TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/9 W144 2241733-1

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Veröffentlicht am 09.12.2021
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Entscheidungsdatum

09.12.2021

Norm

AsylG 2005 §35
B-VG Art133 Abs4
FPG §21
FPG §9
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W144 2241733-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Huber über die Beschwerde der XXXX , XXXX geb., StA. von Afghanistan, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Islamabad (ÖB) vom 19.02.2021, XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF (VwGVG) aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die laut eigenen Angaben und entsprechend ihrem afghanischen Reisepass am XXXX geborene Beschwerdeführerin (BF) hat am 20.10.2020 schriftlich einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gem. § 35 Abs. 1 AsylG gestellt, wobei als Bezugsperson (BP) ihr Ehegatte XXXX geb., StA von Afghanistan, genannt wurde, dem mit Erkenntnis des BVwG vom 06.09.2017, Zl. W134 2134497-1/13E, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt und ihm Asyl gewährt wurde.

Dem Antrag beigeschlossen waren folgende Unterlagen:

?        Ausgefülltes Befragungsformular im Einreiseverfahren gem. § 35 AsylG

?        Reisepasskopie

?        Heiratsurkunde

?        Personenstandregisterauszug

?        Asylbescheid der Bezugsperson

?        Konventionsreisepasskopie der BP

?        Meldezettel der BP

?        E-Card der BP

?        Wohnungsübergabeprotokoll der BP, 53,72m2, Kassaeingang: Kaution und Erstmiete

?        Lohnabrechnung April bis Sept. 2020 der BP, zwischen € 1.276,91 und 2.965,30 netto

?        Versicherungsdatenauszug vom 01.10.2020 der BP

?        Arbeitsvertrag (Küchenhilfe) ab 04.09.2019 der BP

?        Niederschriftliche Einvernahme der BP in dessen Asylverfahren vom 08.06.2016

In einer (undatierten) Stellungnahme gem. § 35 AsylG teilte das BFA der ÖB mit, dass die Gewährung des Status einer Asylberechtigten an die BF nicht wahrscheinlich erscheine, weil bei der Gegenüberstellung der Angaben der BF und jener der BP Widersprüche in Bezug auf die behauptete Eheschließung vorlägen. Aufgrund dieser Widersprüche und mangels unbedenklicher Beweismittel sei keineswegs vom Nachweis des Familienverhältnisses im Sinne eines vollen Beweises auszugehen.

Konkret führte das BFA im Einzelnen Folgendes aus:

„[…] Die Antragstellerin wurde bereits bei deren ersten Antrag an der Botschaft Islamabad am 26.04.2019 einer Befragung über deren angeblichen Gatten und die Umstände der Eheschließung unterzogen. Mit der Bezugsperson in Österreich wurde am 08.08.2019 eine Zeugeneinvernahme zur selben Thematik unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Dari gemacht. Dabei ergaben sich Widersprüche, welche eindeutig gegen eine tatsächliche Eheschließung zwischen Antragstellerin und Bezugsperson sprechen.

Beim nunmehr zweiten Antrag machte die Antragstellerin gemäß Fragebogen vom 20.10.2020 wortgleiche Angaben wie schon 2019. Die bereits in der Stellungnahme des Bundesamtes aufgezeigten Widersprüche, welche mit Email vom 16.08.2019 der ÖB Islamabad übermittelt worden ist, bleiben vollinhaltlich aufrecht.

Sofern in der Stellungnahme der rechtsfreundlichen Vertretung vom 08.04.2020 angeführt wird,

… dass bereits im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.09.2018 festgestellt wurde, dass es sich bei der Antragstellerin um die Ehefrau des Herrn XXXX handelt, wird ausgeführt: die Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts lautet, dass die Eltern, die Schwester und die Ehefrau von Herrn XXXX in Kabul leben.

Beweiswürdigend stützt sich das Bundesverwaltungsgericht dabei auf das glaubwürdige Vorbringen von Herrn XXXX ua in der mündlichen Beschwerdeverhandlung. Im Asylverfahren gilt durchaus die Prämisse der „Glaubhaftmachung“, während im Botschaftsverfahren ausdrücklich verlangt wird, dass das behauptete Familienverhältnis nicht nur glaubhaft gemacht werden muss, sondern erwiesen sein muss, womit der volle Beweis im Sinne des AVG zu erbringen ist. Dies ist der Antragstellerin aber nicht gelungen.

