Entscheidungsdatum
03.01.2022Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W244 2240510-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Verena JEDLICZKA-MESSNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Dr. Martin DERCSALY, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Justiz vom 15.02.2021, Zl. 2021-0.093.580, betreffend Geldaushilfe gemäß § 23 Abs. 4 Gehaltsgesetz 1956 zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wird wie folgt abgeändert:
"Gemäß § 23 Abs. 4 Z 2 Gehaltsgesetz 1956 wird Ihnen hinsichtlich Ihres Antrages vom 25. Jänner 2021 eine Geldaushilfe in der Höhe von 6.216,80 EUR gewährt."
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Am 25.01.2021 beantragte der Beschwerdeführer die Gewährung einer Geldaushilfe gemäß § 23 Abs. 4 Gehaltsgesetz 1956 (GehG) für die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung entstandenen notwendigen Kosten in der Höhe von 6.216,80 EUR und führte begründend aus, dass er mit Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft XXXX vom 19.01.2021 von der Einstellung eines gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens gemäß § 302 StGB verständigt worden sei.
Mit im Spruch genanntem Bescheid der Bundesministerin für Justiz vom 15.02.2021, zugestellt am 16.02.2021, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 23 Abs. 4 Z 2 GehG eine Geldaushilfe in der Höhe von 4.493,90 EUR gewährt. Das Mehrbegehren in der Höhe von 1.722,90 EUR wurde abgewiesen. Aus der vorgelegten Kostennote ergebe sich eine Gesamtsumme von 6.216,80 EUR brutto, in der ein Erfolgszuschlag von 50% enthalten sei. Erfolgshonorare stellten jedoch keine durch eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung entstandenen Kosten dar.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.
Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden von der belangten Behörde vorgelegt und sind am 18.03.2021 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
Am 12.10.2021 stellte der Beschwerdeführer einen Fristsetzungsantrag an den Verwaltungsgerichtshof.
Mit verfahrensleitender Anordnung des Verwaltungsgerichtshofes vom 03.11.2021 wurde das Bundesverwaltungsgericht aufgefordert, binnen drei Monaten die Entscheidung zu erlassen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer steht als Justizwachebeamter in einem aktiven öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.
Mit Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft XXXX vom 19.01.2021 wurde der Beschwerdeführer von der Einstellung eines gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens gemäß § 302 StGB verständigt.
Der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers legte ein Kostenverzeichnis mit einem Rechnungsbetrag in der Höhe von 6.216,80 EUR. Darin enthalten ist ein Erfolgszuschlag von 50% in der Höhe von 1.722,90 EUR.
Der Beschwerdeführer verfügt über keine Rechtsschutzversicherung.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akt in Verbindung mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen und sind soweit unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass dienstrechtliche Streitigkeiten öffentlich Bediensteter unter den Begriff der "civil rights" im Verständnis des Art. 6 Abs. 1 MRK fallen, insoweit derartige Streitigkeiten durch die innerstaatliche Rechtsordnung geregelte, subjektive Rechte oder Pflichten des jeweils betroffenen Bediensteten zum Gegenstand haben (vgl. VwGH 13.09.2017, Ro 2016/12/0024, mwN).
Demnach kann eine Verhandlungspflicht gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK nur dann entfallen, wenn die Ausnahmen für nicht übermäßig komplexe Rechtsfragen oder hochtechnische Fragen Platz greifen (vgl. VwGH 21.12.2016, Ra 2016/12/0067).
Da sich im vorliegenden Fall der Sachverhalt aus den Akten ergibt und es sich auch um keine übermäßig komplexe Rechtsfrage handelt, kann von einer mündlichen Verhandlung, die der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer auch nicht beantragt hat, abgesehen werden.
Zu A) Stattgebung der Beschwerde:
1. Die für den vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des GehG lauten:
"Vorschuß und Geldaushilfe
§ 23. (1) - (2) […]
(3) Ist der Beamte unverschuldet in Notlage geraten oder liegen sonst berücksichtigungswürdige Gründe vor, so kann ihm auch eine Geldaushilfe gewährt werden.
