TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/20 W222 2244939-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.12.2021
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Entscheidungsdatum

20.12.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55

Spruch


W222 2244939-1/ 3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. OBREGON als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 46, 52, 53, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides wird insoweit stattgegeben, als die Dauer des befristeten Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG auf 1 Jahr herabgesetzt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (in der Folge auch BF), ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler, schlepperunterstützter Einreise in das Bundesgebiet am 26.06.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz. In der Erstbefragung durch einen Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes unter Beziehung eines Dolmetschers für Punjabi am 28.06.2021 gab der BF zu seiner Person an, er sei in XXXX geboren. Seine Muttersprache sei Punjabi, welche er in Wort und Schrift beherrsche. Er bekenne sich zum Sikhismus und gehöre der Volksgruppe „Punjabi/Panschabi“ an. Er habe zehn Jahre Grundschule besucht und zuletzt als XXXX gearbeitet. In Indien würden sein Vater, seine Mutter und ein Bruder leben. Zuletzt habe er in Punjab, XXXX , XXXX , Indien gelebt. Er verfüge über Barmittel in Höhe von EUR 20,00. Eine Verpflichtungserklärung sei für ihn nicht abgegeben worden. Des Weiteren führte er befragt aus, keine Beschwerden oder Krankheiten zu haben, die ihn an dieser Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen. Er habe vor ca. 9 Monaten den Entschluss zur Ausreise aus dem Herkunftsstaat gefasst und sei vor ca. 7 – 8 Monaten legal mit dem Flugzeug nach Serbien von Indien ausgereist. Er habe einen indischen Reisepass gehabt und sei er mit einem Reisedokument ausgereist, welches er in Serbien verloren habe. Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab der BF an: „Es gab Auseinandersetzungen mit dem Bürgermeister.“ Befragt, was er bei einer Rückkehr in seine Heimat befürchte, gab er an: „Es wird wieder Streit geben!“

In der Niederschrift wurde weiters die Angabe gemacht, dass der BF den Dolmetscher verstehe, wurde am Ende angegeben, dass die aufgenommene Niederschrift in eine für den BF verständliche Sprache rückübersetzt worden sei und der BF alles verstanden habe.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 28.06.2021 gab der BF unter Beziehung einer Dolmetscherin für Punjabi an (allfällige Rechtschreibfehler teilweise korrigiert):

„[ … ]

LA: Liegen Befangenheitsgründe oder sonstige Einwände gegen eine der anwesenden Personen vor?

VP: Nein.

LA: Welche Sprache ist Ihre Muttersprache und welche Sprachen sprechen Sie sonst noch?

VP: Meine Muttersprache ist Punjabi, andere Sprachen spreche ich nicht.

LA: Wie ist die Verständigung mit dem hier anwesenden Dolmetscher?

VP: Danke sehr gut.

LA: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht?

Wurden Ihnen diese jeweils rückübersetzt und korrekt protokolliert?

VP: Ja, habe ich. Ja, es wurde mir alles rückübersetzt.

LA: Möchten Sie Beweismittel oder Dokumente vorlegen, welche für Ihr Verfahren von Relevanz sind?

VP: Nein.

LA: Fühlen Sie sich körperlich und geistig in der Lage, die Einvernahme durchzuführen?

VP: Ja.

LA: Stehen Sie derzeit in ärztlicher Behandlung bzw. nehmen Sie Medikamente?

VP: Nein.

LA: Möchten Sie zu den von Ihnen im Zuge der Erstbefragung gemachten Angaben, insbesondere zu Ihrer Person oder vorgelegten Dokumenten etwas berichtigen?

VP: Nein, ich habe die Wahrheit gesagt.

LA: Wann sind Sie erstmals in Österreich eingereist?

VP: Vor 2-3 Tagen.

Auff.: Nennen Sie Ihren Familienamen, Ihren Vornamen, Ihr Geburtsdatum und Ihren Geburtsort, nennen Sie Ihre Daten so, wie Sie von Ihnen in Ihrem Herkunftsland im Rechtsverkehr, damit sind Behörden, öffentliche Ämter und auch Schulen gemeint, verwendet wurden!

VP: Mein Name ist XXXX , ich bin aus XXXX , am XXXX geboren, in XXXX .

LA: Wo genau haben Sie bis zu Ihrer Ausreise aus Ihrem Herkunftsland gelebt?

VP: In meinem Dorf.

LA: Mit wem haben Sie jeweils an den genannten Adressen im Heimatland gelebt?

VP: Mit der Familie, mit meiner Mutter und meinem Bruder. Mein Vater lebt in Malaysia. Nachgefragt, früher lebte er in Indien, jetzt lebt er in Malaysia.

LA: Wann genau haben Sie Ihren Heimatort verlassen und wann sind Sie aus Ihrem Herkunftsland ausgereist?

VP: Vor 7-8 Monaten.

LA: Verfügen Sie derzeit über identitätsbezeugende Dokumente?

VP: Nein.

LA: Waren Sie jemals im Besitz eines eigenen Reisepasses, wenn ja, wann und von wem wurde dieser ausgestellt, wo befindet sich dieser Pass jetzt?

VP: Nein, ich hatte noch nie einen.

LA: Leben noch Angehörige im Herkunftsland? Nennen Sie mir bitte alle persönlichen Daten, Ihre Beziehung zu den Angehörigen und deren wohnhaft.

VP: Ja, meine Familie.

LA: Haben sie noch Kontakt zu Ihren Angehörigen in Ihrem Herkunftsland?

VP: Nach Indien, ja.

LA: Wie ist Ihr Verhältnis zu Ihren Angehörigen im Herkunftsland?

VP: Es ist eine sehr gute Beziehung.

LA: Womit bestreiten Ihre Angehörigen im Herkunftsland deren Lebensunterhalt?

VP: Mein Vater schickt ihnen Geld. Nachgefragt, mein Bruder arbeitet nicht.

LA: Welchen Beruf haben Sie erlernt?

VP: Ich habe in einem XXXX gearbeitet.

LA: Wo waren Sie in der Schule? Können Sie die genaue Adresse nennen?

VP: 10 Jahre Grundschule in XXXX .

LA: Sind Sie vorbestraft?

VP: Nein.

LA: Wurden Sie jemals von Behörden in Ihrem Heimatland erkennungsdienstlich behandelt?

VP: Nein.

LA: Waren Sie jemals im Gefängnis oder in Polizeihaft?

VP: Nein, niemals.

LA: Gehörten Sie jemals selbst einer politischen Partei an?

VP: Nein.

LA: Hatten Sie jemals persönlich Probleme mit heimatlichen Behörden bzw. werden Sie von heimatlichen Behörden – etwa Polizei, Militär oder sonstigen Behörden – offiziell in Ihrer Heimat gesucht, besteht ein Haftbefehl gegen Sie?

VP: Nein.

LA: Haben Sie in Ihrem Heimatland jemals aus eigenem Antrieb, d. h. von sich aus eine Sicherheitsdienststelle, Polizeidienststelle oder Staatsanwaltschaft oder Gericht aufgesucht? Haben Sie jemals eine solche Einrichtung aufgesucht, weil Sie von diesen Behörden etwas benötigt haben?

