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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
KStG 1988 §8 Abs4 Z2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer und den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der R GmbH in W, vertreten durch die PwC PricewaterhouseCoopers Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung GmbH in 1220 Wien, Donau-City-Straße 7, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 4. Juli 2018, Zl. RV/7100158/2014, betreffend Körperschaftsteuer 2004 und Körperschaftsteuer Gruppe 2005, zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Strittig ist im Revisionsfall die Anwendung der Mantelkaufregelung im Sinne des § 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988.
2 Die Revisionswerberin wurde im Jahr 2001 gegründet. Gesellschafter war zu diesem Zeitpunkt die EB GmbH, die zu 100 % von der Z AG gehalten wurde. Die Revisionswerberin sollte ursprünglich als Internet-Broker-Gesellschaft der Z AG fungieren. Der Unternehmensgegenstand lag im Wesentlichen in der Beratung über die Veranlagung von Kundenvermögen und der Vermittlung des Erwerbs sowie der Veräußerung von verschiedenen Wertpapierinstrumenten. Die Gesellschaft hatte eine Konzession zur gewerblichen Erbringung von Dienstleistungen gemäß dem WAG und dem BWG. In den ersten zwei Geschäftsjahren erzielte die Revisionswerberin hohe Verluste, die teilweise durch einen Gesellschafterzuschuss der Z AG abgedeckt wurden. Am 1. Februar 2003 wurden die bisherigen Geschäftsführer abgelöst und S und F als neue Geschäftsführer der Revisionswerberin berufen.
3 Bei der Revisionswerberin fand für die Jahre 2004 und 2005 eine Betriebsprüfung statt. Die Betriebsprüfung ging davon aus, dass bei der Revisionswerberin der Mantelkauftatbestand des § 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988 verwirklicht wurde.
4 Die operative Geschäftstätigkeit sei mit Zurücklegen der Konzession per 9. Dezember 2003 endgültig eingestellt worden. Der Personalaufwand sei im Jahr 2003 erheblich gesunken, weil alle Mitarbeiter aus dem Unternehmen ausgeschieden seien. Die Geschäftsführer S und F hätten als Dienstnehmer der Z AG für ihre Tätigkeit bei der Revisionswerberin keine Geschäftsführerbezüge erhalten. Im Jahr 2004 seien lediglich noch Personalaufwendungen für die vorherigen Geschäftsführer verbucht worden.
5 Am 15. Dezember 2004 habe die Revisionswerberin eine Gesellschaft, die IB GmbH, errichtet. Mit gleichem Datum sei J zum Geschäftsführer der Revisionswerberin bestellt worden. J sei Mitarbeiter im Beteiligungsmanagement der Z AG gewesen und habe ebenfalls kein zusätzliches Entgelt für seine Geschäftsführertätigkeit bei der Revisionswerberin erhalten. Die Betriebsprüfung hielt fest, dass sie trotz Aufforderung keine Unterlagen über Vorstandsanträge, Sitzungsprotokolle, etc. vorgelegt bekommen habe, und deshalb nicht feststellbar gewesen sei, welche Aufgaben die zwei „Alt-Geschäftsführer“ bei der Revisionswerberin noch gehabt hätten, weil diese im Jahr 2004 über keinen operativen Geschäftsbetrieb mehr verfügt habe. Aus dem Gesamtbild der Verhältnisse sei die Betriebsprüfung in freier Beweiswürdigung zum Schluss gekommen, dass die beiden Geschäftsführer S und F nach dem 15. Dezember 2004 bei der Revisionswerberin keine Entscheidungen mehr zu treffen gehabt hätten, sondern vielmehr die Geschäftsführungstätigkeit J alleine oblegen habe.
6 Mit Einbringungsvertrag vom 3. August 2005 seien von der Z AG die Beteiligungen an der C AG und der K AG zum Stichtag 31. Dezember 2004 in die IB GmbH (die Tochtergesellschaft der Revisionswerberin) eingebracht worden. Die Revisionswerberin sei 2005 umbenannt worden und mit Gruppenantrag vom 17. November 2005 als Gruppenträgerin einer Unternehmensgruppe gemäß § 9 KStG 1988 installiert worden.
7 Nach Ansicht der Betriebsprüfung sei ab dem Jahr 2004 die Identität der Revisionswerberin infolge der wesentlichen Änderungen der wirtschaftlichen und organisatorischen Struktur im Zusammenhang mit einer wesentlichen Änderung der Gesellschafterstruktur auf entgeltlicher Grundlage nach dem Gesamtbild der Verhältnisse wirtschaftlich nicht mehr gegeben gewesen, was einen Verlust des Verlustabzugs gemäß § 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988 zur Folge habe.
8 Zur wesentlichen Änderung der wirtschaftlichen Struktur hielt die Betriebsprüfung fest, dass die wirtschaftliche Tätigkeit als Internet-Broker Ende 2003 eingestellt worden und im Jahr 2004 durch Zugang der Beteiligung an der IB GmbH eine Tätigkeit als Beteiligungsholding begründet worden sei. Der vollständige Wechsel des Geschäftsgegenstandes habe zu einer wesentlichen Änderung der wirtschaftlichen Struktur geführt.
9 Zur wesentlichen organisatorischen Strukturänderung ging die Betriebsprüfung davon aus, dass durch die Geschäftsführerbestellung von J im Dezember 2004 eine Änderung in der organisatorischen Struktur eingetreten sei. Die Belassung von zwei „Alt-Geschäftsführern“ berühre nach Ansicht der Betriebsprüfung die Beurteilung der wesentlichen Änderung der organisatorischen Struktur nicht.
10 Es habe auch eine Änderung der Gesellschafterstruktur auf entgeltlicher Grundlage stattgefunden. Auch habe es einen planmäßigen Zusammenhang zwischen den Strukturänderungen gegeben.