(4) Dem Beamten, gegen den Anzeige wegen des Verdachtes einer in Ausübung des Dienstes begangenen gerichtlich strafbaren Handlung erstattet worden ist, ist für die ihm nachweislich zu seiner zweckentsprechenden Rechtsverteidigung entstandenen notwendigen Kosten auf seinen Antrag eine Geldaushilfe bis zur Höhe des dreifachen Referenzbetrages gemäß § 3 Abs. 4 zu gewähren, wenn
2. das Strafverfahren eingestellt oder
3. der Beamte freigesprochen
worden ist."
2. In den Materialien zu § 23 Abs. 4 GehG (AB 1079 BlgNR XXI. GP 12) heißt es:
"Im Zusammenhang mit der Schaffung einer gesetzlichen Grundlage zum Abschluss einer Gruppenrechtsschutzversicherung für Beamte des Exekutivdienstes (§ 83b GehG) sollen auch Bedienstete anderer Berufsgruppen, die ebenfalls, wenn auch weniger häufig als diese, dem Risiko einer ungerechtfertigten strafrechtlichen Beschuldigung ausgesetzt sein können, vom Dienstgeber von den finanziellen Folgen einer notwendigen und zweckentsprechenden Rechtsverteidigung gegen nicht haltbare Anzeigen bzw. Anschuldigungen im Zuge von Amtshandlungen entlastet werden. Dies soll dadurch erreicht werden, dass Bediensteten, denen bei derartigen Strafanzeigen nachweislich Barauslagen für ihre zweckentsprechende Rechtsverteidigung erwachsen sind, diese über Antrag in Form einer Geldaushilfe ersetzt werden sollen. Diese dem Bediensteten zu seiner Rechtsverteidigung nachweislich erwachsenen Kosten werden dann durch den Bund zu übernehmen sein, wenn nach Mitteilung des Staatsanwaltes die Anzeige zurückgelegt, das Strafverfahren eingestellt oder der Beamte freigesprochen worden ist."
3. Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus Folgendes:
3.1. Aus dem Wortlaut des § 23 Abs. 4 GehG und den diesbezüglichen Erläuterungen ergibt sich, dass einem Beamten für den Fall einer ungerechtfertigten strafrechtlichen Beschuldigung nur die nachweislich zu seiner zweckentsprechenden Rechtsverteidigung entstandenen notwendigen Kosten zu ersetzen sind.
Notwendig sind Vertretungshandlungen dann, wenn sie durch die Prozesslage und die Verfahrensvorschriften erzwungen werden. Die Notwendigkeit ist nach den Umständen des Einzelfalls, aber am objektiven Maßstab einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung zu messen. Es ist zu fragen, was eine durchschnittliche, sorgfältige und informierte Verfahrenspartei bei gegebener Sachlage an kostenverursachenden Schritten gesetzt hätte. Zweckmäßig ist dabei alles, was ein den objektiven rechtlichen Gegebenheiten entsprechendes Maß an Erfolgschancen in sich birgt. Besteht die Wahl zwischen mehreren Prozesshandlungen, die zum gleichen Ergebnis führen, können nur die Kosten der "billigeren" Prozesshandlung beansprucht werden. Die Frage der Notwendigkeit ist aus einer ex-ante-Perspektive zu beantworten (Lendl in Fuchs/Ratz, WK StPO § 395 Rz 15 (Stand 30.6.2018, rdb.at)).
3.2. Im vorliegenden Fall ist strittig, ob ein Erfolgszuschlag als Teil der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung entstandenen notwendigen Kosten anzusehen und im Rahmen von § 23 Abs. 4 GehG ersatzfähig ist.
3.3. Gemäß § 1 RATG konnte das RATG verfahrensgegenständlich nicht zur Anwendung gelangen, da dieses nur bei Verfahren vor Zivilgerichten, schiedsrichterlichen Verfahren nach den §§ 577 ff ZPO sowie bei Strafverfahren über eine Privatanklage anwendbar ist.
