TE Vwgh Erkenntnis 1996/9/26 95/19/0576

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Veröffentlicht am 26.09.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §4 Abs1;
AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §59 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/19/0577

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerden 1. der M, 2. des A, beide vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 6. April 1995,

1. Zl. 300.577/3-III/11/95 und 2. Zl. 300.577/2-III/11/95, jeweils betreffend Aufenthaltbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 6. April 1995 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde in den angefochtenen Bescheiden im wesentlichen gleichlautend aus, daß die Beschwerdeführer keiner Erwerbstätigkeit nachgingen. Ihr Unterhalt solle allein durch Zuwendungen Dritter aufgebracht werden. Eine solche Finanzierung des Aufenthaltes der Beschwerdeführer durch Dritte ohne Gegenleistung sei aber nicht glaubwürdig und auch nicht geeignet, die dauernde Sicherung des Lebensunterhaltes der Beschwerdeführer im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG zu gewährleisten, zumal eine Verpflichtungserklärung täglich widerrufen werden könne. Aufgrund der Aktenlage sei ersichtlich, daß für jeden der beiden Beschwerdeführer jeweils bereits vier Personen Verpflichtungserklärungen abgegeben hätten. Dies sei ein weiterer Grund für die mangelnde Glaubwürdigkeit und die mangelnde Eignung dieser Verpflichtungserklärungen, die dauernde Sicherung des Lebensunterhaltes der Beschwerdeführer zu gewährleisten. Schließlich hätten die Beschwerdeführer auch keinen Nachweis "über die tatsächliche Höhe der Zuwendungen" erbracht.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerden. Die Beschwerdeführer machen erkennbar Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, die Bescheide aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die Beschwerden als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen, persönlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Hinblick darauf, daß § 4 Abs. 1 AufG im Spruch der angefochtenen Bescheide nicht erwähnt ist, und nach dem Aufbau der Begründung derselben ist davon auszugehen, daß die belangte Behörde keine eigenständigen Ermessensentscheidungen getroffen, sondern sich ausschließlich auf § 5 Abs. 1 AufG gestützt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. November 1995, Zl. 95/18/0765).

In Ansehung der grundsätzlichen Eignung einer Unterhaltsleistungen umfassenden Verpflichtungserklärung, den Unterhalt des Fremden für die Dauer seines Aufenthaltes in Österreich im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG zu sichern, wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/19/0612, verwiesen.

Zu den von der belangten Behörde im vorliegenden Fall konkret dargelegten Gründen für ihre Annahme der mangelnden Glaubwürdigkeit und Eignung der hier vorgelegten Verpflichtungserklärungen zur dauernden Sicherung des Unterhaltes der Beschwerdeführer ist folgendes auszuführen:

Im Verfahren über die hier gegenständlichen Anträge auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung vom 20. Oktober 1994 haben die Beschwerdeführer zunächst die Verpflichtungserklärung jeweils einer Person (die Erstbeschwerdeführerin die ihrer Tante, der Zweitbeschwerdeführer die seines Schwiegersohnes) vorgelegt. Dabei handelte es sich - im Gegensatz zu den Darlegungen im angefochtenen Bescheid - um "unwiderrufliche" Erklärungen. Erst nachdem die erstinstanzliche Behörde diese Verpflichtungserklärungen als nicht tragfähig erachtete, legten die Beschwerdeführer je eine weitere Verpflichtungserklärung (die Erstbeschwerdeführerin ihres Cousins, der Zweitbeschwerdeführer einer dritten Person) vor.