11 Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung, nahm die Bescheide für die Körperschaftsteuer 2004 und 2005 wieder auf und erließ neue Sachbescheide. Gegen diese Bescheide erhob die Revisionswerberin fristgerecht Beschwerde. Sie brachte vor, dass es sich im gegenständlichen Fall nicht um einen Mantelkauf handle. Im Bereich der wirtschaftlichen Struktur liege durch das Einstellen der Tätigkeit als Internet-Broker gemeinsam mit der Zurücklegung der dafür notwendigen Konzession keine wesentliche Änderung vor. Die bloße Beendigung einer bisherigen wirtschaftlichen Einheit sei unschädlich. Werde eine wirtschaftliche Einheit beendet und nur mehr das verbliebene Vermögen verwaltet, sei eine solche Änderung der wirtschaftlichen Struktur nach dem Sinn und Zweck der Regelung unbedenklich. Die vermögensverwaltende Tätigkeit und ihr Umfang stünden mit dem nachfolgenden Gesellschafterwechsel in keinem Zusammenhang. Durch die Gründung einer Beteiligungsgesellschaft ändere sich der vermögensverwaltende Charakter der Gesellschaft nicht. Es sei auch keine Vermögenserhöhung eingetreten.
12 Es liege auch keine wesentliche Änderung der organisatorischen Struktur vor. Das Gesetz sehe zwingend bei Vorhandensein von mehr als einem Geschäftsführer eine Kollektivvertretungsbefugnis vor. Der Gesellschaftsvertrag der Revisionswerberin weiche davon nicht ab, sondern sehe vor, dass ein Geschäftsführer nur mit mindestens einem weiteren Geschäftsführer zur Vertretung befugt sei. Ein aktives Mitwirken zumindest eines weiteren Geschäftsführers bei der Willensbildung und Setzung von Akten für die Revisionswerberin sei daher aus gesellschaftsrechtlicher Sicht zwingend erforderlich gewesen. Eine wesentliche Änderung der Organisationsstruktur liege nur dann vor, wenn es zu einer Änderung der Willensbildung im Sinne der Stimmenveränderung bei Entscheidungsprozessen komme. Dies liege aber im Falle der Revisionswerberin eindeutig nicht vor. Im Übrigen sei die Revisionswerberin vor der Bestellung von J in die Z AG organisatorisch eingegliedert gewesen.
13 Die Mantelkaufbestimmung im KStG 1988 sei eigens deshalb eingeführt worden, um den missbräuchlichen Handel mit Verlustmänteln zu unterbinden. Es sei der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Da sich die Revisionswerberin zu jedem Zeitpunkt indirekt oder direkt zu 100 % im Besitz der Z AG befunden habe, könne trotz stattgefundenem Gesellschafterwechsel kein missbräuchlicher Handel mit Verlustmänteln festgestellt werden. Es gebe zudem keinen planmäßigen Zusammenhang zwischen den Strukturänderungen.
14 Das Bundesfinanzgericht führte eine mündliche Verhandlung durch, zu der im Vorfeld die Revisionswerberin ergänzendes Vorbringen erstattete. In diesem führte sie aus, der Eintritt der wirtschaftlichen Änderungen sei noch bei der Voreigentümerin eingetreten, was aber noch keine schädliche wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Struktur darstelle. Bei Verminderung einer wirtschaftlichen Einheit liege dann eine wesentliche Änderung vor, wenn der Folgeeigentümer eine zusätzliche wirtschaftliche Einheit schaffe und die neue Einheit die bisherige erheblich (um mindestens 75 %) überwiege. Die Gründung der IB GmbH durch die Revisionswerberin sei noch vor der entgeltlichen Abtretung der Revisionswerberin an die Z AG erfolgt. Weiters seien zur Aufbringung der Gegenleistung für die durchgeführte Einbringung der C AG und der K AG in die IB GmbH Substanzgenussrechte an die Z AG begeben worden, sodass es durch diesen Vorgang zu keiner Vermögensmehrung bei der Revisionswerberin gekommen sei. Keiner dieser genannten Vorgänge sei geeignet, den vermögensverwaltenden Charakter der Revisionswerberin zu beeinflussen. Es gebe zudem keine faktische Alleingeschäftsführung durch J. Die operative Tätigkeit der Revisionswerberin sei heruntergefahren worden, dieser Vorgang sei Ende 2003 bereits abgeschlossen gewesen. Was seit Ende 2003 noch an Rest-Geschäftsführung erforderlich gewesen sei, beschränke sich im Wesentlichen auf jene gesetzlich determinierten Agenden, wie die Aufstellung des Jahresabschlusses, die ex lege zwingend in der Gesamtverantwortung aller Geschäftsführer liegen. Besonders plakativ sei der Umstand, dass nur die beiden Geschäftsführer F und S über die Bankkonten der Revisionswerberin verfügen konnten. Zudem hätten sich diese beiden Geschäftsführer auch noch nach dem 15. Dezember 2004 um die Wahrung der Rechte der Revisionswerberin gekümmert. Das minimale operative Tagesgeschäft sei auch nach dem Hinzutreten von J noch von den Geschäftsführern F und S betreut worden.
15 In der mündlichen Verhandlung befragte das Bundesfinanzgericht die drei ehemaligen Geschäftsführer S, F und J als Zeugen. S gab an, dass seine Aufgaben bei der Revisionswerberin im Bereich Marketing und Geschäftspolitik gelegen hätten. Ab Ende 2003 habe seine Hauptaufgabe in der Rückabwicklung des Kundengeschäftes bestanden. J sei primär in der Rechnungslegung tätig gewesen. Er hab die Bilanzierung vorbereitet, die dann den anderen Geschäftsführern vorgelegt worden sei. In die operativen Geschäfte sei J nicht eingebunden gewesen. Der zweite Zeuge, F, gab an, dass seine Aufgaben in der Leitung des Aktienhandels bestanden hätten; seine Hauptaufgaben seien daher die operative Geschäftstätigkeit, das Projektmanagement und die EDV gewesen. Die interne Abstimmung sei informell erfolgt. Nach Beendigung der Geschäftstätigkeit Ende 2003 sei faktisch kein operatives Geschäft mehr vorhanden gewesen. Kleine organisatorische Dinge, wie zum Beispiel der Verkauf von Servern, seien noch zu erledigen gewesen. Auch sei eine Internetadresse fremd verwendet worden, wogegen er vorgegangen sei. Die Aufgaben seien insgesamt gering gewesen. So hätten die Geschäftsführer ein paar Mal im Jahr eine Unterschrift leisten müssen, zum Beispiel beim Jahresabschluss und bei Rechnungen. J gab an, dass er seit Herbst 2017 wieder als Geschäftsführer der Revisionswerberin tätig sei. Bei seiner erstmaligen Bestellung für das Geschäftsführungsjahr 2004 habe er keine operativen Aufgaben gehabt. Die Übernahme von Geschäftsführungstätigkeiten sei grundsätzlich Teil seiner Jobbeschreibung. Es handle sich dabei um eine verwaltende Tätigkeit im Rahmen der gesetzlichen Aufgaben, zum Beispiel die Erstellung des Jahresabschlusses, Firmenbucheingaben, etc. Die Abstimmung der Aufgaben mit den anderen Geschäftsführern sei „glasklar“ aufgrund der jeweiligen Tätigkeiten gewesen. Alle operativen Tätigkeiten seien von den beiden anderen Geschäftsführern abgedeckt gewesen. Es habe keine eigenen Geschäftsführungssitzungen gegeben, sondern die Abstimmung sei informell erfolgt.
