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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
ASVG §645 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision des Dr. J L R in I, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 2/1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Oktober 2020, W228 2228430-1/6E, betreffend Angehörigeneigenschaft nach § 56 B-KUVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht - in Bestätigung eines Bescheides der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (nunmehr Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau; im Folgenden: BVAEB) - aus, dass der Antrag des Revisionswerbers auf Feststellung des Bestehens seiner Anspruchsberechtigung als Angehöriger auf Leistungen der Krankenversicherung abgewiesen werde. Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
2 Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, der Revisionswerber sei von seiner bei der BVAEB versicherten Ehegattin am 1. Juli 2008 zur Mitversicherung gemeldet worden. Mit Schreiben vom 3. September 2008 habe die BVAEB mitgeteilt, dass der Revisionswerber seit 1. August 2008 als Angehöriger krankenversichert sei. Der Revisionswerber sei in der Zeit seit 1. August 2008 keiner Erwerbstätigkeit im Ausland mehr nachgegangen. Seit März 2016 beziehe er aufgrund einer früheren Erwerbstätigkeit in Deutschland eine Pension aus der deutschen Rentenversicherung.
3 In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesverwaltungsgericht, der Revisionswerber sei gemäß § 56 Abs. 10 B-KUVG nicht (mehr) als Angehöriger anzusehen, weil er seit März 2016 aufgrund einer früheren Erwerbstätigkeit in Deutschland, die, wäre sie im Inland ausgeübt worden, die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung begründet hätte, eine Pension beziehe. Soweit der Revisionswerber sich auf § 221 Abs. 3 B-KUVG berufe, sei dem entgegen zu halten, dass der Sachverhalt sich im Sinn dieser Bestimmung seit März 2016 infolge des Bezuges einer Rente aus der deutschen Rentenversicherung geändert habe.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Zur Zulässigkeit der Revision wird geltend gemacht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 56 Abs. 10 B-KUVG und zur Übergangsbestimmung des § 221 Abs. 3 B-KUVG. Die Wendung „solange sich der maßgebliche Sachverhalt nicht ändert“ in § 221 Abs. 3 B-KUVG sei unklar. Entgegen der Annahme des Bundesverwaltungsgerichtes sei der Bezug einer Pension durch den Revisionswerber keine Sachverhaltsänderung im Sinn dieser Bestimmung.
8 § 56 Abs. 1, 2 und 10 B-KUVG sowie § 221 Abs. 1 und 3 B-KUVG lauten samt Überschriften auszugsweise:
„Anspruchsberechtigung der Angehörigen
§ 56. (1) Angehörige haben Anspruch auf die Leistungen, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben und weder nach den Vorschriften dieses Bundesgesetzes noch nach anderer gesetzlicher Vorschrift krankenversichert sind und für sie auch seitens einer Krankenfürsorgeeinrichtung eines öffentlich-rechtlichen Dienstgebers, Krankenfürsorge nicht vorgesehen ist. [...]
(2) Als Angehörige gelten:
1. der/die Ehegatte/Ehegattin oder eingetragene Partner/Partnerin;
[...]
(10) Eine im Abs. 2 und Abs. 3 sowie Abs. 6 bis 8 genannte Person gilt nicht als Angehöriger, wenn sie im Ausland eine Erwerbstätigkeit ausübt, die, würde sie im Inland ausgeübt werden, nach den Bestimmungen dieses oder eines anderen Bundesgesetzes die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung begründet, oder eine Pension auf Grund dieser Erwerbstätigkeit bezieht; [...]
Schlussbestimmungen zu Art. 4 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 84/2009 (36. Novelle)
§ 221. (1) Die §§ [...] 56 Abs. 6a, 6b und 10 [...] in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 84/2009 treten mit 1. August 2009 in Kraft.
