Entscheidungsdatum
24.01.2022Norm
BUAG §1 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Tanzl als Einzelrichterin über die Beschwerde der A GmbH, vertreten durch B Rechtsanwalts KG, in ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 18. Mai 2021, Zl. ***, betreffend Rückstandsausweis nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (BUAG) zu Recht:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) stattgegeben, der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 18. Mai 2021, Zl. ***, mit dem Rückstandsausweis der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskassa (BUAK) vom 12.10.2020, *** bestätigt wurde, ersatzlos behoben und festgestellt, dass die Bestimmungen des BUAG auf die Beschäftigungsverhältnisse von C und D nicht anzuwenden waren.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985
(VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Artikel
133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren und den Feststellungen:
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden (im Folgenden: belangte Behörde) vom 18. Mai 2021, Zl. ***, wurde der Einspruch der Beschwerdeführerin betreffend den Rückstandsausweis der BUAK vom 12.10.2020, *** abgewiesen und festgestellt, dass die Beschwerdeführerin hinsichtlich der Beschäftigungsverhältnisse von C und D den Bestimmungen des BUAG unterliege.
Begründend wurde ausgeführt, dass der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin auch Gewerbeberechtigungen u.a. für das Hafnergewerbe und das Gas- und Sanitärgewerbe habe. Unter Hinweis auf eingeholte einschlägige Stellungnahmen der Wirtschaftskammer führte sie aus, dass im Rahmen des Gewerbes „Gas- und Sanitärtechnik“ auch Reinigungsarbeiten an verbrennungsgasseitigen Flächen von Feuerstätten im Zuge der Wartung durchgeführt werden dürften sowie wirtschaftlich sinnvolle Ergänzungsarbeiten wie das Verlegen von Fliesen. Das Gewerbe „Heizungstechnik“, dass vom Geschäftsführer der Beschwerdeführerin bis 12.12.2018 angemeldet gewesen sei, umfasse die Montage und Installation von Feuerungsanlagen für gasförmige, flüssige und feste Brennstoffe sowie den Einbau der dazugehörigen Abgasanlagen. Als Nebenrecht zur Gewerbeberechtigung „Handels“ sei auch die Montage und der Anschluss von Kaminöfen möglich, sofern die dazu entsprechend ausgebildeten Fachkräfte herangezogen würden. Gegenständlich sei jedoch durch die Ermittlungen der BUAK als erwiesen anzusehen, dass die Tätigkeit der beiden Arbeitnehmer keine Tätigkeiten in Ausübung von Nebenrechten darstellen würde, sondern Hafnertätigkeiten erbracht worden seien.
2. Zum Beschwerdevorbringen:
Die Beschwerdeführerin brachte im Wesentlichen vor, dass die Höhe des im Rückstandsausweis aushaftenden Betrages inhaltlich nicht nachvollziehbar sei und daher dessen Richtigkeit bestritten würde. Die beiden Arbeitnehmer hätten zudem keine Hafnertätigkeiten durchgeführt. Eine der beiden sei der deutschen Sprache auch nicht ausreichend mächtig gewesen und sei es deshalb am Fragenbogen der BUAK zu Übersetzungsfehlern gekommen. Der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin betreibe einen Hafnerbetrieb. Immer dann, wenn Hafnertätigkeiten erforderlich seien, würde dieser Betrieb mit dessen Mitarbeitern tätig werden. Die Beschwerdeführerin sei jedoch ein Handels- bzw. Montageunternehmen. Eine Durchmischung der Arbeitnehmer zwischen dieser und dem Hafnerbetrieb finde nicht statt. Die beiden Arbeitnehmer seien nur zu Montagearbeiten von Kaminanlagen eingesetzt worden. Diese Arbeiten seien durch § 32 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) als Nebenrecht gedeckt.
3. Feststellungen:
3.1. Die Beschwerdeführerin verfügt seit 11.03.2011 über eine aufrechte Gewerbeberechtigung für das reglementierte Gewerbe „Gas- und Sanitärtechnik“ sowie für das Handelsgewerbe. Von 11.03.2011 bis 12.12.2018 verfügte sie weiters über die Gewerbeberechtigung für das reglementierte Gewerbe „Heizungstechnik, Lüftungstechnik“. Geschäftsführer all dieser Unternehmen ist bzw. war E. Der Unternehmenssitz liegt in ***, ***.
