TE Vwgh Beschluss 2021/12/21 Ra 2021/21/0320

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Veröffentlicht am 21.12.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §52 Abs5
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher sowie die Hofräte Dr. Pfiel und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des S (auch: S) K, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 7. September 2021, W191 2244730-1/3E, betreffend Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen und eines befristeten Einreiseverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein 1971 geborener serbischer Staatsangehöriger, reiste im Juli 2002 mit einem Visum nach Österreich ein und erhielt nach der Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin beginnend ab Jänner 2003 wiederholt Aufenthaltstitel. Nach der Scheidung ehelichte der Revisionswerber 2012 eine serbische Staatsangehörige. Beide verfügen nunmehr über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EU“ und sind Eltern von zwei Kindern im Alter von etwa zwölf bzw. vierzehn Jahren, die als serbische Staatsangehörige ebenfalls zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind.

2        Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 22. Oktober 2014 wurde der Revisionswerber wegen der Verbrechen der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs. 1 und 2 sowie 161 StGB und des betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen nach § 153d Abs. 1, 2 und 3 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Dem Schuldspruch lag zugrunde, der Revisionswerber habe im Zeitraum von Juni 2009 bis September 2010 - gemeinsam mit anderen Mittätern - als Geschäftsführer eines Unternehmens Vermögensbestandteile des Unternehmens verheimlicht und beiseite geschafft, indem sie das Entgelt für die von ihren Arbeitern erbrachten Leistungen einkassierten und diese Beträge nicht zur Bezahlung der Verbindlichkeiten gegenüber näher genannten Gläubigern weiterreichten und dadurch die Befriedigung dieser Gläubiger im Umfang von zumindest € 295.069,89 schmälerten. Weiters habe der Revisionswerber dadurch auch als Dienstgeber Beiträge zur Sozialversicherung in der genannten Höhe dem berechtigten Sozialversicherungsträger betrügerisch vorenthalten.

3        Mit rechtskräftigem Urteil vom 6. November 2019 verhängte das Landesgericht für Strafsachen Wien über den Revisionswerber dann wegen der als Beitragstäter begangenen Verbrechen des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 12 dritter Fall, 146, 147 Abs. 3, 148 zweiter Fall StGB und des betrügerischen Anmeldens zur Sozialversicherung oder Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse nach §§ 12 dritter Fall, 153d Abs. 1 und 3 StGB und §§ 12 dritter Fall, 153d Abs. 2 und 3 StGB sowie wegen des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe von 24 Monaten. Dem Schuldspruch lag zugrunde, der Revisionswerber habe im Zeitraum von Mitte 2016 bis Mitte 2018 dadurch, dass er Strohmänner anwarb, sie an den Geschäftsführer für dessen Scheinunternehmen vermittelte, sie mit seinem Bus von Serbien nach Österreich und retour transportierte, sie fallweise an seiner Wohnadresse anmeldete und mit dem Geschäftsführer die Anmeldung zahlreicher Personen auf dessen Scheinunternehmen zur Sozialversicherung vereinbarte, gewerbsmäßig und in Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung zur Ausführung des von anderen verübten gewerbsmäßig schweren Betruges mit einem € 300.000,-- übersteigenden Schaden und betrügerischen Anmeldens zur Sozialversicherung oder Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse beigetragen.

4        Daraufhin erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen den Revisionswerber mit Bescheid vom 2. Juli 2021 gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung und verband damit gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot. Des Weiteren stellte das BFA gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Serbien zulässig sei.

5        Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 7. September 2021 insoweit statt, als es die Dauer des Einreiseverbotes auf drei Jahre herabsetzte. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab und sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG als unzulässig erweist.

7        Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

9        Dazu wird in der Revision in Bezug auf die Erlassung eines Einreiseverbotes vorgebracht, dass die strafgerichtlichen Verurteilungen des Revisionswerbers angesichts seiner langjährigen Integration sowie seiner persönlichen und familiären Beziehungen zu Österreich das Einreiseverbot nicht rechtfertigen würden.

10       Dem ist zu entgegnen, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung judiziert, dass die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG ist. Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und für die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbotes (vgl. dazu etwa VwGH 19.8.2021, Ra 2021/21/0068, Rn. 13, mwN).

11       Das ist hier der Fall. Das BVwG nahm nämlich auf den langjährigen Aufenthalt des Revisionswerbers im Bundesgebiet sowie auf seine privaten und familiären Interessen am Verbleib in Österreich ausreichend Bedacht, bezog aber auch die nur zeitweise Ausübung einer Erwerbstätigkeit und den überaus häufigen Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe mit ein. Dem gegenüber waren die einschlägig wiederholten und sogar innerhalb offener Probezeit begangenen, gravierenden und einen besonders hohen Schaden verursachenden Straftaten zu Lasten des Revisionswerbers zu berücksichtigen, wobei das BVwG in diesem Zusammenhang - in der Revision unbeanstandet - auch auf eine aktenkundige Anzeige der Landespolizeidirektion Wien gegen den Revisionswerber wegen des Verdachts der gewerbsmäßigen Vermittlung einer größeren Zahl von Aufenthaltsehen zwischen Drittstaatsangehörigen und EWR-Bürgern hinwies. Vor diesem Hintergrund durfte das BVwG zum Ergebnis gelangen, dass der Aufenthalt des Revisionswerbers eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit im Sinne des § 52 Abs. 5 FPG darstelle und dass das daraus resultierende öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung die Interessen des Revisionswerbers am Verbleib im Bundesgebiet überwiege. Angesichts der vom BVwG zu Recht als massiv gewerteten Straffälligkeit des Revisionswerbers, deren Intensität sich zudem steigerte, erscheint auch die Beurteilung, dass die mit dem Einreiseverbot verbundene Beschränkung des Kontaktes zu seinen Kindern auf Besuche in Serbien und auf die Benützung moderner Kommunikationsmittel in Kauf zu nehmen sei, jedenfalls fallbezogen vertretbar, zumal das BVwG im Hinblick auf das Kindeswohl die Dauer des Einreiseverbotes ohnehin herabsetzte. Die Revision hält dieser Abwägungsentscheidung des BVwG nichts Stichhaltiges entgegen.

12       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

13       Von der in der Revision beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte in diesem Fall gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 21. Dezember 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021210320.L00

Im RIS seit

29.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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