TE Bvwg Beschluss 2022/1/21 W131 2250655-1

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Veröffentlicht am 21.01.2022
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Entscheidungsdatum

21.01.2022

Norm

BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §342 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs2
BVergG 2018 §351 Abs1
BVergG 2018 §351 Abs3
BVergG 2018 §351 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W131 2250655-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag Reinhard GRASBÖCK als Einzelrichter iZm dem Nachprüfungsverfahren betreffend das Vergabeverfahren der Auftraggeberin Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft (= AG) mit der Bezeichnung „Offenes Verfahren – Bauauftrag im Unterschwellenbereich Vergabeverfahren „A10 Tauern Autobahn – Sanierung Ankerungen L25, Pfeiler 0 bis 5 (inkl. Ankerwände)“ Verfahren-ID 71352“ aufgrund des Antrags der anwaltlich vertretenen Antragstellerin (=ASt), der Bietergemeinschaft bestehend aus 1. der XXXX und 2. der XXXX auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung (= eV), folgenden Beschluss:

A)

Dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung,

mit einstweiliger Verfügung dem Auftraggeber für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens (in eventu: für die Dauer von sechs Wochen) als vorläufige Maßnahme die Zuschlagserteilung im gegenständlichen Vergabeverfahren untersagen,

wird im Punkte des Primärbegehrens stattgegeben und wird hiermit der Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens zur Anfechtung der Zuschlagsentscheidung, wie derzeit beim Bundesverwaltungsgericht zur Verfahrenszahl W131 2250655-2 protokolliert, untersagt, den Zuschlag im offenen Vergabeverfahren betreffend den Bauauftrag im Unterschwellenbereich mit der Bezeichnung „A10 Tauern Autobahn – Sanierung Ankerungen L25, Pfeiler 0 bis 5 (inkl. Ankerwände)“ Verfahren-ID 71352“ zu erteilen.

B)

Die Revision gegen ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. In dem im Entscheidungskopf ersichtlichen offenen Vergabeverfahren wurde eine Zuschlagsentscheidung versandt, nach welcher der XXXX (= MB) der Zuschlag erteilt werden soll.

2. Die Antragstellerin (= ASt) brachte gegen diese Entscheidung einen Nachprüfungsantrag ein und stellte das im Spruch zitierte Sicherungsbegehren.

Zur Begründung des Sicherungsantrags führte die ASt insb auch wie folgt aus:

Der Antragstellerin droht Schaden in Form der bislang durch das Vergabeverfahren im Vertrauen auf dessen rechtskonforme Durchführung entstandenen und der noch entstehenden

Kosten sowie des Weiteren in Form der entgangenen Geschäftsmöglichkeit:

a) Die bisher entstandenen Kosten für die Angebotserstellung beziffert die Antragstellerin (unpräjudiziell für einen allfälligen Zivilprozess) – ausgehend von durchschnittlich EUR 75,00 pro Mannstunde (Projektleiter/Techniker) und rund 170 geleisteten Stunden – mit rund EUR 12.750,00. Unter Berücksichtigung von Büroaufwand, etwa für Schreibarbeiten, Papier und Bürogeräte, sowie Reisekosten ergibt sich ein Gesamtaufwand für die Angebotserstellung von rund EUR 14.000,00. Dazu kommen bislang nicht bezifferbare Kosten der Rechtsberatung, die unpräjudiziell auf rund EUR 10.000,00 geschätzt werden müssen. Zudem müssen die Pauschalgebühren entrichtet werden (wenn diese auch bei Obsiegen ersetzt werden).

b) Darüber hinaus hat der den Gegenstand der Ausschreibung bildende Auftrag – neben dem mit diesem für die Antragstellerin erzielbaren Gewinn – besonderen Wert für die Antragstellerin als Referenzauftrag für zukünftige Bewerbungen bei anderen Vergabeverfahren desselben Auftraggebers, aber auch anderer Auftraggeber. Auch der Verlust des Referenzprojekts und negative Auswirkungen auf die Marktstellung drohen der Antragstellerin bzw. jedem ihrer Mitglieder daher als Schaden.

3. Die AG, vertreten durch die ASFINAG Bau Management GmbH, und die MB brachten verfahrensökonomisch sachorientiert nichts gegen das Sicherungsbegehren vor.

Die AG hat obiter betreffend die ihr bis zum 27.01.2022 gesetzte Frist zur Stellungnahme zum Nachprüfungsantrag insoweit auch um eine ihr am 19.01.2022 vom Gericht zugestandene nunmehr bis 27.01.2022 verlängerte Frist für die Vorlage der Unterlagen des Vergabebverfahrens ersucht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Der Verfahrensgang wird mit den darin festgehaltenen Vergabeverfahrenstatsachen als entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt; und ergibt sich dieser aus dem Inhalt der Verfahrensakten W131 2250655-1 [eV - Verfahren], -2 [Nachprüfungsverfahren] und -3 [Pauschalgebührenersatzverfahren].

