TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/15 L504 2243826-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.11.2021
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Entscheidungsdatum

15.11.2021

Norm

BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch


L504 2243826-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.05.2021, Zl. XXXX zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

I.1. Die beschwerdeführende Partei (in weiterer Folge kurz als bP bezeichnet), ist Staatsangehöriger der Republik Türkei.

Sie reiste im Jänner 1991 im Alter von ca. 9 Jahren in Österreich ein und scheint erstmalig am 23.08.1999 im Zentralen Melderegister in Österreich auf.

Die bP besitzt seit der letzten Verlängerung ihres Aufenthaltstitels mit 22.07.2002 einen unbefristeten Aufenthaltstitel in Österreich mit dem im IZR eingetragenen Aufenthaltszweck „jeglicher Aufenthaltszweck“.

I.2. Die bP wurde insgesamt 9 Mal (darunter mehrere Verbrechen) mit Schwerpunkt auf Suchtmittelkriminalität und Straftaten gegen die körperliche Integrität (zB § 84 StGB) strafrechtlich in Österreich verurteilt. Aktuell befindet sich die bP in Haft.

I.3. Am 12.05.2020 langte ein Abschlussbericht betreffend dem Verdacht der Verletzung der Unterhaltspflicht durch die bP für ihre drei Kinder im Zeitraum von Dezember 2018 – Februar 2020 bei der bB ein. Die bP gab im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung an, dass sie wisse, dass sie 37 035,14 EUR zurückzahlen müsse. Sie hätte die Kinder aber von 2012-2016 wegen der Mutter nicht sehen dürfen und sehe nicht ein, dass sie so viel zahlen müsse. Sie glaube, ca. 660 EUR im Monat Alimente zahlen zu müssen, es wäre ihr nur möglich, 300 EUR zurückzuzahlen. Monatlich bekomme sie vom AMS 950 EUR per Post.

Mit 20.05.2020 wurde das Verfahren wegen Verletzung der Unterhaltspflicht gemäß 192 Abs. 1 Z 1 StPO(Einstellung bei mehreren Straftaten) unter Vorbehalt einer späteren Verfolgung eingestellt.

I.4. In Aktenvermerk der belangten Behörde (idF bB) vom 24.11.2020 ist festgehalten, dass es betreffend die bP bereits zwei unbedingte Haftstrafen mit Strafvollzugsanordnungen lt. Auskunft der zuständigen Strafabteilung gäbe. Die bP werde von mehreren Seiten gesucht, hätte aber die Haftantrittstermine 16.08.2020 sowie 27.08.2020 nicht wahrgenommen. Eine Festnahmeanordnung bestünde noch nicht.

I.5. Mit Schreiben der bB vom 12.08.2020, der bP persönlich in der Haftanstalt ausgehändigt am 21.12.2020 wurde die bP zur Stellungnahme hinsichtlich einer beabsichtigen Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter gleichzeitiger Übermittlung eines Fragenkatalogs aufgefordert.

Mit 05.01.2021 langte eine Stellungnahme ein, in welcher im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass die bP an Thrombozytopenie, Drogensucht (Marihuana) und Alkoholsucht leide. 1991 sei es zu einer Milzentfernung gekommen. Die Eltern, Ehefrau und Kinder würden in Österreich leben. Die bP sei sorgepflichtig für die Kinder, die Ehefrau arbeite nur Teilzeit und beziehe Kindergeld. Die bP habe sich schon einmal für 2 Wochen in psychischer Behandlung befunden und hätte zuletzt wegen Depressionen keine Stelle bekommen. Sie hätte Notstandshilfe und Unterstützung von Promente erhalten. Sie habe keinen Besitz in Österreich, sei aber krankenversichert. Ihr Freundeskreis sei groß und bestünde intensiver Kontakt innerhalb ihrer Großfamilie in Österreich. Im Heimatland würden zwei Onkel und eine Tante leben, zu diesen hätte sie aber keinen Kontakt. Von 09.02.2010 – 16.09.2011 sei sie in Deutschland in Haft gewesen. Von 04.11.2018 – 09.02.2019 habe sie sich bei einer Tante in den Niederlanden befunden, da sie einen Neustart machen wollte. Sie sei im November 2019 wieder nach Österreich gekommen, da sie es ohne Eltern und Familie bzw. Kinder nicht geschafft hätte. Zuletzt sei sie im Jahr 2017 bei den Großeltern beim Begräbnis der Großmutter in der Türkei gewesen. Sie habe bei den Großeltern bis zu ihrem 9. Lebensjahr in der Türkei gelebt und sei 1991 nach Österreich gekommen. Der Vater habe bereits 1977 in Österreich gearbeitet und verfüge seit 1995 über einen unbefristeten Aufenthaltstitel. Die bP habe in Österreich die Volks- und Hauptschule besucht. Der Vater sei 1976-1982 hier gewesen und sei „1989 wieder nach Österreich“ gekommen. Die Eltern und Geschwister wären österreichische Staatsangehörige und sei die Ehegattin der bP 2002 nach Österreich gekommen. Die bP arbeite in der Justizansalt (JA) und könne in der Türkei nicht leben. Sie werde beim Gericht eine Therapie beantragen, da Grund für ihre Straffälligkeit die langjährige Suchterkrankung wäre. Der Kontakt zu ihren Kindern sei ihr enorm wichtig und würden fehlende Dokumente von der Ehegattin nachgereicht werden.

I.6. Am 25.02.2021 wurde die bP von der belangten Behörde in der JA einer Einvernahme unterzogen. Die wesentlichen Passagen lauten wie folgt:

LA: Welche Sprachen sprechen Sie?

VP: Deutsch, Englisch und Türkisch

LA: Sind Sie damit einverstanden, dass die Einvernahme in deutscher Sprache durchgeführt wird?

VP: Ja

LA: Wie heißen Sie und wann sind Sie geboren? VP: XXXX /Türkei

LA: Welche Staatsbürgerschaft haben Sie?

