TE Vwgh Erkenntnis 1996/9/26 95/19/0552

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Veröffentlicht am 26.09.1996
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/09 Internationales Privatrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995 §1 Abs1;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995 §2;
AufG 1992 §1 Abs1;
AufG 1992 §12;
AufG 1992 §13 Abs1;
AufG 1992 §13 Abs2;
AufG 1992 §4 Abs2;
AufG 1992 §6 Abs2;
IPRG §4;
VwRallg;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 95/18/1058 E 18. Juni 1998 95/19/0583 E 26. September 1996

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des B in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Februar 1995, Zl. 103.655/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Februar 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 6 Abs. 2 und § 13 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei aufgrund seines neuen Passes als Staatsangehöriger der Bundesrepublik Jugoslawien anzusehen. Sein Antrag sei daher als Erstantrag zu werten, welcher gemäß § 6 Abs. 2 AufG vor der Einreise in das Bundesgebiet vom Ausland aus zu stellen gewesen sei. Dieser Bestimmung habe der Beschwerdeführer nicht Genüge getan, sodaß sein Antrag abzuweisen gewesen sei.

Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer hat im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch sein abgelaufenes Reisedokument vorgelegt, in welchem am 31. Jänner 1994 ein vorläufiges Aufenthaltsrecht in Österreich "gemäß § 12 AufG" bis 30. Juni 1994 ersichtlich gemacht wurde. Sein Wohnort in diesem Reisedokument ist mit Sarajewo angegeben.

In seiner Berufung behauptete der Beschwerdeführer, er sei Staatsangehöriger Bosnien-Herzegowinas, was aus seinem abgelaufenen Reisedokument auch hervorgehe. Er sei im April 1992 aufgrund der Kriegsgeschehnisse in seiner Heimat nach Österreich gekommen. Aufgrund der Kriegsereignisse sei sein Vater getötet worden, das Wohnhaus seiner Familie sei total zerstört worden.

Die belangte Behörde vertrat nunmehr die Ansicht, daß der Beschwerdeführer nicht mehr als Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina zu behandeln sei, weil ihn "sein neuer Paß als Staatsangehöriger der BR Jugoslawien beurkunde".

Abgesehen davon, ob eine solche Beurkundung dem am 25. Mai 1994 namens der "Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien" ausgestellten Reisedokument zu entnehmen ist, hat es die belangte Behörde - worauf der Beschwerdeführer zutreffend sinngemäß verweist - unterlassen, Feststellungen über den von ihr offenbar angenommenen Verlust der bosnisch-herzegowinischen Staatsbürgerschaft zu treffen. Nach dem Text der im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides am 23. Februar 1995 hier anzuwendenden Verordnung BGBl. Nr. 1038/1994 gewährt Österreich Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina unter den in ihrem § 1 Abs. 1 umschriebenen Voraussetzungen ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet. Wesentlich für dieses vorübergehende Aufenthaltsrecht ist daher - neben den sonst normierten Voraussetzungen - das Vorliegen der Staatsbürgerschaft von Bosnien-Herzegowina, nicht aber der - hier von der belangten Behörde angenommene - Erwerb einer anderen Staatsbürgerschaft. Schon im Hinblick auf die Möglichkeit der Doppelstaatsbürgerschaft (vgl. dazu näher die Bestimmungen über die doppelte Staatsbürgerschaft im Amtsblatt der Republik Bosnien-Herzegowina, Jahrgang I, Nr. 18, vom 7. Oktober 1992) bedarf daher der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung dahin, ob der Beschwerdeführer die Staatsangehörigkeit Bosniens und der Herzegowina verloren hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1996, Zlen. 95/19/0912-0915), wobei die belangte Behörde - analog § 4 Abs. 1 IPRG - die dafür maßgeblichen Normen des fremden Staatsbürgerschaftsrechtes von Amts wegen zu ermitteln haben wird.

Sollte der Beschwerdeführer noch Staatsangehöriger Bosnien-Herzegowinas sein, so wäre er bei Richtigkeit seiner Behauptung, wonach er im April 1992 eingereist sei, gemäß § 2 der in Rede stehenden Verordnung im Hinblick auf eine zwischenzeitlich erfolgte teilweise Integration bei der Erteilung von Bewilligungen im Rahmen der Übergangsregelung des § 13 AufG bevorzugt zu berücksichtigen. Auch der (zusätzliche) Erwerb einer anderen Staatsbürgerschaft änderte daran nichts, wenn dieser erst nach der Einreise nach Österreich erfolgte. Aus der Textierung der in Rede stehenden Verordnung ist eindeutig erkennbar, daß die Frage, ob der Fremde anderweitig keinen Schutz fand, im Zeitpunkt der Einreise in das Bundesgebiet zu beurteilen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1996, Zl. 96/21/0313). Dieser Hinweis auf § 13 Abs. 1 AufG - die Voraussetzungen der Ausnahmebestimmung des Abs. 2 liegen bei Fremden, denen ein vorläufiges Aufenthaltsrecht gemäß den aufgrund des § 12 AufG ergangenen Verordnungen zukommt, nicht vor - ist dahin zu deuten, daß Staatsangehörige Bosnien-Herzegowinas die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2 AufG) beantragen können. Solche - Verlängerungsanträgen insofern gleichzuhaltende - Anträge können aus dem Grunde des § 6 Abs. 2 letzter Satz AufG in seiner Fassung vor der AufG-Novelle BGBl. Nr. 351/1995 auch vom Inland aus gestellt werden.

Der bekämpfte Bescheid war aus diesen Erwägungen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Zur zweckmäßigen Rechtsverfolgung wäre die Vorlage zweier Ausfertigungen der Beschwerde sowie einer Kopie des angefochtenen Bescheides ausreichend gewesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995190552.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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