16 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab. Es stellte fest, dass die Revisionswerberin als Internet-Broker-Gesellschaft hätte fungieren sollen. Aufgrund anhaltender Verluste sei die Einstellung der Geschäftstätigkeit per Jahresende 2003 beschlossen worden. Anfang 2003 seien S und F mit der Geschäftsführung betraut worden. Die operative Geschäftstätigkeit sei mit Zurücklegen der Konzession am 9. Dezember 2003 endgültig eingestellt worden. Nach Beendigung der Geschäftstätigkeit sei faktisch kein operatives Geschäft mehr vorhanden gewesen. Ebenso sei kein wesentliches Vermögen aus der Tätigkeit in der Revisionswerberin verblieben. Alle Mitarbeiter seien 2003 aus dem Unternehmen ausgeschieden. Die Geschäftsführer S und F hätten als Dienstnehmer der Z AG keine Geschäftsführerbezüge für ihre Tätigkeit bei der Revisionswerberin erhalten.
17 Mit Erklärung vom 15. Dezember 2004 habe die Revisionswerberin eine Beteiligung, die IB GmbH, gegründet. Gleichen Datums sei J zum dritten Geschäftsführer der Revisionswerberin bestellt worden. Auch er habe kein zusätzliches Entgelt für seine Geschäftsführungstätigkeit erhalten. Am 23. Dezember 2004 habe die Muttergesellschaft der Revisionswerberin ihre Anteile an die Z AG veräußert. Rückwirkend zum 31. Dezember 2004 seien die Beteiligungen an der C AG und der K AG in die IB GmbH eingebracht worden. Die Revisionswerberin sei umfirmiert und als Gruppenträgerin im Sinne des § 9 KStG 1988 ab dem Jahr 2005 installiert worden.
18 S und F seien mit 1. Februar 2003 als Geschäftsführer der Revisionswerberin bestellt worden. Sie seien aus dem Bereich Treasury gekommen und für Marketing und Geschäftspolitik bzw. die operative Geschäftstätigkeit und EDV zuständig gewesen. Sie hätten nicht im Beteiligungsmanagement mitgewirkt. Die Aufgaben seien insgesamt gering gewesen. Mit 15. Dezember 2004 sei J als dritter Geschäftsführer bestellt worden. Im Gesellschaftsvertrag sei vorgesehen worden, dass ein Geschäftsführer gemeinsam mit mindestens einem weiteren Geschäftsführer vertretungsbefugt sei. J sei nicht mit einem Dirimierungsrecht ausgestattet gewesen. Sein Aufgabenbereich sei das Beteiligungsmanagement gewesen. Er habe verwaltende Tätigkeiten im Rahmen der gesetzlichen Aufgaben übernommen, wie zum Beispiel die Erstellung des Jahresabschlusses und Firmenbucheingaben. Die Aufteilung der Aufgaben innerhalb der Geschäftsführung sei nach den jeweiligen Aufgabengebieten der Personen erfolgt. S und F seien mit Abwicklungsaufgaben befasst gewesen, die sich aus der bereits eingestellten operativen Tätigkeit als Internet-Broker ergeben hätten. Sie seien hinsichtlich der Bankkonten der Revisionswerberin alleine zeichnungsberechtigt gewesen und hätten auch die Durchführung allfälliger einzelner Überweisungen vorgenommen. Sie hätten nicht im Beteiligungsmanagement mitgewirkt.
19 In der rechtlichen Beurteilung führte das Bundesfinanzgericht aus, es sei unbestritten, dass bei der Revisionswerberin am 23. Dezember 2004 eine Änderung der Gesellschafterstruktur auf entgeltlicher Basis, nämlich der Veräußerung der Anteile an dieser, stattgefunden habe. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seien mittelbare Beteiligungen bei der Beurteilung der Frage, ob eine Änderung der Gesellschafterstruktur stattgefunden habe, nicht einzubeziehen. Nach herrschender Lehre liege eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Struktur vor, wenn die aus Vermögen und Tätigkeit gebildete wirtschaftliche Einheit im Hinblick auf sämtliche bisherige Tätigkeitsbereiche verloren gehe. Unbestritten sei, dass die Revisionswerberin ihre operative Tätigkeit als Internet-Broker mit Zurücklegen der Konzession per 9. Dezember 2003 endgültig eingestellt habe. Ebenso seien im Jahr 2003 sämtliche Mitarbeiter ausgeschieden. Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liege ein Mantelkauf auch dann vor, wenn die alten Gesellschafter in Willensübereinstimmung mit den zukünftigen Käufern die wirtschaftlichen Strukturen verändern und erst anschließend die Änderung der Gesellschafterstruktur erfolge. Aufgrund der zeitlichen Abfolge der gegenständlichen Vorgänge und der Tatsache, dass es sich um konzerninterne Vorgänge handle, sei ein Zusammenhang zwischen diesen Vorgängen unbestreitbar. Ergänzend müsse festgehalten werden, dass die Revisionswerberin auch kein wesentliches Vermögen habe anführen können, das diese nach Beendigung ihrer operativen Tätigkeit als Internet-Broker verwaltet hätte.