VP: Nein.

LA: Gehörten Sie jemals einer bewaffneten Gruppierung an? (bei pos. Antwort: Funktion, Dauer, Position, Tätigkeiten, Gründe des Beitritts, ideologischer Inhalt, Sitz der Gruppierung)

VP: Nein.

LA: Warum stellen Sie einen Asylantrag? Nennen Sie Ihre Fluchtgründe!

VP: Aufgrund von Streitigkeiten. Nachgefragt, ich hatte einen Streit mit dem Dorfvorstand, ich hatte Angst, dass die Situation eskaliert und bin daher geflüchtet.

LA: Worum ging es bei dem Streit?

VP: Es ging um eine Wand. Die Hälfte der Wand gehörte uns und er hat behauptet, dass ihm die ganze Wand gehört. Deshalb kam es zu Streitigkeiten. Nachgefragt, vor 3-4 Jahren war der Streit.

LA: Und da reisten Sie erst vor ca. 7 Monaten aus?

VP: Ich war damals bei meinen Großeltern ms und bin von ihnen geflüchtet. Nachgefragt, zuhause bei meiner Mutter. Nachgefragt, ich lebte 2-2,5 Jahre bei meinen Großeltern.

LA: Und warum reisten Sie nach solanger Zeit aus?

VP: Ich hatte Angst um mein Leben, ich verspürte keine Sicherheit.

LA: Aber Ihre Familie lebt problemlos weiter?

VP: Jetzt gibt es kein Problem mehr. Ich kehrte nicht mehr zurück, ich bin direkt ins Ausland geflüchtet.

LA: Haben Sie sonst Probleme, außer den geschilderten, in Ihrem Heimatland?

VP: Nein.

LA: Warum haben Sie sich nicht dauerhaft in einem anderen Landesteil Ihres Heimatlandes niedergelassen, um diesen Problemen zu entgehen bzw. lebten weiterhin bei Ihren Großeltern?

VP: Ich wollte ein wenig ins Ausland. Nachgefragt, ich möchte auf eigenen Beinen stehen. In Indien ist es nicht möglich.

LA: Welche Probleme erwarten Sie im Falle Ihrer Rückkehr in Ihre Heimat?

VP: Nichts, ich werde einfach wieder herumsitzen.

LA: Nach Ende der Einvernahme wird Ihnen bis zum Abschluss des Verfahrens vorläufig Grundversorgung in der XXXX gewährt.

VP: Ist in Ordnung, danke.

LA: Haben Sie in Österreich Verwandte?

VP: Nein.

LA: Das Bundesamt beabsichtigt, Ihren Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, da Sie keinerlei asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen konnten. Möchten Sie dazu etwas angeben?

VP: Dann bringen Sie mich ins Lager.

LA: Wollen Sie die Länder Feststellung zu Indien insbesondere zur wirtschaftlichen Situation z.B.?

V: Es wird auf die aktuellen Erkenntnisquellen des Bundesamtes zum Herkunftsstaat verwiesen. Diese Quellen berufen sich vorwiegend unter anderem auf Berichte von EU-Behörden von Behörde von EU-Ländern aber auch Behörden anderer Länder, aber auch Quellen aus Ihrer Heimat wie auch zahlreichen NGOs und auch Botschaftsberichten, die im Einzelnen auch eingesehen werden können.

F: Ihnen wird nun ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt, in die vom Bundesamt zur Beurteilung Ihres Falles herangezogenen Länderfeststellungen zur Situation im Herkunftsstaat und dazu wie zum Verfahren nun eine Stellungnahme abzugeben oder Sie haben die Möglichkeit dazu im Rahmen des weiteren Parteiengehörs Stellung zu nehmen. Möchten Sie die Erkenntnisse des Bundesamtes Ihr Heimatland betreffend in Kopie mitnehmen und eine (schriftliche) Stellungnahme innerhalb einer Frist abgeben? Die Frist beläuft sich bis zu Ihrer 2. Einvernahme vor dem Bundesamt.

VP: Ich brauche diese Feststellungen heute nicht, ich möchte auch keine schriftliche Stellungnahme einbringen.

LA: Ich beende jetzt meine Befragung. Möchten Sie sonst noch irgendwelche Angaben machen?

VP: Nein, danke ich habe alles gesagt. Ich möchte hier nur arbeiten.

LA: Haben Sie alles verstanden, konnten Sie sich konzentrieren und der Einvernahme folgen?

VP: Ja, ich konnte der Einvernahme problemlos folgen.

[ … ]“  

Mit Verfahrensanordnung vom 28.06.2021 wurde dem BF mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den Antrag auf internationalen Schutz vollumfänglich abzuweisen und wurde ihm weiters mitgeteilt, dass er vor der Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs eine Rechtsberatung in Anspruch nehmen könne.

Am 30.06.2021 wurde der BF beim BFA neuerlich, unter Beziehung eines Dolmetschers sowie in Anwesenheit einer Rechtsberaterin, einvernommen (Unterschrift durch BF sowie Rechtsberaterin verweigert). Die wesentlichen Passagen dieser Einvernahme gestalten sich dabei wie folgt:

„[ … ]

LA: Wie ist die Verständigung über Video?

VP: Gut.

Die anwesenden Personen werden der Verfahrenspartei (VP) vorgestellt und deren Funktion/Aufgabe im Verfahren erklärt. Die Verfahrenspartei wird darauf hingewiesen, dass sie im Fall von Verständigungsschwierigkeiten jederzeit rückfragen kann. Der Verhandlungsgegenstand wird der Verfahrenspartei erläutert. Der Dolmetscher wurde für die Sprache Punjabi bestellt und ist die Verfahrenspartei dieser Sprache mächtig und damit einverstanden, in dieser Sprache einvernommen zu werden.

LA: Sie werden ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Sie im Fall von Verständigungsschwierigkeiten jederzeit rückfragen können.

Fühlen Sie sich heute psychisch und physisch in der Lage, Angaben zu Ihrem Asylverfahren zu machen?

VP: Ja.

[ … ]

Dem AW wird eine kurze Darstellung des bisherigen Ablaufs des Verfahrens gegeben und Grund und Ablauf der nunmehrigen Einvernahme mitgeteilt.

LA: Haben Sie eine ausführliche Rechtsberatung in Anspruch genommen?

VP: Ja.

Anmerkung: Der/die RB erklärt auf Nachfrage, dass die Rechtsberatung am heutigen Tag stattgefunden hat.

LA: Liegen Befangenheitsgründe oder sonstige Einwände gegen eine der anwesenden Personen vor?

VP: Nein, aber ich hätte gerne einen anderen Dolmetscher, welcher Punjabi spricht.

[ … ]

Anmerkung: Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs wird abgebrochen. VP wird darüber aufgeklärt, dass die Entscheidung auch ohne Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs gefällt werden kann, da bereits alle ermittelten Tatsachen protokolliert wurden.