3.2. Die Beschwerdeführerin gliedert ihre Unternehmen in zwei Bereiche, den Zweig „***“ und den Zweig „***“. Der Zweig „***“ bietet Leistungen im Bereich der Beratung, des Verkaufs und der Montage von Kamin-, Pellets- und Küchenöfen, sowie Kaminanlagen an. Unter demselben Wortlaut (und auf derselben Internetseite) wird im Internet für die Planung und die Montage von Kachelöfen geworben.
3.3. E ist auch Geschäftsführer der F GmbH am selben Standort, welche über eine Gewerbeberechtigung für das reglementierte Gewerbe „Hafner“ verfügt.
3.4. Der Arbeitnehmer C war bis 3.6.2017 und der Arbeitnehmer D ist für die Beschwerdeführerin als Monteur beschäftigt. In dieser Eigenschaft haben sie überwiegend (Kamin-)Öfen, welche über fertige Brennräume verfügten, vor Ort beim Kunden montiert. Sie haben in ihrer Tätigkeit keine Kachelöfen mit deren Brennräume geplant oder nach diesen Plänen vor Ort aufgebaut. Es wurden ausschließlich Öfen mit fertigen Brennräumen bei Kunden montiert.
3.5. Die Kunden bestellen die Öfen bei der Beschwerdeführerin, welche diese angepasst an deren individuellen Wünsche bei den Herstellerunternehmen anfordert. Die beiden Arbeitnehmer lieferten sodann diese individualisierten (Kamin-) Öfen und montieren diese vor Ort nach vorgegebenen Montageplänen.
3.6. Die Arbeitnehmer waren nicht bzw. nur im stark untergeordneten Umfang bei der Herstellung von Kachelöfen mit Hilfsarbeiten beschäftigt.
4. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen gründen auf der mündlichen Verhandlung vom 08.11.2021, in welcher Beweis erhoben wurde durch (Verzicht auf) Verlesung des vorgelegten Verwaltungsakts und des Gerichtsaktes sowie Einvernahme des informierten Vertreters der Beschwerdeführerin E sowie den Zeugen C und D.
Den einzelnen Punkten der Feststellungen liegen folgende Würdigung des erkennenden Gerichts zu Grunde:
Die Punkte 3.1. und 3.3. gründet sich auf den unbedenklichen Verwaltungsakt sowie Auszügen aus dem Gewerbeinformationssystem Austria (GISA).
Die Ausführungen zu Punkt 3.2. stützen sich auf die Aussagen des informierten Vertreters der Beschwerdeführerin, der nachvollziehbar die Gliederung des Unternehmens angab. Die Angaben über den Internetauftritt konnte durch Einsichtnahme der Website „***“ gewonnen werden.
Die Feststellungen hinsichtlich des Tätigkeitsbereichs der beiden Arbeitnehmer (Punkt 3.4. und 3.5.) gründen sich auf deren zeugenschaftliche Einvernahme. Bei dieser gab etwa D an, dass die Montage der Öfen vor Ort bei den Kunden nach Montageplänen erfolge und man sich das „wie Lego für Erwachsene“ vorstellen könne. Auf Vorhalt des Baustellerhebungsprotokolls der BUAK vom 01.03.2017 (vorgelegt in der Stellungnahme der BUAK vom 26.11.2020 an die belangte Behörde), wonach seine Tätigkeit als „Fliesenleger“ angegeben wurde, gab er überzeugend zu Protokoll, dass er bei dieser Baustelle den Fliesenlegern die Fliesen brachte, ohne selbst eine solcher Tätigkeit nachzugehen. Ebenso nachvollziehbar für das erkennende Gericht waren seine Ausführungen hinsichtlich seine Angaben im Fragenkatalog der BUAK vom 24.08.2020 (vorgelegt als Beilage./5 in der Stellungnahme der BUAK vom 31.08.2021 an das erkennende Gericht), wonach er als „Hafner-Monteur“ tätig sei und er damit gemeint hätte, dass er hauptsächlich mit der Montage von Öfen beschäftigt ist. Auch aus seinem Arbeitsvertrag ergibt sich, dass er als Monteur für (Kamin-) Bausätze, Kamin- und Specksteinöfen beschäftigt ist (vorgelegt durch die BUAK ebendort). Bei der Prüfung der Glaubwürdigkeit des Zeugen verkannte das Gericht nicht, dass der Zeuge in einem wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis zur Beschwerdeführerin steht, da sie seine Arbeitgeberin ist. Dennoch hinterließ er einen überzeugenden Eindruck und konnte auch zuvor getätigte widersprüchliche Aussagen verständlich aufklären. Er erweckte auch nicht den Eindruck Angaben über seine Tätigkeit verschleiern zu wollen, sondern gab etwa auch bekannt, dass er auch bei Hafnerarbeiten teilweise mithalf (siehe nachfolgenden Ausführungen zu Punkt 3.6.).
