nach lokalen Rechtsbräuchen gelöst. Im WJP Rule of Law Index belegt Pakistan Platz 120 von 128 untersuchten Staaten (AA 29.9.2020). Neben dem staatlichen Justizwesen bestehen also vor allem in ländlichen Gebieten Pakistans auch informelle Rechtsprechungssysteme und Rechtsordnungen, die auf traditionellem Stammesrecht beruhen. Hier drohen vor allem Frauen menschenunwürdige Bestrafungen (ÖB 5.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Berichte über Korruption im Justizsystem hielten sich hartnäckig, einschließlich Berichten, dass Gerichtsmitarbeiter Zahlungen verlangten, um Verwaltungsverfahren zu erleichtern. Untere Gerichte blieben Berichten zufolge korrupt, ineffizient und unterlagen dem Druck von höherrangigen Richtern sowie prominenten, wohlhabenden, religiösen und politischen Persönlichkeiten (USDOS 30.3.2021).
Die Regierung stellte staatlich finanzierten Rechtsbeistand für Gefangene zur Verfügung, die wegen Verbrechen angeklagt werden, für die eine Verurteilung die Todesstrafe beinhaltet. Für andere Fälle wird keine regelmäßige rechtliche Vertretung zur Verfügung gestellt. Die Verfassung erkennt das Recht auf Habeas Corpus an und erlaubt es den hohen Gerichten, die Anwesenheit einer Person, die eines Verbrechens beschuldigt wird, vor Gericht zu verlangen. Das Gesetz erlaubt es Bürgern, Habeas-Corpus-Petitionen bei den Gerichten einzureichen. In vielen Fällen, in denen es um das gewaltsame Verschwindenlassen von Personen ging, versäumten es die Behörden, die Inhaftierten gemäß den Anordnungen der Richter vorzuführen (USDOS 30.3.2021).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 15.4.2021
? ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf, Zugriff 4.5.2021
? USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html, Zugriff 15.4.2021
Sicherheitsbehörden
Letzte Änderung: 24.06.2021
Die Sicherheitsbehörden Pakistans bestehen aus der Polizei, die dem Innenministerium untersteht, Geheimdiensten (AA 29.9.2020), dem Heer sowie militärischen und paramilitärischen Hilfstruppen wie dem Frontier Corps (FC) und den Rangers, die dem Innenministerium unterstehen. FC sind in Khyber Pakhtunkwa und Belutschistan und die Rangers in Punjab und Sindh stationiert. Sie unterstützen die örtlichen Strafverfolgungsbehörden u.a. bei der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung sowie bei der Grenzsicherung (EASO 10.2020).
Unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung begehen Armee und Sicherheitskräfte v.a. in den Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa regelmäßig menschenrechtsrelevante Verletzungen. Ein nach wie vor ungelöstes, tabuisiertes Problem sind in diesem Zusammenhang die sog. enforced disappearances, das „Verschwindenlassen“ von unliebsamen, v.a. armeekritischen Personen (AA 29.9.2020).
In der Öffentlichkeit genießt die vor allem in den unteren Rängen schlecht ausgebildete, gering bezahlte und oft unzureichend ausgestattete Polizei kein hohes Ansehen. So sind u.a. die Fähigkeiten und der Wille der Polizei im Bereich der Ermittlung und Beweiserhebung gering. Staatsanwaltschaft und Polizei gelingt es häufig nicht, belastende Beweise in gerichtsverwertbarer Form vorzulegen (AA 29.9.2020). Zum geringen Ansehen der Polizei tragen Korruptionsanfälligkeit, unrechtmäßige Übergriffe und Verhaftungen sowie Misshandlungen von in Polizeigewahrsam Genommenen ebenso bei (AA 29.9.2020; vgl. HRCP 4.2020).
Straflosigkeit ist bei den Sicherheitskräften ein erhebliches Problem. Die Regierung bietet nur begrenzt Schulungen an, um die Achtung der Menschenrechte durch die Sicherheitskräfte zu erhöhen (USDOS 30.3.2021).
