TE Vwgh Erkenntnis 1996/9/26 95/19/0870

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Veröffentlicht am 26.09.1996
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs5;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde der O in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. August 1995, Zl. 302.461/2-III/11/95, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Berufung i.A. Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 6. Juli 1994 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gemäß § 6 Abs. 2 dieses Gesetzes abgewiesen. Nach dem Inhalt des Rückscheines erfolgte die Zustellung dieses Bescheides nach einem Zustellversuch am 14. Juli 1994 durch Hinterlegung beim Postamt 1100 Wien. Beginn der Abholfrist war der 14. Juli 1994.

Mit einer am 2. August 1994 bei der erstinstanzlichen Behörde persönlich überreichten Eingabe erhob die Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid Berufung.

Mit dem der Beschwerdeführerin am 23. März 1995 zugestellten Bescheid der belangten Behörde vom 14. März 1995 wurde diese Berufung als verspätet zurückgewiesen.

Mit ihrer am 7. April 1995 beim Landeshauptmann von Wien eingelangten Eingabe beantragte die Beschwerdeführerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen den Bescheid vom 6. Juli 1994. Sie habe keine Anzeige der am 14. Juli 1994 erfolgten Hinterlegung dieses Bescheides vorgefunden. Die Postzustellung an ihrer Wohnadresse gestalte sich als schwierig, weil es dort keinen Postkasten gebe, weshalb Zustellbenachrichtigungen immer wieder verloren gingen. Die Beschwerdeführerin habe in der Folge den erstinstanzlichen Bescheid behoben, dieser habe die Rechtsmittelbelehrung enthalten, daß eine Berufung innerhalb von vierzehn Tagen zulässig sei. Die Beschwerdeführerin sei davon ausgegangen, daß diese Frist ab Behebung der Sendung zu laufen beginne.

Die Beschwerdeführerin sei daher durch "zwei unabwendbare und unvorhergesehene Ereignisse" an der rechtzeitigen Erhebung der Berufung gehindert worden, wobei ihr allenfalls ein minderer Grad des Versehens vorgeworfen werden könne, zumal sie weder der deutschen Sprache noch des Lesens kundig sei und die Rechtsmittelbelehrung überdies mangelhaft gewesen sei.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. August 1995 wurde dieser Antrag gemäß § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, mangelnde Rechtskenntnis oder das Vorliegen eines Rechtsirrtums seien nicht als unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignisse zu werten. Dies ergebe sich schon daraus, daß die rein subjektive Beurteilung einer bestimmten Rechtslage den Berufungswerber nicht von seiner Obliegenheit entbinden könne, sich über die maßgebliche Rechtslage zu informieren. Auch mangelnde Kenntnisse der deutschen Sprache könnten nicht als Wiedereinsetzungsgrund gewertet werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerdeführerin macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragte, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin macht geltend, daß die belangte Behörde die Begründungspflicht gemäß §§ 58 Abs. 2, 60 i.V.m. 67 AVG verletzt habe, weil sie es unterlassen habe, auf das konkrete Antragsvorbringen einzugehen.

Die Pflicht, einen Bescheid schlüssig zu begründen, stellt keinen Selbstzweck dar. Ein Begründungsmangel führt daher nur dann zur Bescheidaufhebung, wenn er entweder die Parteien des Verwaltungsverfahrens an der Verfolgung ihrer Rechte oder den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit hindert (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, S. 442, wiedergegebene Judikatur).

Der Umstand, daß die belangte Behörde auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie habe keine Hinterlegungsanzeige vorgefunden, nicht eingegangen ist, hindert den Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht an der Überprüfung der Schlüssigkeit und Rechtzeitigkeit ihres Wiedereinsetzungsantrages.

Gemäß § 71 Abs. 1 AVG ist auf Antrag einer Partei, die durch die Versäumung einer Frist einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder wenn die Partei die Berufungsfrist versäumt hat, weil der Bescheid fälschlich die Angabe enthält, daß keine Berufung zulässig sei. Aus dem Grunde des § 71 Abs. 2 AVG muß der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

Der Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführerin enthält keine präzise Angabe darüber, wann sie den erstinstanzlichen Bescheid behoben hat. Demgemäß ist ihrem Antrag auch nicht zu entnehmen, ob ihre Unkenntnis vom Zustellvorgang selbst oder aber ihr Irrtum über den Beginn des Laufes der Berufungsfrist kausal für deren Versäumung war.

Ersteres wäre der Fall, wenn die Beschwerdeführerin erst nach Ablauf der Berufungsfrist Kenntnis vom Zustellvorgang erlangt hätte. Nur diesfalls könnte der Wiedereinsetzungsantrag auf den erstgenannten Wiedereinsetzungsgrund gestützt werden. Er wäre dann allerdings gemäß § 71 Abs. 2 AVG binnen zwei Wochen nach dem Wegfall dieses Hindernisses, also nach der - spätestens mit der Behebung des Schriftstückes erlangten - Kenntnis vom Zustellvorgang zu stellen gewesen. Da diese Behebung nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag vor der Überreichung der Berufung am 2. August 1994 erfolgt sein mußte, erwiese sich der auf die Unkenntnis vom Zustellvorgang gestützte Wiedereinsetzungsantrag vom 7. April 1995 als verspätet. Seine Abweisung anstelle der gebotenen Zurückweisung stellte keine Rechtsverletzung der Beschwerdeführerin dar.

Ihrem Vorbringen, sie sei der Auffassung gewesen, die Berufungsfrist beginne erst mit der Behebung der Sendung, käme diesfalls lediglich die Bedeutung der Geltendmachung eines schon im Hinblick auf § 71 Abs. 5 AVG unbeachtlichen Grundes für die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist zu.

Ginge man demgegenüber davon aus, daß die Berufungsfrist im Zeitpunkt der Behebung der Sendung durch die Beschwerdeführerin noch offenstand, so wäre nicht die mangelnde Kenntnis vom Zustellvorgang für die Fristversäumung kausal, sondern allein der Rechtsirrtum der Beschwerdeführerin über den Beginn des Laufes der Berufungsfrist.

Vorweg ist festzuhalten, daß die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Unrichtigkeit der im erstinstanzlichen Bescheid enthaltenen Rechtsbelehrung, wonach gegen diesen eine binnen zwei Wochen nach Zustellung einzubringende Berufung zulässig sei, nicht vorliegt.

Es kann hier dahingestellt bleiben, ob mangelnde Rechtskenntnisse oder unterlaufene Rechtsirrtümer als unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignisse zu werten sind, welche grundsätzlich die Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht bilden könnten (vgl. hiezu die hg. Beschlüsse vom 27. Jänner 1994, Zl. 93/15/0238 bis 0241, vom 27. April 1994, Zl. 94/01/0257, 0258, und vom 19. Dezember 1995, Zl. 95/20/0319, 0318, aber auch das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1992, Zl. 91/10/0251).

Jedenfalls wäre die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall verhalten gewesen, im Wiedereinsetzungsantrag darzulegen, bloß aus einem minderen Grad des Versehens gehandelt zu haben. Dieser Obliegenheit ist sie nicht nachgekommen, zumal sie nicht vorbrachte, aus welchen Gründen sie von der Annahme ausging, die Berufungsfrist beginne im Falle einer postalischen Hinterlegung einer Sendung erst ab deren Behebung zu laufen. Hat sie diese Annahme aber völlig grundlos getroffen, so ist es ihr als auffallende Sorglosigkeit anzulasten, wenn sie es unterließ, diese Hypothese durch Einholung einer Auskunft - etwa beim Schalterbeamten aus Anlaß der Abholung der hinterlegten Sendung - einer Überprüfung zuzuführen. Daran war sie durch ihre Unkenntnis der deutschen Sprache nicht gehindert, zumal es ihr freigestanden wäre, sich dabei eines Dolmetschers zu bedienen.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995190870.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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