TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/21 W129 2247644-1

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Veröffentlicht am 21.12.2021
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Entscheidungsdatum

21.12.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
SchPflG 1985 §6
Schulreifeverordnung §1
Schulreifeverordnung §2
Schulreifeverordnung §3
Schulreifeverordnung §4
Schulreifeverordnung §5
Schulreifeverordnung §6
Schulreifeverordnung §7
VwGVG §28

Spruch


W129 2247644-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter DDr. Markus GERHOLD über die Beschwerde des mj. XXXX (Erstbeschwerdeführer), geb. 07.08.2015, vertreten durch die Erziehungsberechtigte XXXX (zugleich Zweitbeschwerdeführerin), gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Salzburg vom 12.09.2021, Zl. 10110/0003-BR/2021, zu Recht:

A)

1.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Der Antrag auf „Verpflichtung der Bildungsdirektion, einen Schulreifetest zu entwickeln, der an alle Kategorien von in- und ausländischen Kindern angepasst (ist)“, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Entscheidung der Schulleiterin der Volksschule XXXX XXXX vom 09.04.2021 wurde im Rahmen der Schülereinschreibung festgestellt, dass der Erstbeschwerdeführer die Schulreife im Sinne des § 6 Abs 2b SchPflG nicht aufweist.

2. Im fristgerecht eingebrachten Widerspruch wurde seitens der erziehungsberechtigten Eltern auf das Wesentlichste zusammengefasst geltend gemacht, dass einige Aufgaben teils nicht richtig erklärt worden, teils nicht sinnvoll gewesen seien. Der Erstbeschwerdeführer erfülle klar die geforderten Mindestvoraussetzungen für den Besuch der ersten Klasse. Es sei bei der Schülereinschreibung auch gesagt worden, dass der Erstbeschwerdeführer mangelnde Deutschkenntnisse aufweise, dies sei jedoch keine Begründung für eine mangelnde Schulreife.

3. In weiterer Folge holte die belangte Behörde intern eine pädagogische Stellungnahme der zuständigen Schulqualitätsmanagerin zur Beurteilung der Testergebnisse ein. Im Endergebnis führte sie aus, dass beim Erstbeschwerdeführer zahlreiche Vorläuferfertigkeiten, die eine wesentliche Voraussetzung für den Erwerb der Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen darstellten, nicht im notwendigen Ausmaß entwickelt seien.

4. Mit Bescheid der Bildungsdirektion für Salzburg vom 27.10.2019, Zl. 9131.103/0215-Präs3a1/2021, wurde der Widerspruch gem. § 6 Abs. 2b SchPflG abgewiesen und verfügt, dass der Erstbeschwerdeführer in die Vorschulstufe aufzunehmen sei (Spruchpunkt 1.). Die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde wurde ausgeschlossen (Spruchpunkt 2.).

Sinngemäß und auf das Wesentlichste zusammengefasst wurde dies mit der eingeholten negativen Stellungnahme der Schulqualitätsmanagerin begründet.

5. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. Sinngemäß und auf das Wesentlichste zusammengefasst wurde dies mit insbesondere folgenden Argumenten begründet. Der Vater des Erstbeschwerdeführers (bzw. Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin) habe am 20.09.2021 eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen jene Sacharbeiterin eingebracht, welche den Bescheid verfasst und unterfertigt habe. Diese sei somit befangen gewesen. Am 10.09.2021 habe der Vater des Erstbeschwerdeführers den Erstbeschwerdeführer für den Vorschulunterricht an einer (anderen) Volksschule angemeldet und in eventu den häuslichen Unterricht für sein Kind beantragt. Auch sei eine zwischenzeitliche erfolgte Stellungnahme des Vaters des Erstbeschwerdeführers nicht berücksichtigt worden.

Die Stellungnahme der Schulqualitätsmanagerin sei nicht schlüssig und nicht unparteiisch und habe jede wissenschaftliche oder objektive Bedeutung verloren. Die Aufgaben seien nicht ausreichend kindgerecht erklärt worden, Deutsch sei nicht die Erstsprache des Erstbeschwerdeführers. Die Schulqualitätsmanagerin habe ausgeführt, dass der Erstbeschwerdeführer die Vorläuferfertigkeiten im mathematischen Bereich zum Teil erfülle, doch habe die Schulleiterin bei der Aufnahme gemeint, dass das Kind „in Mathe supper“ sei. Wenn ausgeführt werde, dass sich die vom Erstbeschwerdeführer gezeichneten Kreise nicht von den gezeichneten Quadraten unterschieden hätten, so sei zu entgegnen, dass der Erstbeschwerdeführer einen zu großen Stift erhalten hätte, der für kleine Kinder sehr schwer zu kontrollieren sei. Die körperliche und sozial emotionale Reife des Kindes seien bei der Schuleinschreibung nicht überprüft worden, dies räume auch die Stellungnahme der Schulqualitätsmanagerin ein.