Insgesamt sind die Polizeikapazitäten in Pakistan begrenzt, was auf fehlende Ressourcen, schlechte Ausbildung, unzureichende und veraltete Ausrüstung und konkurrierenden Druck von Vorgesetzten, politischen Akteuren, Sicherheitskräften und der Justiz zurückzuführen ist. In der öffentlichen Wahrnehmung ist ein hohes Maß an Korruption bei der Polizei weit verbreitet [siehe Kapitel Korruption], insgesamt ist das Ansehen der Polizei in der Öffentlichkeit gering. Inländische und internationale Beobachter sehen das Militär als eine der fähigsten Organisationen in Pakistan. Es verfügt über erhebliche Macht und dominiert die Außen- und Sicherheitspolitik. Militärangehörige werden gut bezahlt, und eine Karriere beim Militär ist hoch angesehen, nicht nur wegen der Vorteile, sondern auch wegen des hohen gesellschaftlichen Ansehens und der Verbindungen, die Militärangehörige genießen (DFAT 20.2.2019).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf, Zugriff 30.4.2021
? DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (20.2.2019): Country Information Report Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokumentensuche/?asalt=8b1bb51cc9&country%5B%5D=pak&countryOperator=should&srcId%5B%5D=12005&srcIdOperator=should&useSynonyms=Y&sort_by=origPublicationDate&sort_order=desc, Zugriff 30.4.2021
? EASO - European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf, Zugriff 30.4.2021
? HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Rights-in-2019-20190503.pdf, 30.4.2021
? USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html, Zugriff 15.4.2021
Korruption
Letzte Änderung: 24.06.2021
Von der international tätigen Compliance-Plattform wird das Risiko, mit Korruption konfrontiert zu werden, für folgende Bereiche als hoch eingestuft: Justizsystem, Polizei, öffentlicher Dienst, Steuer-, Grund- und Zollverwaltung sowie öffentliche Beschaffung (GAN Integrity 10.2020).
Nach den Effizienz- und Disziplinarvorschriften muss sich ein Beamter einer Untersuchung stellen, wenn er der Korruption oder finanzieller Unregelmäßigkeiten beschuldigt wird. Eine Person, die wegen Korruption verurteilt wird, muss mit einer Gefängnisstrafe von bis zu 14 Jahren, einer Geldstrafe oder beidem rechnen, und die Regierung kann sich alle Vermögenswerte aneignen, die durch korrupte Mittel erlangt wurden (USDOS 30.3.2021). Das Gesetz sieht also strafrechtliche Sanktionen für Korruption von Amtsträgern vor, die Regierung setzt das Gesetz im Allgemeinen aber nicht effektiv um (USDOS 30.3.2021; vgl. GAN Integrity 10.2020).
Korruption ist in Politik und Regierung allgegenwärtig (GIZ 9.2020) und verschiedene Politiker und Inhaber öffentlicher Ämter sind mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert, darunter Bestechung, Erpressung, Nepotismus, Klientelismus und Veruntreuung. Die unteren Instanzen des Justizsystems sind korrupt, ineffizient und dem Druck von höherrangigen Richtern sowie prominenten, wohlhabenden, religiösen und politischen Persönlichkeiten ausgesetzt (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 29.9.2020).
Pakistan nimmt im Corruption Perceptions Index von Transparency International 2020 Platz 124 von 180 Ländern ein (2019:120) (TI 1.2021). Das National Accountability Bureau (NAB) dient als höchste Antikorruptionsbehörde mit dem Auftrag, Korruption durch Sensibilisierung, Prävention und Durchsetzung zu beseitigen. Das NAB und andere Ermittlungsbehörden führen Untersuchungen zu Korruption, Steuerhinterziehung und Geldwäsche durch. Die Regierung setzte im Laufe des Jahres ihre Korruptionsermittlungen und die strafrechtliche Verfolgung von Führern der Oppositionsparteien fort, wobei gegen den ehemaligen Premierminister Nawaz Sharif und den ehemaligen Präsidenten Asif Ali Zardari sowie gegen führende Mitglieder anderer Oppositionsparteien, einschließlich der JUI-F, öffentlichkeitswirksame Klagen erhoben wurden (USDOS 30.3.2021).