Die Schilderungen des Zeugen C (der zum Zeitpunkt der Einvernahme nicht in einem Beschäftigungsverhältnis zur Beschwerdeführerin stand) erhärtete die Feststellungen, wonach keine Hafnertätigkeiten von den beiden Arbeitnehmern durchgeführt wurde. Er verglicht dabei seine Tätigkeit für die Beschwerdeführerin zur Montage von Öfen nach einem System „wie man es etwa von IKEA kennt“. Er gab überaus überzeugend zu Protokoll, dass er für die Beschwerdeführerin gerade keine Hafnertätigkeiten ausübte. Diese Aussage ist vor dem Hintergrund, dass er gelernter Hafner ist und damit die Tätigkeit in einem Hafnerbetrieb gut kennen wird, umso überzeugend und darf dabei nicht übersehen werden, dass er in keinerlei Abhängigkeits- oder Verbundenheitsverhältnis zur Beschwerdeführerin steht, da diese sein Arbeitsverhältnis gekündigt hatte. Es können daher keinerlei Motive für eine mögliche Falschaussage erblickt werden. Auch die Aussagen im Baustellenprotokoll und dem Fragebogen vor der BUAK (vorgelegt von dieser in ihrer Stellungnahme vom 26.11.2020 vor der belangten Behörde) können keinen Widerspruch in dieser Aussage aufzeigen. Aus dem Baustellenprotokoll ergibt sich, dass er Öfen montiere und Fliesen, diese Aussage konkretisierte er in der Einvernahme vor der BUAK dahingehend, dass er lediglich an einem Tag beim Fliesenverlegen geholfen hätte und ansonsten für die Montage von fertigen Öfen zuständig gewesen sei. Zum Zeitpunkt dieser Befragung (24.08.2020) lag das Arbeitsverhältnis zur Beschwerdeführerin bereits drei Jahr zurück. Auch bei diesen Angaben kann kein Grund erkannt werden, warum diese nicht wahrheitsgemäß erfolgten. Auch aus dessen Arbeitsvertrag (vorgelegt von der BUAK in ihrer Stellungnahme vom 26.11.2020 vor der belangten Behörde) ergibt sich, dass er als Monteur beschäftigt war.
Die Feststellungen zu Punkt 3.6. wurden aufgrund der Angaben des Zeugen D getroffen, wonach er maximal 5-10% seiner Arbeitszeit bei der Setzung von Kachelöfen helfe, indem er Material für die Hafner an Ort und Stelle bringe, ohne direkt mit Hafnertätigkeit beschäftigt zu sein. Er konnte auch den Unterschied zwischen Kachelöfen und (Kamin-) Öfen glaubwürdig angeben, wonach er diese dadurch unterscheide, wie viele Einzelteilen zu deren Montage erforderlich sei. Damit ist jedoch für das erkennende Gericht eindeutig, dass ihm der Unterschied zwischen der Setzung eines Kachelofens und der Montage eines Kamins klar ist.
5. Rechtslage:
§ 1 Abs. 1 BUAG lautet:
(1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist, für Arbeitnehmer (Lehrlinge), deren Arbeitsverhältnisse auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhen und die in Betrieben (Unternehmungen) gemäß § 2 beschäftigt werden. Für die Beurteilung, ob ein Arbeitsverhältnis im Sinne dieses Bundesgesetzes vorliegt, ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhalts maßgebend.