20 Ab Dezember 2004 habe sich der wirtschaftliche Charakter der Revisionswerberin geändert und habe diese im Konzern eine neue Funktion eingenommen. Sie habe eine weitere Konzerngesellschaft begründet, in welche Beteiligungen mit einem Buchwert von 85 Millionen Euro eingebracht worden seien. Weiters sei sie als Gruppenträgerin einer Unternehmensgruppe installiert worden. Dass sich durch die Einbringung der Gesellschaften der Wert der Revisionswerberin nicht verändert habe, weil sie keine Dividenden und keine Veräußerungserlöse erzielen könne, sei in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Vielmehr sei offensichtlich, dass sich der Charakter der Revisionswerberin mit Einstellen der operativen Tätigkeit, spätestens jedoch mit Begründung der Tochtergesellschaft im Dezember 2004 von einer vormals operativ als Internet-Broker tätigen Gesellschaft in eine reine Holdinggesellschaft verwandelte, deren Aufgabe in der Beteiligungsverwaltung bestanden habe. Damit sei auch das Kriterium der wesentlichen Änderung der wirtschaftlichen Struktur erfüllt.
21 Unter Änderung der organisatorischen Struktur im Sinne der § 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988 werde nach herrschender Lehre eine Änderung in der Leitung und Verwaltung der Körperschaft in Form ihrer gesetzlichen Vertreter verstanden. Fixe Prozentzahlen seien nicht vorgegeben. Im Hinblick auf die anzustellende wirtschaftliche Betrachtungsweise sei auf das tatsächliche Wirken in der Geschäftsführung abzustellen; eine bloß formale Beibehaltung einer Organstellung reiche nicht aus, um einen schädlichen Mantelkauf abzuwenden. Hinweise, ob die behauptete Tätigkeit tatsächlich ausgeübt werde, würden insbesondere die Qualifikation der bisherigen Geschäftsführer im Hinblick auf die neue Geschäftstätigkeit, einschlägige schriftliche Unterlagen über die Tätigkeit, das Vorhandensein der erforderlichen Infrastruktur, die Höhe der Bezüge sowie die erforderliche Anzahl von Geschäftsführern im Hinblick auf die Unternehmensgröße geben. Mit 15. Dezember 2004 sei J als dritter Geschäftsführer bestellt worden. Es sei zwar der Argumentation der Revisionswerberin zuzustimmen, dass dieser über kein Dirimierungsrecht verfügt habe und rein formal betrachtet keine wesentliche Änderung der Geschäftsführung zu erkennen sei. Vor dem Hintergrund der Einvernahme in der mündlichen Verhandlung zeige sich jedoch ein differenzierteres Bild. Die zwei 2003 bestellten Geschäftsführer S und F seien für den Bereich Marketing und Geschäftspolitik bzw. die operative Geschäftstätigkeit hinsichtlich Projektmanagement und EDV zuständig gewesen. Eine Mitwirkung im Beteiligungsmanagement sei von den beiden Personen verneint worden; nach Beendigung der Geschäftstätigkeit 2003 sei zudem faktisch kein operatives Geschäft mehr vorhanden gewesen. Die Aufgaben seien insgesamt gering gewesen; so hätten die Geschäftsführer ein paar Mal im Jahr eine Unterschrift zu leisten gehabt. Der mit Dezember 2004 als dritter Geschäftsführer bestellte J habe das Beteiligungsmanagement übernommen. Die drei Geschäftsführer hätten hinsichtlich der Aufteilung der Aufgaben innerhalb der Geschäftsführung übereinstimmend angegeben, dass diese nach den jeweiligen Aufgabengebieten der Person erfolgt seien. Die beiden Geschäftsführer seien dabei nur mit allfälligen Aufgaben befasst gewesen, die sich aus der bereits eingestellten operativen Tätigkeit des Internet-Broker-Geschäfts ergeben hätten. Die Tatsache, dass diese hinsichtlich der Bankkonten weiterhin alleine zeichnungsberechtigt gewesen seien, scheine vor dem Hintergrund der diesbezüglich geringfügigen Aufgaben unbedeutend. Eine Mitwirkung im Beteiligungsmanagement sei von beiden Personen jedenfalls verneint worden. Die geschäftsführenden Aufgaben hinsichtlich der neuen Funktion der Revisionswerberin als vermögensverwaltende Holdinggesellschaft seien im Gegensatz dazu von J wahrgenommen worden. Die Aufgaben einer vermögensverwaltenden Holdinggesellschaft mögen zwar im Konzern insgesamt gering gewesen sein, jedoch habe sich aus der Einvernahme in der mündlichen Verhandlung ergeben, dass die in diesem Zusammenhang anfallenden Aufgaben ausschließlich von J vorbereitet und den beiden anderen Geschäftsführern anscheinend lediglich aus formalen Gründen zur Unterschrift vorgelegt worden seien. So habe ein tatsächliches aktives Mitwirken der beiden „Alt-Geschäftsführer“ an der Willensbildung der Revisionswerberin in ihrer neuen Funktion weder im Betriebsprüfungsverfahren dokumentiert noch im Rahmen der mündlichen Verhandlung festgestellt werden können. Die beiden Geschäftsführer seien somit anscheinend lediglich aus formalen Gründen weiterhin in der Geschäftsführungsfunktion verblieben, um die Formalitäten zur Vermeidung eines Mantelkaufs zu erfüllen. Unter Berücksichtigung der Annahme, dass die Mantelkaufbestimmung in wirtschaftlicher Betrachtungsweise auszulegen und nicht nur auf Formalkriterien abzustellen sei, zeige sich daher deutlich, dass mit der Verwandlung der Revisionswerberin von einer operativen Internet-Broker Gesellschaft in eine vermögensverwaltende Gesellschaft auch eine wesentliche organisatorische Strukturänderung erfolgt sei. So sei es in der Verantwortung des dritten Geschäftsführers J gelegen, sich um die neuen Aufgaben in der Holdinggesellschaft zu kümmern. Abschließend sei festzuhalten, dass nach herrschender Meinung nicht sämtliche Tatbestandsmerkmale in derselben Ausprägung erfüllt sein müssten. Entscheidend sei das Gesamtbild der Verhältnisse. Wenn die steuerliche Vertretung vorbringe, dass die Geschäftsführungsfunktion bei der Revisionswerberin allgemein durch leitende Mitarbeiter der Z AG ausgeübt worden sei, und durch die personelle Verflechtung infolge Bestellung von Arbeitnehmern der Z AG zu Geschäftsführern der Revisionswerberin sich eine unmittelbare umfassende Weisungsbefugnis der Z AG ergeben habe und damit diese mittelbar über ihre Angestellten aktiv in die laufende Geschäftsführung habe eingreifen können, lasse sich daraus kein Argument für das Nichtvorliegen einer geänderten organisatorischen Struktur gewinnen. Vielmehr scheine die Bestellung eines dritten Geschäftsführers aus dem Beteiligungsmanagement und dessen Aufgaben innerhalb der Geschäftsführung infolge der Übernahme der neuen Funktion der Revisionswerberin im Konzern, die Absicht der Veränderung der organisatorischen Struktur zu unterstreichen. Es sei auch darüber hinaus ein planmäßiger Zusammenhang zwischen den Änderungen gegeben gewesen.