Bei der Schulreife werde nicht ausreichend auf die Sprachentwicklung ausländischer Kinder eingegangen, dies sei eine Art von Diskriminierung. Der Erstbeschwerdeführer spreche gut die Muttersprache, weiters auch Englisch und Deutsch.

Die Zweitbeschwerderführerin sei an der Universität Lektorin gewesen, sie könne ihr Kind zu Hause voll unterstützen. Das Kind „erfühle“ (sic) alle Vorgaben der Schulreifeverordnung.

Es werde beantragt, den Erstbeschwerdeführer in die erste Klasse aufzunehmen. Falls die erste Klasse im Laufe des Schuljahres nicht passen würde, könne man über die Vorschule sprechen.

In einem Nachtrag wurde seitens der Beschwerdeführer ausgeführt, dass die Behörde nicht fristgerecht gem. § 73 Abs 4 SchUG entschieden hätte. Auch sei die im Bescheid getroffene Behauptung, dass der Erstbeschwerdeführer einer unzumutbaren Überforderung ausgesetzt wäre, „ganz falsch und nicht beweisbar“, auch der Vater des Beschwerdeführers sei Lektor an einer Universität und habe sehr lange Erfahrung in diesem Bereich. Üblicherweise werde die Frage der Vorbereitung auf den Schuleintritt nicht von einer einzigen Person, sondern von einem mehrere Personen umfassenden Gremium entschieden. Das sei nicht der Fall gewesen, daher handle es sich um einen Verfahrensfehler.

Auch der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde sei rechtswidrig. Dies sei nicht ausreichend nach § 13 Abs 2 VwGVG begründet worden. Auch aus der Homepage des BVwG gehe hervor, dass Schülerinnen und Schüler vorläufig zum Besuch des Unterrichts der nächsthöheren Klasse berechtigt seien. Der Schulbesuch könne dem Kind während des laufenden Gerichtsverfahrens irreparablen Schaden zufügen.

Auch fehle im angefochtenen Bescheid die Rechtsmittelbelehrung.

Zudem sei es zur Vermengung der Schuleinschreibung mit der MIKA-Deutschüberprüfung gekommen, wobei die Schule auch bei der MIKA-Testung erhebliche Verfahrensfehler verschuldet habe, so seien unter anderem in einem Mail vom 07.04.2021 drei Termine vorgeschlagen worden, welche allesamt (bereits) im März gewesen wären. Der nächste Terminvorschlag sehr kurzfristig verschickt (5 Tage vor der Testung), jedoch aufgrund des fehlenden Absenders auf der Hinterlegungsanzeige als nicht ausreichend wichtig eingestuft und zu spät bei der Post behoben worden. Und auch der folgende Terminvorschlag sei sehr kurzfristig versendet worden (eine Woche vor der Testung).

6. Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 14.10.2021, eingelangt am 25.10.2021, die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der mj. Erstbeschwerdeführer wurde am 07.08.2021 geboren.

Am 06.04.2021 erfolgte die Schülereinschreibung des Erstbeschwerdeführers bei der Schulleiterin der Volksschule XXXX XXXX .

Zum Zeitpunkt der Schülereinschreibung waren die Grunddispositionen zum Erlernen der Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen beim Erstbeschwerdeführer nicht ausreichend entwickelt. Er war nicht in der Lage Reime zu erkennen und zu bilden, Laute aus Wörtern herauszuhören und damit die Lautstruktur von Wörtern zu erkennen sowie Sätze nachzusprechen. Das zeigt, dass die phonologische Bewusstheit beim Erstbeschwerdeführer zum damaligen Zeitpunkt nicht entsprechend ausgebildet war. Dem Erstbeschwerdeführer war es damit nicht möglich zu begreifen, dass Sätze aus Wörtern, Wörter aus Silben und Silben aus Lauten aufgebaut sind sowie zu erfassen, was der erste Laut eines Wortes ist, wie es endet und dass manche Wörter sich reimen. Die phonologische Bewusstheit ist die wichtigste Voraussetzung für den Leselernprozess. Das Erkennen und Heraushören von Phonemen (Lauteinheiten) zeigt die Differenzierungsreife sowie die Reife der auditiven Wahrnehmung an, die im Fall des Erstbeschwerdeführers zum Zeitpunkt der Schülereinschreibung noch nicht im für einen erfolgreichen Besuch der ersten Schulstufe notwendigen Ausmaß vorhanden war.