Der Vollständigkeit halber wird auch auf den Asylbescheid der Bezugsperson des Bundesamtes vom 22.08.2016 verwiesen. Bereits in diesem wurde die angegebene Heirat mangels vorgelegter Dokumente nicht festgestellt.

… dass nun (beim zweiten Antrag im Botschaftsverfahren) auch das vom Mullah bei der traditionellen Eheschließung ausgestellte Dokument vorgelegt wird, wird ausgeführt: für das Bundesamt ist nicht nachvollziehbar, weshalb dieses Schreiben nicht bereits im ersten Botschaftsverfahren vorgelegt worden ist, obwohl es zum damaligen Zeitpunkt bereits existent gewesen sein soll. Auch muss in diesem Zusammenhang erneut auf die Tatsache hingewiesen werden, dass in Afghanistan Dokumente jeglichen Inhalts gegen Bezahlung leicht beschaffbar sind und eine Überprüfung auf deren Echtheit bzw. Richtigkeit nicht durchführbar ist. Womit dem angeführten Schreiben, insbesondere in Anbetracht der späten Einbringung, keine maßgebliche Beweiskraft für das tatsächliche Bestehen der Ehe zukommt.

… dass es richtig sei, dass bei der Hochzeit lediglich 400 bis 450 Personen anwesend waren und dass es sich dabei für „afghanische Verhältnisse“ tatsächlich um eine Hochzeit mit verhältnismäßig wenigen Gästen handeln soll, wird ausgeführt: Der rechtsfreundliche Vertreter führt nicht an, worauf sich diese Aussage stützt und wird offensichtlich nur vermutet, dass es sich bei dieser Zahl um wenige Gäste handelt.

… dass Herr XXXX bereits bei seiner Einvernahme am 08.06.2016 (Einvernahme vor dem Bundesamt im Asylverfahren) angab, mit Frau XXXX verheiratet zu sein, wird ausgeführt: im darauffolgenden Bescheid des Bundesamtes wurde das Bestehen der Ehe ausdrücklich nicht festgestellt. Somit kommt der angeführten Niederschrift vom 08.06.2016 keine Beweiskraft zu.

… dass zusammengefasst die Ehe zwischen Herrn und Frau XXXX bereits seit Jahren Bestand hatte, ehe Herr XXXX das Land verlassen musste, wird angeführt: diese Behauptung kann nicht nachvollzogen werden, da die Ehe am XXXX geschlossen worden sein soll und Herr XXXX vor dem Bundesverwaltungsgericht angab, Afghanistan am 05.01.2014 verlassen zu haben. In diesem Zusammenhang wird nochmals auf die unterschiedlichen Angaben der Antragstellerin und der Bezugsperson betreffend den Zeitraum des Zusammenlebens hingewiesen (Stellungnahme des Bundesamtes im ersten Botschaftsverfahren).

… dass durch den praktisch täglichen Kontakt über Mobiltelefon Zweifel am Bestand des Familienlebens unbegründet seien (als Beweismittel wird die Einsichtnahme in die Handys von Herrn und Frau XXXX angeführt), wird angeführt: Ein kontinuierlicher Kontakt zwischen der Antragstellerin und der Bezugsperson (welcher gemäß den Angaben der Bezugsperson im ersten Botschaftsverfahren etwa seit Beginn 2017 besteht) kann nach Ansicht der Behörde nicht als Beweis für eine Eheschließung im Jahr 2013 angesehen werden.

Ebensowenig kann dieser Kontakt ein Beweis für ein Familienleben vor der Ausreise der Bezugsperson sein.

Zusammenfassend bleibt zu beurteilen, dass gegenüber dem ersten Antrag von Frau XXXX vom 25.04.2019 aus Sicht des Bundesamtes kein neuer Sachverhalt geltend gemacht worden ist und keine neuen Beweismittel eingebracht wurden, welche den geforderten vollen Beweis im Sinne des AVG über das Bestehen der Ehe erbringen.

Ergebnis

Aus den oben dargelegten Gründen ist zum derzeitigen Zeitpunkt die Zuerkennung des Status iSd § 35 Abs. 4 AsylG 2005 nicht wahrscheinlich. […]“

Mit Schreiben vom 08.02.2021 wurde die BF seitens der ÖB aufgefordert, zu den Bedenken des BFA Stellung zu nehmen.