[ … ]“

Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom XXXX wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt IV. und V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 6 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Begründend führte das BFA zusammengefasst aus, der BF habe eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft machen können. Er verfüge in Indien über familiäre Anknüpfungspunkte und sei gesund sowie arbeitsfähig. Es sei insgesamt festzustellen, dass bei einer Rückkehr nicht mit dem Entzug seiner Lebensgrundlage zu rechnen sei und er nicht in eine aussichtslose Situation gerate. Familiäre sowie verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte oder eine besondere Integrationsverfestigung in Österreich hätten nicht festgestellt werden können. Mittel zu seinem Unterhalt habe der BF nicht nachweisen können, zumal er nicht erwerbstätig sei, den Lebensunterhalt aus der Grundversorgung bestreite und er in einer vom Staat zur Verfügung gestellten Unterkunft lebe. Begründend wurde näher ausgeführt, das Vorbringen des BF sei in keiner Weise asylrelevant. Eine indische Behörde, welche für eine Streitschlichtung zuständig gewesen wäre, habe er nicht aufgesucht. Zusammengefasst sei es ihm aufgrund der knappen, vagen, pauschalen und inhaltsleeren Angaben bzw. Beantwortungen von Fragen nicht gelungen, eine derart schwere Verfolgung glaubhaft zu machen. Darüber hinaus habe der BF bei der Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs am 30.06.2021 nicht mitgewirkt, da er vorgebracht habe, den Dolmetscher nicht zu verstehen, obwohl dieser bei der Erstbefragung zugegen gewesen sei und der BF dort keinerlei Verständigungsschwierigkeiten vorgebracht habe. Der BF sei auch in einer umfassenden Einvernahme vom 28.06.2021 in Punjabi befragt worden. Es sei für die Behörde sachlich nicht nachvollziehbar, weswegen keine Verständigung in Punjabi mit dem Dolmetscher möglich wäre, zumal jener seit geraumer Zeit in vielfachen Verfahren vor dem BFA in der Sprache Punjabi tätig sei und hier keine Zweifel an der Fachkenntnis bestünden. Nur schwer nachvollziehbar sei, dass die beigegebene Rechtsberaterin den BF aufgefordert habe, zu sagen, dass er den Dolmetscher nicht verstehe. Aufgrund der umfassenden Einvernahme vom 28.06.2021 sei der entscheidungswesentliche Sachverhalt bereits so abgeklärt, dass eine Entscheidung getroffen werden könne. Im Übrigen lebe die Familie des BF unbehelligt in Indien und existiere in Indien kein Meldewesen, sodass dem BF jedenfalls die Möglichkeit offenstehe, sich an einen anderen Ort in seinem Herkunftsstaat zu begeben, um seinen vermeintlichen Problem zu entgehen. Dass man gerade den BF in ganz Indien suche und auch finden sollte, sei widersprüchlich zur allgemeinen Lage und somit aus Sicht der Behörde nicht glaubhaft. Rechtlich folge daher die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten, zumal eine Verfolgung iSd. GFK nicht glaubhaft gemacht werden habe können. Auch ergäben sich keine Anhaltpunkte, die eine Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtfertigen würden, zumal anzunehmen sei, dass der BF mit Schulbildung sowie familiären Anknüpfungspunkten seine existentiellen Grundbedürfnisse aus eigener Kraft durch Arbeit in Indien sichern könne. Auch im Hinblick auf die Corona-Virus-Pandemie sei für den jungen, gesunden Mann ohne Vorerkrankungen, der einer Risikogruppe nicht angehöre, nichts zu gewinnen. Eine Verletzung von Artikel 8 EMRK ergebe sich gegenständlich schon aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauer, der mangelnden Integration sowie des Nichtbestehens eines Familienlebens im Inland nicht, sodass eine Rückkehrentscheidung im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zulässig sei. Das Einreiseverbot sei gegenständlich gemäß § 53 Abs. 2 Z 6 FPG zu erlassen gewesen und habe der BF einen unbegründeten und missbräuchlichen Asylantrag gestellt und sei unter Umgehung der Grenzkontrollen illegal in das Bundesgebiet eingereist.

Mit Verfahrensanordnung von nämlichem Tag wurde dem BF für ein etwaiges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF im Wege seiner gewillkürten, im Spruch genannten Rechtsvertretung am 19.07.2021 fristgerecht Beschwerde, in welcher insbesondere ausgeführt wurde, der BF habe als Fluchtgrund angegeben, dass er Probleme mit dem Dorfvorstand des Ortes habe, aus dem er stamme. In diesem Zusammenhang sei die Behörde ihrer Ermittlungspflicht und Begründungspflicht nicht nachgekommen. Das Vorbringen werde pauschal als unglaubwürdig betrachtet, obwohl eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Fluchtvorbringen nicht stattgefunden habe. Völlig verfehlt sei die Erlassung eines Einreiseverbotes, zumal die Mittelosigkeit ein generelles Problem sei, mit dem Flüchtlinge konfrontiert seien. Der Vorwurf eines Fehlverhaltens müsse zurückgewiesen werden. Selbst wenn der Asylantrag missbräuchlich gewesen sei, begründe er nicht den Erlass eines Einreiseverbotes. Der Asylantrag als solcher könne keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit als solche darstellen. Verwiesen werde weiters darauf, dass die Covid-19-Pandiemie in Indien ein Ausmaß erreicht habe, dass eine Abschiebung zwangsläufig zu einer Erkrankung führen würde, wobei die Auffassung, dass das relativ jugendliche Alter des Erkrankten einen relativ harmlosen Verkauf der Krankheit sichere, überholt sei.

Am 02.08.2021 langte die Beschwerdevorlage beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger von Indien und wurde in XXXX , Punjab, Indien geboren. Er hat von seiner Geburt bis zu seiner Ausreise in Indien gelebt. Er ist Angehöriger der Religionsgemeinschaft der Sikhs und der Volksgruppe der Punjabi. Der BF ist ledig. In Indien leben insbesondere noch seine Mutter und sein Bruder. Sein Vater lebt in Malaysia und schickt der Familie in Indien Geld. Seine Muttersprache ist Punjabi, die er in Wort und Schrift mächtig ist. Er hat in Indien zehn Jahre lang die Grundschule besucht. In Indien hat er ca. fünf Jahre lang als XXXX in einem XXXX gearbeitet.

Im Bundesgebiet verfügt der BF über keinerlei Familienangehörige, er lebt auch nicht in einer Lebensgemeinschaft. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF die deutsche Sprache beherrscht, sich sozial engagiert, hier Freunde gefunden hat oder einer legalen Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nachgeht.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig.

Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten und bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung.

Der Beschwerdeführer gab vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Juni 2021 an, EUR 20,00 an Barmittel zu besitzen. Eine Verpflichtungserklärung wurde für ihn nicht abgegeben.

Der BF ist aus Indien ausgereist und hat am 26.06.2021 im Bundesgebiet den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Nicht festgestellt werden kann, dass der BF sein Herkunftsland aus den von ihm genannten Gründen verlassen hat.

Zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Indien wird Folgendes festgestellt:

COVID-19

Letzte Änderung: 21.05.2021

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie verhängte die indische Regierung am 25. März 2020 eine Ausgangssperre über das gesamte Land, die nur in Einzelfällen (Herstellung lebensnotwendiger Produkte und Dienstleistungen, Einkaufen für den persönlichen Bedarf, Arztbesuche, usw.) durchbrochen werden durfte. Trotz der Ausgangssperre sanken die Infektionszahlen nicht. Seit der ersten Aufsperrphase, die am 8. Juni 2020 begann, schießt die Zahl der Infektionen noch steiler als bisher nach oben. Größte Herausforderung während der Krise waren die Millionen von Wanderarbeitern, die praktisch über Nacht arbeitslos wurden, jedoch auf Grund der Ausgangssperre nicht in ihre Dörfer zurückkehren konnten (ÖB 9.2020; vgl. HRW 13.1.2021). Viele von ihnen wurden mehrere Wochen in Lagern unter Quarantäne gestellt (also de facto eingesperrt), teilweise mit nur schlechter Versorgung (ÖB 9.2020). Menschen mit Beeinträchtigungen sind von coronabedingten Maßnahme wie Abriegelungen und sozialen Distanzierungen besonders betroffen. Der Zugang zu medizinischer Versorgung und lebenswichtigen Gütern und der Ausübung sozialer Distanzierung, insbesondere für diejenigen, die persönliche Unterstützung für Aufgaben des täglichen Lebens erhalten (HRW 13.1.2021). Während der ersten Wochen der COVID-19 Pandemie, wurden Muslime für die Verbreitung des Coronavirus, auch von Vertretern der Regierungsparteien verantwortlich gemacht (FH 3.3.2021; vgl. HRW 13.1.2021).

Nach Angaben des indischen Gesundheitsministeriums vom 11. Oktober 2020 wurden seit Beginn der Pandemie mehr als sieben Millionen Infektionen mit COVID registriert. Die täglichen offiziellen Fallzahlen stiegen zwar zuletzt weniger schnell als noch im September, die Neuinfektionen nehmen in absoluten Zahlen jedoch schneller zu als in jedem anderen Land der Welt. Medien berichten in einigen Teilen des Landes von einem Mangel an medizinischem Sauerstoff in Krankenhäusern (BAMF 12.10.2020).

Die Lage in Indien, dass mit Bezug auf das Infektionsgeschehen (neben den USA und Brasilien) zu den am schwersten von der COVID-19-Pandemie betroffenen Ländern weltweit zählt, hat sich gegenüber dem Sommer 2020 mit damals fast 100.000 Neuinfektionen pro Tag inzwischen etwas entspannt. Es erkranken offiziellen Angaben zufolge nach wie vor etwa 40.000 Menschen täglich am Virus. In den Ballungszentren kann die medizinische Versorgung weitestgehend aufrecht erhalten werden (GTAI 3.12.2020). Indiens Wirtschaft wurde durch die COVID19-Pandemie stark beeinträchtigt (DFAT 10.12.2020; vgl. GTAI 3.12.2020). Das Land rutschte im zweiten Quartal des Geschäftsjahres 2020-21 erstmals in eine wirtschaftliche Rezession

(PRC 18.3.2021). Es wird allgemein erwartet, dass das Land ab 2021 zu einem nachhaltigen Wachstum zurückkehren wird (DFAT 10.12.2020; vgl. GTAI 3.12.2020). Nach dem zweimonatigen harten Lockdown im Frühjahr 2020 hat die indische Regierung das öffentliche Leben im Rahmen ihrer Unlock-Strategie schrittweise wieder hochgefahren. Die Bundesstaaten und Unionsterritorien haben dabei weitreichendere Entscheidungsbefugnisse, welche Lockerungen sie umsetzen und welche nicht. Mit den bestehenden Einschränkungen sollen vor allem Superspreader-Events wie religiöse Großveranstaltungen und Hochzeiten eingedämmt werden. Massentests, Kontaktnachverfolgung, Isolierung von Infizierten und die Abschottung von Gebieten mit hohen Fallzahlen (Containment Zones) sollen helfen, das Virus zurückzudrängen (GTAI 3.12.2020; vgl. WKO 13.1.2021). Es kann daher vereinzelt und regional sowie zeitlich begrenzt zu erneuten Lockdowns kommen. Eine Skizzierung in „Red Zone“, „Orange Zone“ und „Green Zone“ wird von der Regierung des Bundesstaates/Unionsterritoriums in Absprache mit dem Gesundheitsministerium und der nationalen Regierung entschieden (WKO 13.1.2021).

Gegen regierungskritische Äußerungen, auch im Zusammenhang mit Maßnahmen der Regierung im Umgang mit der COVID-19 Pandemie wurden mittels aus der Kolonialzeit stammenden Gesetzen zur Staatsverhetzung und dem im Jahr 2000 erlassenen IT-Gesetz vorgegangen (FH 3.3.2021). Medienvertreter sehen sich Drohungen, Verhaftungen, Strafverfahren oder körperlichen Angriffen durch Mobs oder der Polizei wegen der Berichterstattung über die Pandemie ausgesetzt (HRW 13.1.2021). Mehrere von der Regierung zur Eindämmung einer Verbreitung der Pandemie getroffenen Maßnahmen wurden von Menschenrechtsanwälten als invasiv angesehen (FH 3.3.2021).

Im ersten Quartal 2021 wird Indien mit einem Anstieg der Fallzahlen vor einer zweiten COVID-19

Welle erfasst (TOI 21.3.2021; vgl. TFE 20.3.2021) und verzeichnete im Zeitraum ab April/Mai 2021 die höchsten Zahlen an täglichen Todesfällen wegen des Coronavirus seit Beginn der Pandemie (BAMF 3.5.2021). Kritik äußert sich aus dem Umstand heraus, dass Indien, ob seiner

Pharmaindustrie, als „Apotheke der Welt“ durch die Lieferung von Covid-19-Impfstoffen an viele Länder der Welt genießt (FE 20.3.2021; vgl. TOI 21.3.2021), gleichzeitig jedoch bei der Durchimpfung der eigenen Bevölkerung landesweit lediglich einen Wert von rund zwei Prozent erreicht (HO 28.4.2021).

Auch der Umstand, dass im Zuge der Regionalwahlen in einigen Bundesstaaten große Kundgebungen mit zum Teil Zehntausender Besucher abgehalten wurden, wie auch die Durchführung des hinduistischen Festes Kumbh-Mela in Haridwar im nördlichen Bundesstaat Uttarakhand, an dem im Zeitraum von Jänner 2021 bis zum 27. April knapp 25 Millionen Hindus vor Ort teilgenommen haben, attestieren der indischen Regierung eine „praktizierte Sorglosigkeit“. Die Aussage der BJP bei einer Wahlveranstaltung im Bundestaat Assam in der verkündet wurde, „Wahlveranstaltungen und religiöse Zusammenkünfte tragen nicht zur Verbreitung von Covid-19 bei“, wird kritisiert (BAMF 3.5.2021; vgl. HO 28.4.2021).

Seit Mai 2021 sind alle Erwachsenen impfberechtigt, davor nur über 45-Jährige. In mehreren

Bundesstaaten des Landes ist der Impfstoff ausgegangen, Hilfsgüter aus mehreren Ländern wie Beatmungsgeräte, Anlagen zur Sauerstofferzeugung, Medikamente und Impfstoff werden Indien von der internationalen Staatengemeinschaft zur Verfügung gestellt. Medienberichten zufolge will Indien die eigene Impfstoffproduktion bis Juni 2021 erhöhen, von der staatlichen indischen Eisenbahngesellschaft gab bekannt, 4.000 Waggons mit einer Kapazität von 64.000 Betten als provisorische Stationen für Corona-Patienten bereitzustellen (BAMF 3.5.2021).