1.2. Es wurde kein substantiiertes Vorbringen erstattet, das gegen das begehrte Zuschlagsverbot sprechen würde. Die von der ASt als (dohender) Schaden benannten Nachteile erscheinen dem Grunde nach plausibel und wurden nicht substantiiert bestritten

1.3. Der Zuschlag ist noch nicht erteilt.

Dz ist gerichtnotorisch noch nicht ersichtlich, dass das gegenständliche Nachprüfungsverfahren (wesentlich) länger als bis zum Ablauf der sechswöchigen Entscheidungsfrist gemäß § 348 BVergG dauern sollte.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt und Verfahrensgang ergeben sich unstrittig aus den Gerichtsakten samt vorgelegten Vergabeunterlagen.

Dass dz keine (wesentlich) längere als sechswöchige Verfahrensdauer des Nachprüfungsverfahrens absehbar ist, erscheint notorisch; und wurde zudem insoweit auch nichts Gegenteiliges behauptet.

Dass mangels Zuschlagsverbots derzeit ein Referenzauftragsentgang und sonstige finanzielle Nachteile mangels Auftragserhalts bei der ASt drohen, ist glaubhaft und wurde nicht substantiiert bestritten.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Im Wege einer Grobprüfung der Antragslegitimation der ASt zur Stellung eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 (= BVergG) zu prüfen, ob der ASt die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG nicht offensichtlich fehlen. Diese Grobprüfung ergibt, dass sich das Verfahren in einem Stadium vor Zuschlagserteilung befindet, dass die Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung – nämlich einer Zuschlagsentscheidung – behauptet wird, dass die ASt ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich des BVergG 2018 (= BVergG) unterliegenden Vertrags behauptet hat, sowie dass der ASt durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden drohen könnte.

3.1.2. Die Rechtsschutzanträge der ASt erfüllen – soweit im Provisorialverfahren ersichtlich und bislang unstrittig – grundsätzlich auch die Zulässigkeitsvoraussetzungen, zumal effektiver Rechtsschutz gemäß der RL 89/665/EWG idgF zu gewährleisten ist. Insb wurden mittlerweile auch 4862,00 Euro an Pauschalgebühren gemäß der Verordnung BGBl II 2018/212 (inklusive des nachbezahlten Rundungsbetrags von 50 Cent gemäß § 340 Abs 1 Z 8 BVergG) entrichtet.

Die Vergabekontrollzuständigkeit des BVwG ist unbestritten.

3.2. Inhaltlich zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung

3.2.1. Gemäß § 350 Abs 1 BVergG hat das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

Gemäß § 351 Abs 1 BVergG hat das Bundesverwaltungsgericht vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

Gemäß § 351 Abs 3 BVergG können mit einer einstweiligen Verfügung das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

3.2.2. Bei Abwägung aller möglicherweise geschädigten Interessen der Antragstellerin, der sonstigen Bieter und der Auftraggeber, eines allfälligen besonderen öffentlichen Interesses an der Fortführung des Vergabeverfahrens sowie des öffentlichen Interesses an der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter (VfGH 15.10.2001, B 1369/01) erscheint die hier erlassene einstweilige Verfügung des gelindeste zum Ziel führende notwendige Sicherungsmittel, nachdem die finanziellen Interessen und das Referenzauftragsinteresse der ASt plausibel sind und diese Interessen nicht substantiiert bestritten wurden; und zudem eine Nachprüfungsverfahrensdauer von (erheblich) mehr als sechs Wochen derzeit nicht absehbar ist. Dies insb auch deshalb, weil nach der hier angelegten Auffassung die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrags derzeit auch nicht evident fehlen bzw selbiges auch nicht behauptet wurde.

Die AG und die MB haben sich idS nicht substantiiert gegen eine einstweilige Verfügung ausgesprochen.

Haben zudem andere Bieter ident wie die Auftraggeberseite im Vergabeverfahren mit einer einstweiligen Verfügung in einem diesbezüglichen Nachprüfungsverfahren für zumindest sechs Wochen iSv § 348 BVergG zu rechnen, wie dies insb auch § 131 Abs 4 BVergG mit der dort ex lege vorgesehenen Verlängerung der Zuschlagsfrist für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens zeigt, können auch die Interessen anderer Bieter die Interessen der ASt an der eV insoweit nicht überwiegen.

Durch die mangels Bestreitung iSd § 336 BVergG grundsätzlich vorliegende Akzeptanz des Sicherungsbegehrens durch die Auftrageberseite sprechen auch keine besonderen öffentlchen Interessen gegen die eV im stattgebenden Umfang, soweit hinsichtlich der dz erwartbaren Verfahrensdauer absehbar.

B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision war gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zuzulassen, weil die gegenständliche Entscheidung eine Einzelfallentscheidung vor dem Hintergrund von Einzelfallparteivorbringen und diesbezüglich einer tatsachenmäßigen Interessensabwägung in diesem speziellen Einzelfall darstellt, ohne dass insoweit grundsätzliche Rechtsfragen aufgeworfen werden.

Schlagworte

Bauauftrag Bietergemeinschaft Dauer der Maßnahme einstweilige Verfügung Entscheidungsfrist Interessenabwägung Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren öffentliche Interessen Provisorialverfahren Schaden Untersagung der Zuschlagserteilung Vergabeverfahren Zuschlagsverbot für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2022:W131.2250655.1.00

Im RIS seit

01.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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