In der Folge brachte die BF im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung mit E-Mail vom 10.02.2021 eine Stellungnahme ein, in welcher sie im Wesentlichen ausführte, dass die Behörde jede noch so geringfügige Abweichung der Angaben der BF und der BP dafür heranziehe, die Unglaubwürdigkeit der BF zu begründen. Jedoch würden die BF und der Ehemann seit Jahren täglich per WhatsApp in Form von Nachrichten und auch Sprachnachrichten korrespondieren und handle es sich dabei um Korrespondenz, welche in dieser Intensität und Form nur zwischen Eheleuten geführt werde. Es erscheine unverhältnismäßig aufwendig, diese Korrespondenz als Datei bzw. in Form von Audiodateien vorzulegen, sodass der Beweisantrag gestellt werde, das BFA möge unter Beiziehung eines Dolmetschers sämtliche Korrespondenzen zwischen der BF und der Bezugsperson, die sich auf ihrem jeweiligen Mobiltelefonen befinden, auswerten, zum Beweis dafür, dass zwischen der BF und der BP kommuniziert werde, wie es nur unter Eheleuten üblich, und in Afghanistan auch nur zwischen Eheleuten gestattet, sei.

Diese Stellungnahme der BF wurde in der Folge am 11.02.2021 seitens der ÖB an das BFA mit der Fragestellung übermittelt, ob die negative Wahrscheinlichkeitsprognose aufrechterhalten werde.

Mit Mitteilung vom 12.02.2021 erklärte das BFA, dass die seinerzeit getroffene Entscheidung (negative Wahrscheinlichkeitsprognose) voll inhaltlich aufrechterhalten werde. Zur Stellungnahme der BF werde angemerkt, dass der Einwand nicht richtig sei, dass die Behörde sämtliche vorgelegte Urkunden mit der pauschalen Begründung, dass in Afghanistan Dokumente jeglichen Inhalts gegen Bezahlung leicht beschaffbar seien, als gefälscht befinde. Vielmehr gelangte das BFA zu dieser Begründung in Zusammenschau mit den vorliegenden Widersprüchen, dem Umstand, dass Dokumente erst spät im Verfahren vorgelegt worden seien und in Afghanistan Dokumente leicht beschaffbar seien. Es werde nochmals darauf hingewiesen, dass im Botschaftsverfahren der volle Beweis im Sinne des AVG für das Vorliegen der Ehe zu erbringen sei. Ein Antragsteller müsse seine Familienangehörigeneigenschaft nachweisen, das BFA sei diesbezüglich nicht beweispflichtig. Letztlich werde darauf verwiesen, dass auch jegliche Korrespondenz via soziale Medien den Nachweis einer Familienangehörigeneigenschaft und das Bestehen einer Ehe nicht zu beweisen vermag.

In der Folge wies die ÖB mit Bescheid vom 19.02.2021 den Antrag der BF auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 AsylG mit der Begründung, dass das BFA davon ausgegangen sei, dass die BF ihr Vorbringen nicht habe unter Beweis stellen können, ab.

Gegen diesen Bescheid richtete sich die Beschwerde der BF vom 02.03.2021, in welcher sie im Wesentlichen auf ihre bisherigen Stellungnahmen verwies.

Mit Mitteilung und neuerlicher Stellungnahme jeweils vom 23.03.2021 teilte das BFA der ÖB mit, dass gegen die BP ein Aberkennungsverfahren gem. § 7 AsylG anhängig sei, weshalb eine Statusgewährung an die BF im Familienverfahren nicht wahrscheinlich sei.

Diese neuerliche Stellungnahme wurde mit Schreiben vom 24.03.2021 der BF zur Wahrung des Parteiengehörs und allfälliger Stellungnahme binnen einer Woche übermittelt.

Einem Ersuchen der BF im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung vom 29.03.2021 um Fristerstreckung wurde letztlich von der ÖB nicht entsprochen.

