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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §10 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. November 1995, Zl. 303.916/2-III/11/95, betreffend Zurückweisung einer Berufung i.A. Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte am 12. April 1995 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Im Verfahren vor der erstinstanzlichen Behörde - dem Landeshauptmann von Wien - gab der Beschwerdeführer unter Vorlage einer entsprechenden Vollmachtsurkunde bekannt, er habe einen bestimmten Rechtsanwalt (den nunmehrigen Beschwerdevertreter) mit seiner Vertretung bevollmächtigt, und ersuchte unter Hinweis auf § 8 RAO um Kenntnisnahme. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 12. Mai 1995 wurde der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Die Zustellung des Bescheides wurde an den Beschwerdeführer persönlich verfügt und erfolgte nach dem Ausweis des Rückscheines durch Hinterlegung beim Zustellpostamt W. Beginn der Abholfrist war der 24. Mai 1995.
Am 25. August 1995 beantragte der Beschwerdeführer, diesen Bescheid seinem ausgewiesenen Rechtsvertreter zuzustellen, und verwies in diesem Zusammenhang unter anderem auf die im erstinstanzlichen Verfahren erfolgte Mitteilung der Bevollmächtigung seines Rechtsanwaltes. Diesem Antrag entsprach die erstinstanzliche Behörde, indem sie den Bescheid vom 12. Mai 1995 nunmehr an den Rechtsanwalt des Beschwerdeführers zustellte. Diese Zustellung erfolgte am 31. August 1995.
Mit einem am 12. September 1995 zur Post gegebenen Schriftsatz erhob der Beschwerdeführer Berufung gegen den Bescheid vom 12. Mai 1995.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung zurück. Begründend führte sie aus, Berufungen seien gemäß § 63 Abs. 5 AVG binnen zwei Wochen nach erfolgter Zustellung einzubringen. Da die Zustellung rechtswirksam am 23. Mai 1995 erfolgt sei, habe die am 12. September 1995 zur Post gegebene Berufung die Frist des § 63 Abs. 5 AVG nicht gewahrt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltende machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Ist eine im Inland wohnende Person gegenüber der Behörde zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigt, so hat die Behörde aus dem Grunde des § 9 Abs. 1 ZustellG, sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, diese Person als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, gilt die Zustellung in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist. Durch die Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes zur Vertretung im Verwaltungsverfahren wird dieser auch Zustellbevollmächtigter im Sinne des § 9 ZustellG (vgl. die in Hauer-Leukauf, Handbuch des Verwaltungsverfahrens4, S. 1188, wiedergebene Judikatur). Gemäß § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG ersetzt die Berufung eines Rechtsanwaltes auf die ihm erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis. Im vorliegenden Fall hat sich der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers schon im erstinstanzlichen Verfahren auf die Erteilung einer Vollmacht berufen. Die nach dem Inhalt des Rückscheines am 24. Mai 1995 erfolgte Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an den Beschwerdeführer persönlich entfaltete daher keine Rechtswirksamkeit. Erst durch die Zustellung des Bescheides an den Rechtsanwalt des Beschwerdeführers am 31. Mai 1995 wurde die Berufungsfrist des § 63 Abs. 5 AVG in Gang gesetzt. Die am 12. September 1995 zur Post gegebene Berufung war daher fristwahrend.
Indem die belangte Behörde rechtsirrtümlich davon ausging, die Zustellung sei rechtswirksam am 23. Mai 1995 erfolgt, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung wäre lediglich die Einbringung der Beschwerde in zweifacher Ausfertigung sowie die Vorlage einer Kopie des angefochtenen Bescheides und zweier Kopien der Auskunft des Postamtes W erforderlich gewesen.
Schlagworte
Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995191947.X00Im RIS seit
20.11.2000