TE Vwgh Beschluss 2022/1/5 Ra 2021/09/0248

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Veröffentlicht am 05.01.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
77 Kunst Kultur

Norm

B-VG Art133 Abs4
DMSG 1923 §1
DMSG 1923 §1 Abs8
DMSG 1923 §3
VwGG §34 Abs1

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2021/09/0249

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und den Hofrat Dr. Doblinger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision 1. des Mag. A B in C und 2. der D E in F, beide vertreten durch Mag. Gerhard-Josef Seidl, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Radetzkystraße 6/15, jeweils gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 4. Mai 2021, W176 2227745-1/20E, betreffend Teilunterschutzstellung nach dem DMSG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesdenkmalamt), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Das Bundesdenkmalamt stellte mit Bescheid vom 3. Oktober 2019 fest, dass „die Erhaltung der östlichen Zivilstadt mit Stadtmauer und Umfeld der zivilen und militärischen Zentralbereiche von Carnuntum samt westlichen und südlichen Lagervorstädten, Ausfallstraßen mit Gräberfeldern, temporären Militärlager, Wasserleitungen und Gehöften“ in den näher bezeichneten Gemeinden in dem genannten Bezirk in Niederösterreich, gelegen unter anderem auf je einem nach Kastralgemeinde, Einlagezahl und Grundstücksnummer umschriebenen Grundstück des Erstrevisionswerbers und der Zweitrevisionswerberin, wobei zum „Umfang der Unterschutzstellung“ jeweils „Gesamtes Grundstück“ angegeben wurde, gemäß §§ 1 und 3 Denkmalschutzgesetz (DMSG) im Sinne einer Teilunterschutzstellung gemäß § 1 Abs. 8 DMSG im öffentlichen Interesse gelegen sei.

2        Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der Revisionswerber wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit näheren Maßgaben als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3        Nach (auszugsweiser) Wiedergabe der Gutachten eines Amtssachverständigen vom 15. Februar 2019 und eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der „Archäologischen Prospektion“ vom 3. März 2021 sowie nach Wiedergabe des Verfahrensganges stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass „der östlichen Zivilstadt mit Stadtmauer und Umfeld der zivilen und militärischen Zentralbereiche von Carnuntum samt westliche und südliche Lagervorstädte, Ausfallstraßen mit Gräberfeldern, temporäre Militärlager, Wasserleitungen und Gehöfte“ in den genannten Gemeinden eine geschichtliche sowie eine sonstige kulturelle Bedeutung zukomme. Dem gegenständlichen Bodendenkmal komme auch im österreichweiten Denkmalbestand ein hoher Stellenwert zu. Zu den Grundstücken der Revisionswerber hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, dass diese keine abgrenzbaren Bereiche aufweisen würden, wo mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei, dass sich dort keine römischen Hinterlassenschaften fänden. Die Gefahr des Auftretens von Sondengängern sei auf der mit dem angefochtenen Bescheid unterschutzgestellten Fläche groß.

4        Weiters legte das Bundesverwaltungsgericht seine beweiswürdigenden Erwägungen offen und führte rechtlich unter Darlegung der von ihm herangezogenen rechtlichen Bestimmungen und der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aus, das verfahrensgegenständliche Bodendenkmal sei ein Gegenstand, dessen Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen sei, denn ihm komme geschichtliche sowie (sonstige) kulturelle Bedeutung und ein hoher Stellenwert zu. In allen der Unterschutzstellung unterliegenden Bereichen sei - wie das Beweisverfahren ergeben habe - das Vorhandensein von römischen Hinterlassenschaften zumindest wahrscheinlich. Den im Hinblick auf das Grundrecht auf Eigentum im gegebenen Zusammenhang relevanten Interessen der Revisionswerber sei somit Rechnung getragen worden.