Das NAB schüchtert weiterhin politische Gegner und Kritiker der Regierung ein, schikaniert sie oder nimmt sie in Haft. Im Februar kritisierte die Europäische Kommission das NAB wegen politischer Voreingenommenheit. Seit den Wahlen 2018 sind demnach nur sehr wenige Fälle von Ministern und Politikern der Regierungspartei verfolgt worden, was als Ausdruck der Parteilichkeit des NAB angesehen wird. Im Juli entschied der Oberste Gerichtshof Pakistans, dass das NAB bei der Verhaftung von zwei Oppositionspolitikern, die für 15 Monate ohne glaubwürdige Anklage festgehalten wurden, das Recht auf ein faires Verfahren und einen ordnungsgemäßen Prozess verletzt hatte (HRW 13.1.2021).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf, Zugriff 15.4.2021
? GAN Integrity (last updated 10.2020): Pakistan Corruption Report, https://www.ganintegrity.com/portal/country-profiles/pakistan/, Zugriff 16.4.2021
? HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043507.html, Zugriff 16.4.2021
? GIZ- Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020): Das Länderinformationsportal - Pakistan - Gesellschaft, https://www.liportal.de/pakistan/gesellschaft/, Zugriff 15.4.2021
? TI - Transparency International (1.2021): Corruption Perceptions Index 2020, https://www.transparency.org/en/cpi/2020/index/pak, Zugriff 9.3.2021
? USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html, Zugriff 15.4.2021
Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung: 24.06.2021
Generell ist der Schutz der Menschenrechte in der pakistanischen Verfassung verankert und die pakistanische Regierung bekennt sich zu den Menschenrechten. Darunter fallen Grundrechte, Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Selbstbestimmung, Schutz vor willkürlicher Verhaftung, des persönlichen Ansehens sowie das Recht auf Freiheit und Eigentum, Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, Verbot willkürlicher Verhaftungen und Tötungen ohne gesetzliche Grundlage (AA 29.9.2020).
Dennoch kommt es regelmäßig zu Verletzungen der verfassungsmäßig garantierten Menschenrechte wie z.B. die Schikanierung und Verfolgung von Menschenrechtsverteidigern, Anwälten und Journalisten, weil sie Regierungsbeamte und die Politik kritisierten. Die Behörden setzen drakonische Gesetze zur Terrorismusbekämpfung ein, um abweichende Meinungen zu unterdrücken, und gehen streng gegen zivilgesellschaftliche Gruppen und Organisationen vor, die sich kritisch zu Regierungsmaßnahmen oder -politik äußern. Frauen, religiöse Minderheiten und Transgender-Personen sind weiterhin Gewalt, Diskriminierung und Verfolgung ausgesetzt, wobei die Behörden es oft versäumen, angemessenen Schutz zu bieten oder die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Die Regierung versäumte es, die Strafverfolgungsbehörden für schwerwiegende Übergriffe zur Rechenschaft zu ziehen - selbst als neue Vorwürfe über Folter und außergerichtliche Tötungen aufkamen. Die pakistanischen Behörden gehen hart gegen Mitglieder und Anhänger von Oppositionsparteien vor. Mehrere Oppositionsführer - darunter ehemalige Staatsoberhäupter und Kabinettsminister - werden weiterhin wegen politisch motivierter Korruptionsvorwürfe strafrechtlich verfolgt (HRW 13.1.2021).
Folter im Gewahrsam der Sicherheitskräfte und in Gefängnissen gilt als weit verbreitet. Bei 27 verschiedenen Straftatbeständen kann die Todesstrafe verhängt werden [siehe Kapitel Todesstrafe]. Verschwindenlassen zählt zu den drängendsten und eklatantesten Menschenrechtsverletzungen in Pakistan – auch weil der Staat (v. a. Militär/Nachrichtendienste, insb. ISI) oftmals als Täter auftritt und seiner Schutzverantwortung nicht gerecht wird. Extralegale Tötungen kommen vor allem in Form von polizeilichen Auseinandersetzungen vor, d. h. bei Zusammenstößen zwischen mutmaßlichen Straftätern, Militanten oder Terroristen und der Polizei oder paramilitärischen Sicherheitskräften, die mit dem Tod des mutmaßlich Straffälligen enden. Willkürliche Festnahmen kommen insbesondere aufgrund der weit verbreiteten Korruption innerhalb der Polizei vor. Selbst bei offensichtlich unbegründeten Beschuldigungen kann eine lange Inhaftierung erfolgen, ohne dass es dabei zu einer Haftprüfung kommt. Als Beispiel hierfür dienen die Blasphemie-Fälle (AA 29.9.2020).
Der Einsatz von Verschwindenlassen zur Bestrafung von Dissens kommt immer verbreiteter zur Anwendung, wobei auch schon Menschen von Geheimdiensten am helllichten Tag aus städtischen Zentren entführt wurden. In den vergangenen Jahren gehörten zu den Opfern des gewaltsamen Verschwindenlassens Menschenrechtsverteidiger, politische Aktivisten, Studenten und Journalisten, die außerhalb ihrer Gemeinschaften kaum bekannt waren (AI 7.4.2021; vgl. HRCP 4.2020).