Die in den angefochtenen Bescheiden jeweils erwähnten zwei weiteren Personen haben ihre jeweiligen Verpflichtungserklärungen nicht im Verfahren über den gegenständlichen Verlängerungsantrag, sondern im Zusammenhang mit den von den Beschwerdeführern jeweils am 25. August 1993 und am 13. Mai 1994 gestellten Voranträgen abgegeben. Im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde spricht die Tatsache, daß diese Personen ihre Verpflichtungserklärungen mit Ablauf der Aufenthaltsbewilligung, für die sie abgegeben wurden, nicht verlängert haben, eher für als gegen deren Glaubwürigkeit. Wären die Erklärungen bloß zum Schein abgegeben worden, bestünde gegen ihre Erneuerung (Verlängerung) wohl wenig Skrupel. In diesem Zusammenhang hat es die belangte Behörde auch unterlassen, sich mit dem Berufungsvorbringen der Beschwerdeführer auseinanderzusetzen, sie unterstützten im Gegenzug zur Übernahme der Unterhaltsverpflichtung ihre Angehörigen und Freunde bei privaten Besorgungen oder bei der Beaufsichtigung ihrer Kinder.

Wenn die belangte Behörde meint, die Beschwerdeführer hätten es unterlassen, einen Nachweis über die tatsächliche Höhe der Zuwendungen zu erbringen, ist ihr zunächst entgegenzuhalten, daß der Umfang der Übernahme der Unterhaltspflicht in den gegenständlichen Verpflichtungserklärungen "uneingeschränkt", also den gesamten Unterhaltsbedarf umfassend, ist. Durch die Vorlage dieser Verplichtungserklärungen sind die Beschwerdeführer ihrer Obliegenheit, verfügbare Unterhaltsmittel initiativ nachzuweisen, nachgekommen. Zum Nachweis der tatsächlichen Erbringung von Unterhaltsleistungen durch diese Personen an die Beschwerdeführer hat die belangte Behörde letztere nicht aufgefordert.

Das Argument der erstinstanzlichen Behörde, das konkrete Einkommen der Personen, deren Verpflichtungserklärung im erstinstanzlichen Verfahren jeweils vorgelegt wurde, sei zur Sicherung des Unterhaltes der Beschwerdeführer nicht ausreichend, hat die belangte Behörde nicht übernommen. Es erscheint auch anhand der von der erstinstanzlichen Behörde angenommenen Nettoeinkommen von S 10.000,--( Tante der Erstbeschwerdeführerin) und S 12.700,--(Schwiegersohn des Zweitbeschwerdeführers) unter Zugrundelegung der Wiener Sozialhilfeverordnung für das Jahr 1995, LBGl. Nr. 68/1994, in dieser Form nicht tragfähig, selbst wenn man die von diesen Personen getrennte Haushaltsführung der Beschwerdeführer berücksichtigt. Überdies ließ die belangte Behörde unbeachtet, daß die beiden Beschwerdeführer nach dem Berufungsvorbringen MITEINANDER in gemeinsamem Haushalt leben. Aus all diesen Erwägungen fällt der belangten Behörde ein Verstoß gegen die Begründungspflicht gemäß § 58 Abs. 2 iVm § 67 AVG zur Last.

Überdies ist bei einer auf den Versagungsgrund des nicht gesicherten Lebenunterhaltes gestützten Entscheidung eine Bedachtnahme auf die privaten und familiären Interessen des Bewilligungswerbers derart geboten, daß eine Versagung der Bewilligung nur zulässig ist, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 MRK umschriebenen öffentlichen Interessen notwenig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1996, Zl. 95/19/0686-0691).

Obwohl die Beschwerdeführer in ihrer Berufung vorbrachten, als Ehegatten seit Mitte 1992 durchgehend mit gültigen Sichtvermerken bzw. Aufenthaltsbewilligungen im Bundesgebiet zusammenzuleben, hat die belangte Behörde die gebotene Interessenabwägung gänzlich unterlassen.

Sie hat hiedurch ihre Bescheide mit - gegenüber der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften prävalierender - inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, sodaß diese gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben waren.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Umsatzsteuer ist im Pauschalbetrag für den Ersatz des Schriftsatzaufwandes bereits enthalten (vgl. die bei Dolp, Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 687, wiedergegebene Judikatur).

Schlagworte

Spruch und Begründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995190576.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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