VP: Türkische

LA: Haben Sie ein Dokument bzw. Beweismittel, welche Ihre Identität bescheinigt und wenn ja wo befindet er sich?

VP: türkischen Reisepass habe ich bei meinen Eltern, der ist glaube ich schon abgelaufen und den Nüfus, der ist bei der Justizanstalt.

LA: Haben Sie jemanden für Ihre rechtliche Vertretung in diesem Verfahren bevollmächtigt?

VP: Nein
LA: Fühlen Sie sich heute psychisch und physisch in der Lage die gestellten Fragen bzgl. des gegenständlichen Verfahrens zu beantworten?

VP: Ja es passt.

LA: Leiden Sie an einer Krankheit bzw. befinden Sie sich zurzeit in ärztlicher Behandlung? VP:  Nein.   Nachgefragt  habe    ich     Thrombozytopenie  (Mangel  an       Thrombozyten (Blutplättchen) im Blut). Nachgefragt nehme ich keine Medikamente.

LA: Sie haben in Ihrer schriftlichen Stellungnahme angeben, dass Sie Psychische Probleme haben.

VP: Ja gehabt, jetzt fangt es auch wieder an mit dem ganzen Stress. Nachgefragt dass ich wieder straffällig bin und im Knast sitze und dass Sie hier sind und ich vielleicht in ein Land muss, wo ein Tyrann und Diktator ist.

LA: Nehmen Sie Medikamente gegen Ihre Probleme?

VP: Nein. Ich wollte zum Psychiater, aber ich bin noch nicht drangekommen.

LA: Was haben Sie dabei für Probleme?

VP: Ich habe Stimmen gehört, Alpträume gehört und konnte nicht schlafen. Nachgefragt Diagnose weiß ich nicht mehr. Nachgefragt ich war deswegen in Behandlung Krankenhaus XXXX .

Anmerkung: Mit der Partei wird vereinbart die erforderlichen med. Unterlagen innerhalb von 14 Tage der Behörde per Mail zukommen zu lassen.

LA: Seit wann halten Sie sich im österreichischen Bundesgebiet auf?

VP: seit Jänner 1991. Nachgefragt ca. 9 Jahre alt.

LA: Haben Sie sich durchgehend im österreichischen Bundesgebiet aufhältig? VP: Ja

LA: Sie waren nie im Ausland für längere Zeit?

VP: In Deutschland in Haft. 2010 März bis November 2011

LA: Waren Sie sonst noch wo im Ausland?

VP: Nein

LA: Sie gaben in Ihrer Stellungnahme an, dass Sie in den Niederlanden waren?

VP: Ja ich wollte, dort einen Neustart machen, weil es in Österreich nicht mehr ging. Nachgefragt war ich dort 2 bis 3 Monate. Nachgefragt das müsste 2017 oder 2018 gewesen sein.

LA: Wo haben Sie sich dabei aufgehalten in den Niederlanden?

VP: In XXXX bei meiner Tante

LA: Wann sind Sie zuletzt nach Österreich gekommen?

VP: Ich glaube 2018 von den Niederlanden.

LA: Haben Sie immer in der Zeit, in welcher Sie sich in Österreich aufgehalten haben, einen Aufenthaltstitel gehabt?

VP: Ja, ich habe einen unbefristeten

LA: Sie waren mindestens zweimal für längere Zeit nicht im österreichischen Bundesgebiet aufhältig und zwar von 09.02.2010 bis 16.09.2011 (1 Jahr und 7 Monate) sowie von 04.11.2018 bis 22.11.2019 (1 Jahr und 18 Tage). Wo waren Sie in dieser Zeit?

VP: Beim ersten Mal war ich in Deutschland in Haft und beim zweiten Mal war ich 2 bis 3 Monate in Holland und dann bin ich wieder zurückgekommen, aber mir ging es nicht so gut, deswegen war ich auch nicht angemeldet, aber ich war bei meinen Eltern.

LA: Haben Sie irgendeinen Nachweis, dass Sie bereits in der Zeit in Österreich waren, wie z.B. eine Krankenversicherung?

VP: Nein, kann ich nicht, aber ich war hier. Meine Eltern wissen es. Nachgefragt in XXXX war ich auch nicht gemeldet. Ich wollte in XXXX schauen, ob ich dort neu anfangen kann.

LA: Was haben Sie in dieser Zeit gemacht in XXXX ?

VP: Ich habe versucht, ob ich dort Arbeit bekomme, aber mit meinem psychischen Zustand war das nicht möglich. Ich hatte zu viel Stress wegen meiner Frau und weil ich meine Kinder nicht sehen konnte.

LA: Können sie bitte einen kurzen Lebenslauf bezüglich Ihrer Person schildern? Z.B.: Wo sind sie geboren, wo aufgewachsen, welche Schulausbildung haben sie absolviert, welchen Beruf haben sie ausgeübt?

VP: Ich bin in der Türkei geboren, bis zur 3. Volksschule in der Türkei, dann bin ich nach Österreich. Den Rest der Volksschule und HS in Österreich. Dann war ich als Hilfsarbeiter als Schlosser beschäftigt und in der letzten Fa. XXXX 2008 bin ich mit Heroin in Kontakt gekommen und dann ging es bergab.

LA: Wie lange haben Sie Heroin genommen?

VP: ca. 2 Jahre, bis sie mich in Deutschland erwischt haben. Ich habe es geschnupft. Seit 2010 habe ich keinen Rückfall mehr gehabt.

LA: Haben je andere Substanzen auch zu sich genommen?

VP: Ja ein paar Mal, aber ich war davon nicht süchtig.

LA: Sind Sie verheiratet, leben Sie in einer eingetragenen Partnerschaft oder in einer Lebensgemeinschaft? Bitte nennen Sie den vollständigen Namen, das Geburtsdatum und die Staatsangehörigkeit der Person.

VP: XXXX geb., türkische Staatsbürgerin.

LA: Wo lebt Ihre Frau?

VP: In XXXX

LA: Haben Sie Kinder? Bitte nennen Sie den vollständigen Namen, das Geburtsdatum und die Staatsangehörigkeit der Person.