Terroristische Gewalt und Menschenrechtsverletzungen durch nichtstaatliche Akteure tragen ebenfalls zu Menschenrechtsproblemen bei - wenn auch in geringerem Maße als vor 2020. Nichtsdestotrotz tragen Gewalt, Missbrauch sowie soziale und religiöse Intoleranz durch militante Organisationen und andere nichtstaatliche Akteure, zu einer Kultur der Gesetzlosigkeit bei. Es mangelte an staatlicher Rechenschaftspflicht, und Übergriffe bleiben oft ungestraft, was eine Kultur der Straflosigkeit unter den Tätern - ob offiziell oder inoffiziell - fördert. Die Behörden bestrafen nur selten Regierungsbeamte für Menschenrechtsverletzungen (USDOS 30.3.2021).
Ein eigenständiges Ministerium für Menschenrechte wurde im Jahr 2015 neu eingerichtet. Die ständigen Ausschüsse des Senats und der Nationalversammlung für Recht, Justiz, Minderheiten und Menschenrechte führen Anhörungen zu einer Reihe von Menschenrechtsproblemen durch (USDOS 30.3.2021).
Die COVID-19-Pandemie stellt die wirtschaftliche und soziale Lage im Land vor neue Herausforderungen. In diesem Zusammenhang wird das Vorgehen gegen Beschäftigte im Gesundheitssektor genannt. Nach friedlichen Protesten wegen der Zustände in den Krankenhäusern wurden mehrere Dutzend Personen für mehrere Stunden vorübergehend festgenommen: allein am 6. April 2020 etwa mehr als 50 Menschen nach friedlichen Protesten in Quetta (Belutschistan). Auch war diese Personengruppe an ihrem Arbeitsplatz gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt. Des Weiteren wird die Verfolgung von religiösen Minderheiten nach den Blasphemiegesetzen genannt, sowie die von nichtstaatlichen Akteuren verübten, strafrechtlich häufig nicht verfolgten, gewaltsamen Übergriffe aus religiösen Motiven oder wegen des Geschlechts (BAMF 19.4.2021).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf, Zugriff 30.4.2021
? AI - Amnesty International (7.4.2021): Pakistan 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048601.html, Zugriff 22.4.2021
? BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (19.4.2021). Briefing Notes, https://www.ecoi.net/de/dokumentensuche/?asalt=ab7209f5eb&country%5B%5D=pak&countryOperator=should&srcId%5B%5D=11010&srcIdOperator=should&useSynonyms=Y&sort_by=origPublicationDate&sort_order=desc, Zugriff 14.5.2021
? HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Rights-in-2019-20190503.pdf, Zugriff 30.4.2021
? HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043507.html, Zugriff 10.3.2021
? USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html, Zugriff 22.4.2021
Haftbedingungen
Letzte Änderung: 24.06.2021
Die Bedingungen in den Gefängnissen sind oft extrem schlecht. Überbelegung bleibt ein ernstes Problem, vor allem aufgrund struktureller Probleme im Strafrechtssystem, die wiederum zu einer hohen Rate an Untersuchungshäftlingen führen. Nach Angaben der Strafvollzugsbehörden waren im August 2020 landesweit 82.139 Gefangene in 116 Gefängnissen inhaftiert. Die vorgesehene Kapazität dieser Gefängnisse beträgt 64.099, womit die Belegung 28% über der Kapazität liegt (USDOS 30.3.2021). Die Gefängnisse in Pakistan sind nach wie vor sehr stark überbelegt, mit einer Belegungsrate von 133,8%. Der Anteil der Untersuchungs- und Strafgefangenen an der gesamten Gefängnispopulation beträgt 62,1%. Überbelegung, unhygienische Bedingungen und schlechte medizinische Einrichtungen für Gefangene blieben ein ständiges Problem, was ihre Anfälligkeit für Tuberkulose, HIV/AIDS und Hepatitis, neben anderen Krankheiten (HRCP 2020). Die Verhältnisse in Pakistans Gefängnissen sind also generell sehr schlecht. Nach Feststellung von UNODC und der NGO HRCP sind die Grundrechte der Strafgefangenen, insbesondere auf körperliche Unversehrtheit und Menschenwürde, nicht gewahrt. Dies gilt besonders für zum Tode verurteilte Strafgefangene. Die medizinische Versorgung ist auch hinsichtlich der Behandlung psychisch kranker Häftlinge unzureichend (AA 29.9.2020). Die unzureichende Ernährung und medizinische Versorgung in den Gefängnissen führt weiterhin zu chronischen Gesundheitsproblemen. Unterernährung bleibt ein Problem, insbesondere für Insassen, die nicht in der Lage sind, ihre Ernährung durch Hilfe von Familie oder Freunden zu ergänzen. In vielen Einrichtungen sind die sanitären Anlagen, die Belüftung, die Beleuchtung und der Zugang zu Trinkwasser unzureichend (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 29.9.2020).