Mit E-Mail 13.04.2021 erstattete die BF eine Stellungnahme, in der sie ausführte, dass befremdlich erscheine, dass nunmehr eine negative Wahrscheinlichkeitsprognose mit einem gegen die BP eingeleiteten Aberkennungsverfahren begründet werde. Für eine Aberkennung des Asylstatus der BP bestehe keinerlei Sachverhaltsgrundlage; diesbezüglich werde eine Stellungnahme im Verfahren der BP zur Kenntnisnahme vorgelegt. Im Übrigen habe die BF mehrere Beweise angeboten, aus welchen das Bestehen einer aufrechten Ehe zwischen der BF und der BP ersichtlich sei.

Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 19.04.2021 wurde am 22.04.2021 dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde und der Verwaltungsakt übermittelt.

(Der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung W144 wurde die Rechtssache erst mit 01.07.2021 zugewiesen.)

Mit Schriftsatz vom 03.11.2021 stellte die BF einen Fristsetzungsantrag gemäß § 38 VwGG beim Verwaltungsgerichtshof.

Mit Verfügung des VwGH vom 22.11.2021 (verfahrensleitende Anordnung), ho. eingelangt am 24.11.2021, wurde dem Bundesverwaltungsgericht aufgetragen, die Entscheidung binnen drei Monaten zu erlassen und eine Ausfertigung, Abschrift oder Kopie derselben sowie eine Kopie des Nachweises über die Zustellung der Entscheidung an die antragstellende Partei dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen [ … ].

In der Folge wurde seitens des BVwG amtswegig eine Stellungnahme des BFA hinsichtlich des aktuellen Verfahrensstandes des Asylaberkennungsverfahrens gegen die BP beigeschafft:

Das BFA teilte mit E-Mail vom 07.12.2021 mit, dass bezüglich der Bezugsperson ( XXXX geb.) kein Asylaberkennungsverfahren anhängig ist.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.)      Feststellungen:

Festgestellt wird zunächst der oben wiedergegebene Verfahrensgang.

Ausdrücklich festgestellt wird zudem, dass hinsichtlich der BP aktuell kein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten anhängig ist; vielmehr genießt die Bezugsperson nach wie vor den Status des Asylberechtigten im Bundesgebiet.

Weiters wird festgestellt, dass sich die Angaben des BF und der Bezugsperson zu den Modalitäten des Kennenlernens, der Eheschließung und des Familienlebens weitestgehend decken, und dass abweichende Angaben lediglich auf Erinnerungsunschärfen zurückzuführen sind, die bei näherer Betrachtung keine massiven Widersprüche darstellen.

Weiters wird festgestellt, dass nach afghanischem Eherecht auch bloß religiöse Eheschließungen staatliche Gültigkeit besitzen, dass beide Eheleute, die BF sowie die BP bei der traditionell-muslimischen Eheschließung persönlich anwesend waren und insgesamt keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass etwaige Willensmängel bei der Eheschließung vorgelegen wären.

Damit ist gleichzeitig festzustellen, dass die BF seit XXXX die Ehegattin der Bezugsperson ist.

2.) Beweiswürdigung:

Die Festgestellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Akt der ÖB sowie aus dem IZR und der Mitteilung des BFA vom 07.12.2021 bezüglich des Verfahrensstandes des Aberkennungsverfahren der BP.

Die Feststellung, dass die BF weitestgehend deckungsgleiche Angaben zu den Modalitäten ihres Kennenlernens, der Eheschließung und des Familienlebens erstattet haben, ergeben sich aus einem Vergleich des Einvernahmeprotokolls der BP und des Einvernahmeprotokolls der BF sowie den sich nachstehend daraus ergebenden Erwägungen:

Auffallend ist zunächst, dass Der Ehegatte der BF bereits bei ihrer Einvernahme vor dem BFA im Jahr 2016, somit unmittelbar zu Beginn seines Verfahrens angegeben hat, dass er mit einer Frau namens XXXX , verheiratet ist. Soweit die ÖB dem entgegenhält, dass in der erstinstanzlichen Entscheidung betreffend die BP das Vorliegen einer Ehe mangels entsprechender Dokumente nicht habe festgestellt werden können, greift diese Erwägung zu kurz, da die Aussage der BP ebenfalls ein „Beweismittel“ ist und die Behörde lediglich Mutmaßungen, jedoch keinerlei Ermittlungsergebnisse dahingehend gehabt hat, dass die Ehe konkret nicht vorliegt. Die Erwägung des BFA in seiner (undatierten, aber offensichtlich vom August 2019 stammenden) Stellungnahme, wonach „der Niederschrift der BP somit keine Beweiskraft zukomme“, ist rechtlich schlichtweg verfehlt. Ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist und festgestellt werden kann/muss, ist das Ergebnis einer beweiswürdigenden, abwägenden Auseinandersetzung mit allen vorliegenden Ermittlungsergebnissen, wozu selbstverständlich auch eine Parteiaussage als (ein) Beweismittel zählt. Zudem ist das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2017 von der Glaubwürdigkeit der Angaben, dass die Bezugsperson mit der BF verheiratet sei, ausgegangen.