5        Gegen dieses Erkenntnis erhoben die Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluss vom 27. September 2021, E 2360/2021-5, deren Behandlung ablehnte und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

6        Die daraufhin von den Revisionswerbern erhobene, vorliegende außerordentliche Revision erweist sich als unzulässig:

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Die Revision macht zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst geltend, das angefochtene Erkenntnis weiche von der näher zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach die Unterschutzstellung des ganzen Grundstückes nur vorzunehmen sei, wenn wahrscheinlich sei, dass Bodendenkmale auf dem gesamten Grundstück verborgen seien. Mit der Formulierung „das Grundstück weist keine abgrenzbaren Bereiche auf, wo mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sich dort keine römischen Hinterlassenschaften befinden“, werde dem Grundsatz der geringstmöglichen Unterschutzstellung nicht entsprochen.

11       Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit Bodendenkmalen bereits ausgesprochen, dass bei einem (entsprechend großen) Grundstück, auf welchem Bodenfunde vermutet werden, gegebenenfalls eine Trennung in einen unter Schutz gestellten und in einen davon nicht betroffenen Teil in Betracht kommen kann und ein Grundstück nur dann als Ganzes unter Schutz nach dem DMSG zu stellen ist, wenn als Ergebnis von Ermittlungen die Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass das Bodendenkmal das gesamte Grundstück umfasst (vgl. hierzu VwGH 21.1.1994, 93/09/0386).

12       Zum Beweismaß der für das Vorhandensein von im Boden verborgenen Denkmalen als „Überreste und Spuren gestaltender menschlicher Bearbeitung“, die insbesondere Gegenstand der archäologischen Denkmalpflege sind, genügenden bloßen „Wahrscheinlichkeit“ hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner früheren - nunmehr auf § 1 Abs. 5 letzter Satz DMSG zu beziehenden - Judikatur bereits ausgesprochen, dass sich dieses geringere Beweismaß der behördlichen Überzeugung danach richtet, ob bei verständiger Würdigung aller glaubhaft gemachten Umstände die Beweisanzeichen mehr für als gegen das Vorhandensein von noch im Boden verborgenen Denkmalen sprechen. Dabei darf der Begriff der „Wahrscheinlichkeit“ nicht zu eng ausgelegt werden. Für die „Wahrscheinlichkeit“ genügt, dass ein Grundstück in größerem Zusammenhang mit einem Gebiet steht, das konkret archäologisches Fundgebiet ist (z.B. Dürrnberg in Salzburg, Magdalensberg in Kärnten, Teile von Carnuntum) und das betreffende Grundstück sich innerhalb eines solchen, noch nicht exakt erforschten, ergrabenen Gebietes befindet. Bei der prognostischen Feststellung des Vorhandenseins von Bodendenkmalen sind im besonderen Maße Erfahrungen von Sachverständigen zu berücksichtigen (vgl. zum Ganzen VwGH 22.4.1993, 92/09/0356; 25.6.2013, 2011/09/0178, jeweils mwN).

13       Ein Abweichen von der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes durch das Bundesverwaltungsgericht kann nun aber nicht erkannt werden: Das Bundesverwaltungsgericht setzte sich in dem angefochtenen Erkenntnis mit der Frage des „Umfangs der Unterschutzstellung“ auseinander und gelangte unter Zugrundelegung des im behördlichen Verfahrens erstellten Gutachtens des Amtssachverständigen und des von ihm eingeholten und konkret auf die betroffenen Grundstücke der Revisionswerber Bezug nehmenden Gutachtens eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der „Archäologischen Prospektion“ sowie nach Abhaltung von zwei mündlichen Verhandlungen unter Einvernahme der beiden Sachverständigen zu dem Schluss, dass die gegenständlichen Grundstücke im Bereich näher bezeichneter temporärer römischer Militärlager gelegen seien und mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass im gesamten Bereich der Grundstücke der Revisionswerber mit Funden (konkret Keramik) aus römischer Zeit zu rechnen sei. In allen jeweils der Unterschutzstellung unterliegenden Bereichen sei das „Vorhandensein von römischen Hinterlassenschaften zumindest wahrscheinlich“. Bei seiner diesbezüglichen Beweiswürdigung berücksichtigte das Bundesverwaltungsgericht auch die Aussage des Amtssachverständigen, wonach auf den Grundstücken der Revisionswerber zwar selbst keine „Surveys“ durchgeführt worden seien, jedoch eine näher bezeichnete Darstellung des Plankonvolutes eine sich nach Norden hin zur Lagerstadt verdichtende Fundauffindung zeige und aus den Funden im Rahmen der „Surveys“ auf den südöstlich der Grundstücke der Revisionswerber gelegenen näher bezeichneten Grundstücken geschlossen werden könne, dass auch auf den Liegenschaften der Revisionswerber Funde mit der genannten Wahrscheinlichkeit zu erwarten seien, wobei keine bestimmten Bereiche identifiziert werden könnten, wo dies nicht der Fall sei.