22 Die Revision ließ das Bundesfinanzgericht zu, weil es zu der Rechtsfrage, ob bei der wesentlichen Änderung der organisatorischen Struktur auf die formalen oder tatsächlichen Verhältnisse abzustellen sei, noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes existiere.
23 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die ordentliche Revision, die vorbringt, es sei fraglich, ob im Revisionsfall eine Änderung der Gesellschafterstruktur vorliege, weil sich aufgrund der Konzernspitze nichts am relevanten gesellschaftsrechtlichen Einfluss geändert habe. Das Bundesfinanzgericht sei unzutreffend davon ausgegangen, dass eine Änderung der wirtschaftlichen Struktur eingetreten sei, weil die Revisionswerberin als Gruppenträgerin einer Unternehmensgruppe installiert worden sei. Es sei keine neue wirtschaftliche Einheit geschaffen worden. Weiters liege keine Änderung der organisatorischen Struktur vor. Die Revisionswerberin habe in den Streitjahren über drei Geschäftsführer verfügt, zwischen denen eine im Geschäftsleben vollkommen übliche Aufteilung bestanden habe. Es gebe zudem keinen Kausalzusammenhang zwischen den Strukturänderungen.
24 Die belangte Behörde hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie eine Zurückweisung, in eventu eine Abweisung der Revision beantragt.
25 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
26 § 8 Abs. 4 KStG 1988 in der damals geltenden Fassung lautete:
„Folgende Ausgaben sind bei der Ermittlung des Einkommens als Sonderausgaben abzuziehen, soweit sie nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten darstellen:
2. Der Verlustabzug im Sinne des § 18 Abs. 6 und 7 des Einkommensteuergesetzes 1988. Der Verlustabzug steht ab jenem Zeitpunkt nicht mehr zu, ab dem die Identität des Steuerpflichtigen infolge einer wesentlichen Änderung der organisatorischen und wirtschaftlichen Struktur im Zusammenhang mit einer wesentlichen Änderung der Gesellschafterstruktur auf entgeltlicher Grundlage nach dem Gesamtbild der Verhältnisse wirtschaftlich nicht mehr gegeben ist (Mantelkauf). Dies gilt nicht, wenn diese Änderungen zum Zwecke der Sanierung des Steuerpflichtigen mit dem Ziel der Erhaltung eines wesentlichen Teiles betrieblicher Arbeitsplätze erfolgen. Verluste sind jedenfalls insoweit abzugsfähig, als infolge der Änderung der wirtschaftlichen Struktur bis zum Ende des Wirtschaftsjahres der Änderung stille Reserven steuerwirksam aufgedeckt werden.“
27 Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur Stammfassung führen dazu aus (622 BlgNR 17. GP 18):
„Eine gesetzliche Regelung des sogenannten Mantelkaufes in § 8 Abs. 4 Z 2 erweist sich aus ordnungspolitischen Gesichtspunkten als geboten. Der Verwaltungsgerichtshof mußte mangels einer gesetzlichen Regelung der behördlichen Auffassung über den Untergang des Verlustvortragsrechtes bei Verlust der wirtschaftlichen Identität entgegentreten und den Verlustvortrag als höchstpersönliches Recht der zivilrechtlich unveränderten Körperschaft in einem Fall bestätigen, in dem sämtliche Gesellschafter einer vermögenslosen Gesellschaft wechselten und Name, Sitz, Zweck und Betriebsgegenstand geändert wurden. Das Abgabenrecht muß aber als Wirtschaftsrecht Bestrebungen entgegentreten können, Verluste zum Gegenstand von Erwerbsvorgängen zu machen. Die Regelung schafft daher für Extremfälle, in denen eine vollkommene Strukturänderung einer Körperschaft mit einer Veränderung der EigentümersteIlung auf entgeltlicher Grundlage im Zusammenhang steht, eine Rechtsgrundlage zur Versagung des Verlustvortragsrechtes bei der zivilrechtlich ident bleibenden Körperschaft. Ihr liegt damit ein der Regelung des Überganges des Verlustvortragsrechtes bei Verschmelzungen im Strukturverbesserungsgesetz vergleichbares Motiv zugrunde.“
28 Der gesetzliche Mantelkauftatbestand bringt die Rechtsfolge des Untergangs des Verlustvortragsrechts mit einer gesamthaften wesentlichen Änderung der Strukturen der Körperschaft innerhalb eines überschaubar kurzen Zeitraums in Verbindung. Voraussetzung für die Versagung des Verlustabzugs ist, dass es zwischen dem Zeitpunkt des Entstehens eines Verlusts und dem Zeitpunkt des Verlustabzugs zu einem Verlust der wirtschaftlichen Identität der Körperschaft gekommen ist. Die wirtschaftliche Identität geht verloren, wenn wesentliche Änderungen der wirtschaftlichen und der organisatorischen Struktur mit wesentlichen Änderungen der Gesellschafterstruktur auf entgeltlicher Grundlage einhergehen (vgl. VwGH 26.7.2005, 2001/14/0135, VwSlg 8045/F, und vom 18.12.2008, 2007/15/0090, VwSlg 8402/F). Treten die Änderungen nicht in einem Jahr ein, so wird nur bei Vorliegen eines inneren Zusammenhangs zwischen den Etappen der Änderung von einem Mantelkauf auszugehen sein (vgl. VwGH 26.7.2005, 2001/14/0135).
29 Nicht strittig ist, dass die Übertragung der Gesellschaftsanteile an der Revisionswerberin auf entgeltlicher Grundlage erfolgt ist. Strittig ist, ob eine Änderung der Gesellschafterstruktur, sowie der wirtschaftlichen und organisatorischen Struktur vorliegt.
30 Die Revision bringt zunächst vor, dass nur dann eine wesentliche Änderung der Gesellschafterstruktur vorliegen könne, wenn es nicht nur rechtlich, sondern auch faktisch zu einer Änderung des gesellschaftsrechtlichen Einflusses komme; dies sei aufgrund der Konzernspitze - der Z AG - im Revisionsfall nicht gegeben.