Alle Experten davon aus, dass kurzfristig die Fallzahlen wie auch die Zahlen der Toten weiter ansteigen werden, da das staatliche Gesundheitssystem in vielen Landesteilen schon jetzt an seine Grenzen gestoßen ist. Eine mittelfristige Prognose ist noch unklar. Eine Hoffnung stellt, bedingt durch den bereits erfolgten sehr breiten Ansteckung der Bevölkerung das Erreichen einer Herdenimmunität dar (HO 25.4.2021).

Quellen:

BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (3.5.2021): Briefing Notes, https: //www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefi ngnotes-kw18-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Zugriff 7.5.2021

BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (12.10.2020): https://www.bamf.d e/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2020/briefingnotes-kw 42-2020.pdf;jsessionid=91E533F0FC7A0F35C0751A9F00F3D711.internet572?__blob=publicatio nFile&v=4 , Zugriff 12.10.2020

DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (10.12.2020): DFAT Country Information Report India, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043026/country-infor mation-report-india.pdf, Zugriff 18.1.2021

FE – Financial Express (20.3.2021): Coronavirus Lockdown 2021 News Highlights: Only partial relaxation from lockdown in Nagpur from Monday, https://www.financialexpress.com/lifestyle/healt h/coronavirus-lockdown-2021-live-news-coronavirus-india-latest-march-20-updates-narendra-m odi-covid-lockdown-night-curfew-maharashtra-mumbai-pune-nagpur-uttar-pradesh-delhi-bengalu ru-hyderabad-punjab-gu/2216571/, Zugriff 22.3.2021

FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - India, https://www.ecoi.net/de/do kument/2046516.html, Zugriff 22.3.2021

GTAI – German Trade & Invest [Deutschland] (3.12.2020): Indien sieht erste Anzeichen einer

Konjunkturbelebung, https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/indien/indien-sieht-erste-a nzeichen-einer-konjunkturbelebung-234424, Zugriff 18.1.2021

HO – Heise Online (25.4.2021): Telepolis: Corona in Indien: Sorglosigkeit, Mutanten und himmelschreiende Ungleichheit, https://www.heise.de/tp/features/Corona-in-Indien-Sorglosigkeit-Mutant en-und-himmelschreiende-Ungleichheit-6030218.html, Zugriff 7.5.2021

HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - India, https://www.ecoi.net/de/do kument/2043608.html, Zugriff 18.1.2021

ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht Indien

PRC – Pew Research Center (18.3.2021): In the pandemic, India’s middle class shrinks and poverty spreads while China sees smaller changes, https://www.pewresearch.org/fact-tank/2021/03/18/inthe-pandemic-indias-middle-class-shrinks-and-poverty-spreads-while-china-sees-smaller-change s/, Zugriff 22.3.2021

TOI – Times of India (21.3.2021): Government failed to control Covid spread, must vaccinate all within months: Congress,

http://timesofindia.indiatimes.com/articleshow/81618736.cms?utm_source=contentofinterest&utm

_medium=text&utm_campaign=cppst, Zugriff 22.3.2021

WKO – Wirtschaftskammer Österreich [Österreich] (13.1.2021): Coronavirus: Situation in Indien, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-infos-indien.html, Zugriff 18.1.2021

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 28.05.2021

Indien hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer regionalen Hegemonialmacht in Südostasien entwickelt. Nachdem sich das Land während des Kalten Krieges vor allem innerhalb der Blockfreienbewegung profilierte, verfolgt es heute eine eindeutig pro-westliche Politik. Das Land ist ein wichtiger Handelspartner der EU und der Vereinigten Staaten (BICC 1.2021).

Es gibt in Indien eine Vielzahl von Spannungen und Konflikten, Gewalt ist an der Tagesordnung (GIZ 1.2021a). Aufstände gibt es auch in den nordöstlichen Bundesstaaten Assam, Manipur, Nagaland sowie in Teilen Tripuras. In der Vergangenheit konnte eine Zunahme von Terroranschlägen in Indien, besonders in den großen Stadtzentren, verzeichnet werden. Mit Ausnahme der verheerenden Anschläge auf ein Hotel in Mumbai im November 2008, wird Indien bis heute zwar von vermehrten, jedoch kleineren Anschlägen heimgesucht (BICC 1.2021). Aber auch in den restlichen Landesteilen gab es in den letzten Jahren Terroranschläge mit islamistischem Hintergrund. Im März 2017 platzierte eine Zelle des „Islamischen Staates“ (IS) in der Hauptstadt des Bundesstaates Madhya Pradesh eine Bombe in einem Passagierzug. Die Terrorzelle soll laut Polizeiangaben auch einen Anschlag auf eine Kundgebung von Premierminister Modi geplant haben (bpb 12.12.2017). Das Land unterstützt die US-amerikanischen Maßnahmen gegen den internationalen Terrorismus. Intern wurde eine drakonische neue Anti-Terror-Gesetzgebung verabschiedet, die Prevention of Terrorism Ordinance (POTO), von der Menschenrechtsgruppen fürchten, dass sie auch gegen legitime politische Gegner missbraucht werden könnte (BICC 1.2021).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir (ÖB 9.2020; vgl. BICC 1.2021) und der von separatistischen Gruppen bedrohte Nordosten Indiens (ÖB 9.2020; vgl. BICC 1.2021, AA 23.9.2020). Der Punjab blieb im vergangenen Jahren von Terroranschlägen und Unruhen verschont (im Punjab wurden 2020 insgesamt 18 Vorfälle im Zusammenhang mit Terrorismus registriert (SATP 3.5.2021a). Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People’s Liberation Front etc.) einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.9.2020). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, sondern vielmehr als „communal violence“ bezeichnet (ÖB 9.2020).

Gewalttätige Operationen maoistischer Gruppierungen in den ostzentralen Bergregionen Indiens dauern an (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.7.2020, FH 3.3.2021). Rebellen heben illegale Steuern ein, beschlagnahmen Lebensmittel und Unterkünfte und beteiligen sich an Entführungen und Zwangsrekrutierungen von Kindern und Erwachsenen. Zehntausende Zivilisten wurden durch die Gewalt vertrieben und leben in von der Regierung geführten Lagern. Unabhängig davon greifen in den sieben nordöstlichen Bundesstaaten Indiens mehr als 40 aufständische Gruppierungen, welche entweder eine größere Autonomie oder die vollständige Unabhängigkeit ihrer ethnischen oder Stammesgruppen anstreben, weiterhin Sicherheitskräfte an. Auch kommt es

weiterhin zu Gewalttaten unter den Gruppierungen, welche sich in Bombenanschlägen, Morden, Entführungen, Vergewaltigungen von Zivilisten und in der Bildung von umfangreichen Erpressungsnetzwerken ausdrücken (FH 3.3.2021).