Auch das Legen einer Bildgeschichte und damit das Erfassen einer logischen Abfolge waren dem Erstbeschwerdeführer im Zuge der Schulreifefeststellung nicht möglich. Ist das logische und folgerichtige Denken altersgemäß entwickelt, können Ereignisse aus der Umwelt in Bilderreihen richtig aufgelegt und die Reihenfolge begründet werden. Dies war beim Erstbeschwerdeführer nicht der Fall.

Die Vorläuferfertigkeiten im mathematischen Bereich wurden zum Teil erfüllt. In den Bereichen Vorwärts- und Rückwärtszählen, d.h. in der Orientierung im Zahlenraum sowie in der Mengenerfassung erbrachte der Erstbeschwerdeführer Leistungen, die dem Durchschnitt entsprechen. Im Bereich der Raumorientierung zeigte sich der Erstbeschwerdeführer sehr unsicher. Beim Finden eines Weges durch ein Labyrinth gelang nur die einfache Version fehlerlos, bei der schwierigeren Figur brauchte der Erstbeschwerdeführer an fünf Stellen einen zweiten Anlauf, um den richtigen Weg zu finden. Auffallend waren die Ergebnisse im Bereich Raumlage. Der Erstbeschwerdeführer konnte die Aufgabenstellung nicht richtig ausführen und eine vorgegebene Figur nachzeichnen. Mit ca. 6 Jahren sollten abstrakte Figuren in einem Koordinatensystem in Beziehung gesetzt werden können, die Gerichtetheit nach rechts und links, oben und unten muss beachtet werden können. Dies spielt eine wesentliche Rolle beim Erlernen der Buchstaben und Zahlen. Die vom Erstbeschwerdeführer gelösten Aufgaben zeigen, dass diese Fähigkeit zum Zeitpunkt der Schuleinschreibung noch nicht vorhanden war.

Im Bereich der Serialität erreichte der Erstbeschwerdeführer ein durchschnittliches Ergebnis. Das Fortsetzen von begonnenen Reihen war ihm möglich, wenn die graphischen Ausführungen auch Unsicherheiten im feinmotorischen Bereich erkennen ließen. Quadrate und Kreise waren zum Teil nicht voneinander zu unterscheiden.

Beim Erkennen von zwei identen Figuren zeigten sich große Schwierigkeiten. Keines der drei vorgegebenen Beispiele wurde richtig gelöst, dem Erstbeschwerdeführer war es nicht möglich, in einer Reihe zwei gleiche Formen zu erkennen. Visuelle Reize und Details müssen von einem angehenden Schulkind erkannt, unterschieden, gefunden, gespeichert und zugeordnet werden können. Die ausgereifte Wahrnehmung stellt eine wichtige Lernvoraussetzung für das Schreiben und Lesen und Zahlen und Buchstaben dar, die beim Erstbeschwerdeführer noch nicht entsprechend entwickelt war.

Hinsichtlich der Beurteilung der körperlichen und sozial-emotionalen Reife zum Zeitpunkt der Schülereinschreibung liegen keine Unterlagen vor.

Eine Beschulung des Kindes nach dem Vorschullehrplan ist möglich.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus der eindeutigen Aktenlage, insbesondere aus der pädagogischen Stellungnahme der zuständigen Abteilungsleiterin in der Bildungsdirektion für Salzburg, Frau Dipl.-Päd. XXXX , MA BEd.

