Entscheidungsdatum
15.12.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W161 2244581-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Istanbul vom 18.06.2021, Zl. KONS/0224/2021, aufgrund des Vorlageantrages von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch Mag. Doris EINWALLNER, Rechtsanwältin in 1050 Wien, über die Beschwerde gegen den Bescheid des Österreichischen Generalkonsulates Istanbul vom 16.03.2021, Zl. VIS AUTIST210115483400, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 15b FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, iVm Art. 32 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des europäischen Parlaments und des Rates (Visakodex) als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, stellte am 08.01.2021 beim österreichischen Generalkonsulat Istanbul (ÖGK Istanbul) einen Antrag auf Erteilung eines für 90 Tage gültigen und zur mehrfachen Einreise berechtigendem Schengen-Visums Typ C. Als Zweck der Reise wurde „Besuch von Familienangehörigen oder Freunden“ angegeben. Die derzeitige berufliche Tätigkeit des Antragstellers wurde mit „Arbeiter“ angegeben, sein Familienstand mit „verheiratet“, als einladende Person wurde „ XXXX “ genannt.
Mit dem Antrag wurde ein ausgefüllter „SV-Antrag touristisch ÖGK Istanbul“ vorgelegt, in welchem angegeben ist, dass der Antragsteller arbeitslos sei und das Datum der ersten geplanten Reise mit 21.01.2021 bis 20.04.2021 angegeben wird. Weiters wurden vorgelegt eine Flugbestätigung, eine Reisekrankenversicherung, eine Reisepasskopie sowie drei nicht übersetzte Urkunden in türkischer Sprache.
2. Am 22.01.2021 langte beim ÖGK Istanbul ein Bericht der Landespolizeidirektion Wien vom 12.07.2019 betreffend den Verdacht auf Aufenthaltsehe in Bezug auf den nunmehrigen Beschwerdeführer ein. Aus dem Bericht ist ersichtlich, dass aufgrund eines Ersuchens der MA 35 betreffend eine mögliche Aufenthaltsehe zwischen XXXX und XXXX Erhebungen zum Vorliegen einer Aufenthaltsehe geführt wurden. Aus dem Bericht ergibt sich, das Ehepaar habe am XXXX .05.2019 in der Türkei geheiratet. Für die Ehefrau, eine österreichische Staatsbürgerin, sei dies bereits die vierte Ehe. Das gemeinsame Eheleben in Österreich solle in XXXX Wien, in der XXXX , stattgefunden haben.
Am 29.11.2018 sei bei einer zufälligen Personenkontrolle des nunmehrigen Beschwerdeführers festgestellt worden, dass sich dieser illegal im Bundesgebiet aufhalte.
Am 11.12.2018 seien der nunmehrige Beschwerdeführer und seine nunmehrige Ehegattin nach 2763 Pernitz zum Standesamt gegangen, um ein Ehefähigkeitszeugnis abzulegen. Aufgrund zahlreicher Widersprüche zwischen dem Paar, welche auf eine Aufenthaltsehe gedeutet hätten sowie aufgrund der Tatsache, dass lediglich ein Sicherstellungsprotokoll des türkischen Reisepasses vorgezeigt worden wäre, sei bereits damals von dem dortigen Standesbeamten eine Meldung an das hs.-Amt gegangen und ein E-Mail bezüglich einer möglichen Aufenthaltsehe verfasst worden.
Der Beschwerdeführer sei am 14.12.2018 bezüglich des illegalen Aufenthaltes in Österreich einvernommen worden. Ende Dezember 2018 sei dem Beschwerdeführer eine freiwillige Ausreise nahegelegt worden, welche dieser auch getätigt habe. Der Beschwerdeführer befinde sich seit Ende Dezember 2018 nicht mehr im Bundesgebiet.
Am 11.07.2019 sei XXXX an der Arbeitsplatzadresse angetroffen und befragt worden. Diese habe sogleich angegeben, dass es für sie bereits die vierte Ehe sei, welches doch heutzutage gang und gäbe sei. Ebenso spiele der Altersunterschied von 17 Jahren für sie keine Rolle mehr. Sie habe ihren Mann bereits in Italien kennengelernt. Sie habe erst bei dem Ehefähigkeitsseminar in Niederösterreich erfahren, dass der Beschwerdeführer bereits mehrmals vergeblich versucht habe, ein Visum für Österreich zu erlangen.
Die nunmehrige Ehefrau habe keine gemeinsamen Fotos bzw. Chatverläufe vorzeigen können, welche auf ein gemeinsames eheliches Leben schließen lassen könnten.
Abschließend ist im Bericht vermerkt, dass mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne, dass in diesem Fall ein gemeinsames Eheleben im Sinne des Art. 8 EMRK stattgefunden habe.
3. Mit Mandatsbescheid vom 25.01.2021 stellte die Vertretungsbehörde ÖGK Istanbul fest, dass der Beschwerdeführer die Voraussetzungen zur Erteilung eines Visums nicht erfülle. Begründend wurde festgehalten, aus dem vorliegenden Antragsformular gehe ein tatsächlicher Gerichtstermin als Reisegrund für die Antragstellung nicht hervor. Vielmehr sei von der Partei am Antragsformular der Reisegrund „Besuch von Familie und Freunden“ angegeben und am Interviewblatt „Tourismus“ als Reisegrund angekreuzt worden. Grundsätzlich sei aus der Türkei eine Kontaktaufnahme per elektronischem Weg (wie z.B. Facebook-Call oder WhatsApp-Call) mit Österreich möglich. Aufgrund der Umstände/des vorliegenden Sachverhaltes sei von einer nicht gesicherten Wiederausreise auszugehen.