31 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist mit dem Element der Änderung der Gesellschafterstruktur die Übertragung von Gesellschaftsanteilen angesprochen. Dabei kommt es auf die Übertragung des (wirtschaftlichen) Eigentums an den Gesellschaftsanteilen an. Eine „Durchgriffsbetrachtung“ ist im Rahmen des § 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988 nicht vorgesehen (vgl. VwGH 13.9.2017, Ro 2015/13/0007). Dies entspricht auch den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu § 8 Abs. 4 KStG 1988, 662 BlgNR 17. GP 18, die das Tatbestandselement der „Änderung der Gesellschafterstruktur“ mit einer „Veränderung der Eigentümerstellung“ bzw. mit einem „Gesellschafterwechsel“ gleichsetzen.
32 Anders als etwa das deutsche KStG (vgl. § 8c dKStG) sieht die österreichische Regelung keine Konzernklausel vor, nach der Übertragungen im Konzern nicht den Bestimmungen über den Mantelkauf unterliegen. Der Umstand, dass sich der gesellschaftsrechtliche Einfluss im Konzern über die Konzernspitze bzw. über eine Obergesellschaft bei konzerninternen Übertragungen bzw. Umstrukturierungen nicht ändert, vermag daher die Anwendung des § 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988 nicht auszuschließen. Es kommt alleine auf die Übertragung der unmittelbaren Gesellschaftsanteile an.
33 Dabei spielt es auch keine Rolle, aus welchen Gründen die Übertragung von Geschäftsanteilen erfolgt. Dieser können allgemeine Überlegungen der (konzerninternen) Umstrukturierung, die im Ergebnis steuerneutral vollzogen werden, ebenso aber auch gewinnrealisierende Veräußerungsvorgänge zugrunde liegen. Gestaltungsauslösend kann gleichermaßen die Absicht sein, Verlustpotentiale, die in einer Beteiligungsgesellschaft vorhanden sind, auszunutzen, wie auch aus betriebswirtschaftlichen oder konzernpolitischen Gründen eine Umstrukturierung durchzuführen. Ebenso ist nicht von Bedeutung, ob die Verluste potentiell auch ohne die Übertragung hätten genutzt werden können.
34 Es ist keine Tatbestandsvoraussetzung des § 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988, dass der Kauf der Gesellschaftsanteile ausschließlich zum Zwecke des Erwerbs von Verlustabzügen erfolgt ist (vgl. VwGH 26.7.2005, 2001/14/0135).
35 Die Anteile an der Revisionswerberin wurden unstrittig von der S GmbH zu 100% an die Z AG verkauft bzw. abgetreten. Es ist daher eine wesentliche Änderung der Gesellschafterstruktur eingetreten.
36 Zur Änderung der wirtschaftlichen Struktur bringt die Revisionswerberin vor, es sei keine Änderung eingetreten, weil lediglich der ursprüngliche Unternehmensgegenstand eingestellt, aber keine neue wirtschaftliche Einheit begründet worden sei. Die Revisionswerberin sei vermögensverwaltend und als funktionslose Holdinggesellschaft tätig, das Vermögen habe sich nicht wesentlich erhöht.
37 Das Tatbestandselement der Änderung der wirtschaftlichen Struktur betrifft die wirtschaftliche Tätigkeit der Körperschaft. Um einen Mantelkauf annehmen zu können, muss sich diese in wesentlichem Umfang ändern. Eine Änderung der wirtschaftlichen Struktur setzt grundsätzlich einen Wechsel oder eine wesentliche Erweiterung des Unternehmensgegenstandes voraus (vgl. VwGH 20.10.2021, Ro 2021/13/0007; 26.7.2006, 2004/14/0151).
38 Auch nach der hL betrifft die wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Struktur die wirtschaftliche Tätigkeit und das Vermögen der Körperschaft. Eine Änderung im Sinne des § 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988 liegt demnach dann vor, wenn die aus Vermögen und Tätigkeit gebildete wirtschaftliche Einheit verloren geht. Erforderlich ist entweder eine hinreichend große Erhöhung des Vermögens oder eine wesentliche Änderung des Unternehmensgegenstandes oder eine kombinierte Änderung beider Parameter. Die Änderung der wirtschaftlichen Struktur kann aber auch dann eintreten, wenn sich nur eines der genannten Strukturmerkmale (Vermögen oder Tätigkeit) wesentlich ändert (vgl. Kirchmayr in Achatz/Kirchmayr, KStG, § 8 Tz 548; Raab/Renner in Lachmayer/Strimitzer/Vock, KStG, § 832, Rz 1441; jeweils mwN). Das bloße Schrumpfen oder Einstellen einer Tätigkeit begründet für sich genommen noch keine schädliche wirtschaftliche Strukturänderung (vgl. Ressler/Stürzlinger in Lang/Rust/Schuch/Staringer, KStG2, § 8 Rz 249a, mwN).
39 Das Bundesfinanzgericht hat festgestellt, dass sich die Revisionswerberin von einer vormals operativen Gesellschaft (Internet-Broker) zu einer vermögensverwaltenden Holdinggesellschaft gewandelt habe. Damit sei eine Änderung der wirtschaftlichen Struktur eingetreten. Mit dieser Beurteilung ist das Bundesfinanzgericht im Recht. Die Revision gesteht selbst zu, dass die vormals operative Tätigkeit der Revisionswerberin eingestellt wurde. Wenn die Revision vorbringt, dass die Gesellschaft danach nur mehr ihr bisheriges Vermögen verwaltet habe, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt. Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts wurde das bisherige Vermögen der Revisionswerberin aus der operativen Tätigkeit in den Jahren 2003 und 2004 verkauft bzw. war als absolut geringfügig anzusehen. Die Beteiligung, die im Jahr 2004 gegründet wurde, stellt ein neues Vermögen dar und ist Grundlage der nunmehr neu ausgeübten (vermögensverwaltenden) Tätigkeit als Beteiligungsholding. Wenn auch der Revisionswerberin zuzustimmen ist, dass die Übernahme der Funktion einer Gruppenträgerin im Sinne des § 9 KStG 1988 für sich noch nicht eine Änderung der wirtschaftlichen Betätigung bewirken kann, ist damit - worauf die Revisionsbeantwortung zu Recht verweist - eine Änderung des Vermögens in Form von Forderungen aus der Steuerumlagevereinbarung verbunden. Der Verwaltungsgerichtshof kann daher der Revision auch nicht beipflichten, wenn sie vermeint, es sei zu keiner Vermögensänderung bei der Revisionswerberin gekommen.