Das SouthAsia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2017 insgesamt 812

Todesopfer durch terroristische Gewalt. Im Jahr 2018 wurden 940 Personen durch terroristische

Gewalt getötet und im Jahr 2019 kamen 621 Menschen durch Terrorakte. 2020 belief sich die Opferzahl terroristischer Gewalt landesweit auf insgesamt 591 Tote. 2021 wurden bis zum 3. Mai insgesamt 164 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 3.5.2021b).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen (z. B. Maoistisch-umstürzlerische) Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 23.9.2020).

Bauernproteste, die sich gegen die von der indischen Regierung verabschiedeten Gesetze zur Liberalisierung des Agrarsektors richten, dauern seit Monaten an. Widerstand hat sich vor allem bei Sikhs im Punjab – dem Brotkorb Indiens - formiert. Inzwischen protestieren aber auch Bauern in anderen Teilen des Landes. Als im Januar 2021 die Proteste in New Delhi gewalttätig wurden, antwortete die Regierung mit harten Maßnahmen. Da bei den Protesten viele Sikhs beteiligt sind und u.a. eine Sikh-Flagge im Roten Fort in Delhi gehisst wurde, unterstellt die indische Regierung eine Beteiligung der Khalistan-Bewegung an den Protesten (BAMF 22.3.2021).

Indien und Pakistan

Indien und Pakistan teilen sprachliche, kulturelle, geografische und wirtschaftliche Verbindungen, doch sind die Beziehungen der beiden Staaten aufgrund einer Reihe historischer und politischer Ereignisse in ihrer Komplexität verstrickt und werden durch die gewaltsame Teilung Britisch Indiens im Jahr 1947, dem Jammu & Kashmir-Konflikt und die zahlreichen militärischen Konflikte zwischen den beiden Nationen bestimmt (EFSAS o.D.).

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (Piazolo 2008). Die äußerst angespannte Lage zwischen Indien und Pakistan hat sich in der Vergangenheit immer wieder in Grenzgefechten entladen, welche oft zu einem größeren Krieg zu eskalieren drohten. Seit 1947 gab es bereits drei Kriege aufgrund des umstrittenen Kaschmir-Gebiets (BICC 1.2021; vgl. BBC 23.1.2018, DFAT 10.12.2020). Bewaffnete Zusammenstöße zwischen indischen und pakistanischen Streitkräften entlang der sogenannten „Line of Control (LoC)“ haben sich in letzter Zeit verschärft und Opfer auf militärischer wie auch auf ziviler Seite gefordert. Seit Anfang 2020 wurden im von Indien verwalteten Kaschmir 14 Personen durch Artilleriebeschuss durch pakistanische Streitkräfte über die Grenz- und Kontrolllinie hinweg getötet und fünf Personen verletzt (FIDH 23.6.2020; vgl. KO 25.6.2020).

Indien wirft Pakistan dabei unter anderem vor, in Indien aktive terroristische Organisationen zu unterstützen. Pakistan hingegen fordert eine Volksabstimmung über die Zukunft der Region, da der Verlust des größtenteils muslimisch geprägten Gebiets als Bedrohung der islamischen Identität Pakistans wahrgenommen wird (BICC 1.2021). Es kommt immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir (BICC 1.2021). So drang die indische Luftwaffe am 26.2.2019 als Vergeltung für einen am 14. Februar 2019 verübten Selbstmordanschlag erstmals seit dem Krieg im Jahr 1971 in den pakistanischen Luftraum ein, um ein Trainingslager der islamistischen Gruppierung Jaish-e-Mohammad in der Region Balakot, Provinz Khyber Pakhtunkhwa, zu bombardieren (SZ 26.2.2019; vgl. FAZ

26.2.2019, WP 26.2.2019).

Modi nutzte den Konflikt mit Pakistan zur politischen Mobilisierung im Wahlkampf 2019. Dadurch wurde die pakistanfeindliche Stimmung in Indien so stark angeheizt, dass eine erneute

Annäherung Indiens an Pakistan immer schwieriger wird. Seit der Veränderung des Status von

Jammu und Kaschmir haben die Verletzungen des Waffenstillstands am Grenzverlauf zwischen Indien und Pakistan („Line of Control“) deutlich zugenommen (bpb 29.4.2021).

In einer Vereinbarung zwischen Indien und Pakistan mit dem Ziel „einen gegenseitig vorteilhaften und nachhaltigen Frieden zu erreichen“, heißt es, dass nach längeren Verhandlungen die zuletzt bestehende Vereinbarung von 2003 über eine Waffenruhe „in Wort und Geist“ ab dem 25. Februar 2021 umsetzen ist (Gov. o. I. 25.2.2021; vgl. SZ 26.2.2021).

Indien und China

Indien und China teilt eine 4.056 km lange Grenze (DFAT 10.12.2020). Der chinesisch-indische Grenzverlauf im Himalaya ist weiterhin umstritten (FAZ 27.2.2020). Nach wie vor gibt es zwischen Indien und China eine Reihe ungelöster territorialer Streitigkeiten, die 1962 zu einem kurzen Krieg zwischen den beiden Nachbarstaaten und zu mehreren Unruhen führten, darunter 2013, 2017 und 2020. Zusammenstöße zwischen Grenzpatrouillen an der 1996 vereinbarten „Line of Actual Control“ (LAC), der De-facto-Grenze zwischen der von Indien verwalteten Region des Ladakh Union Territory und der von China verwalteten Region Aksai Chin sind häufig (DFAT

10.12.2020; vgl. FIDH 23.6.2020) und forderten am 15.6.2020 mindestens 20 Tote auf indischer Seite und eine unbekannte Anzahl von Opfern auf chinesischer Seite (FIDH 23.6.2020; vgl. BBC

3.7.2020, BAMF 8.6.2020). Dies waren die ersten Todesopfer an der LAC seit 1975. Von beiden Seiten wurden eine Reihe von Gesprächen auf politischer, diplomatischer und militärischer Ebene geführt. Die Situation bleibt jedoch festgefahren (DFAT 10.12.2020). Viele indische Experten sehen in der Entscheidung der Modi-Regierung vom August 2019, den Bundesstaat Jammu und Kaschmir aufzulösen, einen Auslöser für die gegenwärtige Krise (SWP 7.2020; vgl. Wagner

C. 2020). Die chinesischen Gebietsübertretungen können somit als Reaktion auf die indische Politik in Kaschmir in der letzten Zeit gesehen werden (SWP 7.2020). Weitere Eskalationen drohen auch durch Gebietsverletzungen an anderen Stellen der mehr Grenze (FAZ 27.2.2020; vgl. SWP 7.2020). Sowohl Indien als auch China haben Ambitionen, ihren Einflussbereich in Asien auszuweiten (BICC 1.2021).

Zwar hat der amerikanisch-chinesische Handelskrieg die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Indien und China gestärkt und neue Möglichkeiten für indische Unternehmen auf dem chinesischen Markt geschaffen, dennoch fühlt sich Indien von Peking geopolitisch herausgefordert, da China innerhalb seiner „Neuen Seidenstraße“ Allianzen mit Indiens Nachbarländern Pakistan, Bangladesch, Nepal und Sri Lanka geschmiedet hat. Besonders der Wirtschaftskorridor mit dem Erzfeind Pakistan ist den Indern ein Dorn im Auge (FAZ 27.2.2020).