4.1. Gegen diesen Mandatsbescheid erhob der Beschwerdeführer am 08.02.2021 beim ÖGK Istanbul fristwahrend das Rechtsmittel der Vorstellung gemäß § 57 Abs. 2 AVG.
Darin wird begründend vorgebracht, der Einschreiter habe als Ehemann einer österreichischen Staatsbürgerin einen Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ beantragt. Das Verfahren sei beim Verwaltungsgericht Wien anhängig. Das Gericht möchte den Einschreiter persönlich befragen. Versuche, die Befragung online durchzuführen, seien gescheitert. Dies sei dem Verhandlungsprotokoll vom 16.11.2020 auch zu entnehmen. Das Gericht habe daher angeregt, ein Einreisevisum für den Einschreiter zu beantragen, damit er an einer mündlichen Verhandlung teilnehmen könne. Dies ergebe sich aus dem schon vorgelegten Verhandlungsprotokoll.
Reisegrund sei die Teilnahme am Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien. Der Einschreiter habe deshalb „Besuch von Familie und Freunden“ bzw. „Tourismus“ angegeben, weil er keine andere Auswahlmöglichkeit auf dem Antragsformular vorgefunden bzw. sich nicht ausgekannt habe.
4.2. Am 26.02.2021 legte die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers eine am19.02.2021 für den Beschwerdeführer ausgestellte Ladung des Verwaltungsgerichtes Wien für den 25.05.2021 vor, in Angelegenheit der Beschwerde des XXXX gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35, vom 12.12.2019, betreffend einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Familienangehöriger“ nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz.
5. Am 09.03.2021 fand eine Befragung des XXXX bei der ÖGK über den Verdacht der Aufenthaltsehe statt.
6. Mit dem angefochtenen Bescheid des ÖGK Istanbul vom 16.03.2021, übermittelt am selben Tag, wurde der Antrag des Beschwerdeführers gemäß Art. 32 Abs. 1 Visakodex abgelehnt.
Begründend wird ausgeführt, eine neuerliche Überprüfung der Angaben des Antragstellers, unter Berücksichtigung der von ihm vorgelegten Dokumente, habe ergeben, dass sein Antrag auf Erteilung eines Visums gemäß Art. 32 Abs. 1 lit. b Visakodex abzuweisen sei, da begründete Zweifel an seiner Absicht, vor Ablauf des Visums aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten auszureisen, bestehen.
Bei der Prüfung des Antrages sei hervorgekommen:
„[…] Sie beantragen ein Visum zum Zweck eines Termins beim Verwaltungsgericht Wien am 26.11.2020, welcher auf Grund von technischen Problemen für eine Online Teilnahme nicht funktionierte.
Der Visumantrag wurde am 08.01.2021 gestellt, ohne dass ein weiterer Termin für eine Verhandlung vorgelegt wurde. Aus diesem Grund wurde Ihnen ein Mandatsbescheid ausgestellt, dass auf Grund der vorliegenden Unterlagen der Antrag abzulehnen wäre. Ihre Rechtsvertretung hat innerhalb der gesetzten Frist eine Vorladung beim Verwaltungsgericht Wien für den 25.05.2021 vorgelegt. Nach Vorgabe der zuständigen Abteilung des Bundesministeriums für Inneres wurde der Behörde aufgetragen, eine weitere Befragung durchzuführen. Das Ergebnis der Befragung, welche am 09.03.2021 mit Ihnen durchgeführt wurde, ist an die zuständige Abteilung des Bundesministeriums für Inneres weitergeleitet worden.
Nach Durchsicht des Visumantrages und der neuerlichen Befragung kann in Absprache mit dem Bundesministerium für Inneres die Ausstellung eines Visums zur Teilnahme an der Verhandlung nicht zugestimmt werden.
Sie geben im Visumantrag an, keiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Es wurden keine eigenen Finanzen vorgelegt. Es ist nicht nachvollziehbar, mit welchen Mitteln die gesicherte Lebensführung in der Türkei finanziert werden kann. Es wurden keine Nachweise einer wirtschaftlichen, familiären und sozialen Verwurzelung im Heimatland erbracht. Sie können kein Vorvisum für den legalen Aufenthalt in Österreich vorweisen, Sie waren im Bundesgebiet illegal aufhältig, es wurde gegen Sie eine Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Ma0nahme angeordnet.
Es bestehen daher aufgrund der oben angeführten Gründe und weil Sie weder familiär noch wirtschaftlich an Ihren Heimatstaat gebunden sind, begründete Zweifel, dass Sie die Absicht haben, vor Ablauf des Visums aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten auszureisen. […]“
6. Gegen den Bescheid des ÖGK Istanbul erhob der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Vertretung mit Schreiben vom 13.04.2021 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde.