40 Dabei spielt es keine Rolle, ob die Änderung der wirtschaftlichen Struktur bei der Voreigentümerin oder der Folgeeigentümerin eingetreten ist, wenn ein planmäßiger Zusammenhang zwischen den einzelnen Strukturänderungen besteht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein Mantelkauf auch dann vor, wenn die „alten“ Gesellschafter vor der Anteilsübertragung in Willensübereinstimmung mit den „neuen“ Gesellschaftern die wirtschaftlichen Strukturen verändern und erst anschließend eine Änderung der Gesellschafterstrukturen vorgenommen wird (vgl. VwGH 26.7.2005, 2001/14/0135).
41 Zur Änderung der organisatorischen Struktur bringt die Revision vor, durch die Bestellung von J als Geschäftsführer sei die organisatorische Struktur nicht wesentlich geändert worden. Das Bundesfinanzgericht habe eine falsche Gewichtung vorgenommen und teils aktenwidrige Feststellungen getroffen. Die „Alt-Geschäftsführer“ S und F seien weiterhin in die Willensbildung der Gesellschaft einbezogen gewesen.
42 Eine wesentliche Änderung der organisatorischen Struktur liegt nach der hL und Verwaltungspraxis dann vor, wenn alle oder die überwiegende Mehrheit der Mitglieder der Geschäftsführung in einem Zug oder bei Vorliegen eines inneren Zusammenhangs sukzessive ersetzt werden (vgl. Kirchmayr in Achatz/Kirchmayr, KStG, § 8 Tz 545; Raab/Renner in Lachmayer/Strimitzer/Vock, KStG32, § 8 Rz 1430; KStR 2021, Rz 995). Im Hinblick auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise ist dabei auf das tatsächliche Wirken in der Geschäftsführung abzustellen (vgl. Ressler/Stürzlinger in Lang/Rust/Schuch/Staringer, KStG2, § 9 Rz 248b; Renner, GES 2019, 160; Raab, SWK 3/2019, 105; Aigner/Kofler/Moshammer/Tumpel, SWK 27/2013, 1196; krit. Schirmbrand, SWK 11/2013, 578). Wird eine Organstellung nur formal beibehalten, kann dies daher die Wirkungen des Mantelkaufs nicht verhindern.
43 Ein solcher Fall kann etwa vorliegen, wenn der (oder die) neue(n) Geschäftsführer alleinvertretungsbefugt und die bisherigen Geschäftsführer nur kollektiv zeichnungsberechtigt sind, jedoch - vor allem im Konzern - auch, wenn zwar eine kollektive Vertretungsbefugnis besteht, die „Alt-Geschäftsführer“ aber außer dem formalen Leisten der erforderlichen Unterschriften nicht mehr aktiv in die Geschäftsführung und Willensbildung eingebunden sind.
44 Ein Indiz für eine bloß formale Belassung einer Organstellung kann vorliegen, wenn in einer weitgehend funktionslosen Gesellschaft ein weiterer Geschäftsführer unter Beibehaltung der „Alt-Geschäftsführer“ bestellt wird, wenn die Geschäftsführungsaufgaben eine derartige Zahl an Geschäftsführern nicht rechtfertigen und für die Belassung kein nachvollziehbarer Grund genannt werden kann. Bedeutung kann auch dem Verhältnis der Gehälter der jeweiligen Geschäftsführer zueinander zukommen sowie den von den Geschäftsführern jeweils übernommenen Tätigkeitsbereichen.
45 Letztlich ist nach einem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen, ob sich die organisatorische Struktur so wesentlich verändert hat, dass - zusammen mit den anderen Strukturänderungen - die Identität des Steuerpflichtigen nicht mehr gegeben ist und damit die Mantelkaufbestimmung zur Anwendung gelangt. Dabei ist nicht von Belang, ob innerhalb eines Konzerns von der Konzernspitze oder einer oberen Gesellschaft Einfluss auf die Geschäftsführung genommen werden könnte, weil es auf die tatsächlichen Gegebenheiten bei der betroffenen Körperschaft ankommt. Dass § 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988 keine Ausnahmen für Konzernvorgänge vorsieht, wurde bereits dargelegt.
46 Im Revisionsfall ist es zu einem Hinzutreten eines Geschäftsführers zu zwei bestehenden gekommen, was für sich genommen aus formaler Sicht keine wesentliche Änderung der organisatorischen Struktur darstellt. Von Bedeutung ist daher, ob es zu einer darüberhinausgehenden Änderung in der tatsächlichen Geschäftsführung gekommen ist, die in wirtschaftlicher Betrachtungsweise wesentlich ist.
47 Das Bundesfinanzgericht ist diesbezüglich davon ausgegangen, dass die beiden bisherigen Geschäftsführer S und F als Abwickler der ehemals operativen Tätigkeit belassen wurden und mit J ein zusätzlicher Geschäftsführer bestellt wurde, um für die neue Tätigkeit der Revisionswerberin (vermögensverwaltende Beteiligungsholding) die Geschäftsführungsagenden auszuüben. Dies begegnet vor dem Hintergrund der Aussagen der Geschäftsführer in der mündlichen Verhandlung und dem Umstand, dass S und F aus jenen Bereichen des Konzerns gekommen sind, die für das ehemals operative Geschäft relevant waren, und J dem Beteiligungsmanagement des Konzerns zugehörig war, keinen vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Bedenken. Wenn die Revisionswerberin dazu vorbringt, die Bestellung von J sei weder notwendig noch nützlich gewesen, vermag sie keine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung aufzuzeigen, zumal sie damit nicht erhellt, zu welchem Zweck J dann überhaupt bestellt worden ist.
48 Ebenso begegnet es keinen grundsätzlichen Bedenken, wenn das Bundesfinanzgericht bei der Beurteilung des tatsächlichen Wirkens in der Geschäftsführung, also wer die für die Gesellschaft relevante Willensbildung getroffen hat, und für die Frage, ob die bisherigen Geschäftsführer lediglich formal im Unternehmen belassen wurden, um die Wirkungen des Mantelkaufs zu vermeiden, in erster Linie auf das neue Geschäftsfeld - das Beteiligungsmanagement - und nicht die bloße Abwicklung der ehemaligen Tätigkeit abgestellt hat.