14       Dass die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Beweiswürdigung unvertretbar wäre (zur eingeschränkten Revisibilität der Beweiswürdigung im Revisionsverfahren vgl. etwa VwGH 10.7.2020, Ra 2020/09/0042, mwN), wird in der Revision nicht einmal behauptet, sodass von den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes zur Ausdehnung des zu schützenden Bodendenkmales auf den Grundstücken der Revisionswerber auszugehen ist. Insofern entfernt sich die Revision mit dem in der weiteren - für die Beurteilung der Zulässigkeit allein maßgebenden - Zulässigkeitsbegründung (vgl. hierzu etwa VwGH 6.2.2019, Ra 2018/02/0313, mwN) geltend gemachten bloßen Verweis auf den „ergänzten Sachverhalt, wonach nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sich auf dem Grundstück der Rw römische Hinterlassenschaften finden“ vom festgestellten Sachverhalt (vgl. zum Nichtvorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, wenn sich die Revision vom festgestellten Sachverhalt entfernt, vgl. VwGH 24.1.2019, Ra 2018/09/0146, mwN).

15       Schließlich werden Verfahrensfehler gerügt, wenn die Revisionswerber Feststellungen dazu, ob und in welchem Umfang durch die Erhaltung des Denkmals eine geschichtliche Dokumentation erreicht werde, sowie Feststellungen zum Dokumentationswert gemäß § 1 Abs. 10 DMSG vermissen.

16       Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für die Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt in Bezug auf Feststellungsmängel voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 29.1.2020, Ra 2019/09/0115, mwN).

17       Diesen Anforderungen wird die Revision bereits deshalb nicht gerecht, weil sie lediglich pauschal auf fehlende Feststellungen verweist, ohne darzulegen, welche Feststellungen vom Bundesverwaltungsgericht konkret zu treffen gewesen wären und inwiefern diese zu einer für die Revisionswerber günstigeren Entscheidung hätten führen können.

18       Darüber hinaus kann vor dem Hintergrund der Ausführungen zur geschichtlichen und kulturellen Bedeutung in dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Gutachten vom 15. Februar 2019, dem die Revision in keiner Weise entgegentritt, weder die Relevanz des geltend gemachten Feststellungsmangels betreffend die geschichtliche Dokumentation im Sinne des § 1 Abs. 2 DMSG (vgl. zur besonderen Bedeutung von Fachgutachten zur Beurteilung u.a. des Dokumentationscharakters, VwGH 25.4.2019, Ra 2019/09/0055, mwN), noch ein jede denkmalgerechte Erhaltung ausschließender Zustand des Bodendenkmales im Sinne des § 1 Abs. 10 DMSG (vgl. etwa VwGH 20.2.2014, Ro 2014/09/0004, mwN) erkannt werden.

19       Da in der Revision somit keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

20       Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 5. Jänner 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021090248.L00

Im RIS seit

29.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

10.02.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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