Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §9 Abs1Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision 1. des S S, 2. der F R, 3. des S A, 4. der S S, und 5. der S S, alle in W, die Dritt- bis Fünftrevisionswerber vertreten durch den Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin als gesetzliche Vertreter, alle vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/15, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. April 2021, Zlen. 1. W195 2216137-2/9E, 2. W195 2216135-2/9E, 3. W195 2216134-2/9E, 4. W195 2216136-2/15E und 5. W195 2237307-1/8E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis erkannte das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) den Revisionswerbern, Staatsangehörige von Bangladesch, - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - in der Sache jeweils gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, entzog ihnen jeweils die (zuvor) erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte, erteilte jeweils keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ jeweils eine Rückkehrentscheidung, stellte jeweils fest, dass die Abschiebung der Revisionswerber nach Bangladesch zulässig sei, legte jeweils eine Frist für die freiwillige Ausreise fest, wies die Anträge auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung jeweils ab und sprach aus, dass Revisionen nicht zulässig seien.
2 Mit Beschluss vom 18. Juni 2021, Ra 2021/01/0197 bis 0201-4, wies der Verwaltungsgerichtshof die Anträge der Revisionswerber auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die außerordentliche Revision gegen das angefochtene Erkenntnis ab.
3 Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 29. September 2021, E 3340-3344/2021-5, die Behandlung der gegen das angefochtene Erkenntnis erhobenen Beschwerde ab und trat diese gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Begründend führte der Verfassungsgerichtshof unter anderem aus:
„Der Verfassungsgerichtshof geht in Übereinstimmung mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (s. etwa EGMR 7.7.1989, Fall Soering, EuGRZ 1989, 314 [319]; 30.10.1991, Fall Vilvarajah ua., ÖJZ 1992, 309 [309]; 6.3.2001, Fall Hilal, ÖJZ 2002, 436 [436 f.]) davon aus, dass die Entscheidung eines Vertragsstaates, einen Fremden in welcher Form immer außer Landes zu schaffen, unter dem Blickwinkel des Art. 3 EMRK erheblich werden und demnach die Verantwortlichkeit des Staates nach der EMRK begründen kann, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden sind, dass der Fremde konkret Gefahr liefe, in dem Land, in das er gebracht werden soll, Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden (vgl. VfSlg. 13.837/1994, 14.119/1995, 14.998/1997).
Das Bundesverwaltungsgericht hat weder eine grundrechtswidrige Gesetzesauslegung vorgenommen noch sind ihm grobe Verfahrensfehler unterlaufen, die eine vom Verfassungsgerichtshof aufzugreifende Verletzung des genannten Grundrechtes darstellen (vgl. VfSlg. 13.897/1994, 15.026/1997, 15.372/1998, 16.384/2001, 17.586/2005; zu den krankheitsbedingten Gründen vgl. auch VfSlg. 18.407/2008 und 19.086/2010). Ob ihm sonstige Fehler bei der Rechtsanwendung unterlaufen sind, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu beurteilen.
...
Das Bundesverwaltungsgericht hat sich mit der Frage der Gefährdung der beschwerdeführenden Partei in ihren Rechten auseinandergesetzt. Ihm kann unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht entgegengetreten werden, wenn es auf Grund der Umstände des vorliegenden Falles davon ausgeht, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts von Fremden ohne Aufenthaltstitel das Interesse am Verbleib im Bundesgebiet aus Gründen des Art. 8 EMRK überwiegt (vgl. VfSlg. 19.086/2010).“
4 Sodann erhoben die Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargelegt werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen darzulegen (vgl. für viele VwGH 27.7.2020, Ra 2020/01/0130, mwN).
9 Diesen Anforderungen wird die vorliegende Revision mit ihrem pauschalen, nicht von den bezughabenden Sachverhaltsfeststellungen des Verwaltungsgerichts ausgehenden Vorbringen zu den Erkrankungen und medizinischen Behandlungen der Revisionswerber nicht gerecht.
10 Entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen hat das Verwaltungsgericht näher dargelegt, warum es davon ausgeht, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Hinblick auf die Änderung der subjektiven Lage der Revisionswerber nach jeweils rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 26. Juli 2019 nicht mehr vorliegen würden. Dass sich das Verwaltungsgericht bei dieser Beurteilung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entfernt hätte, zeigt die Revision nicht auf (vgl. zur Aberkennung von subsidiärem Schutz gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 ausführlich VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153).
11 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. für viele VwGH 18.3.2019, Ra 2019/01/0068, mwN). Dass das Verwaltungsgericht die Interessenabwägung in derart unvertretbarer Weise vorgenommen hätte, legt die Revision in ihrer diesbezüglichen Zulässigkeitsbegründung nicht dar.
12 In der Revision werden vor diesem Hintergrund somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 5. Jänner 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021010197.L00Im RIS seit
29.01.2022Zuletzt aktualisiert am
24.02.2022