In der gegenständlichen Beschwerde bringt der Beschwerdeführer insbesondere vor, der Versagungsgrund des Art. 32 Abs. 1 lit. b Visakodex liege nicht vor. Es gäbe keinen Grund zur Annahme, dass der Beschwerdeführer vor Ablauf des Visums nicht aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ausreisen werde. Der Beschwerdeführer wäre zuletzt im Jahr 2018 in Österreich aufhältig gewesen, sei jedoch im Dezember 2018 freiwillig in die Türkei ausgereist. Seit damals habe sich der Beschwerdeführer nur mehr in der Türkei aufgehalten. Der Beschwerdeführer gehe im Herkunftsland einer Erwerbstätigkeit nach und verfüge auch über enge familiäre Bindungen zu den dort lebenden Eltern und Geschwistern. Aufgrund der Erwerbstätigkeit sei der Beschwerdeführer finanziell umfassend versorgt und habe auch eine Unterkunft in der Türkei. Der Grund für die Einreise nach Österreich sei durch Vorlage der Ladung des VwG Wien zur mündlichen Verhandlung am 25.05.2021 sowie des Verhandlungsprotokolls vom 26.11.2020 ausführlich und glaubhaft dargetan worden. Der belangten Vertretungsbehörde sei anzulasten, dass sie den entscheidungserheblichen Sachverhalt nur unzureichend ermittelt und festgestellt und den angefochtenen Bescheid auch mangelhaft begründet habe.
7. In weiterer Folge erlies das ÖGK Istanbul am 18.06.2021 eine Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG, mit welcher die Beschwerde abgewiesen wurde.
Begründend wurde festgehalten, im Rahmen der Überprüfung des Antrages sei hervorgekommen, dass der Antragsteller 2018 einen „Overstay“ in Österreich gehabt hätte, welcher zu einer freiwilligen unterstützten Ausreise am 21.12.2018 geführt hätte und scheine eine weitere aufenthaltsbeendende Maßnahme vom 10.07.2020 auf, nachdem der Antragsteller am 24.05.2019 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt hätte (diese befinde sich derzeit beim Landesverwaltungsgericht Wien in Beschwerde, es bestehe der Verdacht des Eingehens einer Aufenthaltsehe).
Aufgrund dessen sei in Aussicht genommen worden, das Visum zu verweigern.
Das Bundesministerium für Inneres (BMI) sei befasst worden, ob einer Visumserteilung für die Gerichtsverhandlung zugestimmt werde und habe nach einer wiederholten Befragung des Beschwerdeführers – auch zum Verdacht des Vorliegens einer Aufenthaltsehe mit der österreichischen Staatsbürgerin – am 09.03.2021 mitgeteilt, dass der Einreise nicht zugestimmt werde.
In der Folge sei der Visumsantrag mit Bescheid vom 16.03.2021 abgelehnt worden. Zum Beschwerdevorbringen, es gebe keinen Grund für die Annahme, dass der Beschwerdeführer vor Ablauf des Visums nicht aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ausreisen werde, der eigentliche Reisegrund sei eine Ladung des Landesverwaltungsgerichtes, sei anzumerken, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung keine Ladung habe vorgelegt werden können. Somit sei davon auszugehen, dass sehr wohl – wie ursprünglich am Antragsformular angegeben – der Aufenthalt für Besuchs- und/oder touristische Zwecke gedacht gewesen wäre, insbesondere, da der Reisezeitraum mit 21.01.2021 bis 20.04.2021 angegeben worden wäre. Die erst im März nachgereichte Ladung für den 25.05.2021 wäre von diesem Reisezeitraum nicht abgedeckt gewesen. Auch, wenn nun eine Ladung des Landesverwaltungsgerichtes vorliege, könne trotzdem davon ausgegangen werden, dass in der Antragstellung nicht bloß – wie behauptet – mangels Auswahlmöglichkeiten die LVwG-Ladung nicht angeführt worden wäre.
Der Beschwerdeführer könne keine wirtschaftliche oder finanzielle Verwurzelung im Heimatland vorweisen, im Rahmen der Einvernahme vor der belangten Behörde am 09.03.2021 bringe er vor, Bäcker zu sein, derzeit sei er jedoch arbeitslos. Laut der Arbeitsbestätigung, die mit der Beschwerde vorgelegt worden wäre, habe der Beschwerdeführer am 17.03.2021 begonnen zu arbeiten, somit erst nach der Antragstellung. Überdies verstoße diese gegen das Neuerungsverbot gemäß § 11a Abs. 2 FPG.
Die im Herkunftsland lebenden Eltern stellen keine ausreichende familiäre Verwurzelung dar, da die Ehegattin des Beschwerdeführers in Österreich wohnhaft sei und ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt worden wäre, welcher die Absicht des Beschwerdeführers in Österreich leben zu wollen, bestätige – vorausgesetzt, der Verdacht auf Aufenthaltsehe könne ausgeräumt werden.
Es bestünden somit – auf dem Boden konkreter Anhaltspunkte – begründete Zweifel im Sinne des Art. 32 Abs. 1 lit. b Visakodex an der Absicht des Beschwerdeführers, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Ablauf der Gültigkeit des beantragten Visums zu verlassen. Dem Beschwerdeführer sei es nicht gelungen, die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.