Im Laufe des Jahres 2020 setzten die Gefängnisabteilungen von Punjab, Sindh und Khyber Pakhtunkhwa den Bau ihrer eigenen Gefängnisakademien fort und konzentrierten sich dabei auf moderne Gefängnismanagementtechniken, die die Menschenrechte fördern und gewalttätigem Extremismus entgegenwirken (USDOS 30.3.2021). Es gibt Ombudspersonen für Gefangene, mit einer Zentralstelle in Islamabad und Büros in jeder Provinz. Die Generalinspektoren der Gefängnisse besuchen in unregelmäßigen Abständen die Haftanstalten, um die Bedingungen zu überwachen und Beschwerden zu bearbeiten. Laut Gesetz müssen die Gefängnisbehörden den Gefangenen und Inhaftierten erlauben, sich ohne Zensur bei den Justizbehörden zu beschweren und eine Untersuchung glaubwürdiger Vorwürfe über unmenschliche Bedingungen zu verlangen. Es gibt jedoch Berichte, wonach Gefangene davon absehen, Beschwerden einzureichen, um Vergeltungsmaßnahmen der Gefängnisbehörden zu vermeiden. Internationalen Organisationen wird der Zugang zu Gefängnissen in Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan untersagt (USDOS 30.3.2021).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf, Zugriff 14.4.2021
? HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (2020): State of Human Rights in 2019, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Rights-in-2019-20190503.pdf, Zugriff 14.4.2021
? USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html, Zugriff 14.4.2021
Bewegungsfreiheit
Letzte Änderung: 24.06.2021
Das Gesetz gewährleistet Bewegungsfreiheit im Land sowie uneingeschränkte internationale Reisen, Emigration und Repatriierung. Die Regierung schränkt den Zugang zu bestimmten Gebieten der ehemaligen FATA und Belutschistan aufgrund von Sicherheitsbedenken ein. In einigen Teilen des Landes behindern die Behörden aus Sicherheitsgründen routinemäßig die interne Mobilität (USDOS 30.3.2021).
Es gibt einige gesetzliche Beschränkungen für Reisen und die Möglichkeit, den Wohnsitz, den Arbeitsplatz oder die Hochschuleinrichtung zu wechseln. Die Behörden behindern in einigen Teilen des Landes aus Sicherheitsbedenken routinemäßig Reisen bzw. interne Bewegungen. Das Hauptinstrument zur Einschränkung von Auslandsreisen ist die Exit Control List (ECL), die namentlich genannte Personen von der Nutzung der offiziellen Ausreisepunkte des Landes ausschließt. Sie soll sowohl jene umfassen, die eine Sicherheitsbedrohung darstellen, als auch jene, gegen die ein Gerichtsverfahren läuft. Regelmäßig wird die ECL allerdings als Mittel zur Kontrolle Andersdenkender eingesetzt (FH 3.3.2021).
Die Regierung verbietet Reisen nach Israel. Regierungsangestellte und Studenten müssen vor Reisen ins Ausland ein sogenanntes No-Objection-Certificate einholen, doch von Studenten wird dies selten verlangt. Personen auf der Exit Control List ist es verboten, ins Ausland zu reisen. Diese Liste soll Personen, welche in staatsfeindliche Aktivitäten und Terrorismus involviert sind oder in Verbindung zu einer verbotenen Organisation stehen bzw. jene, gegen die ein Strafverfahren vor höheren Gerichten anhängig ist, von Auslandsreisen abhalten (USDOS 30.3.2021). Die NGO HRCP gibt an, dass Dissidenten und Mitglieder der politischen Opposition, die auf die Exit Control List gesetzt wurden, daran gehindert werden, ins Ausland zu reisen. Offizielle Bewegungsbeschränkungen wurden für Personen verhängt, die an politischen Kundgebungen und Protestkundgebungen teilnahmen. Der visumfreie Kartapur-Korridor, der Gurdwara Darbar Sahib im pakistanischen Punjab mit Dera Baba Nanak im indischen Punjab verbindet, wurde geöffnet (HRCP 4.2020).
Quellen:
? FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2052851.html, Zugriff 9.6.2021
? HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Rights-in-2019-20190503.pdf, Zugriff 10.5.2021
? USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html, Zugriff 10.5.2021
Meldewesen
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