VP: Drei.

XXXX

LA: Wo leben Ihre Kinder?

VP: Bei meine Frau

LA: Haben Sie vor der Haft mit Ihrer Frau gelebt?

VP: Ja, irgendwie schon, aber irgendwie auch nicht.

LA: Seit 11.03.2014 leben Sie lt. ZMR nicht mehr zusammen mit Ihrer Ehefrau und Ihren Kindern. Warum nicht?

VP: Wir hatten einmal Streit und der war heftig und dann war ich weg. Aber Kontakt hatten wir immer gehabt. Die ersten 3 bis 4 Jahren hatte sie mir die Kinder nicht gezeigt, weil ich eine andere Frau hatte. Dadurch bin ich noch mehr abgerutscht und habe dann die Kontrolle verloren.

LA: Zahlen Sie Unterhalt für Ihre Kinder? Oder haben Sie unterhalt für Ihre Kinder gezahlt?

VP: Ja eine Zeitlang schon, dann wieder nicht.

LA: Wo leben Sie?

VP: In XXXX bei meinen Eltern.

LA: Warum haben Sie jetzt keinen Wohnsitz mehr bei Ihren Eltern?

VP: Das weiß ich nicht. Ich glaube, weil ich im Gefängnis bin.

LA: Haben Sie in der Zeit zwischen 2017 bis 2018 alleine gelebt?

VP: Da war ich bei meiner Freundin gemeldet.

LA: Warum sind sie nicht geschieden?

VP: Es ist irgendwie nie dazu gekommen und jetzt will sie nicht und ich auch nicht.

LA: Welche Familienangehörige bzw. Verwandte haben Sie im österreichischen Bundesgebiet?

VP: Meine Eltern. Zwei Brüder, zwei Onkel väterlicherseits, ein Onkel mütterlicherseits. Alle leben in Oberösterreich.

LA: Hat wer von Ihren Angehörigen die österreichische Staatsbürgerschaft?

VP: Alle außer mir. Nachgefragt meine Kinder habe sie auch noch nicht.

LA: Welche Verwandte leben noch in Ihrem Herkunftsstaat?

VP: Eine Tante und ein Onkel, aber ich habe keinen Kontakt mit denen. Genaueres kann ich nicht sagen.

LA: Wann waren Sie zuletzt in der Türkei?

VP: 2017 wie die Großeltern gestorben sind. Dann hatte ich keinen Grund mehr dorthin zu fahren.

LA: Haben Sie jemals in Österreich gearbeitet?

VP: 2008/2009 zuletzt gearbeitet. Ich war beim AMS gemeldet, aber war nicht vermittelbar.

LA: Wie lautet Ihre Sozialversicherungsnummer?

VP: XXXX

LA: Wie sieht Ihr soziales Umfeld in Österreich aus? Pflegen Sie in Österreich Freundschaften? Wenn ja, mit wem und wie gestaltet sich der Kontakt?

VP: Freunde habe ich genau da. Das sind die normalen Freunde, die anderen sind schon alle aussortiert. Nachgefragt wir treffen und in der Stadt oder im Kulturverein.

LA: Gemäß Strafregisterauszug wurden Sie im österreichischen Bundesgebiet bereits sieben Mal verurteilt.

Zuletzt vom XXXX .2020, § 27 (1) Z 1 8. Fall SMG, § 28a (1) 2. Fall u. 3.Fall SMG, §§ 27 (1) Z 1 1. Fall u. 2. Fall, 27 (2) SMG zu einer Freiheitsstrafe 10 Monate und vom XXXX 2020, § 84 (4) StGB, § 28a (1) 5. Fall SMG §§ 27 (1) Z 1 1.2. Fall, 27 (2) SMG zu einer Freiheitsstrafe 20 Monate.

Des Weiteren wurde per 20.10.2020 Anklage wegen § 84/4 StGB gegen Sie erhoben.

Was sagen Sie dazu?

VP: Das mit den 20 Monaten war nur Selbstverteidigung. Das war ein Drogendealer der hat einen 60-jährigen geschlagen und ich habe ihn gefragt, warum er das tut. Dann ist er auf mich losgegangen. Der Richter wollte, dass aber nicht hören und ich habe diese Strafe nur wegen meinen Vorstrafen bekommen. Bei der 20 montägigen Verurteilung habe ich nichts mit den Drogen zu tun gehabt. Der Richter hat mir nur nicht geglaubt.

Und da ich zu Unrecht verurteilt wurde, habe ich zu trinken begonnen und dadurch ist es zu der jetzigen Anklageerhebung wegen schwerer Körperverletzung gekommen. Ich habe einen 70-Jährigen geschlagen, weil er mich zuvor beleidigt hat. Ich habe sogar die Berufungsverhandlung verpasst.

Anmerkung: Die einzelnen Delikte wurden erklärt. Die schriftliche, numerische Bezifferung dient nur der Vereinfachung der Aufzählung.

LA: Warum sind Sie nicht zu den beiden freiwilligen Haftantritten angetreten?

VP: Weil ich Angst hatte und auch wegen dem Alkohol und weil ich psychisch wieder tief unten war und ich nicht mehr wusste was ich tue.

LA:     Sie     wurden  auch    in       Deutschland  verurteilt.  Sie      wurden  am        XXXX 2010 durch das Amtsgericht XXXX wegen Unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (StGB § 47, § 21, § 52, BtMG § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 30 Abs. 1 Nr. 4) zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahr(e) 8 Monaten verurteilt.

Was sagen Sie dazu?

VP: Ja, 17 Monate war ich in Haft. Seither bin ich clean. Und jetzt soll ich wieder etwas mit Drogen gemacht habe, was aber nicht stimmt. Der Richter hat mich falsch behandelt. Er hat mehr dem Zeugen geglaubt. Ich wurde zu Unrecht verurteilt.

