TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/30 L510 2248693-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.11.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

30.11.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
Dublin III-VO Art28 Abs1
Dublin III-VO Art28 Abs2
FPG §76 Abs2 Z3
VwG-AufwErsV §1 Z3
VwG-AufwErsV §1 Z4
VwGVG §35 Abs3

Spruch


L510 2248693-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Tunesien, vertreten durch BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2021, Zl. XXXX , sowie die Anhaltung in Schubhaft, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß Art 28 Abs 1 und 2 Dublin III-VO iVm § 76 Abs 2 Z 3 FPG iVm § 22a Abs 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs 3 BFA-VG iVm Art 28 Abs 2 Dublin III-VO und § 76 Abs 2 Z 3 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

III. Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) gemäß § 35 Abs 3 VwGVG i.V.m. § 1 Z 3 und Z 4 VwG-AufwErsV Aufwendungen in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrenshergang

1. Die beschwerdeführende Partei (bP) stellte bereits am 20.05.2021 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Aufgrund eines EURODAC-Treffers (SK…) wurden Konsultationen mit der Slowakei geführt und erklärte sich die Slowakei am 15.06.2021 für das Verfahren zuständig.

Am 30.06.2021 wurde seitens der EAST-West eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs 1 Z 1 FPG erlassen und die Abschiebung der bP gemäß § 61 Abs 2 FPG für zulässig erklärt, welche am 20.07.2021 in Rechtskraft erwuchs.

Am 01.07.2021 wurde die bP beim Versuch von Österreich widerrechtlich in die Schweiz auszureisen betreten und in Schubhaft genommen.

Am 02.08.2021 wurde sie in die Slowakei abgeschoben.

Spätestens am 20.11.2021 reiste die bP aus der Slowakei kommend widerrechtlich in Österreich ein. Am 20.11.2021 reiste sie widerrechtlich von Österreich nach Deutschland und wurde durch die deutschen Behördenorgane kontrolliert, wobei die Einreise nach Deutschland verweigert wurde (Einreiseverweigerung der Bundesrepublik Deutschland vom 20.11.2021 im Akt). Die bP stellte einen Antrag auf internationalen Schutz. Die bP wurde nach Österreich rücküberstellt.

Am 21.11.2021 wurde in Bezug auf die bP ein Festnahmeauftrag erlassen. Im Zuge der erkennungsdienstlichen Behandlung wurden drei EURODAC-Treffer festgestellt (SK1….vom 02.08.2021, SK1….vom 16.04.2021 und AT1….vom 20.05.2021).

Am 21.11.2021 wurde die bP niederschriftlich einvernommen. Mit 21.11.2021 wurde ein Konsultationsverfahren mit der Slowakei eigeleitet.

2. Mit im Spruch bezeichneten Bescheid des BFA wurde über die bP gemäß Art 28 Abs 1 und 2 der Dublin III-VO iVm § 76 Abs 2 Z 3 FPG iVm § 57 Abs 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Überstellungsverfahrens angeordnet.

3. Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

4. Am 25.11.2021 langte der Verwaltungsverfahrensakt und am 26.11.2021 eine Stellungnahme des BFA bei der GA L510 ein.

5. Diese Stellungnahme wurde der Vertretung der bP mit Schreiben vom 26.11.2021 seitens des BVwG zu Gehör gebracht und die Möglichkeit gegeben, bis 30.11.2021, 12:00 Uhr, eine Stellungnahme abzugeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Die bP führt die im Spruch bezeichnete Verfahrensidentität. Der Verfahrensgang wird zum Inhalt der Feststellungen erhoben. Die Anordnung zur Außerlandesbringung ist nach wie vor aufrecht.

1.2. Die bP ist gesund. Die bP hat in Österreich keinen Wohnsitz. Es liegt keine soziale Verankerung der bP im Bundesgebiet vor. Die bP ist im Besitz von Euro 3,33, --. Die bP geht in Österreich keiner Arbeit nach und hat auch keine Arbeitserlaubnis. Sie kennt niemanden in Österreich, bei dem sie wohnen oder sich Geld ausleihen könnte.

2. Beweiswürdigung

2.1. Die Feststellungen zu 1.1. ergeben sich aus dem Akteninhalt und wurden im Verfahren nicht bestritten.

2.2. Die Feststellungen zu 1.2. ergeben sich aus den niederschriftlichen Angaben der bP im Verfahren. Diese Feststellungen wurden im Verfahren nicht bestritten.

3. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gem. dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gem. dem 7. und 8. Hauptstück des FPG.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Zu A)

Zu Spruchpunkt I. Abweisung der Beschwerde

3.1. Gesetzliche Grundlage:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes idgF lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

§ 77 FPG „Gelinderes Mittel“ idgF lautet:

„§ 77. (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2.

sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder

3.

eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.“

Gemäß Art 28 Dublin III-VO dürfen die Mitgliedstaaten zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, die Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Die Haft hat so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung gemäß dieser Verordnung durchgeführt wird. Die Frist für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs darf, wenn der Asylwerber in Haft ist, einen Monat ab der Stellung des Antrags nicht überschreiten. Der Mitgliedstaat, der das Dublin-Verfahren führt, ersucht in diesen Fällen um eine dringende Antwort, die spätestens zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs erfolgen muss. Die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt, sobald diese praktisch durchführbar ist, spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung mehr hat. Hält der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen nicht ein oder findet die Überstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Wochen statt, wird die Person nicht länger in Haft gehalten.

"Fluchtgefahr" definiert Art 2 lit n Dublin III-VO als das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte.

§ 22a BFA-VG idgF lautet:

„§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

3.2. Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art 2 Abs 1 Z 7 PersFrBVG und des Art 5 Abs 1 lit f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, "dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig" (VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527).