Weiters wiegt zugunsten der BF, dass im Verfahren eine Urkunde vorgelegt worden ist, die Angaben der BF und der BP zur Eheschließung untermauert. Es wird dabei nicht verkannt, dass in Afghanistan entsprechend den Erwägungen des BFA und der ÖB Urkunden jedweder Art leicht beschafftbar sind, doch kann ohne konkrete Anhaltspunkte nicht pauschal davon ausgegangen werden, dass aus Afghanistan stammende Urkunden generell nicht echt oder inhaltlich unrichtig sind. Ohne konkrete Hinweise für das Vorliegen einer Fälschung bzw. Verfälschung bzw. eines unrichtigen Inhalts einer echten Urkunde kann daher einer solchen Urkunde der Beweiswert nicht abgesprochen werden. Der bloße Umstand, dass diese Urkunde nicht bereits ehestmöglich im Verfahren vorgelegt worden ist, vermag für sich genommen keinen Hinweis auf die Echtheit und Richtigkeit der Urkunde dazu tun.

Zudem brachten beide übereinstimmend vor, dass sie sich kennen gelernt hätten, weil ihre Mütter befreundet gewesen seien. Übereinstimmend wurde auch dargetan, dass kurz vor der Hochzeit der Großvater der Bezugsperson verstorben sei.

Weiters rundet das Bild ab, dass die BF konkret vorgebracht hat, dass sie in ständigem Kontakt mit der BP stehe, sowie dass sie Korrespondenz mit der BP führe, wie sie lediglich unter Eheleuten üblich und in Afghanistan nur unter Eheleuten statthaft sei. Auch der Besuch der Bezugsperson in Pakistan im März 2021, um die BF dort zu treffen, indiziert ein erhebliches Naheverhältnis, was das Vorliegen einer Ehe zwischen den beiden ebenfalls glaubwürdig erscheinen lässt. Demgegenüber vermag der bloße Einwand, dass ein „voller Beweis“ nicht erbracht worden sei, nicht zu überzeugen, zumal die Behörde diesbezüglich eine Gesamtbetrachtung aller vorliegenden Umstände, nämlich auch jener, die für das Vorliegen einer intensiven Nahebeziehung und Ehe sprechen, vermissen lässt.

Soweit das BFA ins Treffen führt, dass die BF angegeben hat, dass „nur wenige Gäste“ bei der Hochzeit zugegen gewesen sein, während die BP hingegen von einer Gästezahl von 400 bis 450 spricht, ist Folgendes auszuführen: Prima Vista besteht hier – gemessen an westeuropäischen Verhältnissen – ein deutlicher Widerspruch, der an der Glaubwürdigkeit der Angaben zweifeln lässt, doch ist zuzugestehen, dass es sich diesbezüglich auch bloß um kulturelle Unterschiede oder um eine Unschärfe in der Betrachtungsweise handeln kann. Zum einen hat die BF im Verfahren einen Bericht vorgelegt, wonach Hochzeiten in Afghanistan oftmals viele hundert Personen als Gäste umfassen (– 600 Gäste wurden dabei als „bescheidene Gästezahl“ angesehen, im Gegensatz zu etwa 2000 (!) Gästen), sodass sich der afghanische Staat sogar gezwungen gesehen hat, die Personalanzahl bei Hochzeiten zu reglementierten und mit 500 zu begrenzen, da sich Familien oftmals aufgrund der hohen Gästezahl in sozial nicht verträgliche Schulden gestürzt haben. Bereits vor diesem Hintergrund ist relativiert, ob eine Gästezahl von 400 bis 450 Personen nicht doch als „nicht viele“ betrachtet werden kann. Zudem ist die hohe Personenanzahl aus den Angaben der Bezugsperson insoferne hinterfragungswürdig, als diese auf die Frage, wer die Gäste gewesen seien, geantwortet hat, dass „sie ein großes Haus mit 6 Zimmern hätten. Alle Nachbarn und Verwandten der Eltern und Frau“. Es ist evident, dass eine derartig hohe Personenanzahl nicht in einem Haus mit bloß 6 Zimmern untergebracht werden kann, und kann die unterschiedliche Angabe der Gästezahl auch daraus resultieren, dass die Bezugsperson sämtliche Dorfbewohner (Nachbarn) miteingerechnet hat, die BF hingegen lediglich die engeren familiären Gäste gemeint hätte. Diesbezüglich wurde seitens der Behörde auch nicht nachgefragt.