8. Dagegen brachte der Beschwerdeführer am 02.07.2021 und somit fristgerecht, einen Vorlageantrag an das Bundesverwaltungsgericht ein.
9. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 19.07.2021, eingelangt am 22.07.2021, wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt dem Verwaltungsakt übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, stellte am 08.01.2021 unter Verwendung des dafür vorgesehenen Standardformulars einen Antrag auf Erteilung eines für 90 Tage gültigen und zur mehrfachen Einreise berechtigendes Schengen-Visums Typ C beim ÖGK Istanbul.
Als Zweck der Reise gab er lediglich den Besuch von Familienangehörigen oder Freunden an.
Der Beschwerdeführer suchte bereits mehrmals vergeblich um ein Visum für einen Aufenthalt in Österreich an. Am 29.11.2018 wurde er bei einer zufälligen Personenkontrolle von der Polizei kontrolliert und festgestellt, dass er sich illegal im Bundesgebiet aufhalte.
Am 11.12.2018 begab sich der Beschwerdeführer mit seiner späteren Ehegattin XXXX zu einem österreichischen Standesamt, um ein Ehefähigkeitszeugnis abzulegen. Aufgrund von zahlreichen Widersprüchen, welche auf eine Aufenthaltsehe deuteten sowie aufgrund der Tatsache, dass vom Beschwerdeführer lediglich ein Sicherstellungsprotokoll des türkischen Reisepasses vorgezeigt wurde, erstattete der dortige Standesbeamte eine Meldung an die Fremdenpolizei bezüglich einer möglichen Aufenthaltsehe.
Ende Dezember 2018 wurde dem Beschwerdeführer eine freiwillige Ausreise nahgelegt und kam er diese Aufforderung auch nach. Seit Ende Dezember 2018 befindet er sich nicht mehr im Bundesgebiet.
Der Beschwerdeführer ehelichte am XXXX .05.2019 in der Türkei XXXX , geboren am XXXX in Hamburg, österreichische Staatsangehörige und stellte am 24.05.2019 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Familienangehöriger“ nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG). Nach Ablehnung seines Antrages in erster Instanz befindet sich das Verfahren derzeit beim Landesverwaltungsgericht Wien in Beschwerde.
Am 26.11.2020 fand vor dem Verwaltungsgericht Wien eine Verhandlung zu dieser Angelegenheit statt und wurde versucht, mit dem nunmehrigen Beschwerdeführer per Videotelefonie Kontakt aufzunehmen, was allerdings gescheitert ist.
Über Ersuchen der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers wurde am 19.02.2021 eine neuerliche Ladung für den Beschwerdeführer für eine Verhandlung am 25.05.2021 ausgestellt.
Sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Ehegattin wurden bereits wegen des Verdachtes auf Eingehen einer Aufenthaltsehe befragt.
Es bestehen begründete Zweifel an der vom Beschwerdeführer bekundeten Absicht, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Ablauf der Gültigkeit des beantragten Visums zu verlassen.
Umstände, dass eine Einreise des Beschwerdeführers in das Bundesgebiet aus besonderen humanitären Gründen oder aufgrund internationaler Verpflichtungen notwendig erschiene, oder, dass seine Einreise im nationalen Interesse gelegen wäre, sind nicht ersichtlich.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akt des ÖGK Istanbul.
Die Negativfeststellung bezüglich humanitärer Gründe und nationaler Interessen, die eine Einreise in das Bundesgebiet indizieren könnten, ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer derartige Gründe nicht geltend gemacht hat und auch nicht ersichtlich ist, welches nationale Interesse an seiner Einreise bestehen sollte.
Die Feststellungen zum Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Wien ergeben sich aus dem im Akt befindlichen Verhandlungsprotokoll sowie der Ladung vom 19.02.2021.
Die Zweifel an der Ausreiseabsicht des Beschwerdeführers ergeben sich für das erkennende Gericht aus folgenden Umständen:
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer in seinem Antrag auf Ausstellung eines Visums C als Zweck den Besuch von Familienangehörigen oder Freunden angegeben hat. Obwohl aus dem Formular eindeutig ersichtlich ist, dass er auch „Sonstiges“ hätte ankreuzen können. Der diesbezügliche Erklärungsversuch in der Vorstellung vom 08.02.2021, er habe keine andere Auswahlmöglichkeit auf dem Formular gefunden bzw. sich nicht ausgekannt, ist unkorrekt und vermag nicht zu überzeugen. Der Beschwerdeführer erwähnt in seinem Antrag zunächst mit keinem Wort, dass der tatsächliche Grund seiner Einreise nach Österreich der Besuch einer Gerichtsverhandlung wäre. Erst wesentlich später wird dies als tatsächlichen Grund für die beabsichtigte Einreise von ihm genannt.
Für die Befolgung eines Gerichtstermins wäre es auch nicht erforderlich gewesen, ein Visum für eine mehrmalige Einreise und für die maximale Dauer von 90 Tagen zu beantragen.
Diesbezüglich ist auch der Argumentation in der Beschwerdevorentscheidung, wonach bei der Antragstellung ein Reisezeitraum von 21.01.2021 bis 20.04.2021 angegeben wurde, dies zu einem Zeitpunkt, als es noch gar keinen Gerichtstermin vom Verwaltungsgericht Wien gab, zu folgen, wonach der Aufenthalt sehr wohl für Besuchs- und/oder touristische Zwecke gedacht gewesen wäre.