Im vorliegenden Fall errechnete der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers seine Kosten auf der Grundlage der Allgemeinen Honorar-Kriterien (AHK), die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (wie auch des Obersten Gerichtshofes) als kodifiziertes Gutachten über die Angemessenheit der im RATG nicht näher geregelten anwaltlichen Leistung für die Honorarabrechnung anzusehen sind, denen jedoch kein normativer Charakter zukommt (vgl. VwGH 08.10.2020, Ra 2020/03/0056, mwN).
Den von der ständigen Vertreterversammlung der österreichischen Rechtsanwaltskammern erstellten Honorarrichtlinien (AHR – nunmehr AHK) kommt als kodifiziertem Gutachten über die Angemessenheit der im RATG nicht näher geregelten anwaltlichen Leistungen für die Honorarberechnung Bedeutung zu, sofern zwischen Rechtsanwalt und Mandanten keine Honorarvereinbarung geschlossen wurde und kein gesetzlicher Tarif besteht. Die Tarife der AHR des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages iVm dem RATG stellen für die Ermittlung der angemessenen Entlohnung des Rechtsanwaltes eine maßgebliche Erkenntnisquelle dar (vgl. VwGH 24.02.2000, 98/06/0202, und 26.05.2008, 2006/06/0264).
Die Heranziehung der AHK durch den Rechtsanwalt des Beschwerdeführers zur Erstellung der Kostennote erfolgte daher dem Grunde nach zu Recht.
3.4. Gemäß § 12 AHK kann in offiziösen Strafsachen wegen gerichtlich strafbarer Handlungen ein Erfolgszuschlag bis zu 50% des Honorarbetrages berechnet werden; dies insbesondere dann, wenn das Verfahren eingestellt oder das Urteil auf Freispruch lautet oder ein wegen eines Verbrechens Angeklagter wegen eines Vergehens oder eines mit einem niedrigerem Strafsatz bedrohten Verbrechens verurteilt wird.
Ein solcher Fall liegt gegenständlich vor, weil das gegen den Beschwerdeführer geführte Ermittlungsverfahren gemäß § 302 StGB eingestellt wurde.
Vor dem Hintergrund, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid festhielt, dass die in der Leistungsaufstellung verbuchten Leistungen ordnungsgemäß bewertet worden sind, kann auch die Höhe des Erfolgszuschlages von 50%, die sich – wie zuvor dargelegt – an jener des Honorarbetrages bemisst, nicht beanstandet werden. Sie ist daher als angemessen anzusehen.
3.5. Das Bundesverwaltungsgericht folgt der in der Beschwerde vertretenen Auffassung, dass ein angemessenes Honorar als Grundlage der nach § 23 Abs. 4 GehG ersatzfähigen Kosten heranzuziehen ist.
Die Angemessenheit des Erfolgszuschlags nach § 12 AHK führt deshalb dazu, dass dieser im vorliegenden Fall, in dem die Rechtsverteidigung auch von der belangten Behörde dem Grunde nach als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig erachtet wurde, Teil der im Rahmen von § 23 Abs. 4 GehG ersatzfähigen Kosten ist.
3.6. Der Beschwerde ist daher Folge zu geben und der Spruch des angefochtenen Bescheides dahingehend zu ändern, dass dem Beschwerdeführer gemäß § 23 Abs. 4 Z 2 GehG eine Geldaushilfe in der Höhe von 6.216,80 EUR zu gewähren ist.
Zu B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehlt, ob ein Erfolgszuschlag gemäß § 12 AHK zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung entstandene notwendige Kosten darstellt und sohin im Rahmen der Geldaushilfe gemäß § 23 Abs. 4 GehG ersatzfähigen Verteidigungskosten entspricht.
Schlagworte
Angemessenheit Bescheidabänderung Erfolg Fristsetzung Geldaushilfe notwendige Kosten öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis Revision zulässig Strafverfahren - Einstellung zweckentsprechende RechtsverfolgungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2022:W244.2240510.1.00Im RIS seit
31.01.2022Zuletzt aktualisiert am
31.01.2022