LA: Wurden Sie sonst noch in einem anderen Land angezeigt oder verurteilt? VP: Nein

LA: Sie wurden auch per 12.05.2020 wegen VERLETZUNG DER UNTERHALTSPFLICHT für den Zeitraum 01.12.2018 – 29.02.2020 zur Anzeige gebracht. Warum zahlen Sie keine Alimente?

VP: Da ich am Ende bin

LA: Hat Ihre Frau einen neunen Mann?

VP: Nein

LA: Ist sie berufstätigt?

VP: Ja

LA: Wann hatten Sie den letzten Kontakt zu Ihren Kindern?

VP: Eine Woche vor Haftantritt und mit dem ältesten Sohn zwei Tage vor Haft.

Nachgefragt habe ich regelmäßigen Kontakt mit meinen Kindern.

LA: Gehen Sie in der Justizanstalt einer Tätigkeit nach? Machen Sie eine Ausbildung? VP: Ja, wir haben ausgemacht, dass ich eine Schlosserlehre anfange und dann eine Drogentherapie und ein Anti-Aggression-Programm machen kann.

LA: Welche Pläne haben Sie für die Zeit nach der Haft?

VP: Ich will normal Arbeiten und normal leben mit meinen Kindern. Ich will wie ein Mensch leben. Ich hab schon wirklich die Schnauze voll.

LA: Besteht in einem anderen Land gegen Sie ein Aufenthalts- oder Einreiseverbot?

VP: Nein. Ich hatte ein 10-Jähriges in Deutschland. Nachgefragt ich habe keine Unterlagen mehr.

LA: Wenn seitens des BFA eine Rückkehrentscheidung in die Türkei (ev. mit Einreiseverbot) oder ein Aufenthaltsverbot erlassen wird, besteht ein Interesse an freiwilliger Ausreise?

VP: Nein

LA: Wenn Sie Österreich nicht freiwillig verlassen falls Sie dazu verpflichtet sind, dann haben sie damit zu rechnen, dass man gegen Sie die Schubhaft bzw. das gelindere Mittel verhängt und Sie abgeschoben werden. Möchten Sie dazu etwas sagen?

VP: Dann muss ich kämpfen dagegen. Es gibt in Österreich Menschenrechte. Ich bin auch ein Mensch. Ich kann Österreich verlassen, aber nicht in die Türkei zu dem Tyrannen. Ich bin hier aufgewachsen.

LA: Das Länderinformationsblatt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zeigt eine einzelfallunabhängige Darstellung über die Lage betreffend relevanter Tatsachen Ihres Herkunftsstaates. Sie haben das Recht das Länderinformationsblatt einzusehen, Stellung zu nehmen, oder eine schriftliche Ausfertigung dieses Länderinformationsblattes zwecks Stellungnahme (Frist von 2 Wochen), zu verlangen.

VP: Nein, das will ich nicht. Für mich ist Österreich mehr Heimat als die Türkei.

LA: Ferner werden Sie darauf hingewiesen, dass Sie gemäß § 8 Zustellgesetz jede Änderung Ihrer Zustelladresse der Behörde unverzüglich mitzuteilen haben, dies auch, sollten Sie Österreich verlassen, in diesem Fall sind Sie verpflichtet eine zustellfähige Adresse bekannt zu geben. Sollten Sie diese Mitteilung unterlassen, so ist die Zustellung weiterer Schriftstücke durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann (§ 8 Abs. 2 Zustellgesetz). Haben Sie die Belehrung verstanden?

VP: Ja

LA: Haben Sie abschließend noch irgendetwas zu Ihrem Privat- und Familienleben anzuführen?

VP: Ich habe schon alles gesagt.

LA: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie Gelegenheit alles vorzubringen, was Ihnen wichtig erscheint oder wollen Sie noch etwas hinzufügen? VP: Nein, ich habe alles gesagt

LA: Gibt es Einwände gegen die Niederschrift? Wurde alles korrekt und vollständig protokolliert?

VP: Nein keine Einwände

LA: Habe Sie Ihre Freundin noch?

VP: Nein wir sind nur mehr befreundet.

LA: Wollen Sie ansonsten noch etwas angeben?

VP: Nein

I.7. Am 24.02.2021 langten die angeforderten ECRIS Auszüge für Deutschland und Niederlande bei der bB ein. In diesen schien eine Verurteilung in Deutschland auf.

I.8. Am 05.03.2021 wurde die Ehefrau der bP, XXXX , als Zeugin im Verfahren vor der bB niederschriftlich einvernommen.

Die Ehegattin und der in der zeugenschaftlichen Befragung übersetzende Sohn der bP gaben an, dass sie nichts mehr von der bP wissen wollten. Die bP lebe mit der Ehegattin seit Anfang 2013 nicht mehr zusammen und bezahle keinen Unterhalt für die Kinder. Die Kinder habe die bP vor ca. 7 Jahren das letzte Mal gesehen. Grundsätzlich hätte die Ehegattin den Kontakt mit den Kindern schon zugelassen, die bP selbst habe dies nie gewollt und scheitere die Scheidung auch daran, dass man die bP nicht erreichen könnte und diese immer weg sei.

I.9. Am 17.03.2021 langte der Untersuchungsbericht des Klinikums XXXX der Abteilung für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin v. XXXX 2018 bei der bB ein.

I.10. Per 01.03.2021 langte die Beantwortung des AMS zur etwaigen Erfüllung der Voraussetzungen des Assoziationsratsbeschlusses EG-Türkei Nr 1/80 durch die bP bei der bB ein.