§ 2 Abs. 1 lit. d und g BUAG lautet:
(1) Für die Sachbereiche Urlaub und Überbrückungsgeld sind Betriebe (Unternehmungen) im Sinne des § 1: (…)
d) Hafnerbetriebe (ausgenommen die reinen Erzeugungsbetriebe), Platten- und Fliesenlegerbetriebe; (…)
g) Spezialbetriebe, die Tätigkeiten verrichten, die ihrer Art nach in den Tätigkeitsbereich der Betriebe nach lit. a bis f fallen; dabei schadet es nicht, wenn die Tätigkeit auch von Betrieben ausgeübt wird, die nicht in den Geltungsbereich nach lit. a bis f fallen; (…)
§ 3 Abs. 1 bis 3 und 4 BUAG lautet:
(1) Betriebe, in denen sowohl Tätigkeiten, die ihrer Art nach in den Tätigkeitsbereich der Betriebe nach § 2 fallen, als auch Tätigkeiten verrichtet werden, die ihrer Art nach nicht in diese Tätigkeitsbereiche fallen, unterliegen als Mischbetriebe nach Maßgabe der Abs. 2 bis 5 den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes. Ausgenommen sind Betriebe, in denen die Tätigkeiten im Sinne des § 2 ausschließlich für den eigenen Betrieb vorgenommen werden.
(2) In Mischbetrieben, in denen entsprechend den unterschiedlichen Tätigkeiten nach Abs. 1 eine organisatorische Trennung in Betriebsabteilungen besteht, unterliegen diejenigen Arbeitnehmer den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, die in Betriebsabteilungen beschäftigt werden, in denen Tätigkeiten verrichtet werden, die ihrer Art nach in die Tätigkeitsbereiche der Betriebe nach § 2 fallen.
(3) In Mischbetrieben, in denen keine organisatorische Trennung in Betriebsabteilungen besteht, unterliegen nur jene Arbeitnehmer den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, die überwiegend Tätigkeiten verrichten, die ihrer Art nach in den Tätigkeitsbereich der Betriebe nach § 2 fallen.
(4) Auf Arbeitnehmer eines Mischbetriebes, die für eine Beschäftigung in einer diesem Bundesgesetz unterliegenden Betriebsabteilung aufgenommen wurden, finden für die Dauer des Arbeitsverhältnisses die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes auch dann Anwendung, wenn sie in einer diesem Bundesgesetz nicht unterliegenden Betriebsabteilung beschäftigt werden. Dies gilt sinngemäß auch für Arbeitnehmer in Mischbetrieben, in denen keine organisatorische Trennung in Betriebsabteilungen besteht.
§ 2 der Hafner/in-Ausbildungsordnung lautet:
Durch die Berufsausbildung im Lehrbetrieb und in der Berufsschule soll der im Lehrberuf Hafner/in ausgebildete Lehrling befähigt werden, die nachfolgenden Tätigkeiten fachgerecht, selbständig und eigenverantwortlich ausführen zu können:
1. Erstellen von technischen Zeichnungen (zB Ofen- und Montagepläne, Luftleitungssysteme),
2. Durchführen berufsspezifischer Berechnungen (zB Wärmebedarfsberechnungen, Ofenberechnungen und Zugberechnungen von Öfen und Küchenherden, Erstellen von Energieausweisen für die erstellten Öfen und Heizungsanlagen),
3. Bearbeiten und Versetzen von keramischen Bauteilen, Schamott- und Mauersteinen sowie von Natur- und Kunststeinen,
4. Herstellen von Öfen und Heizungsanlagen für Einzelraum-, Mehrraum- oder Ganzhausheizungen für feste, flüssige und gasförmige Brennstoffe sowie andere Energieträger,
5. Einbauen von Mess-, Steuer- und Regelsystemen in Öfen und Heizungsanlagen,
6. Durchführen von Funktionsanalysen (Probeheizungen) und Abgasanalysen,
7. Beraten und Betreuen von Kunden und Kundinnen in Energie-, Klima- und Umweltfragen,
8. Anbieten und Durchführen von Instandhaltungs- und Servicearbeiten,
9. Ausführen der Arbeiten unter Berücksichtigung der einschlägigen Sicherheitsvorschriften, Normen, Umwelt- und Qualitätsstandards.
6. Erwägungen:
Gegenständlich steht die Rechtsfrage zu beurteilen, ob die beiden Arbeitnehmer aufgrund ihrer konkreten Tätigkeiten unter den Anwendungsbereich des BUAK (konkret des § 2 Abs. 1 lit. d leg.cit.) fallen, und ihre Tätigkeit damit als „Hafnertätigkeit“ anzusehen sind, ob sie einem Spezialbetrieb im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. g leg.cit. zuzurechnen sind, oder ob ein Mischbetrieb im Sinne dessen § 3 vorliegt.