Indien und Bangladesch

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze. Indien kontrolliert die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs und war historisch maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs während seines Unabhängigkeitskrieges beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert (GIZ 1.2021a). In Nordost-Indien leben etwa 100.000 illegal eingewanderte Personen aus Bangladesch. Diese Einwanderer werden als ein erhöhtes Konfliktpotential wahrgenommen (BICC 1.2021). Auch bestehen kleinere Konflikte zwischen den beiden Ländern (BICC 1.2021).

Indien und Nepal

Die Beziehungen zwischen Indiens zu Nepal haben sich im Laufe des vergangenen Jahres [2020] verschlechtert (HRW 13.1.2021), nachdem das nepalesische Parlament im Juni 2020 eine Aufnahme dreier umstrittener Grenzgebiete in das nepalesische geographische Kartenwerk abgesegnet hat. Die kratographische Erfassung der umstrittenen Gebiete ist eine Reaktion auf den Bau einer Straße durch eines der umstrittenen Gebiete durch Indien, von welchem in einer im November 2019 überarbeitete Karte als zu Indien gehörig ausgewiesen wurde (HRW 13.1.2021). Nepal ist für Indien von besonderer sicherheitspolitischer Bedeutung (GIZ 1.2021a). Indien unterstützt die nepalesische Regierung mit Waffen und Gerät in ihrem Kampf gegen die maoistischen Guerilla (BICC 1.2021).

Indien und Sri Lanka

Die beiden Staaten pflegen ein eher ambivalentes Verhältnis (GIZ 1.2021a). Indien belieferte in der Vergangenheit Waffen die LTTE („Tamil Tigers“) in Sri Lanka (BICC 1.2021). Die tamilische Bevölkerungsgruppe in Indien umfasst ca. 65 Millionen Menschen, woraus sich ein gewisser Einfluss auf die indische Außenpolitik ergibt (GIZ 1.2021a). Indiensetzt sich für einen Prozess der Versöhnung der ehemaligen Gegnerschaften des Bürgerkrieges in Sri Lanka ein (HRW

13.1.2021).

Quellen:

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BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (22.3.2021): Briefing Notes, https: //www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefi ngnotes-kw12-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 11.5.2021

BBC – British Broadcasting Corporation (3.7.2020): Locals remain anxious amid India-China border stand-off, https://www.bbc.com/news/world-asia-india-53020382 , Zugriff 22.7.2020

BBC – British Broadcasting Corporation (23.1.2018): India country profile – Overview, http://www. bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384 , Zugriff 29.1.2019

BICC – Bonn International Centre for Conversion (1.2021): Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien, http: //www.ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2020_Indien.pdf , Zugriff 23.3.2021

bpb – Bundeszentrale für politische Bildung (Deutschland) (29.4.2021): Kaschmir,https://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/54616/kaschmir, Zugriff 7.5.2021

bpb – Bundeszentrale für politische Bildung (Deutschland) (12.12.2017): Konfliktporträt: Indien, http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/215390/indien , Zugriff 18.3.2020

DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade (10.12.2020): DFAT Country Information Report India, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043026/country-information-r eport-india.pdf, Zugriff 22.3.2021

EFSAS – European Foundatition for South Asia Studies, Topics Indo-Pak Relations, https://www. efsas.org/topics/indo-pak-relations.html, Zugriff 23.3.2021

FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.2.2019): Pakistan: Wir behalten uns vor, auf Indiens Angriffe zu reagieren, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/indische-luftwaffe-verletzt-den-pa kistanischen-luftraum-16061769.html, Zugriff 6.8.2019

FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - India, https://www.ecoi.net/de/do kument/2046516.html, Zugriff 23.3.2021

FIDH – International Federation for Human Rights (23.6.2020): China/India/Pakistan: De-escalate tensions along border lines and seek peaceful resolution of disputes, 23.6.2020

https://www.fidh.org/en/region/asia/india/china-india-pakistan-de-escalate-tensions-along-border-l ines-and-seek , Zugriff 22.7.2020

GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (1.2021a): Indien, https: //www.liportal.de/indien/geschichte-staat/ , Zugriff 23.3.2021

Gov.o.I. PIB – Government of India, Press Information Bureau (25.2.2021): Joint Statement, https: //www.pib.gov.in/PressReleseDetail.aspx?PRID=1700682, Zugriff 7.5.2021

HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - India, https://www.ecoi.net/de/do kument/2043608.html, Zugriff 23.3.2021

KO – Kaschmir Observer (25.6.2020): Indian, Pakistani Troops Trade Fire In North Kashmir, https: //kashmirobserver.net/2020/06/25/indian-pakistani-troops-trade-fire-in-north-kashmir/ , Zugriff 22.7.2020

ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht Indien

Piazolo, Michael (2008): Macht und Mächte in einer multipolaren Welt. Springer Verlag. Seite 201

SATP – South Asia Terrorism Portal (3.5.2021a): Data Sheet - Punjab, Number of Terrorism Related Incidents Year Wise, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/india-punjab, Zugriff 6.5.2021

SATP – South Asia Terrorism Portal (3.5.2021b): Data Sheet - India Yearly Fatalities: 2000 - 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/fatalities/india, Zugriff 6.5.2021

SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (7.2020): Indisch-chinesische Konfrontation im Himalaya. Eine Belastungsprobe für Indiens strategische Autonomie, Juli 2020

https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2020A63_IndienChina.pdf , Zugriff 22.7.2020

SZ – Süddeutsche Zeitung (26.2.2021): Wenn plötzlich Frieden ausbricht, https://www.sueddeut sche.de/politik/line-of-control-kaschmir-indien-waffenruhe-pakistan-1.5219103, Zugriff 7.5.2021

SZ – Süddeutsche Zeitung (26.2.2019): Indien bombardiert pakistanischen Teil Kaschmirs, https: //www.sueddeutsche.de/politik/indien-pakistan-luftangriff-1.4345509 , Zugriff 6.8.2019

Wagner, C. (2020). The Indian-Chinese confrontation in the Himalayas: a stress test for India’s strategic autonomy.

(SWP Comment, 39/2020). Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik -SWP- Deutsches Institut für

Internationale Politik

und Sicherheit. https://doi.org/10.18449/2020C39, Zugriff 22.10.2020

WP – The Washington Post (26.2.2019): India strikes Pakistan in severe escalation of tensions between nuclear rivals, https://www.washingtonpost.com/world/pakistan-says-indian-fighter-jets-c rossed-into-its-territory-and-carried-out-limited-airstrike/2019/02/25/901f3000-3979-11e9-a06c-3 ec8ed509d15_story.html?utm_term=.ee5f4df72709 , Zugriff 6.8.2019

Punjab

Letzte Änderung: 31.05.2021

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren von anderen Unionsstaaten oder Pakistan aus. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 9.2020).

