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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AVG §13aBetreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Tscheließnig, über den Antrag des L W in R, vertreten durch Dr. Alois Zehetner, Rechtsanwalt in 3300 Amstetten, Ybbsstraße 66/II/1, dem Antragsteller zur Fortführung des mit hg. Beschluss vom 28. Juli 2021, Ra 2019/10/0044-20, abgeschlossenen Wiederaufnahmeverfahrens i.A. des Forstgesetzes 1975 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Dem Antrag wird nicht Folge gegeben.
Begründung
1 1. Mit hg. Beschluss vom 28. Juli 2021, Ra 2019/10/0044-20, wurde ein Antrag des Antragstellers auf Wiederaufnahme eines durch hg. Beschluss vom 31. März 2021, Ra 2019/10/0044-14, abgeschlossenen Verfahrens i.A. des Forstgesetzes 1975 als verspätet zurückgewiesen.
2 Dem lag im Kern zugrunde, dass der - rechtsanwaltlich vertretene - Antragsteller den Wiederaufnahmeantrag nicht beim Verwaltungsgerichtshof, sondern unrichtigerweise beim Verwaltungsgericht eingebracht hatte, weshalb die Weiterleitung des fristgebundenen Anbringens an den zuständigen Verwaltungsgerichtshof im Sinn der ständigen hg. Rechtsprechung auf Gefahr des Einschreiters - gegenständlich erst nach Ablauf der zweiwöchigen Frist nach § 45 Abs. 2 VwGG - erfolgte (vgl. zum Näheren den Beschluss vom 28. Juli 2021).
3 2. Nunmehr beantragt der Antragsteller, ihm zur Fortführung des mit dem erwähnten Beschluss vom 28. Juli 2021 abgeschlossenen Wiederaufnahmeverfahrens die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.
4 Dazu bringt er im Wesentlichen vor, er sei durch ein „unvorhersehbares bzw. unabwendbares Ereignis“ daran gehindert worden, seinen Wiederaufnahmeantrag durch „seinen Vertreter“ neuerlich (und damit fristwahrend) beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
5 Das Verwaltungsgericht habe es nämlich „schuldhaft“ unterlassen, ihn „kurzfristig u.a. telefonisch auf seine Unzuständigkeit hinzuweisen, um ihn zu einer Einbringung, unmittelbar beim VwGH zu veranlassen“. Das Verwaltungsgericht wäre nach Art. 6 EMRK verpflichtet gewesen, „seiner Manuduktionspflicht nachzukommen bzw. dem Vertreter des AST kurzfristig auf seine Unzuständigkeit hinzuweisen und ihn zu einer fristgerechten Erhebung einer Eingabe beim VwGH zu veranlassen“. Das „unvorhersehbare bzw. unvorhergesehene Ereignis“, von dem der Antragsteller „keine Kenntnis haben konnte und auch nicht gehabt hat“, sei in der nicht fristgerechten Weiterleitung des Wiederaufnahmeantrages durch das Verwaltungsgericht gelegen.
6 3. Mit diesem Vorbringen wird ein tauglicher Wiedereinsetzungsgrund nicht aufgezeigt:
7 3.1. Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn diese durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
8 Bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand muss sich die Partei das Verschulden des sie vertretenden Rechtsanwaltes zurechnen lassen. Ein Verschulden, das den Bevollmächtigten einer Partei trifft, ist so zu behandeln, als wenn es der Partei selbst unterlaufen wäre (vgl. etwa VwGH 20.1.2016, Ra 2015/04/0098, mwN). Dabei ist an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich dabei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt (vgl. etwa VwGH 8.8.2018, Ra 2018/10/0105, mwN).
9 Die Unkenntnis der Rechtslage oder ein Rechtsirrtum eines berufsmäßigen Parteienvertreters für sich allein stellt kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar, das die Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bilden könnte (vgl. etwa VwGH 29.6.2016, Ra 2016/05/0001 = VwSlg. 19.395 A, mwN), trifft doch den berufsmäßigen Parteienvertreter daran ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden (vgl. etwa VwGH 30.5.2012, 2012/22/0053, 0054, mwN).
10 3.2. Der Antragsteller stellt nicht in Abrede, dass er bei Einbringung des in Frage stehenden Wiederaufnahmeantrages rechtsanwaltlich vertreten war. Davon ausgehend beruht die Einbringung des Wiederaufnahmeantrages bei dem unzuständigen Verwaltungsgericht anstelle des nach § 45 Abs. 2 VwGG zuständigen Verwaltungsgerichtshofes auf einem Rechtsirrtum des berufsmäßigen Parteienvertreters; schon aus diesem Grund kommt die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach dem Gesagten nicht in Betracht.
11 Angemerkt sei, dass auch im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten eine Manuduktionspflicht nur gegenüber Personen besteht, die nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertreten sind (§ 17 VwGVG iVm § 13a AVG; vgl. etwa auch VwGH 6.9.2011, 2010/05/0017, mwN).
12 4. Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher nicht Folge zu geben.
Wien, am 3. Jänner 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2019100044.L00Im RIS seit
29.01.2022Zuletzt aktualisiert am
01.02.2022