6.1. Zum Vorliegen eines „Hafnerbetriebs“ im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. d BUAG
6.1.1. Der reine Wortlaut der Gewerbeberechtigung ist für sich genommen kein entscheidungswesentliches Kriterium für die Einordnung eines Betriebes als BUAG-pflichtig (siehe dazu etwa VwGH am 20.09.2000 zu
Zl. 97/08/0461). Die Gewerbeberechtigung der Beschwerdeführerin für das Handelsgewerbe kann daher im ersten Schritt keine wesentlichen Anhaltspunkte für die Anwendbarkeit des BUAG liefern. Vielmehr ist auf die tatsächliche Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer abzustellen. Hier also konkret die Montage von (Kamin-)Öfen und deren individuelle Anpassung im äußeren Erscheinungsbild nach Kundenwünschen.
6.1.2. Zunächst stellt sich damit die Frage, ob es sich dabei um Hafnertätigkeiten handelt. Aus der Ausbildungsordnung des Lehrberufs einer Hafners bzw. einer Hafnerin ergibt sich, dass zu den Tätigkeitsfeldern eines Hafner das Planen und Berechnen von Brennräumen zählt, sowie die Herstellung der darauf beruhenden Öfen und Heizungsanlagen. Als wesentliches Element ist damit aber nicht nur der Anschluss und die äußere Ummantelung von fertig erzeugten Brennräumen, sondern auch die individuelle Erstellung dieses Brennraumes anzusehen. Die Arbeitnehmer haben daher, wie das Beweisverfahren gezeigt hat, keine Hafnertätigkeiten ausgeübt. Auch haben sie für diesen Bereich keine Hilfstätigkeiten im beachtlichen Umfang ausgeübt. Vielmehr lag ihre Haupttätigkeit in der Montage und dem Anschluss handelsüblicher und fertiger (Kamin-)Öfen.
6.1.3. Der Begriff des „Hafnerbetriebs“ wurde bereits im Vorgängergesetz des BUAG dem Bauarbeiter-Urlaubsgesetz 1972 (BGBl. 1972/414) verwendet und sodann bei Novelle und Umbenennung in Bauarbeiter- Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (BGBl. 1987/618) übernommen. Das BUAG unterlag im Laufe der Jahre unzähligen Novellierungen, sodass den Ausführungen der mitbeteiligten Partei, wonach der Begriff des „Hafners“ einer modernen Interpretation zu unterziehen ist und damit auch die Installation und Gestaltung von Kaminöfen zu umfassen sei, der Einwand entgegensteht, dass dies der Gesetzgeber gerade nicht in dieser Form klargestellt hat. Allein der Umstand, dass das Tätigkeitsfeld für das Hafnergewerbe aufgrund mangelnder Nachfrage immer weiter zurückgeht und durch die Möglichkeit der Installation konventioneller Öfen verdrängt wird, kann nicht reflexlogisch zu einer Ausdehnung des Begriffes „Hafner“ führen, um damit die Geschäftszweige, die das Handwerk möglicherweise ersetzen, ebenfalls unter den Anwendungsbereich des BUAG zu subsumieren. Hierzu wäre vielmehr eine gesetzliche Klarstellung erforderlich. Dies etwa auch deshalb, da etwa auch das Gewerbe „Heizungstechnik“ eine explizite Berechtigung zum Anschluss von Öfen zukommt (siehe dazu etwa
§ 2 Abs. 2 Z. 6 der Installations- und Gebäudetechnik-Ausbildungsordnung). Eine Ausdehnung des Begriffes „Hafner“ auf diesen Bereich wäre daher auch unter dem Gesichtspunkt zu betrachten, dass Heizungstechnik-Betriebe (wie auch der gesamte Bereich der Gas- Wasser- und Heizungsinstallateure) nicht von Anwendungsbereich des BUAG umfasst sind (vgl. hierzu etwa auch VwGH am 20.09.2000 zu
Zl. 97/08/0461, wonach allein durch die Umbenennung eines Gewerbes der Anwendungsbereich des BUAG nicht automatisch erweitert wird, sondern vielmehr der konkrete Tätigkeitsbereich zu betrachten ist).
6.1.4. In einem ersten Schritt ist daher festzuhalten, dass die betroffenen Arbeitnehmer nicht in einem Hafnerbetrieb im Sinne des § § 2 Abs. 1 lit. d tätig waren.
