TE Vwgh Erkenntnis 1996/9/26 95/19/0525

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Veröffentlicht am 26.09.1996
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 idF 1995/351 §6 Abs2;
AufG 1992 idF 1995/351 §6 Abs3;
AufG 1992 idF 1995/351 §6 Abs4;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;
FrG 1993 §10 Abs1 Z7;
VwRallg;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 96/19/1259 E 13. Februar 1998

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde der N in E, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Juni 1995, Zl. 114.502/2-III/11/95, betreffend Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 14. Juni 1995 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom 27. Dezember 1994 gemäß § 6 Abs. 2 AufG abgewiesen. Die Beschwerdeführerin habe nach der auf ihren eigenen Angaben beruhenden Aktenlage den Antrag nicht vor der Einreise, mit der ihr derzeitiger Aufenthalt begonnen habe, gestellt. Damit habe sie die Verfahrensvorschrift des § 6 Abs. 2 AufG mißachtet; die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei ausgeschlossen. Auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach ihr für den Zeitraum vom 8. August 1994 bis 31. Jänner 1995 ein gewöhnlicher Sichtvermerk ausgestellt worden sei, sei nicht weiter einzugehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die Beschwerdeführerin tritt der Tatsachenannahme der belangten Behörde, wonach sie den gegenständlichen Antrag nicht vor ihrer Einreise vom Ausland aus gestellt habe, nicht entgegen. Sie verweist allerdings - wie schon im Berufungsverfahren - darauf, daß ihr für den Zeitraum vom 8. August 1994 bis 31. Jänner 1995 ein gewöhnlicher Sichtvermerk erteilt wurde, der sie zur mehrmaligen Einreise in das Bundesgebiet berechtigt habe.

Der belangten Behörde ist zuzubilligen, daß ihre Entscheidung mit dem Gesetzeswortlaut des § 6 Abs. 2 AufG in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 in Einklang steht. Demnach ist der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Einer der durch das Gesetz selbst statuierten Ausnahmefälle liegt nicht vor; die am 27. Juni 1995 erlassene Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 ist schon im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides am 19. Juni 1995 nicht anwendbar.

Dennoch ist die Beschwerdeführerin im Recht, wenn sie die Auffassung vertritt, daß die Erteilung des gewöhnlichen Sichtvermerkes - während seiner Dauer - die Möglichkeit einer Antragstellung im Inland eröffnet. Zweck der Vorschrift des § 6 Abs. 2 AufG ist es, den Mißbrauch von Besuchssichtvermerken bzw. der Berechtigung zur sichtvermerksfreien Einreise zu Besuchszwecken und insbesondere die Umgehung von Einwanderungsvorschriften durch Stellung eines Asylantrages zu verhindern (vgl. RV: 525 BlgNR 18. GP). Auf der gleichen Erwägung beruhen die Bestimmungen des § 10 Abs. 1 Z. 6 und 7 FrG, wonach ein Sichtvermerk zu versagen ist, wenn er an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier, bzw. unter Umgehung der Grenzkontrolle erfolgter Einreise erteilt werden soll.

Dem Gesetzgeber kann nicht zugesonnen werden, das Erfordernis einer Antragstellung vom Ausland aus als sinnentleerten Formalakt konstruiert zu haben. Genau diese Konsequenz würde aber vorliegen, folgte man im gegenständlichen Fall nur dem Wortlaut des Gesetzes. Nach diesem wäre dem Fremden die Antragstellung während der Geltungsdauer des ihm erteilten gewöhnlichen Sichtvermerkes vom Inland aus verschlossen, er müßte aber zum Zwecke der Antragstellung kurzfristig ausreisen und dürfte sodann - ohne Sichtvermerksversagungsgründe nach § 10 Abs. 1 Z. 4, 6 oder 7 FrG zu setzen - wieder in das Bundesgebiet einreisen. Die Statuierung eines derartigen Formalerfordernisses erscheint jedoch mit den oben dargelegten Intentionen der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar. § 6 Abs. 2 AufG ist daher teleologisch dahingehend zu reduzieren, daß diese Bestimmung bei einer Antragstellung während der Dauer eines gewöhnlichen Sichtvermerkes nicht anwendbar ist.

Damit ist der Beschwerdeführerin aber gemäß § 6 Abs. 4 AufG auch vom Inland aus die Möglichkeit der Antragstellung bei der zuständigen Behörde (hier gemäß § 1 der Verordnung über die Vollziehung des Aufenthaltsgesetzes, LGBl. für Niederösterreich 4020/1-0, bei der Bezirkshauptmannschaft Wien/Umgebung) eröffnet. Dieses Ergebnis erscheint auch aufgrund der dem § 6 Abs. 3 AufG vergleichbaren Interessenlage gerechtfertigt.

Ausgehend von der unrichtigen Rechtsauffassung, wonach § 6 Abs. 2 AufG auch auf Anträge, die während der Dauer eines gewöhnlichen Sichtvermerkes gestellt werden, anwendbar sei, hat es die belangte Behörde unterlassen, Feststellungen zu den diesbezüglichen Berufungsbehauptungen der Beschwerdeführerin zu treffen. Aufgrund dieses sekundären Verfahrensmangels war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995190525.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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