Aus dem Akteninhalt, insbesondere aus den Aussagen des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin, ergeben sich starke Zweifel, dass die Ehe nicht zum Zweck des Eingehens einer Familiengemeinschaft und eines Ehelebens geschlossen wurde, sondern um dem Beschwerdeführer einen Aufenthalt in Österreich zu ermöglichen, womit der Verdacht einer Aufenthaltsehe gegeben ist.
Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich auch aus der Tatsache, dass er bereits einmal illegal im österreichischen Bundesgebiet betreten wurde und, dass im Zuge der beabsichtigten Eheschließung bereits ein österreichischer Standesbeamter nach der Vorsprache des Beschwerdeführers und seiner nunmehrigen Ehegattin eine Anzeige in Richtung einer Aufenthaltsehe erstattete.
Das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers sowie seine im Verfahren getätigten Angaben legen den Verdacht nahe, dass dieser tatsächlich vor Ablauf seines Visums aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ausreisen würde.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lauten:
„Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.
(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.
(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.
(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung ist auch die Rechtsmittelinstanz anzugeben.
(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.
(6) Kann dem Antrag auf Erteilung eines Visums D auf Grund zwingender außenpolitischer Rücksichten oder aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht stattgegeben werden, so ist die Vertretungsbehörde ermächtigt, sich auf den Hinweis des Vorliegens zwingender Versagungsgründe zu beschränken. Der maßgebliche Sachverhalt muss auch in diesen Fällen im Akt nachvollziehbar sein.
(7) Der Fremde hat im Antrag auf Erteilung eines Visums D den jeweiligen Zweck und die beabsichtigte Dauer der Reise und des Aufenthaltes bekannt zu geben. Der Antrag ist zurückzuweisen, sofern der Antragsteller, ausgenommen die Fälle des § 22 Abs. 3 FPG, trotz Aufforderung und Setzung einer Nachfrist kein gültiges Reisedokument oder gegebenenfalls kein Gesundheitszeugnis vorlegt oder wenn der Antragsteller trotz entsprechenden Verlangens nicht persönlich vor der Behörde erschienen ist, obwohl in der Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde.
(8) Minderjährige Fremde, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, können bei Zustimmung des gesetzlichen Vertreters die Erteilung eines Visums selbst beantragen.
Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.
(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.
(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.
(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.
Begünstigte Drittstaatsangehörige
§ 15b (1) Begünstigte Drittstaatsangehörige (§ 2 Abs. 4 Z 11) haben das Recht auf Aufenthalt für einen Zeitraum von drei Monaten, unterliegen aber der Visumpflicht, sofern Anhang I zur Visumpflichtverordnung (§ 2 Abs. 4 Z 20) auf sie Anwendung findet. Sie haben Anspruch auf Erteilung eines Visums.
(2) Amtshandlungen im Zusammenhang mit der Erteilung von Visa an begünstigte Drittstaatsangehörige sind prioritär zu führen und von Verwaltungsabgaben befreit.
(3) Über den dreimonatigen Zeitraum nach Abs. 1 hinaus besteht ein Aufenthaltsrecht nach Maßgabe des 4. Hauptstückes des 2. Teiles des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes. Inhaber von Aufenthaltskarten und Daueraufenthaltskarten (§§ 54 und 54a NAG) oder von Aufenthaltskarten und Daueraufenthaltskarten anderer Mitgliedstaaten sind zur visumfreien Einreise berechtigt.“
Die maßgeblichen Bestimmungen der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (Freizügigkeitsrichtlinie) lauten:
„Artikel 2
Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
1. "Unionsbürger" jede Person, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt;
2. "Familienangehöriger"
a) den Ehegatten;
b) den Lebenspartner, mit dem der Unionsbürger auf der Grundlage der Rechtsvorschriften
eines Mitgliedstaats eine eingetragene Partnerschaft eingegangen ist, sofern nach den
Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats die eingetragene Partnerschaft der Ehe
gleichgestellt ist und die in den einschlägigen Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats vorgesehenen Bedingungen erfüllt sind;
c) die Verwandten in gerader absteigender Linie des Unionsbürgers und des Ehegatten
oder des Lebenspartners im Sinne von Buchstabe b, die das 21. Lebensjahr noch nicht
vollendet haben oder denen von diesen Unterhalt gewährt wird;
d) die Verwandten in gerader aufsteigender Linie des Unionsbürgers und des Ehegatten
oder des Lebenspartners im Sinne von Buchstabe b, denen von diesen Unterhalt gewährt
wird;
3. "Aufnahmemitgliedstaat" den Mitgliedstaat, in den sich der Unionsbürger begibt, um dort sein Recht auf Freizügigkeit oder Aufenthalt auszuüben.
Artikel 3
Berechtigte
(1) Diese Richtlinie gilt für jeden Unionsbürger, der sich in einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, begibt oder sich dort aufhält, sowie für seine Familienangehörigen im Sinne von Artikel 2 Nummer 2, die ihn begleiten oder ihm nachziehen.