6.2. Zum Vorliegen eines Spezialbetriebes im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. g BUAG
6.2.1. Vom Vorliegen eines Spezialbetriebes ist dann auszugehen, wenn nicht alle Tätigkeiten einer gewissen Betriebsart (also hier konkret etwa eines Hafnerbetriebes) von einem Unternehmen erbracht werden, aber einzelne Leistungen die typischer Weise auch von dieser Betriebsart umfasst sind. Gleichzeitig können solche Leistungen auch von anderen Betriebsarten erbracht werden, die nicht dem BUAG unterliegen (vgl. dazu Wiesinger, BUAG² (2021), § 2 BUAG, RZ 48).
6.2.2. Zur Frage steht daher, ob die Beschwerdeführerin ein solcher Spezialbetrieb ist. Hierzu ist zu erwägen, dass sie (neben anderen) eine einzelne Leistung anbietet, die auch von einem Hafnerbetrieb durchgeführt werden könnte. Auf die Anmeldung des Gewerbes kommt es (wie bereits auch unter Punkt 6.1. ausgeführt) bei Prüfung der Spezialbetriebseigenschaft nicht an (siehe dazu etwa VwGH am 15.05.2013, zu Zl. 2010/08/0208). Es ist davon auszugehen, dass für Hafnerbetriebe bzw. deren Fachkräfte die Außengestaltung von Kachelöfen eine der Haupttätigkeit darstellt (siehe
§ 2 Z. 3 Hafner/in-Ausbildungsordnung). Sofern daher, wie das Beweisverfahren gezeigt hat, die hauptsächliche Tätigkeit der beiden Arbeitnehmer in der Aufstellung von Öfen und deren individuelle äußere Anpassung an Kundenwünschen ist, ist daher zu prüfen, ob durch diese eigenständige Tätigkeit, nämlich die Verkleidung und Außengestaltung von Brennzellen, von einer Spezialtätigkeit des Hafnergewerbes gesprochen werden kann.
Wenn die Spezialtätigkeit im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. g BUAG in organisatorischem Zusammenhang mit anderen Tätigkeiten außerhalb des BUAG ausgeübt werden, ist ein solcher Betrieb nicht als Spezialbetrieb zu qualifizieren (siehe VwGH am 30.01.2018 zu Zl. Ra 2017/08/0018).
6.2.3. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall müsste die Beschwerdeführerin daher ausschließlich Spezialtätigkeiten im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. g BUAG ausüben, um unter diese Spezialbestimmung des BUAG zu fallen. Wie die Feststellungen zeigen, stellt jedoch die Montage der nach individuellen Anforderungen von Kunden gelieferten Kaminofen- „Sets“ einen Teil des Handelsgewerbes der Beschwerdeführerin da. Es kann daher nicht vom Vorliegen eines Spezialbetriebes im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. g BUAG ausgegangen werden.
6.3. Zum Vorliegen eines Mischbetriebes im Sinne des § 3 BUAG
6.3.1. Schlussendlich ist jedoch in einem dritten Schritt zu prüfen, ob trotz Verneines des Vorliegens eines Hafnerbetriebes oder eines Spezialbetriebes für dieses Gewerbe ein Mischbetrieb vorliegt. Werden in einem Betrieb nämlich auch andere, nicht dem BUAG unterfallende Tätigkeiten verrichtet, so unterliegt er nur nach Maßgabe von dessen § 3 dem BUAG, das heißt (sieht man von den Spezialregelungen des § 3 Abs. 4 bis 6 BUAG ab) hinsichtlich einer organisatorisch getrennten Abteilung, in der die dem BUAG unterfallenden Tätigkeiten verrichtet werden, oder - in Ermangelung einer organisatorischen Trennung - hinsichtlich der Arbeitnehmer, die überwiegend solche Tätigkeiten verrichten (vgl. dazu VwGH am 30.01.2018 zu Zl. Ra 2017/08/0018).
6.3.2. Anders als bei „normalen“ Betrieben nach dem BUAG, ist bei einem organisatorisch nicht geteilten Mischbetrieb nicht fraglich, welche Tätigkeiten der Betrieb anbietet, um die Qualifizierung seiner Arbeitnehmer als BUAG-pflichtig vorzunehmen, sondern vielmehr welche Tätigkeiten die einzelnen Arbeitnehmer tatsächlich ausüben, unabhängig davon, welche sonstigen Leistungen vom Betrieb darüber hinaus erbracht werden. Bei Mischbetrieben ist es daher möglich, dass ein Teil der Arbeitnehmer dem BUAG unterliegt, der andere Teil jedoch nicht, je nach tatsächlich ausgeübter Tätigkeit.