Nach den abgefragten Versicherungsdaten der bP sind gemäß AMS keine der in Art 6 Abs 1 ARB Nr 1/80 genannten Voraussetzungen erfüllt. Die bP hätte zwar bis zum 08.04.2004 insgesamt 3 Jahre 9 Monate und 23 Tage an ordnungsgemäßen Beschäftigungszeiten bei verschiedenen Dienstgebern erworben, da sie aber anschließend vom 09.04.2004 bis 23.04.2004 , also mehr als 28 Tage, weder beschäftigt noch arbeitssuchend beim Arbeitsmarktservice vorgemerkt war und auch kein Arbeitslosengeld bezogen hat, sind durch diese Unterbrechung die vorher erworbenen Anspruchszeiten verloren gegangen und wären die Anspruchsfristen des Art 6 Abs 1 ARB Nr. 1/80 erneut in Gang gesetzt worden. Von 24.04.2004 bis dato habe die bP bei verschiedenen Dienstgebern lediglich insgesamt 1 Jahr 4 Monate und 8 Tage an Beschäftigungszeiten erworben und damit ebenfalls keine der Voraussetzungen des Art 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 erfüllt. Die bP könne daher keine Ansprüche aus Art 6 ARB Nr. 1/80 ableiten.

Zu den Voraussetzungen zu Art 7 ARB Nr. 1/80 führte das AMS aus, dass hierzu keine abschließende Stellungnahme abgegeben werden könne, da aus den Datensätzen die Namen der Eltern, zu denen die bP 1997 als Familienangehöriger nachgezogen wäre, nicht ersichtlich wären und daher nicht festgestellt werden könnte, ob die Eltern zum Zeitpunkt des Nachzuges dem regulären Arbeitsmarkt angehörten oder etwa schon österreichische Staatsbürger waren.

Für Ansprüche nach Art 9 ARB Nr. 1/80 ergaben sich für das AMS aus den vorliegenden Umständen keine Anhaltspunkte.

I.11. Mit dem im Spruch genannten Bescheid wurde gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig ist. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde in Bezug auf die bP ein Einreiseverbot für die Dauer von 7 Jahren erlassen. Gem. § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung aberkannt. Gem. § 55 FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt.

Von der belangten Behörde wurden der Inhalt der Fremdenakte, die Verurteilungen der verschiedenen Gerichte, diverse Abschlussberichte, Auszüge aus der BM.I Anfrage-Plattform (KPA, IZR, SA, ZMR, AJ-WEB), die ECRIS Auszüge, die Einvernahme der bP und ihrer Ehegattin, die AMS Anfragebeantwortung und die von der bP vorgelegten Unterlagen (Untersuchungsbericht aus 2018) bzw. Stellungnahme zugrunde gelegt.

Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Verhalten der bP als schwerwiegende und gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und sei aus diesem Grund die Erlassung von Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbotes geboten. Die bP würde zwar familiäre und sonstige Bindungen zu Österreich aufweisen, die schwere Straffälligkeit würde im Rahmen der Interessensabwägung jedoch eine Aufenthaltsbeendigung rechtfertigen.

Zur abschieberelevanten Lage in der Republik Türkei traf die belangte Behörde Feststellungen und ging die Behörde davon aus, dass nichts gegen eine Rückkehr in die Heimat spricht.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass die Rückkehrentscheidung keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK darstelle und aufgrund der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ein Einreiseverbot zu erlassen sei.

I.12. Gegen den Bescheid der bB wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

Ausgeführt wurde, dass die bP sich seit Jänner 1991 durchgängig im österreichischen Bundesgebiet befände. Sie habe hier die Schule besucht und die Führerscheinprüfung abgelegt. Die Eltern, Kinder und nahe Familie befände sich in Österreich und auch in Europa. Die Beziehung zur Familie und den Kindern sei aufrecht, der Kontakt sei aber wegen der Pandemie zu einem großen Teil auf Telefonkontakt eingeschränkt. Die bP sei zuversichtlich, dass sie nun durch die Entwöhnungsbehandlung ihre Sucht endgültig überwinden un zu ihrem „alten Leben“ zurückkehren könne. Nach der Entlassung bzw. einer möglichen bedingten Strafnachsicht wolle sie wieder bei der Familie leben. Zu ihren Kindern pflege sie ein enges Verhältnis und liege es auch in deren Interesse, dass die bP in Österreich bleibt. Der Lebensmittelpunkt der bP sei in Österreich und habe sie in der Türkei keine Familie. Aufgrund der Krankheiten und Entfremdung wäre es der bP nicht möglich, in der Türkei selbst für ihr Auskommen Sorge zu Tragen. Sie würde in eine Art. 3 EMRK relevante Situation geraten und verfüge über kaum Bindungen zum Heimatland.

Die Delinquenz hier aufgewachsener bzw. seit Kindheit aufhältiger und integrierter Betroffener sei nicht im „vom Reisepass definierten Herkunftsland“ entstanden, sondern in diesem Land und wären daher hier vor Ort Mittel und Wege notwendig, diese Betroffenen von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.

Die Ermittlungen der bB seien nicht nur zum Privat- und Familienleben der bP mangelhaft, sondern auch in Bezug auf den gesundheitlichen Zustand. Die bP benötige Behandlung aufgrund des Mangels an Thrombozyten sowie der psychischen Störung, was in der Türkei nicht oder schwer zu erlangen sei und wären diesbezüglich jedenfalls relevante Ermittlungen unterblieben. Schließlich habe die bB unzureichend begründet, weshalb die Erlassung eines „Aufenthaltsverbotes“ gegen die bP zulässig wäre und keine entsprechende Zukunftsprognose erstellt. Die bP lebe seit 1991 in Österreich und hätte sich bis zur ersten Verurteilung über Jahre hinweg wohlverhalten. Sie sei um ein ordentliches Leben in Österreich bemüht gewesen. Sie habe aufgrund familiärer Schwierigkeiten die Kontrolle verloren und begonnen, Suchtmittel zu konsumieren. Durch die Entwöhnungsbehandlung sei die bP nun auf einem guten Weg, an ihr vorheriges Leben anzuknüpfen und habe sie sich über Jahre hinweg wohlverhalten, sei erwerbstätig gewesen bzw. habe ein Unternehmen geführt und habe ein normales Familienleben geführt. Eine Abschiebung würde eine Verletzung des Kindeswohls der Kinder der bP bedeuten und sei die Interessensabwägung iSd Art. 8 EMRK nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die bP sei seit über 10 Jahren in Österreich aufhältig und integriert. Es komme schon aus diesem Grund eine Abschiebung bzw. Rückkehrentscheidung nicht in Frage. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt, da das Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben und der Beweiswürdigung substantiiert entgegengetreten worden sei. Es habe keine Einvernahme stattgefunden und liege eine Verletzung des Parteiengehörs vor.