49 Es kommt auch - vor allem vor dem Hintergrund, dass es sich um Konzernvorgänge handelt - nicht zwingend darauf an, ob die bisherigen Geschäftsführer aufgrund der formal bestehenden Kollektivvertretungsbefugnis eine Unterschrift etwa beim Jahresabschluss geleistet haben, sondern ob diese auch faktisch aktiv bei der Geschäftsführung und der Willensbildung mitgewirkt haben.
50 Aus den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts kann allerdings nicht abschließend beurteilt werden, ob es im Revisionsfall tatsächlich zu einer wesentlichen Änderung der organisatorischen Struktur gekommen ist. So war zwar J nach den - insoweit unwidersprochenen - Feststellungen des Bundesfinanzgerichts für die Erstellung des Jahresabschlusses und die Firmenbucheingaben zuständig (im Gegensatz zur Ansicht der Revisionswerberin ist es nicht relevant, wer die Buchungen vorgenommen, sondern wer den Auftrag gegeben hat und in wessen Verantwortung dieser ausgeführt wurde). Die Zeichnungsberechtigung für die Bankkonten kam aber nur den bisherigen Geschäftsführern zu. Auch hier kommt es zwar nicht nur auf die formale Zeichnungsberechtigung bzw. die bloße Vergabe eines TAN-Codes an, sondern vielmehr darauf, wer den Auftrag für die Überweisungen erteilt bzw diese verfügt hat; allerdings hat das Bundesfinanzgericht keine Feststellungen dazu getroffen, ob J in diese Vorgänge - im Sinne einer Willensbildung oder eines Verantwortungsbereichs - überhaupt eingebunden war. Zudem fehlen nähere Feststellungen dazu, in welchem Ausmaß Überweisungen vorzunehmen gewesen sind und ob diese lediglich den abzuwickelnden Teil oder auch das neue Geschäftsfeld betroffen haben.
51 Weiters scheint die Abwicklung der ehemaligen Tätigkeit einen längeren Zeitraum umfasst zu haben und mit entsprechenden Aufgaben verbunden gewesen zu sein, wobei die Aussagen in der mündlichen Verhandlung nahelegen, dass in diese im Wesentlichen einer der Alt-Geschäftsführer involviert gewesen ist. Die Aufgaben im Beteiligungsmanagement und der Verwaltung der Revisionswerberin dürften zumindest nach den Feststellungen eher gering gewesen sein. Der Verwaltungsgerichtshof kann mangels näherer Feststellungen über den tatsächlichen Umfang der beiden Bereiche nicht beurteilen, ob vor diesem Hintergrund das alleinige Abstellen des Bundesfinanzgerichts auf das neue Betätigungsfeld der Revisionswerberin in einem Gesamtbild gerechtfertigt gewesen ist.
52 Damit hat das Bundesfinanzgericht sein Erkenntnis mit einem wesentlichen Begründungsmangel belastet.
53 Das Bundesfinanzgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren - vor dem Hintergrund, dass die Revisionswerberin die Funktionslosigkeit der Holding und die absolut geringfügigen Aufgaben hervorgehoben hat - zunächst zu erheben haben, aus welchem Grund beide „Alt-Geschäftsführer“ (und nicht etwa nur einer) im Unternehmen verblieben sind, um die nur mehr geringfügigen Abwicklungsagenden zu betreuen, bzw. ob die „Alt-Geschäftsführer“ für diese Abwicklung erforderlich gewesen sind. Weiters wird das Bundesfinanzgericht zu erheben haben, inwieweit die Überweisungen (auch) im Verantwortungsbereich von J gelegen waren bzw. dieser darin eingebunden war, in welchem Ausmaß diese das alte und das neue Geschäftsfeld betroffen haben und wie das Verhältnis zwischen den Aufgaben im alten und neuen Geschäftsfeld gewesen ist. Dabei wird auch zu klären sein, ob beide „Alt-Geschäftsführer“ noch in gleichem Ausmaß tätig geworden sind.
54 In dem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nicht alle Merkmale der Strukturänderungen gleich stark ausgeprägt sein müssen, um eine Änderung in der wirtschaftlichen Identität der Revisionswerberin herbeizuführen. Liegt eine schwächer ausgeprägte Änderung der organisatorischen Struktur vor, kann auch eine starke Ausprägung der anderen Merkmale zur Anwendung der Mantelkaufbestimmung führen (vgl Ressler/Stürzlinger in Lang/Rust/Schuch/Staringer, KStG2, § 8 Rz 244, mwN). Das vollkommene Fehlen eines der Tatbestandsmerkmale kann allerdings nicht durch eine starke Ausprägung der anderen Merkmale kompensiert werden.
55 Wenn die Revision zum Schluss noch ausführt, das Bundesfinanzgericht habe keine ausreichenden Feststellungen zum inneren Zusammenhang der Strukturänderungen getroffen, wobei dieser auch hinsichtlich der Einstellung der operativen Tätigkeit offenkundig nicht angenommen werden könne, ist darauf zu verweisen, dass das Bundesfinanzgericht sich sehr wohl damit auseinandergesetzt hat und zudem bei einem sehr engen zeitlichen Zusammenhang ein innerer Zusammenhang naheliegt. Die Änderung der Merkmale ist innerhalb eines Monats im Dezember 2004 erfolgt. Im Gegensatz zur Ansicht der Revisionswerberin kommt es nicht auf einen inneren Zusammenhang mit der Einstellung der operativen Tätigkeit an, sondern auf jenen mit der Schaffung einer neuen wirtschaftlichen Struktur. Dass das Bundesfinanzgericht einen inneren Zusammenhang zwischen der Änderung der organisatorischen Struktur und der wirtschaftlichen Änderung gesehen hat, weil ein neuer Geschäftsführer aus dem Beteiligungsmanagement bestellt wurde, und auch die Änderung der Gesellschafterstruktur in diesem Zusammenhang gesehen hat, begegnet keinen Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes.
56 Das angefochtene Erkenntnis war wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
57 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.
58 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 15. Dezember 2021
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RO2019130008.J00Im RIS seit
29.01.2022Zuletzt aktualisiert am
24.02.2022