6.3.3. Die Frage der Ausübung der Nebenrechte durch den Gewerbetreibenden im Sinne des § 32 GewO ist insofern relevant, als ein Gewerbetreibender, der eine mögliche dem BUAG unterliegenden Tätigkeit im Rahmen seines Nebenrechts ausübt, nicht automatisch für diese Tätigkeiten dem BUAG unterliegt, da ansonsten eine Ausweitung des Anwendungsbereichs des BUAG auf sämtlich (nach dem Anwendungsbereich des § 2 BUAG gerade nicht unterfallenden) Branchen zur Anwendung gelangen könnte (vgl. VwGH am 27.11.2014 zu Zl. Ro 2014/08/0071).
6.3.4. Der hier zu beurteilende Handelsbetrieb u.a. mit Kaminöfen bietet als Leistung auch die Montage und individuellen Anpassung der bereits danach bestellten Öfen vor Ort an. Fraglich ist hierbei wiederum, ob die Tätigkeit der Anpassung vor Ort als Hafnertätigkeit anzusehen ist, welche über das Nebenrecht der Montage von verkaufter Ware (siehe dazu § 32 Abs. 1 Z. 6 GewO 1994) hinausgehend anzusehen ist.
6.3.5. Das einzelne Arbeitnehmer ausschließlich mit (auch) dem BUAG zuzurechnenden Arbeiten betraut sind, reicht nicht aus, um automatisch auf einen Spezialbetrieb innerhalb eines Mischbetriebes zu schließen, der dem BUAG unterliegt (vgl. VwGH am 30.01.2018 zu Zl. Ra 2017/08/0018).
6.3.6. Gegenständlich stellt sich damit zunächst die Frage, ob die Montage und die Anpassung an individuelle Kundenwünsche vor Ort vom Betrieb als selbstständige Leistung am Markt erbracht wird? Davon ist nicht auszugehen, ergab das Beweisverfahren doch, dass die Montage nach den zuvor individualisierten Kaminöfen als Teil des Kaufes angeboten wird. Es ist daher gegenständlich von der Ausübung des Nebenrechts des Handelsgewerbes auszugehen. Ob dies in einer der GewO 1994 entsprechenden zulässigen Ausmaß von der Beschwerdeführerin ausgeübt wird, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Weitere Feststellungen hierzu wurde daher nicht durchgeführt.
6.3.7. Nachdem alleine die individuelle Anpassung an Kundenwünsche (die bereits im Bestellvorgang des Kaminofens fixiert wurde) nicht als „Hafnertätigkeit“ angesehen werden kann, ist auch nicht von einem Mischbetrieb auszugehen. Die beiden Arbeitnehmer unterlagen damit nicht dem Anwendungsbereich des BUAG und sind die sie betreffenden Rückstandsausweise daher nicht zu Recht erfolgt.
Anmerkung: Zur Prüfung der letzten Frage orientierte sich das erkennende Gericht an dem von Wiesinger entwickelten Prüfschema (siehe Wiesinger, Der Geltungsbereich des BUAG. Unter besonderer Berücksichtigung der Mischbetriebsregelung, in Mosler (Hrsg), Festschrift 75 Jahre Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse. S. 108).
6.4. Unrichtige Berechnung des Rückstandsausweises
Ein weiteres Eingehen auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach auch die Berechnung des Rückstandsausweises unrichtig bzw. unplausibel sei, erübrigt sich somit, da die Einbeziehung der beiden Arbeitnehmer schon dem Grunde nach nicht zu erfolgen hatte.
7. Zur Zulässigkeit der ordentlichen Revision:
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gegenständlich ist soweit ersichtlich (siehe im Detail unter Punkt 6.) keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorhanden, die sich mit der Frage, ob es sich bei der Montage und Anpassung nach individualisierten Kundenwünschen von (Kamin-)Öfen um eine Spezialtätigkeit des Hafnergewerbers im Sinne des 2 Abs. 1 lit. g BUAG handelt, wodurch die Revision für zulässig zu erklären war.
Schlagworte
Arbeitsrecht; Arbeitnehmer in der Bauwirtschaft; Spezialbetrieb; Mischbetrieb;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.AV.1192.001.2021Zuletzt aktualisiert am
31.01.2022