I.12. Die Beschwerdevorlage langte vollständig am 30.06.2021 beim BVwG, Außenstelle Linz ein.

I.13. Mit Beschluss des BVwG vom 01.07.2021 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.

I.14. Am 05.08.2021 langte ein Abschluss-Bericht der LPD wegen des Verdachts auf Verstoßes gegen §§ 28, 28a Abs. 1 SMG durch die bP im Zeitraum von 2018 – Anfang Dezember 2020 ein. Es liegt demgemäß der Verdacht vor, dass die bP Anfang Dezember 2020 eine die Grenzmenge nach § 28b SMG übersteigende Menge an Kokain besessen und zum Weiterverkauf erworben hat. Zudem liegt der Verdacht vor, dass die bP bis zu ihrer Festnahme am 07.01.2020 einen die Grenzmenge übersteigenden Kokainhandel betrieben hat. Die bP zeigte sich gemäß dem Bericht in ihrer Beschuldigtenvernehmung am 16.07.2021 trotz 5-facher personenbeweismäßiger Belastung völlig unbeeindruckt und bestritt alle Vorhalte, ohne eine schlüssige Gegendarstellung zu tätigen.

Mit Mail vom 28.09.2021 wurde die Verständigung von der Anklageerhebung vom 23.09.2021 gegen die bP wegen §§ 28a (1) 5. Fall, 28a (4) Z3 SMG (Suchtgifthandel mit einer das fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge) und § 27 (1) Z1 1+2 Fall übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen

II.1.1. Identität und Herkunftsstaat:

Bei der bP handelt es sich um einen türkischen Staatsangehörigen.

Sie ist somit Fremder und Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 1 iVm § 2 Abs 4 Z 10 FPG.

Die Identität der bP steht fest.

1.2. Regionale Herkunft und persönliche Lebensverhältnisse vor der Ausreise:

Die bP ist in XXXX in der Türkei geboren und besuchte dort für 3 Jahre die Volksschule. Sie lebte dort bei ihren Großeltern, bis sie mit der Mutter und den Geschwistern zum Vater in Österreich reiste.

1.3. Aktuelles familiäres/verwandtschaftliches bzw. soziales Netzwerk im Herkunftsstaat:

In der Türkei leben ein Onkel und eine Tante der bP. Sie befand sich im Jahr 2017 zuletzt in der Türkei wegen des Begräbnisses der Großeltern.

1.4. Aufenthalt in Österreich

Sie reiste ca. 1991 im Alter von ca. 9 Jahren in das österreichische Bundesgebiet ein. Im ZMR ist die Begründung eines Hauptwohnsitzes mit 23.08.1999 erstmalig ersichtlich.

Am 22.07.2002 wurde der bP durch das Magistrat XXXX im Zuge eines Verlängerungsantrages der Aufenthaltstitel „jeglicher Aufenthaltszweck“ unbefristet erteilt. Gemäß § 11 Abs. 3 Z 1 der Verordnung der Bundesministerin für Inneres zur Durchführung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung – NAG-DV) gilt dieser Aufenthaltstitel ab 01.01.2006 als Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EG“ weiter bzw. ist die aktuelle Weitergeltung des Titels in § 81 NAG (Daueraufenthalt EU) geregelt. Die bP ist damit rechtmäßig in Österreich aufhältig.

Gemäß ZMR verfügte die bP von 09.02.2010 – 16.09.2011 (teilweise Strafhaft in Deutschland) und von 04.11.2018 – 22.11.2019 über keinen Hauptwohnsitz im österreichischen Bundesgebiet. Nach ihrem Aufenthalt in den Niederlanden ungefähr 2017 / 2018, wo sie ein neues Leben anfangen wollte, kam sie Anfang 2019 wieder nach Österreich zurück. Sie hat sich zwar nicht polizeilich angemeldet, jedoch ist aus dem Urteil v. XXXX .2020 durch das LG XXXX ersichtlich, dass sie bereits wieder im März 2019 straffällig in Österreich geworden ist und damit hier aufhältig war.

Die bP hielt sich von 10.06.2005 – 13.06.2005, von 23.01.2006 – 23.03.2006, von 16.03.2007 – 28.12.2007 und von 07.12.2020 – 04.10.2021 wegen Untersuchungs- bzw. Strafhaften in Justizanstalten in Österreich auf. Seit der letzten Entlassung aus der Haft am 4.10.2021 ist die bP nicht im ZMR gemeldet und scheint im ZMR lediglich der Vermerk auf, „verzogen nach unbekannt“.


1.5. Aktueller Gesundheitszustand:

Die bP hat im Verfahren keine aktuell behandlungsbedürftige Erkrankung dargelegt.

1.6. Privatleben / Familienleben in Österreich oder in Schengen Staaten:

Familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich und Schengen Staaten

Die bP ist mit XXXX verheiratet und entstammen dieser Beziehung drei gemeinsame Kinder. Die Kinder leben mit der Mutter in gemeinsamen Haushalt. Die bP lebt mit der Ehegattin und den Kindern seit 2014 nicht mehr in einem gemeinsamen Haushalt. Die Ehegattin sowie die minderjährigen Kinder ( XXXX ) verfügen über gültige Aufenthaltstitel (Rot-Weiß-Rot plus Karten). Die bP zahlt keine Alimente für die Kinder und hat auch keinen Kontakt zur Frau und den Kindern. Vielmehr haben die Kinder zuletzt vor ca. 7 Jahren Kontakt mit der bP gehabt und hat die bP kein besonderes Interesse an ihnen und der Familie gezeigt.