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Es gibt Anzeichen von konzertierten Versuchen militanter Sikh-Gruppierungen im Ausland gemeinsam mit dem pakistanischen Geheimdienst ISI, die aufständische Bewegung in Punjab wiederzubeleben. Indischen Geheimdienstinformationen zufolge werden Kämpfer der Babbar Khalsa International (BKI), einer militanten Sikh-Organisation in Pakistan von islamischen Terrorgruppen wie Lashkar-e-Toiba (LeT) trainiert, BKI hat angeblich ein gemeinsames Büro mit der LeT im pakistanischen West-Punjab errichtet. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der aufständischen Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 9.2020). Im Punjab (und anderen Konfliktzonen) haben die Behörden besondere Befugnisse, ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 30.3.2021; vgl. BBC 20.10.2015). Die Menschenrechtslage im Punjab stellt sich nicht anders dar als im übrigen Indien (ÖB 9.2020).

Neben den angeführten Formen der Gewalt, stellen Ehrenmorde vor allem in Punjab (sowie Uttar Pradesh und Haryana) weiterhin ein Problem dar (USDOS 30.3.2021).

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Mio. im Punjab (MoHA o.D.). Es gibt derzeit keine Hinweise darauf, dass Sikhs alleine auf Grund ihrer Religionszugehörigkeit von der Polizei willkürlich verhaftet oder misshandelt würden. Auch stellen die Sikhs 60 Prozent der Bevölkerung des Punjabs, einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 9.2020).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 25 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt in Punjab. Im Jahr 2018 wurden drei Personen durch Terrorakte getötet, 2019 waren es zwei Todesopfer und im Jahr 2020 wurden durch terroristische Gewalt drei Todesopfer registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen]. Bis zum 3.5.2021 wurden für Beobachtungszeitraum 2020 keine Opfer von verübten Terrorakten aufgezeichnet (SATP 3.5.2021).

In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert. In manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben (ÖB 9.2020).

Im Zuge der Bauernproteste gegen die 2020 beschlossene Liberalisierung des Agrarsektors ist ein neues, gegen die religiöse Minderheit der Sikhs gerichtetes politisches Narrativ von der hindunationalistischen BJP instrumentalisiert worden, nachdem sich Widerstand gegen die Marktrefom auch bei den Sikhs aus dem Punjab formiert hatte. Politiker der Bharatiya Janata Party (BJP) unterstellten den protestierenden Sikhs vereinzelt, für ein unabhängiges Khalistan zu kämpfen und weckten damit in der Bevölkerung Erinnerungen an die Bewegung aus den 1980er und 1990er Jahren (BAMF 12.4.2021).

Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International, müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 9.2020).

Quellen:

BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (12.4.2021): Briefing Notes, https: //www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefi ngnotes-kw15-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 6.5.2021

BBC – British Broadcasting Corporation (20.10.2015): Why are Indian Sikhs angry?, http://www. bbc.com/news/world-asia-india-34578463 , Zugriff 18.10.2018

MoHA – Government of India, Ministry of Home Affairs, Office of the Registrar General & Census Commissioner, India [Indien] (o.D.): C-1 Population By Religious Community, http://www.censusin dia.gov.in/2011census/C-01.html , Zugriff 18.10.2018

ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht Indien

SATP – South Asia Terrorism Portal (3.5.20201c): Datasheet – Punjab, Data View, https://www.sa tp.org/datasheet-terrorist-attack/fatalities/india-punjab, Zugriff 6.5.2021

USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights

Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048124.html, Zugriff 6.5.2021

Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 31.05.2021

In Indien sind viele Grundrechte und -freiheiten verfassungsmäßig verbrieft und die verfassungsmäßig garantierte unabhängige Justiz bleibt vielmals wichtiger Rechtegarant. Die häufig überlange Verfahrensdauer aufgrund überlasteter und unterbesetzter Gerichte sowie verbreitete Korruption, vor allem im Strafverfahren, schränken die Rechtssicherheit aber deutlich ein (AA 23.9.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Die Regeldauer eines Strafverfahrens (von der Anklage bis zum Urteil) beträgt mehrere Jahre; in einigen Fällen dauern Verfahren bis zu zehn Jahre (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 23.9.2020). Auch der Zeugenschutz ist mangelhaft, was dazu führt, dass Zeugen aufgrund von Bestechung und/oder Bedrohung, vor Gericht häufig nicht frei aussagen (AA 23.9.2020). Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis lässt sich nicht feststellen, allerdings sind vor allem die unteren Instanzen nicht frei von Korruption. Vorurteile z.B. gegenüber Angehörigen niederer Kasten oder Indigenen dürften zudem eine nicht unerhebliche Rolle spielen (AA 23.9.2020; vgl. FH 3.3.2021).

Das Gerichtswesen ist von der Exekutive getrennt (FH 3.3.2021). Das Justizsystem gliedert sich in den Supreme Court, das Oberste Gericht mit Sitz in Delhi; das als Verfassungsgericht die Streitigkeiten zwischen Zentralstaat und Unionsstaaten regelt. Es ist auch Appellationsinstanz für bestimmte Kategorien von Urteilen wie etwa bei Todesurteilen. Der High Court bzw. das Obergericht besteht in jedem Unionsstaat. Es ist Kollegialgericht als Appellationsinstanz sowohl in Zivil- wie auch in Strafsachen und führt auch die Dienst- und Personalaufsicht über die Untergerichte des Staates aus, um so die Justiz von den Einflüssen der Exekutive abzuschirmen.

Subordinate Civil and Criminal Courts sind untergeordnete Gerichtsinstanzen in den Distrikten der jeweiligen Unionsstaaten und nach Zivil- und Strafrecht aufgeteilt. Fälle werden durch Einzelrichter entschieden. Richter am District und Sessions Court entscheiden in Personalunion sowohl über zivilrechtliche als auch strafrechtliche Fälle (als District Judge über Zivilrechtsfälle, als Sessions Judge über Straffälle). Unterhalb des District Judge gibt es noch den Subordinate Judge, unter diesem den Munsif für Zivilsachen. Unter dem Sessions Judge fungiert der 1st Class Judicial Magistrate und, unter diesem der 2nd Class Judicial Magistrate, jeweils für minder schwere Strafsachen (ÖB 9.2020).

Insbesondere auf unteren Ebenen der Justiz ist Korruption verbreitet und die meisten Bürger haben große Schwierigkeiten, ihr Recht bei Gericht durchzusetzen. Das System ist rückständig und stark unterbesetzt, was zu langer Untersuchungshaft für eine große Zahl von Verdächtigen führt. Vielen von ihnen bleiben so länger im Gefängnis, als es der eigentliche Strafrahmen wäre. Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen erlaubt die Inhaftierung ohne Anklage oder aufgrund von vage definierten Vergehen (FH 3.3.2021). Die Dauer der Untersuchungshaft ist entsprechend zumeist exzessiv lang. Außer bei mit Todesstrafe bedrohten Delikten, soll der Haftrichter nach Ablauf der Hälfte der drohenden Höchststrafe eine Haftprüfung und eine Freilassung auf Kaution anordnen. Allerdings nimmt der Betroffene mit einem solchen Antrag in Kauf, dass der Fall über lange Zeit gar nicht weiterverfolgt wird. Mittlerweile sind ca. 70 Prozent aller Gefangenen Untersuchungshäftlinge, viele wegen geringfügiger Taten, denen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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