(2) Unbeschadet eines etwaigen persönlichen Rechts auf Freizügigkeit und Aufenthalt der Betroffenen erleichtert der Aufnahmemitgliedstaat nach Maßgabe seiner innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Einreise und den Aufenthalt der folgenden Personen:
a) jedes nicht unter die Definition in Artikel 2 Nummer 2 fallenden Familienangehörigen ungeachtet seiner Staatsangehörigkeit, dem der primär aufenthaltsberechtigte Unionsbürger im Herkunftsland Unterhalt gewährt oder der mit ihm im Herkunftsland in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat, oder wenn schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege des Familienangehörigen durch den Unionsbürger zwingend erforderlich machen;
b) des Lebenspartners, mit dem der Unionsbürger eine ordnungsgemäß bescheinigte dauerhafte Beziehung eingegangen ist.
Der Aufnahmemitgliedstaat führt eine eingehende Untersuchung der persönlichen Umstände durch und begründet eine etwaige Verweigerung der Einreise oder des Aufenthalts dieser Person.
Artikel 5
Recht auf Einreise
(1) Unbeschadet der für die Kontrollen von Reisedokumenten an den nationalen Grenzen
geltenden Vorschriften gestatten die Mitgliedstaaten Unionsbürgern, die einen gültigen Personalausweis oder Reisepass mit sich führen, und ihren Familienangehörigen, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und die einen gültigen Reisepass mit sich führen, die Einreise. Für die Einreise von Unionsbürgern darf weder ein Visum noch eine gleichartige Formalität verlangt werden.
(2) Von Familienangehörigen, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen,
ist gemäß der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 oder gegebenenfalls den einzelstaatlichen
Rechtsvorschriften lediglich ein Einreisevisum zu fordern. Für die Zwecke dieser Richtlinie entbindet der Besitz einer gültigen Aufenthaltskarte gemäß Artikel 10 diese Familienangehörigen von der Visumspflicht.
Die Mitgliedstaaten treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um diesen Personen die Beschaffung der erforderlichen Visa zu erleichtern. Die Visa werden so bald wie möglich nach einem beschleunigten Verfahren unentgeltlich erteilt.
(3) …
Artikel 6
Recht auf Aufenthalt bis zu drei Monaten
(1) Ein Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten, wobei er lediglich im Besitz eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses sein muss und ansonsten keine weiteren Bedingungen zu erfüllen oder Formalitäten zu erledigen braucht.
(2) Absatz 1 gilt auch für Familienangehörige im Besitz eines gültigen Reisepasses, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und die den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen.
Artikel 7
Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate
(1) Jeder Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er
a) Arbeitnehmer oder Selbstständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist oder
b) für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen oder
c) - bei einer privaten oder öffentlichen Einrichtung, die von dem Aufnahmemitgliedstaat aufgrund seiner Rechtsvorschriften oder seiner Verwaltungspraxis anerkannt oder finanziert wird, zur Absolvierung einer Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung als Hauptzweck eingeschrieben ist und
- über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügt und der zuständigen nationalen Behörde durch eine Erklärung oder durch jedes andere gleichwertige Mittel seiner Wahl glaubhaft macht, dass er für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, oder
d) ein Familienangehöriger ist, der den Unionsbürger, der die Voraussetzungen des Buchstaben a, b oder c erfüllt, begleitet oder ihm nachzieht.
(2) Das Aufenthaltsrecht nach Absatz 1 gilt auch für Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und die den Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat begleiten oder ihm nachziehen, sofern der Unionsbürger die Voraussetzungen des Absatzes 1 Buchstabe a, b oder c erfüllt.
(3) …
Artikel 9
Verwaltungsformalitäten für Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen
(1) Die Mitgliedstaaten stellen den Familienangehörigen eines Unionsbürgers, die nicht die
Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, eine Aufenthaltskarte aus, wenn ein Aufenthalt von über drei Monaten geplant ist.
(2) Die Frist für die Einreichung des Antrags auf Ausstellung der Aufenthaltskarte muss
mindestens drei Monate ab dem Zeitpunkt der Einreise betragen.
(3) Die Nichterfüllung der Pflicht zur Beantragung einer Aufenthaltskarte kann mit verhältnismäßigen und nicht diskriminierenden Sanktionen geahndet werden.
Artikel 10
Ausstellung der Aufenthaltskarte
(1) Zum Nachweis des Aufenthaltsrechts der Familienangehörigen eines Unionsbürgers, die
nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, wird spätestens sechs Monate nach Einreichung des betreffenden Antrags eine "Aufenthaltskarte für Familienangehörige eines Unionsbürgers" ausgestellt. Eine Bescheinigung über die Einreichung des Antrags auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte wird unverzüglich ausgestellt.