In Österreich leben neben der Ehegattin und den Kindern die Eltern der bP, zwei Brüder und drei Onkel. Die Eltern leben seit Jahren in Österreich und besitzen bereits die österreichische Staatsangehörigkeit. Zuletzt war die bP gemäß ZMR von November 2019 – Februar 2021 bei ihren Eltern gemeldet und befand sich jedoch von 07.12.2020 – 04.10.2021 in Strafhaft. Die Verwandten gehen diversen Beschäftigungen nach und verfügen über verschiedene Aufenthaltsberechtigungen für Österreich. Über das normale Verhältnis zw. Erwachsenen hinausgehende Bindungen bzw. eine besondere Bindung oder Abhängigkeit wurde weder hinsichtlich der Eltern, noch hinsichtlich der Kinder oder Ehegattin oder weiteren Verwandten vorgebracht.

Soziale Integration

Die bP beherrscht die deutsche Sprache und spricht zudem Türkisch und etwas Englisch. Sie lebt seit 1991 mit Unterbrechungen in Österreich und nimmt am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teil. Die bP hat österreichische und türkische Freunde in Österreich. Sie hat ihren Aufenthalt hier jedoch durch den Aufenthalt in Deutschland 2010 / 2011 und ca. 2018 / 2019 in den Niederlande unterbrochen.

Berufliche Integration

Die bP war in Österreich seit 2000 insgesamt 5 Jahre und 1 Monat beschäftigt. Die letzte Beschäftigung der bP scheint im AJ-WEB (Datenbank der Sozialversicherung) bis August 2009 auf. Danach bezog sie teilweise Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe. Seit April 2004 war sie für lediglich 1 Jahr und 4 Monate in Beschäftigung.

Mangels entsprechender Dauer von Beschäftigungszeiten erfüllt sie in Bezug auf Art 6 und Art 9 keinerlei Voraussetzungen des Assoziationsratsbeschlusses EG-Türkei Nr 1/80.

Die bP ist damit beruflich im österreichischen Bundesgebiet nicht verankert und kann auch nicht von einer Selbsterhaltungsfähigkeit bzw. davon ausgegangen werden, dass sie in Zukunft keine finanziellen staatlichen Mittel in Anspruch nehmen muss.

Die bP besitzt kein Vermögen und hat vielmehr Schulden wegen Verletzung der Unterhaltspflichten für ihre Kinder.

Schutzwürdigkeit des Privatlebens / Familienleben; die Frage, ob das Privatleben / Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren

Die bP hat diese Anknüpfungspunkte in Österreich während einer Zeit erlangt, in der der Aufenthaltsstatus im Bundesgebiet stets rechtmäßig war. Ihr musste jedoch bewusst sein, dass ihre Straffälligkeit zu einer Aufenthaltsbeendigung führen kann.

Bindungen zum Herkunftsstaat

Die beschwerdeführende Partei ist im Herkunftsstaat geboren, absolvierte dort einen Teil ihrer Schulzeit, kann sich im Herkunftsstaat problemlos verständigen und hat in diesem Staat ihr Leben bis zum 9 Lebensjahr verbracht.

Sie wurde somit im Herkunftsstaat sozialisiert und kennt die dortigen Regeln des Zusammenlebens einschließlich der gegebenen sozialen Unterstützungsnetzwerke. Es leben dort auch noch Familienangehörige / Verwandte.

Zuletzt war sie 2017 zu Besuchszwecken in der Türkei.

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die beschwerdeführende Partei als von ihrem Herkunftsstaat entwurzelt zu betrachten wäre.

Strafrechtliche/verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen

In der Datenbank des österreichischen Strafregisters scheinen folgende Vormerkungen wegen rk. gerichtlicher Verurteilungen auf (Ergänzungen aus den Inhalten der Urteile):

01) BG XXXX RK 30.06.2003

PAR 83/1 StGB

Geldstrafe von 50 Tags zu je 2,00 EUR (100,00 EUR) im NEF 25 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, bedingt, Probezeit 2 Jahre

Vollzugsdatum 08.01.2008

zu BG XXXX .2003

Probezeit verlängert auf insgesamt 4 Jahre

BG XXXX 2004

zu BG XXXX .2003

Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre

BG XXXX .2005

zu BG XXXX .2003

Bedingte Nachsicht der Strafe wird widerrufen

LG XXXX .2007

Die gegen dieses Urteil erhobene Berufung wurde vom LG mit Entscheidung vom XXXX , XXXX hinsichtlich der Schuldfrage zurückgewiesen. Die Höhe des Strafausmaßes wurde herabgesetzt.

Die bP hat gemäß erstinstanzlichem Urteil demnach im Oktober 2010 in W. eine Person dadurch verletzt, dass sie dieser zwei Schläge mit der flachen Hand ins Gesicht versetzte, wodurch das Opfer eine Prellung des Kopfes und der Nase verbunden mit Nasenbluten erlitt. Zu dem Vorfall kam es, da die betrunkene, aber nicht volltrunkene bP dem Opfer, einer Kellnerin, einen Schlag auf das Hinterteil versetzte, woraufhin diese sie als Hurenkind beschimpfte und wegging. Die Kellnerin wiederholte die Beschimpfungen zur rede gestellt, woraufhin die Situation eskalierte. Das Gericht folgte der leugnenden Verantwortung der bP im Rahmen der Beweiswürdigung nicht. Als mildernd wurde das Alter unter 21 Jahren und die Unbescholtenheit herangezogen, als erschwerend kein Umstand.

Von zwei weiteren Vorwürfen wegen Körperverletzung im Rahmen einer gewalttätigen Streitigkeit wurde die bP freigesprochen.

02) BG XXXX 2004

PAR 27/1 (1.2. FALL) SMG

Freiheitsstrafe 2 1/2 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Vollzugsdatum 28.12.2007

zu BG XXXX 2004

Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre

BG XXXX 2005

zu BG XXXX 2004

Bedingte Nachsicht der Strafe wird widerrufen

LG XXXX .2007

Demnach hat die bP bestehenden Vorschriften zuwider

1.       seit dem Jahr 200 bis 21.07.2003 in W. und anderen Orten von Unbekannten Haschisch erworben und zum Eigenkonsum besessen,

2.       am 22.07.2003 in L. von einem Unbekannten ca. 8,3 Gramm Haschisch erworben und bis zum Eigenkonsum bzw. zur Sicherstellung besessen.