Die schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen können auch nicht durch die redundante Kritik an – angeblich – diskriminierenden und benachteiligenden Verhaltensweisen der Schulleiterin und der belangten Behörde entkräftet werden. Es wird nicht verkannt, dass in einzelnen Punkten tatsächlich Fehler unterlaufen sind (zB fehlende Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Bescheid; Vorschlag von MIKA-D-Terminen, die in der Vergangenheit liegen; keine Aufzeichnungen über die körperliche und sozial-emotionale Reife), doch erreichen diese auch bei einer Gesamtbetrachtung keinesfalls ein bedenkliches Ausmaß, welches als willkürhaft zu qualifizieren wäre.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Beweiskraft eines Sachverständigengutachtens - abgesehen vom Nachweis, dass es mit den Denkgesetzen oder mit den Erfahrungen des täglichen Lebens im Widerspruch steht - nur durch das Gutachten eines anderen Sachverständigen, das dem Gutachten auf gleichem fachlichen Niveau entgegen tritt, entkräftet werden (vgl. VwGH 08.04.2014, 2012/05/0004; 28.02.2012, 2009/04/0267, mwN). Die Beschwerdeführer sind in ihren Stellungnahmen bzw. in der Beschwerde den schlüssigen Ausführungen der Abteilungsleiterin zuständigen Abteilungsleiterin in der Bildungsdirektion für Salzburg, Frau Dipl.-Päd. XXXX , MA BEd. nicht auf gleichem fachlichem Niveau entgegengetreten und entkräften so die im Rahmen der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde gezogenen Schlüsse nicht. Auch der Hinweis auf die eigene Qualifikation (des Vaters des Erstbeschwerdeführers) als Universitätslektor im Bereich der Informatik ist nicht geeignet, die Ausführungen der pädagogischen Sachverständigen in Zweifel zu ziehen.

Die Behauptung, warum gerade die Bildgeschichte einem angehenden Schulkind ohne Deutsch als Erstsprache nicht zumutbar sein soll, erschließt sich dem Bundesverwaltungsgericht nicht einmal annähernd, da gerade die korrekte Reihung von nicht untertitelten Bildern zu einer sinnhaften Abfolge keine wie auch immer gearteten Sprachkenntnisse erfordert. Vergleichbares gilt für die Ausführungen im Bereich der Raumorientierung oder das Erkennen von identen Figuren: Weder für das Finden eines Weges durch ein Labyrinth noch für das Erkennen identer Formen bedarf es fortgeschrittener Kenntnisse der deutschen Sprache.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Schulpflicht (Schulpflichtgesetz 1985), BGBl. Nr. 76/1985 idgF, lauten:

Aufnahme in die Volksschule zu Beginn der Schulpflicht

§ 6. (1) Die schulpflichtig gewordenen Kinder sind von ihren Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten zur Schülereinschreibung bei jener Volksschule anzumelden, die sie besuchen sollen. Hiebei sind die Kinder persönlich vorzustellen.

(1a) Zum Zweck der frühzeitigen Organisation und Bereitstellung von treffsicheren Fördermaßnahmen im Rahmen des Unterrichts nach dem Lehrplan der 1. Schulstufe oder der Vorschulstufe sowie weiters zum Zweck der Klassenbildung und der Klassenzuweisung haben die Erziehungsberechtigten allfällige Unterlagen, Erhebungen und Förderergebnisse, die während der Zeit des Kindergartenbesuches zum Zweck der Dokumentation des Entwicklungsstandes, insbesondere des Sprachstandes (Erfassung der Sprachkompetenz in Deutsch von Kindern mit Deutsch als Erstsprache oder von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache) erstellt, durchgeführt bzw. erhoben wurden, vorzulegen. Die Vorlage kann in Papierform oder in elektronischer Form erfolgen. Kommen die Erziehungsberechtigten dieser Verpflichtung trotz Aufforderung der Schulleiterin oder des Schulleiters innerhalb angemessener Frist nicht nach, hat die Schulleiterin oder der Schulleiter die Leiterin oder den Leiter einer besuchten elementaren Bildungseinrichtung um die Übermittlung der Unterlagen, Erhebungen und Förderergebnisse zu ersuchen. Der Schulleiter hat diese personenbezogenen Daten im Sinne des Art. 4 Z 1 der Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABl. Nr. L 119 vom 4.5.2016 S. 1, und Informationen gemäß den Bestimmungen des Bildungsdokumentationsgesetzes 2020, BGBl. I Nr. 20/2021, insbesondere zum Bildungsverlauf vor Beginn der allgemeinen Schulpflicht, zu verarbeiten und ist darüber hinaus ermächtigt, allenfalls nach Maßgabe landesgesetzlicher Bestimmungen automationsunterstützt übermittelte personenbezogene Daten und Informationen zu erfassen und zu verarbeiten.

(2) Die Aufnahme der schulpflichtig gewordenen Kinder in die Volksschule hat in der Regel auf Grund der Schülereinschreibung für den Anfang des folgenden Schuljahres zu erfolgen.

(2a) Die Aufnahme der schulpflichtig gewordenen Kinder, die schulreif sind, hat in die erste Schulstufe zu erfolgen.