(2) Für die Ausstellung der Aufenthaltskarte verlangen die Mitgliedstaaten die Vorlage folgender Dokumente:
a) gültiger Reisepass;
b) Bescheinigung über das Bestehen einer familiären Beziehung oder einer eingetragenen Partnerschaft;
c) Anmeldebescheinigung des Unionsbürgers, den sie begleiten oder dem sie nachziehen, oder, wenn kein Anmeldesystem besteht, ein anderer Nachweis über den Aufenthalt des betreffenden Unionsbürgers im Aufnahmemitgliedstaat;
d) in den Fällen des Artikels 2 Nummer 2 Buchstaben c und d der urkundliche Nachweis, dass
die dort genannten Voraussetzungen vorliegen;
e) in den Fällen des Artikels 3 Absatz 2 Buchstabe a ein durch die zuständige Behörde des
Ursprungs- oder Herkunftslands ausgestelltes Dokument, aus dem hervorgeht, dass die Betroffenen vom Unionsbürger Unterhalt beziehen oder mit ihm in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben, oder der Nachweis schwerwiegender gesundheitlicher Gründe, die die persönliche Pflege des Familienangehörigen durch den Unionsbürger zwingend erforderlich machen;
f) in den Fällen des Artikels 3 Absatz 2 Buchstabe b der Nachweis über das Bestehen einer
dauerhaften Beziehung mit dem Unionsbürger.
KAPITEL VI
Beschränkungen des Einreise- und Aufenthaltsrechts aus Gründen der öffentlichen Ordnung,
Sicherheit oder Gesundheit
Artikel 27
Allgemeine Grundsätze
(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen dieses Kapitels dürfen die Mitgliedstaaten die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht eines Unionsbürgers oder seiner Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit beschränken. Diese Gründe dürfen nicht zu wirtschaftlichen Zwecken geltend gemacht werden.
(2) Bei Maßnahmen aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und darf ausschließlich das persönliche Verhalten des Betroffenen ausschlaggebend sein. Strafrechtliche Verurteilungen allein können ohne Weiteres diese Maßnahmen nicht begründen. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.
(3) Um festzustellen, ob der Betroffene eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt, kann der Aufnahmemitgliedstaat bei der Ausstellung der Anmeldebescheinigung oder - wenn es kein Anmeldesystem gibt - spätestens drei Monate nach dem Zeitpunkt der Einreise des Betroffenen in das Hoheitsgebiet oder nach dem Zeitpunkt, zu dem der Betroffene seine Anwesenheit im Hoheitsgebiet gemäß Artikel 5 Absatz 5 gemeldet hat, oder bei Ausstellung der Aufenthaltskarte den Herkunftsmitgliedstaat und erforderlichenfalls andere Mitgliedstaaten um Auskünfte über das Vorleben des Betroffenen in strafrechtlicher Hinsicht ersuchen, wenn er dies für unerlässlich hält. Diese Anfragen dürfen nicht systematisch erfolgen. Der ersuchte Mitgliedstaat muss seine Antwort binnen zwei Monaten erteilen.
(4) Der Mitgliedstaat, der den Reisepass oder Personalausweis ausgestellt hat, lässt den Inhaber des Dokuments, der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit aus einem anderen Mitgliedstaat ausgewiesen wurde, ohne jegliche Formalitäten wieder einreisen, selbst wenn der Personalausweis oder Reisepass ungültig geworden ist oder die Staatsangehörigkeit des Inhabers bestritten wird.
Artikel 35
Rechtsmissbrauch
Die Mitgliedsstaaten können die Maßnahmen erlassen, die notwendig sind, um die durch diese Richtlinie verliehenen Rechte im Falle von Rechtsmissbrauch oder betrug- wie z.B. durch Eingehung von Scheinehen – zu verweigern, aufzuheben oder zu widerrufen. Solche Maßnahmen müssen verhältnismäßig sein und unterliegen den Verfahrensgarantien nach den Artikeln 30 und 31.“
Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des europäischen Parlaments und des Rates (Visakodex) lauten wie folgt:
„Prüfung der Einreisevoraussetzungen und Risikobewertung
Art. 21 (1) Bei der Prüfung eines Antrags auf ein einheitliches Visum ist festzustellen, ob der Antragsteller die Einreisevoraussetzungen nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a, c, d und e des Schengener Grenzkodexes erfüllt, und ist insbesondere zu beurteilen, ob bei ihm das Risiko der rechtswidrigen Einwanderung besteht, ob er eine Gefahr für die Sicherheit der Mitgliedstaaten darstellt und ob er beabsichtigt, vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des beantragten Visums das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu verlassen.
(2) Zu jedem Antrag wird das VIS gemäß Artikel 8 Absatz 2 und Artikel 15 der VIS-Verordnung abgefragt. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass alle Suchkriterien gemäß Artikel 15 der VIS-Verordnung voll und ganz verwendet werden, um falsche Ablehnungen und Identifizierungen zu vermeiden.
(3) Bei der Kontrolle, ob der Antragsteller die Einreisevoraussetzungen erfüllt, prüft das Konsulat,
a) dass das vorgelegte Reisedokument nicht falsch, verfälscht oder gefälscht ist;
b) ob die Angaben des Antragstellers zum Zweck und zu den Bedingungen des beabsichtigten Aufenthalts begründet sind und ob er über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des beabsichtigten Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunfts- oder Wohnsitzstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügt oder in der Lage ist, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben;
c) ob der Antragsteller im Schengener Informationssystem (SIS) zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben ist;
d) ob der Antragsteller keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit oder die öffentliche Gesundheit im Sinne von Artikel 2 Nummer 19 des Schengener Grenzkodexes oder für die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats darstellt und ob er insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden ist;
e) ob der Antragsteller, soweit erforderlich, im Besitz einer angemessenen und gültigen Reisekrankenversicherung ist.