Die Divergenz, in den Angaben, wie lange die Eheleute nach der Eheschließung zusammengelebt hätten, nämlich ca. 6 Monate laut der BF im Gegensatz zur ca. 8½ Monaten laut der BP, ist vernachlässigbar, dies noch umso mehr, als die Angaben der BF aus den Jahren 2019/20020, somit jedenfalls 6 Jahre nach der Hochzeit stammen, sodass nachvollziehbar ist, dass ein Zurückerinnern wie viele Monate das Zusammenleben vor 6 Jahren (!) gedauert hat, mit Unschärfen von mehreren Wochen behaftet sein kann.

Der VwGH führt in seinen Erkenntnissen vom 01.03.2016, Ro 2015/18/20002 bis 0007, aus, dass für das geltende Recht, das Anträge auf internationalen Schutz aus dem Ausland sachlich begründbar nicht mehr kennt, entsprechend den Vorgaben des VfGH sicherzustellen ist, dass über den Antrag auf Erteilung des Einreisetitels eines Familienangehörigen des in Österreich befindlichen Schutzberechtigten in einem rechtsstaatlich einwandfreien Verfahren entschieden wird und insbesondere auch Gesichtspunkte des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Familienleben nach Art. 8 EMRK berücksichtigt werden. Diesen Erfordernissen kann im geltenden Recht aber auch ohne Zulassung eines Antrags auf internationalen Schutz aus dem Ausland entsprochen werden.

Dazu hält der VwGH zunächst fest, dass der in § 35 Abs. 4 AsylG angeordnete Beweismaßstab, nach dem das BFA zu beurteilen hat, ob es eine positive oder negative Mitteilung abgibt, für sich betrachtet rechtsstaatlich nicht bedenklich erscheint. Da das Gesetz vorsieht, dass eine positive Mitteilung des BFA schon dann zu ergehen hat, wenn die Gewährung von internationalem Schutz bloß wahrscheinlich ist, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass eine negative Prognose nur dann erfolgen darf, wenn die Gewährung dieses Schutzes in einem nach Einreise in Österreich zu führenden Asylverfahren nicht einmal wahrscheinlich ist; Gewissheit darüber, dass dem Antragsteller internationaler Schutz in Österreich gewährt werden wird, erfordert die Erteilung einer Einreiseerlaubnis hingegen nicht.

Um somit die Einreiseerlaubnis nach Österreich zu erhalten, muss der Antragsteller lediglich die niedrigere Beweisschwelle der Wahrscheinlichkeit einer künftigen Gewährung internationalen Schutzes überspringen. Schon dann steht ihm die Möglichkeit offen, in das Bundesgebiet einzureisen und dort ein Familienverfahren nach § 34 AsylG - mit allen Verfahrensgarantien - zu absolvieren.

Bei einer abwägenden Gesamtbetrachtung ergibt, dass die übereinstimmenden Angaben seitens der Erstbehörde quasi völlig außer Betracht geblieben sind, sowie dass die erstinstanzlich als Widersprüche erkannten Unstimmigkeiten bei genauerer Betrachtung sich als bloße Unschärfen herausstellen, die nicht geeignet sind, dem Vorbringen der BF und der Bezugsperson die Glaubwürdigkeit zu versagen. Angesichts dessen ist aufgrund der vorliegenden Beweismittel tatsächlich der erforderliche Nachweis für das Vorliegen der Familienangehörigeneigenschaft der BF als Ehegattin der Bezugsperson erbracht.

Die Feststellungen zum afghanischen Eherecht sind notorisch und ergeben sich zudem aus der mittlerweile ständigen Judikatur des BVwG zur Anerkennung von in Afghanistan geschlossenen Ehen im österreichischen Rechtsverkehr.