(3) Der Ausschluss nach § 56 Abs. 10 aufgrund eines Pensionsbezuges gilt nicht für Personen, die am 31. Juli 2009 als Angehörige anspruchsberechtigt sind, solange sich der maßgebliche Sachverhalt nicht ändert.“
9 § 56 Abs. 10 B-KUVG erhielt seine heute geltende Fassung im Wesentlichen durch das 3. Sozialrechts-Änderungsgesetz 2009 (3. SRÄG 2009), BGBl. I Nr. 84/2009. Nach dieser Novelle sind nunmehr - neben im Ausland erwerbstätigen Personen - (auch) Bezieherinnen und Bezieher einer Pension auf Grund einer im Ausland ausgeübten Erwerbstätigkeit, die, wäre sie im Inland ausgeübt worden, die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung begründet hätte, nicht als Angehörige im Sinn von ua. § 56 Abs. 2 Z 1 B-KUVG anzusehen.
10 Im Revisionsverfahren nicht strittig ist, dass der Revisionswerber seit März 2016 eine Pension aufgrund einer Erwerbstätigkeit in Deutschland bezieht, die ihn nach § 56 Abs. 10 B-KUVG von der Eigenschaft als Angehöriger (Ehegatte) nach § 56 Abs. 2 Z 1 B-KUVG ausschließt. Der Revisionswerber stützt sich jedoch auf die mit dem 3. SRÄG 2009 eingefügte Übergangsbestimmung des § 221 Abs. 3 B-KUVG und will daraus ableiten, dass Personen, die am 31. Juli 2009 als Angehörige in der Krankenversicherung anspruchsberechtigt gewesen seien, dies nach § 221 Abs. 3 B-KUVG selbst dann blieben, wenn ihnen zu einem späteren Zeitpunkt eine Pension aufgrund einer Erwerbstätigkeit im Ausland zuerkannt werde. Diese Ansicht des Revisionswerbers steht im Gegensatz zum (klaren) Gesetzeswortlaut.
11 Erfasst werden von § 221 Abs. 3 B-KUVG Personen, die am 31. Juli 2009 - somit bereits vor Inkrafttreten des § 56 Abs. 10 B-KUVG idF des 3. SRÄG 2009 mit 1. August 2009 - als Angehörige anspruchsberechtigt waren. Nach dem letzten Halbsatz des § 221 Abs. 3 B-KUVG gilt die Ausnahme vom Ausschluss von der Angehörigeneigenschaft aufgrund eines Pensionsbezuges aus dem Ausland aber nur solange keine Änderung des „maßgeblichen Sachverhaltes“, somit der für den Ausschluss von der Angehörigeneigenschaft nach § 56 Abs. 10 B-KUVG maßgeblichen Umstände, eintritt. Daraus ergibt sich unzweifelhaft, dass die Anspruchsberechtigung der von § 221 Abs. 3 B-KUVG erfassten Personen endet, soweit zu einem späteren Zeitpunkt im Sinn des § 56 Abs. 10 B-KUVG eine Erwerbstätigkeit im Ausland aufgenommen oder aufgrund einer solchen Erwerbstätigkeit eine Pension bezogen wird.
12 Mit dieser Sichtweise stehen auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum 3. SRÄG 2009 (197 BlgNR 24. GP 8) im Einklang, in denen ausgeführt wurde, durch die Übergangsbestimmungen (hier § 221 Abs. 3 B-KUVG; vgl. auch § 645 Abs. 4 ASVG, § 327 Abs. 4 GSVG und § 318 Abs. 3 BSVG) solle im Sinn des Vertrauensschutzes für die betroffenen Angehörigen sichergestellt werden, dass diese weiterhin Leistungen als anspruchsberechtigte/ anspruchsberechtigter Angehörige/ Angehöriger in Anspruch nehmen könnten, solange sich der maßgebliche Sachverhalt nicht (etwa durch Wiederaufnahme einer entsprechenden Erwerbstätigkeit) ändere.
13 Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass der Revisionswerber seit März 2016 infolge des Bezugs einer Pension aufgrund seiner früheren Erwerbstätigkeit in Deutschland nach § 56 Abs. 10 B-KUVG nicht (mehr) als Angehöriger im Sinn des § 56 Abs. 2 Z 1 B-KUVG gilt.
14 Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen - wie vorliegend - klar und eindeutig, liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor; das selbst dann, wenn zu einer Frage der Auslegung der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. etwa VwGH 27.8.2019, Ra 2018/08/0188).
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 23. Dezember 2021
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020080178.L00Im RIS seit
29.01.2022Zuletzt aktualisiert am
01.02.2022