(4) Das Konsulat prüft gegebenenfalls anhand der Dauer früherer und geplanter Aufenthalte, ob der Antragsteller die zulässige Gesamtaufenthaltsdauer im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht überschritten hat, ungeachtet etwaiger rechtmäßiger Aufenthalte aufgrund eines nationalen Visums für den längerfristigen Aufenthalt oder eines von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Aufenthaltstitels.
(5) Die Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts während des geplanten Aufenthalts werden nach der Dauer und dem Zweck des Aufenthalts und unter Zugrundelegung der Ausgaben für Unterkunft und Verpflegung in dem/den betreffenden Mitgliedstaat(en) nach Maßgabe eines mittleren Preisniveaus für preisgünstige Unterkünfte bewertet, die um die Zahl der Aufenthaltstage multipliziert werden; hierzu werden die von den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 34 Absatz 1 Buchstabe c des Schengener Grenzkodexes festgesetzten Richtbeträge herangezogen. Der Nachweis einer Kostenübernahme und/oder einer privaten Unterkunft kann ebenfalls das Vorhandensein ausreichender Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts belegen.
(6) Bei der Prüfung eines Antrags auf ein Visum für den Flughafentransit überprüft das Konsulat insbesondere Folgendes: a) dass das vorgelegte Reisedokument nicht falsch, verfälscht oder gefälscht ist; b) den Ausgangs- und Zielort des betreffenden Drittstaatsangehörigen und die Kohärenz der geplanten Reiseroute und des Flughafentransits; c) den Nachweis der Weiterreise zum Endbestimmungsland.
(7) Die Prüfung eines Antrags stützt sich insbesondere auf die Echtheit und Vertrauenswürdigkeit der vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen und den Wahrheitsgehalt und die Glaubwürdigkeit seiner Aussagen.
Visumverweigerung
Art. 32 (1) Unbeschadet des Artikels 25 Absatz 1 wird das Visum verweigert,
a) wenn der Antragsteller:
i) ein Reisedokument vorlegt, das falsch, verfälscht oder gefälscht ist;
ii) den Zweck und die Bedingungen des geplanten Aufenthalts nicht begründet;
iii) nicht den Nachweis erbringt, dass er über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des geplanten Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunfts- oder Wohnsitzstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügt, bzw. nicht in der Lage ist, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben;
iv) sich im laufenden Sechsmonatszeitraum bereits drei Monate im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten auf der Grundlage eines einheitlichen Visums oder eines Visums mit räumlich beschränkter Gültigkeit aufgehalten hat;
v) im SIS zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben ist;
vi) als eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit oder die öffentliche Gesundheit im Sinne von Artikel 2 Absatz 19 des Schengener Grenzkodexes oder für die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats eingestuft wird, insbesondere wenn er in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden ist; oder
vii) nicht nachweist, dass er, soweit erforderlich, über eine angemessene und gültige Reisekrankenversicherung verfügt; oder
b) wenn begründete Zweifel an der Echtheit der von dem Antragsteller vorgelegten Belege oder am Wahrheitsgehalt ihres Inhalts, an der Glaubwürdigkeit seiner Aussagen oder der von ihm bekundeten Absicht bestehen, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Ablauf der Gültigkeit des beantragten Visums zu verlassen.
(2) Eine Entscheidung über die Verweigerung und die entsprechende Begründung werden dem Antragsteller unter Verwendung des Standardformulars in Anhang VI mitgeteilt.
(3) Antragstellern, deren Visumantrag abgelehnt wurde, steht ein Rechtsmittel zu. Die Rechtsmittel sind gegen den Mitgliedstaat, der endgültig über den Visumantrag entschieden hat, und in Übereinstimmung mit dem innerstaatlichen Recht dieses Mitgliedstaats zu führen. Die Mitgliedstaaten informieren die Antragsteller über das im Falle der Einlegung eines Rechtsmittels zu befolgende Verfahren nach Anhang VI.
…“
Gegenständlich beruht die Entscheidung der belangten Behörde auf Art. 32 Abs. 1 lit. b Visakodex. Demnach ist ein Visum zu verweigern, wenn begründete Zweifel an der vom Antragsteller bekundeten Absicht bestehen, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Ablauf der Gültigkeit des beantragten Visums zu verlassen. Die erstinstanzliche Behörde hat ihre sich darauf gründende Entscheidung ausreichend und nachvollziehbar begründet und ergeben sich wie bereits oben in der Beweiswürdigung dargestellt im vorliegenden Fall begründete Zweifel an der Absicht des Beschwerdeführers, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zeitgerecht wieder zu verlassen.
Dem Beschwerdeführer ist es zusammenfassend insgesamt nicht gelungen, die sich nach Durchführung von umfassenden Ermittlungen begründet ergebenden Bedenken durch ein unter Beweis zu stellendes substantiell geeignetes Vorbringen zu zerstreuen.
Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war das Beschwerdeverfahren ohne mündliche Verhandlung durchzuführen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.
Schlagworte
begründete Zweifel Einreisetitel Rückkehrabsicht VersagungsgrundEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W161.2244581.1.00Im RIS seit
31.01.2022Zuletzt aktualisiert am
31.01.2022