3.) Rechtliche Beurteilung:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG) idgF lauten wie folgt:

Verfahren vor dem Verwaltungsgericht

Anzuwendendes Recht

§ 17 Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.“

Erkenntnisse


„§ 28 (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

(4... )“

§§ 11, 11a Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lauten:

„Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung ist auch die Rechtsmittelinstanz anzugeben.

(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.

(6) Kann dem Antrag auf Erteilung eines Visums D auf Grund zwingender außenpolitischer Rücksichten oder aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht stattgegeben werden, so ist die Vertretungsbehörde ermächtigt, sich auf den Hinweis des Vorliegens zwingender Versagungsgründe zu beschränken. Der maßgebliche Sachverhalt muss auch in diesen Fällen im Akt nachvollziehbar sein.

(7) Der Fremde hat im Antrag auf Erteilung eines Visums D den jeweiligen Zweck und die beabsichtigte Dauer der Reise und des Aufenthaltes bekannt zu geben. Der Antrag ist zurückzuweisen, sofern der Antragsteller, ausgenommen die Fälle des § 22 Abs. 3 FPG, trotz Aufforderung und Setzung einer Nachfrist kein gültiges Reisedokument oder gegebenenfalls kein Gesundheitszeugnis vorlegt oder wenn der Antragsteller trotz entsprechenden Verlangens nicht persönlich vor der Behörde erschienen ist, obwohl in der Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde.

(8) Minderjährige Fremde, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, können bei Zustimmung des gesetzlichen Vertreters die Erteilung eines Visums selbst beantragen.

(9) Für Entscheidungen über die Erteilung eines Visums für Saisoniers (§2 Abs. 4 Z 13) ist Art. 23 Abs. 1 bis 3 Visakodex sinngemäß anzuwenden.

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in

Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.“

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 idgF (AsylG) lauten wie folgt:

Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1.

gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2.

das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3.

im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

Im vorliegenden Fall wurde ein schriftlicher Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt und als Bezugsperson der in Österreich asylberechtigte Ehegatte der BF genannt.

Die Erwägungen der ÖB, wonach keine Ehe der BF mit der BP bestanden habe, erweisen sich – wie oben ausgeführt – als nicht stichhaltig.

Insgesamt betrachtet kann damit dem Vorbringen der BF, dass sie die Ehegattin der Bezugsperson sei und mit dieser seit dem Jahr 2013 verheiratet sei, nicht entgegengetreten werden.

Der BF, die den gegenständlichen Antrag mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Schutzstatus an die Bezugsperson gestellt hat, ist somit ein Einreisetitel gem. § 35 Abs. 1 AsylG zu gewähren, wenn sie die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z. 1-3 AsylG erfüllt.

Diesbezüglich hat die BF einen Mietvertrag der BP über eine Wohnung in der Größe von 53,72 m² vorgelegt, was durchaus also ortsüblich für zwei Personen angesehen werden muss. Auch die vorgelegten Lohnabrechnungen der BP (mit durchschnittlich netto € 1.813.83) übersteigen die vergleichsweise in etwa heranzuziehenden Ausgleichszulagenrichtsätze für zwei erwachsene Personen (€ 1.578,36), und könnte die BF bei ihrem Ehegatten, der im Bundesgebiet erwerbstätig ist, auch mitversichert werden, sodass insgesamt seitens des BVwG keine Bedenken dahingehend bestehen, dass die Voraussetzungen gemäß §§ 35 Abs. 1 und 60 Abs. 2 Z. 1-3 AsylG nicht erfüllt wären.

Somit war spruchgemäß zu entscheiden und ist im fortgesetzten Verfahren der beantragte Einreisetitel gem. § 35 AsylG seitens der ÖB zu erteilen!

Eine mündliche Verhandlung war gemäß § 11a Abs. 2 FPG nicht durchzuführen.

Barauslagen iSd § 11a Abs. 3 leg.cit. sind im Beschwerdeverfahren nicht entstanden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 Satz 1 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des VwGH abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet wurde.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Die gegenständliche Entscheidung weicht weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen und es liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Angehörigeneigenschaft Beweismittel Ehe Einreisetitel Familienleben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W144.2241733.1.00

Im RIS seit

31.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

31.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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