(2b) Schulreif ist ein Kind, wenn
1.         es die Unterrichtssprache so weit beherrscht, dass es dem Unterricht in der ersten Schulstufe ohne besondere Sprachförderung zu folgen vermag, und
2.         angenommen werden kann, dass es dem Unterricht in der ersten Schulstufe zu folgen vermag, ohne körperlich oder geistig überfordert zu werden.

(2c) Zur Feststellung der Schulreife gemäß Abs. 2b Z 1 ist § 4 Abs. 2a des Schulunterrichtsgesetzes anzuwenden.

(2d) Ergeben sich anlässlich der Schülereinschreibung Gründe für die Annahme, dass das Kind die Schulreife gemäß Abs. 2b Z 2 nicht besitzt, oder verlangen die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten eine Überprüfung der Schulreife, hat der Schulleiter zu entscheiden, ob das Kind die Schulreife gemäß Abs. 2b Z 2 aufweist. Der zuständige Bundesminister hat durch Verordnung die näheren Festlegungen über das Vorliegen der Schulreife gemäß Abs. 2b Z 2 zu treffen.

(2e) Die Aufnahme schulpflichtiger, jedoch gemäß Abs. 2b Z 1 nicht schulreifer Kinder hat nach Maßgabe der Testung gemäß § 4 Abs. 2a des Schulunterrichtsgesetzes
1.         in Deutschförderklassen oder
2.         je nach Vorliegen oder Nichtvorliegen der Schulreife gemäß Abs. 2b Z 2 in die erste Schulstufe oder in die Vorschulstufe in Verbindung mit besonderer Sprachförderung in Deutschförderkursen

zu erfolgen. Die Aufnahme schulpflichtiger, jedoch auch gemäß Abs. 2b Z 2 nicht schulreifer Kinder hat in die Vorschulstufe zu erfolgen.

(3) Die Frist für die Schülereinschreibung, die spätestens vier Monate vor Beginn der Hauptferien zu enden hat, und die bei der Schülereinschreibung vorzulegenden Personalurkunden sind von der Bildungsdirektion nach den örtlichen Erfordernissen durch Verordnung festzusetzen.

3.3. Die Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung über die näheren Festlegungen betreffend das Vorliegen der Schulreife (Schulreifeverordnung), BGBl. II Nr. 300/2018, normiert:

Schulreife

§ 1. (1) Die Schulreife eines Kindes gemäß § 6 Abs. 2b Z 2 des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl. Nr. 76/1985, liegt vor, wenn es dem Unterricht der ersten Schulstufe zu folgen vermag, ohne körperlich oder geistig überfordert zu werden. Dies setzt ausreichende kognitive Reife und Grunddispositionen zum Erlernen der Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen, ein altersgemäßes Sprachverständnis sowie eine altersgemäße sprachliche Ausdrucksfähigkeit und die für die erfolgreiche Teilnahme am Unterricht der ersten Schulstufe erforderliche körperliche und sozial-emotionale Reife voraus.

(2) Die Kriterien gemäß Abs. 1 sind entsprechend den Festlegungen der §§ 2 bis 5 zu überprüfen.

Kognitive Reife und Grunddispositionen zum Erlernen der Kulturtechniken

§ 2. Die kognitive Reife und Grunddispositionen zum Erlernen der Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen sind ausreichend entwickelt, wenn das Kind
1.         über phonologische Bewusstheit verfügt,
2.         rasch und sicher vertraute Objekte benennen kann,
3.         über ein mengenbezogenes Vorwissen verfügt,
4.         über ein zahlenbezogenes Vorwissen verfügt sowie
5.         ein altersgemäßes Aufmerksamkeits- und Konzentrationsverhalten zeigt.

Sprachliche Kompetenz

§ 3. Für die Überprüfung der sprachlichen Kompetenz sind ein altersgemäßes Sprachverständnis sowie eine altersgemäße sprachliche Ausdrucksfähigkeit zu berücksichtigen.

Körperliche Reife

§ 4. Für die Überprüfung der körperlichen Reife sind allgemeine körperliche Fähigkeiten zur Erfüllung schulischer Aufgaben sowie die dafür maßgebliche grob- und feinmotorische Geschicklichkeit zu berücksichtigen.