3.3. Zum gegenständlichen Verfahren:

Der Sicherungsbedarf und die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft sind nach Ansicht des BVwG gegeben.

Gegenständlich wurde eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs 1 Z 1 FPG rechtskräftig erlassen und die Abschiebung der bP in die Slowakei gemäß § 61 Abs 2 FPG für zulässig erklärt. Am 02.08.2021 wurde die bP in die Slowakei abgeschoben. Gemäß § 61 Abs 2 FPG bleibt eine derartige Anordnung binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht, weshalb diese noch bis 02.02.2032 Gültigkeit hat. Da die bP laut eigenen Angaben am 20.11.2021 von der Slowakei nach Österreich einreiste, steht fest, dass sie während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist, womit § 76 Abs 3 Z 2 FPG erfüllt ist.

Die bP wartete bereits schon einmal den Ausgang des Verfahrens in der Slowakei nach ihrem Asylantrag vom 16.04.2021 nicht ab und reiste illegal in Österreich ein, wo sie am 20.05.2021 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz stellte. In weiterer Folge versuchte sie in die Schweiz weiter zu reisen. Mit 02.08.2021 stellte sie nach ihrer Überstellung einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz in der Slowakei. Abermals wartete sie das Verfahren nicht ab, sondern entzog sich diesem Verfahren durch die nunmehrige illegale Einreise in Österreich, womit § 76 Abs 3 Z 3 FPG erfüllt ist.

Aufgrund des vorliegende Sachverhaltes ist die Zuständigkeit der Slowakei in Bezug auf das Verfahren die bP betreffend anzunehmen. Die Slowakei erklärte sich bereits schon einmal am 15.06.2021 gemäß Art 18 (1) der Dublin III-VO für zuständig, woraufhin die bP mit 02.08.2021 überstellt wurde und in der Slowakei einen erneuten Antrag auf internationalen Schutz stellte. Es steht auch fest, dass die bP nach ihrer aktuellen Einreise nach Österreich versuchte nach Deutschland weiter zu reisen (Einreiseverweigerung der Bundesrepublik Deutschland vom 20.11.2021).

Aufgrund des bisherigen Verhaltes der bP ist es als wahrscheinlich anzunehmen, dass sie die Weiterreise in einen dritten Mitgliedsstaat beabsichtigt, wie sie es bereits schon mehrmals versucht hat und nicht beabsichtigt, in Österreich zu verbleiben. Ihre diesbezüglichen Angaben in ihrer Niederschrift, dass sie in Österreich bleiben wolle, sind vor dem Hintergrund des Gesamtverhaltens der bP als Schutzbehauptung zu werten. Somit liegen auch die Voraussetzungen von § 76 Abs 3 Z 6a, 6b und 6c vor.

Aufgrund der obigen Feststellungen zur nicht vorhandenen sozialen Verankerung, des nicht Bestehens familiärer Anknüpfungspunkte, der Nichtausübung einer legalen Erwerbstätigkeit in Österreich, des Fehlens ausreichender Existenzmittel sowie des Nichtvorliegens eines gesicherten Wohnsitzes, sind auch die Voraussetzungen des § 76 Abs 3 Z 9 FPG erfüllt.

Von erheblicher Fluchtgefahr war somit auszugehen.

3.4. Die Anordnung eines gelinderen Mittels führt nach Ansicht des BVwG nicht zu einer ausreichenden Sicherung der Durchführbarkeit der Abschiebung. Es ist nicht gesichert, dass die bP für die Behörde erreichbar wäre und sie nicht untertauchen würde. Es ist aufgrund des Gesamtverhaltens der bP nicht glaubhaft, dass die bP nicht aus Österreich ausreisen möchte. Auch eine familiäre Bindung, die unter Umständen Halt bieten könnte, ist in Österreich nicht vorhanden. Unter Berücksichtigung aller Umstände ist das BFA daher zutreffend davon ausgegangen, dass mit der Anordnung gelinderer Mittel das Auslangen nicht gefunden werden kann.

3.5. Die gegenständlich verhängte Schubhaft erweist sich daher auch als "ultima ratio" und es wird die Schubhaft weiterzuführen sein. Auf Grund des zuvor Ausgeführten ergibt sich, dass sowohl Sicherungsbedarf, als auch Verhältnismäßigkeit gegeben sind und die Anwendung eines gelinderen Mittels nicht als erfolgversprechend zu beurteilen war. In diesem Sinne ist auch das Kriterium der "ultima ratio" im vorliegenden Schubhaftverfahren gegeben.

Zu Spruchpunkt II. Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft

3.6. Die getroffene Feststellung und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihren Zukunftsbezug keine die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernden Umstände erkennen. Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen weiter vorliegen.

Zu Spruchpunkt III. Kosten

3.7. Da das BFA vollständig obsiegte, steht ihm nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz ihrer Aufwendungen zu. Die Höhe der zugesprochenen Verfahrenskosten stützt sich auf die im Spruch des Erkenntnisses genannten gesetzlichen Bestimmungen.

Absehen von einer mündlichen Beschwerdeverhandlung

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt konnte gegenständlich aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt erachtet werden.

Die Beschwerde wendet sich im Wesentlichen auch gegen die rechtliche Beurteilung, welche gegenständlich keiner Erörterung im Rahmen einer Verhandlung bedurfte.

Es konnte daher davon ausgegangen werden, dass der Sachverhalt als hinreichend geklärt erachtet werden und eine Verhandlung entfallen konnte.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Außerlandesbringung Ausreisewilligkeit Dublin III-VO Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel illegale Einreise Kostenersatz Mittellosigkeit öffentliche Interessen Schubhaft Sicherungsbedarf Überstellung Ultima Ratio Untertauchen Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:L510.2248693.1.00

Im RIS seit

01.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten