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L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag NiederösterreichNorm
AVG §59 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger und die Hofrätinnen Mag. Liebhart-Mutzl und Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Revisionsssache des M S in W, vertreten durch die Arnold Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 16. August 2021, VGW-112/072/5641/2021-16, betreffend Erteilung eines baupolizeilichen Auftrages (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; weitere Partei: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 17. März 2021 wurde dem Revisionswerber gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (in der Folge: BO) aufgetragen, den ohne baubehördliche Genehmigung errichteten Zubau auf der Dachterrasse eines in seinem Eigentum befindlichen Gebäudes auf einer näher bezeichneten Liegenschaft in Wien, nämlich eine Aluminium-Glaskonstruktion mit den Maßen von ca. 10 x 4,3 m und einer Höhe von ca. 2,5 m, binnen drei Monaten ab Rechtskraft des Bescheides zu entfernen.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (in der Folge: Verwaltungsgericht) die dagegen erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit der Maßgabe einer näher ausgeführten Spruchmodifizierung als unbegründet ab (I.) und sprach aus, dass dagegen die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (II.).
3 Begründend traf das Verwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensganges zunächst nähere Feststellungen zur Ausführung der vom Revisionswerber als „Lamellenpergola“ bezeichneten Aluminium-Glaskonstruktion, für die eine baubehördliche Bewilligung unbestritten nicht vorliege. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, der in Rede stehende Bauteil stelle eine Änderung gemäß § 60 Abs. 1 lit. c BO am Gebäude selbst dar, da dadurch das äußere Ansehen des Gebäudes geändert werde, und es darüberhinaus denkbar sei, dass der Bauteil aufgrund seines Gewichtes und seines Ausmaßes von Einfluss auf die Festigkeit des Gebäudes und auf die subjektiv-öffentlichen Rechte der Nachbarn sei. Außerdem liege eine bewilligungsfreie Pergola gemäß § 62a Abs. 1 Z 14 BO, wie der Revisionswerber argumentiere, nicht vor. Der verfahrensgegenständliche Bauteil entspreche nicht dem vom Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung geprägten Begriff einer Pergola (wird näher ausgeführt); die Ausnahmebestimmung des § 62a Abs. 1 Z 14 BO sei eng auszulegen.
4 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorbringt, die Veränderung des äußeren Ansehens eines Gebäudes durch die Errichtung einer bewilligungsfreien Baulichkeit im Sinne des § 62a Abs. 1 BO bedeute nicht, dass die Bewilligungsfreiheit verloren gehe; Bauführungen müssten nicht als eigenständige Bauwerke ausgeführt werden, um unter die Bestimmung des § 62a Abs. 1 leg. cit. fallen zu können, und es könnten auch jene Bauvorhaben bewilligungsfrei sein, für die ein wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen erforderlich sei (Verweis jeweils auf näher bezeichnete Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Außerdem habe das Verwaltungsgericht die höchstgerichtliche Rechtsprechung im Zusammenhang mit § 62 Abs. 1 Z 14 BO zu restriktiv ausgelegt und weiche von dieser ab; nicht geprüft worden sei auch, ob der Beseitigungsauftrag auf die Seitenteile hätte beschränkt werden können. Die Entscheidung gehe in ihrer Bedeutung „aufgrund der Vielzahl potenzieller gleichgelagerter Fälle“ weit über den Einzelfall hinaus.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung (vgl. etwa VwGH 2.3.2021, Ra 2019/06/0022, oder auch 13.1.2021, Ra 2020/05/0239, jeweils mwN). Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision führen hätten können, aufzugreifen (vgl. VwGH 26.11.2020, Ra 2020/06/0189, oder auch 31.8.2020, Ra 2020/05/0118, jeweils mwN).
9 Nach den Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis und den Zulässigkeitsausführungen der Revision betrifft die zentrale Frage des Revisionsfalles die Beurteilung, ob es sich bei der in Rede stehenden baulichen Konstruktion auf dem Flachdach des im Eigentum des Revisionswerbers stehenden Gebäudes in Wien um eine - nach § 62a Abs. 1 Z 14 BO bewilligungsfreie - Pergola handelt. Weiters wird die Frage des Verhältnisses von § 62a Abs. 1 Z 14 BO zu § 60 Abs. 1 lit. c leg. cit. aufgeworfen, und bringt die Revision zu ihrer Zulässigkeit vor, um bewilligungsfrei nach § 62a Abs. 1 leg. cit. sein zu können, müsse eine Bauführung nicht als eigenständiges Bauwerk ausgeführt werden und könne auch ein wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen erforderlich sein.
10 In der BO findet sich keine Definition des Begriffes „Pergola“. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz ist unter einer „Pergola“ (= Rankgerüst) im Allgemeinen ein nicht überdeckter Laubengang in einer Gartenanlage zu verstehen, wobei die auf Stützen liegenden Unterzüge ein Gebälk tragen, das von Pflanzen umrankt ist. Entscheidende Funktion einer Pergola ist somit, dass sie als Rankgerüst Pflanzen Halt gewährt. Dieser Funktion dient regelmäßig ein leichter Baustoff, vorzugsweise Holz. Nur ein „Gerüst“, das für das „Ranken“ von Pflanzen erforderlich ist, kann somit als Pergola gelten (vgl. VwGH 27.8.2014, 2013/05/0169; 24.6.2014, 2012/05/0189; 23.8.2012, 2010/05/0170, jeweils mwN). Enthält eine Konstruktion aber einen „Wandteil“, so ist schon aus diesem Grund das Vorliegen einer Pergola zu verneinen, weil eine Seitenwand nicht mehr als „Gerüst“ angesehen werden kann, das Pflanzen lediglich Halt gibt und somit bloß dem „Ranken“ von Pflanzen dient (vgl. nochmals VwGH 27.8.2014, 2013/05/0169).
11 Ob eine bestimmte bauliche Anlage eine „Pergola“ darstellt oder nicht, ist eine Frage des Einzelfalles (vgl. VwGH 29.1.2021, Ra 2020/05/0257; vgl. in diesem Sinn z.B. auch VwGH 29.5.2020, Ra 2020/05/0060 [zu Stützmauern, Nebengebäuden, Zubauten, Balkonen und Loggien nach der Oö. Bauordnung 1994]; VwGH 1.3.2021, Ra 2021/06/0015 und 16.9.2020, Ra 2020/06/0128 [zum „vorspringenden Bauteil im gewöhnlichen Ausmaß“ nach § 4 Z 30 Stmk. BauG]; oder VwGH 28.9.2021, Ra 2020/05/0111 und 17.12.2020, Ra 2018/06/0108 [zum Vorliegen eines Bauwerkes, bzw. dessen Geringfügigkeit nach der NÖ BO bzw. dem Bgld. BauG 1997]; jeweils mwN). Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung könnte in diesem Zusammenhang nur vorliegen, wenn die betreffende Beurteilung durch das Verwaltungsgericht in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. etwa nochmals VwGH 29.1.2021, Ra 2020/05/0257, oder auch 23.7.2021, Ra 2020/06/0047, jeweils mwN).
12 Fallbezogen ist das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit näherer Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich bei der verfahrensgegenständlichen baulichen Anlage im Ausmaß von etwa 10 x 4,3 x 2,5 m aus Metall, Glas und Holz samt einem Boden aus Steinplatten nicht um eine bewilligungsfreie „Pergola“ im Sinne des § 62a Abs. 1 Z 14 BO handelt. Der Revisionswerber bringt dazu in der Zulässigkeitsbegründung der Revision zwar vor, das Verwaltungsgericht habe die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seines Erachtens nach zu restriktiv ausgelegt; eine krasse, vom Verwaltungsgerichtshof als Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzugreifende Fehlbeurteilung des vorliegenden Einzelfalles wird mit dem diesbezüglichen Vorbringen aber weder aufgezeigt, noch ist eine solche angesichts der konkret festgestellten und in der Revision nicht bestrittenen Ausgestaltung der in Rede stehenden baulichen Anlage ersichtlich. Wenn in diesem Zusammenhang außerdem ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behauptet wird, wäre dabei konkret darzulegen gewesen, dass der der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt einer der vom Revisionswerber ins Treffen geführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist (vgl. etwa nochmals VwGH 29.1.2021, Ra 2020/05/0257, mwN).
13 Angesichts des wie dargestellt jedenfalls nicht unvertretbaren Ergebnisses, dass gegenständlich eine baurechtlich bewilligungsfreie Pergola nach § 62a Abs. 1 Z 14 BO nicht vorliegt, erweisen sich die weiteren Fragen der Zulässigkeitsbegründung (nach dem Verhältnis von § 62a Abs. 1 Z 14 BO zu § 60 Abs. 1 lit. c leg. cit. zum eigenständigen Bauwerk bzw. zum wesentlichen Maß an bautechnischen Kenntnissen) nicht als entscheidungsrelevant; das - allfällige - Vorliegen eines anderen bewilligungsfreien Tatbestandes nach § 62a Abs. 1 leg. cit. wurde vom Revisionswerber nicht vorgebracht.
14 Soweit zur Zulässigkeit der Revision außerdem ausführt wird, das Verwaltungsgericht habe nicht geprüft, ob der Beseitigungsauftrag auf die Seitenteile beschränkt hätte werden können, genügt zum einen der Hinweis auf die - unbestritten gebliebene - Ausführung des Verwaltungsgerichtes, die Deckenkonstruktion aus Metalllamellen habe keine Funktion im Zusammenhang mit dem Ranken von Pflanzen; zum anderen setzt die Einschränkung eines Beseitigungsauftrages auf einen Teil einer baulichen Anlage deren rechtliche und tatsächliche Teilbarkeit voraus (vgl. VwGH 23.8.2012, 2010/05/0170). In der Revision wird jedoch nicht einmal behauptet, dass die Deckenkonstruktion von der restlichen baulichen Anlage trennbar wäre.
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 11. Jänner 2022
Schlagworte
Trennbarkeit gesonderter AbspruchEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021050182.L00Im RIS seit
01.02.2022Zuletzt aktualisiert am
01.02.2022