Sozial-emotionale Reife

§ 5. Eine ausreichende sozial-emotionale Reife liegt vor, wenn das Kind insbesondere über die für die erfolgreiche Teilnahme am Unterricht der ersten Schulstufe erforderlichen
1.         sozialkommunikativen Kompetenzen sowie
2.         personalen Kompetenzen

verfügt.

Verweisungen

§ 6. Soweit in dieser Verordnung auf Bundesgesetze verwiesen wird, sind diese in der mit dem Inkrafttreten der jeweils letzten Novelle dieser Verordnung geltenden Fassung anzuwenden.

Inkrafttreten

§ 7. Diese Verordnung tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung im Bundesgesetzblatt in Kraft.

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.4. Die zitierten Bestimmungen des Schulpflichtgesetzes bauen auf der grundsätzlichen, in der Bundesverfassung (Art 14 Abs 7a B-VG) verankerten Schulpflicht auf.

3.5. Aus der Aktenlage ergibt sich zweifelsfrei das Gesamtbild, dass beim mj. Erstbeschwerdeführer eine zum Zeitpunkt der Schülereinschreibung noch nicht ausreichende kognitive Reife und noch nicht ausreichende Grunddispositionen zum Erlernen der Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen gegeben waren. Auch wenn keine Feststellungen zum Vorliegen der körperliche Reife und der sozial-emotionalen Reife getroffen wurden, ist die belangte Behörde im Endergebnis zu Recht von einer fehlenden Schulreife ausgegangen.

Soweit die Beschwerdeführer ausführen, dass der Erstbeschwerdeführer beim Einschreibungstermin die auf Deutsch erklärten Aufgaben zum Teil nicht verstanden habe, da Deutsch nicht seine Erstsprache sei, und dass fehlende Deutschkenntnisse keine ausreichende Begründung für das Verneinen der Schulreife sei, verkennen sie die ausdrückliche Rechtslage: Nach § 6 Abs 2b SchPflG setzt die Schulreife auch voraus, dass das Schulkind die Unterrichtssprache so weit beherrscht, dass es dem Unterricht in der ersten Schulstufe ohne besondere Sprachförderung zu folgen vermag.

Zudem wäre es nach § 3 Abs 3 SchUG auch die gesetzliche Aufgabe der erziehungsberechtigten Eltern gewesen, in den Jahren vor der Schuleinschreibung Sorge zu tragen, dass der Erstbeschwerdeführer zum Zeitpunkt der Schülereinschreibung die Unterrichtssprache soweit beherrscht, dass dieser dem Unterricht zu folgen vermag.

3.6. Soweit die Beschwerdeführer davon ausgehen, dass die Beschulung des Erstbeschwerdeführers nach dem Vorschulehrplan diesem einen „irreparablen Schaden“ zufüge, verkennen sie die nach § 17 Abs 5 SchUG gesetzlich eingeräumte Möglichkeit, innerhalb der Vorschulstufe und der ersten drei Schulstufen der Volksschule während des Unterrichtsjahres in die nächsthöhere oder nächstniedrigere Schulstufe zu wechseln, wenn dadurch der Lernsituation des Schülers eher entsprochen wird und eine Unter- oder Überforderung in körperlicher oder geistiger Hinsicht nicht zu befürchten ist.

3.7. Der Prozessgegenstand, d.h. die "Sache" vor dem Verwaltungsgericht, bestimmt sich durch den Antrag, den Spruch der Behörde und die Beschwerde. Das Verwaltungsgericht ist nicht berechtigt, über eine Sache abzusprechen, die nicht Gegenstand des behördlichen Verfahrens war (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 28 K.6 sowie K.22).

Die belangte Behörde hat lediglich über die Schulreife des Erstbeschwerdeführers abgesprochen; es ist dem Bundesverwaltungsgericht mangels Kognitionsbefugnis verwehrt, der belangten Behörde über den konkreten Einzelfall hinausreichende Ratschläge oder gar Weisungen in Bezug auf die pädagogische Ausgestaltung des Einschreibungsverfahrens zu erteilen.

Der entsprechende Antrag der Beschwerdeführer ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

3.8. Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 4 VwGVG entfallen, da die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Das Schulrecht ist auch weder von Art 6. EMRK noch von Art 47 GRC erfasst (vgl. VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 23.05.2017, Ra 2015/10/0127).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig (vgl. dazu auch OGH 22.3.1992, 5 Ob 105/90; vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

Schlagworte

Deutschkenntnisse Schulpflicht Schulreife unzulässiger Antrag Volksschule Vorschulstufe Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W129.2247644.1.00

Im RIS seit

31.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

31.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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