Als mildernd wurde das Geständnis vor der Polizei und als erschwerend die Tatwiederholung über einen längeren Zeitraum gewertet.

03) BG XXXX .2005

PAR 27/1 (1.2.6. FALL) SMG

Freiheitsstrafe 4 Monate

Vollzugsdatum 23.03.2006

zu BG XXXX .2005

Rest der Freiheitsstrafe nachgesehen, bedingt, Probezeit 5 Jahre, Beginn der Probezeit 23.03.2006

gemäß Entschließung des Bundespräsidenten vom 07.03.2006 Erlass des BMJ Zahl XXXX

XXXX .2006

zu BG XXXX 2005

Rest der Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig

Vollzugsdatum 23.03.2006

BG XXXX 2011

Die bP ist schuldig gesprochen worden, sie hat in W. den bestehenden Vorschriften zuwider

a)       Suchtgifte erworben und besessen, und zwar

1.       Im Zeitraum von 22.07.2003 – 15.11.2004 in einer Mehrzahl von Angriffen eine unbekannt Menge Haschisch durch Ankauf und anschließenden Eigenkonsum, und

2.        Im Oktober 2004 eine unbekannte Menge Heroin durch Ankauf und anschließenden Eigenkonsum;

b)       anderen ein Suchtgift überlassen, indem sie

1.       im Zeitraum von 1998 bis November 2004 in einer Mehrzahl von Fällen anderen Personen Haschisch zum gemeinsamen Rauchen zur Verfügung stellte, und

2.       am 30.08.2004 50g Haschisch von A. zum Zwecke des entgeltlichen Weiterverkaufs übernahm und den größten Teil hievon an Unbekannte verkaufte.

Mildernd wurde das Geständnis gewertet, erschwerend die einschlägige Vorstrafe sowie die Faktenhäufung durch einen längeren Zeitraum.

04) LG XXXX .2007

PAR 87/1 StGB

Datum der (letzten) Tat 08.07.2006

Freiheitsstrafe 1 Jahr, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Vollzugsdatum 17.07.2007

zu LG XXXX 2007

(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig

Vollzugsdatum 17.07.2007

LG XXXX 2012

Demnach ist die bP schuldig, sie hat am 08.07.2006 eine andere Person dadurch, dass sie ihr einen Aschenbecher ins Gesicht schlug, eine schwere Körperverletzung, nämlich eine Jochbein- und Jochbogenfraktur rechts, eine Orbitaboden- und laterale Orbitawandfraktur rechts sowie Nasenbluten und eine Prellung der Nase absichtlich zugefügt.

Aus der Beweiswürdigung ergibt sich, dass die bP zwar nicht geständig war, jedoch ermittelt werden konnte, dass sie von hinten ihren an der Bar sitzenden Onkel mit voller Wucht einen Aschenbecher ins Gesicht schlug.

Erschwerend wurden die einschlägigen Vorverurteilungen bewertet, mildern wurde kein Umstand festgestellt. Es erfolgte ein Privatbeteiligtenzuspruch iHv EUR 3350,-

05) LG XXXX .2007

PAR 28/2 (4. FALL) U 3 (1. FALL) 27/1 (1.2. FALL) SMG

PAR 83/1 84/1 StGB

Datum der (letzten) Tat 15.03.2007

Freiheitsstrafe 21 Monate, davon Freiheitsstrafe 14 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Vollzugsdatum 13.12.2007

zu LG XXXX 2007

Unbedingter Teil der Freiheitsstrafe vollzogen am 13.12.2007

LG XXXX .2007

zu LG XXXX .2007

(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig

Vollzugsdatum 13.12.2007

LG XXXX .2012

Demnach hat die bP in W. und anderen Orten zwischen etwa Mitte 2004 bis März 2007 den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift (Cannabisprodukte) in einer großen Menge gewerbsmäßig in Verkehr gesetzt. Festgehalten wurde zudem, dass die bP selbst Suchtgiftkonsument war.

Als mildernd wurde das Geständnis, als erschwerend die drei einschlägigen Vorstrafen im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt.

06) LG XXXX 2020

§ 27 (1) Z 1 8. Fall SMG

§ 28a (1) 2. Fall u. 3.Fall SMG

§§ 27 (1) Z 1 1. Fall u. 2. Fall, 27 (2) SMG

Datum der (letzten) Tat 12.12.2019

Freiheitsstrafe 10 Monate

Demnach ist die bP schuldig, sie hat in W. und an anderen Orten des Bundesgebietes vorschriftswidrig Suchtgift

1)       am 7. Mai 2018 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den rechtskräftig verurteilten Mittätern in einer die Grenzmenge (§ 28b) übersteigenden Menge, und zwar 494,3 Gramm Cannabiskraut mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 13,53 % THCA und zumindest 1,04 % Delta-9-THC von der Tschechischen Republik nach Österreich eingeführt;

2)       zwischen Anfang Jänner 2018 und Anfang Mai 2018 anderen, nämlich A. ca 20 Gramm und B. ca 10 Gramm Cannabiskraut, überlassen;

3)       von Ende 2007 bis zum 12. Dezember 2019 Cannabiskraut, Kokain und Heroin erworben und besessen, wobei Sie die Straftaten ausschließlich zum persönlichen

Gebrauch begangen hat.

Sie hat somit das Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1, zweiter und dritter Fall SMG (zu 1.), der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1, achter Fall SMG (zu 2.) und solcher nach § 27 Abs 1 Z 1, erster und zweiter Fall und Abs 2 SMG (zu 3.) begangen.

Als strafmildernde Gründe wurden angeführt: Geständnis. Erschwerend wogen dem gegenüber das Zusammentreffen strafbarer Handlungen und ein (wie von der Berufung eingewendet freilich vergleichsweise ungewichtigerer) langer Tatzeitraum durch Eigenkonsum, sowie (konkret:) sechs einschlägige Vorstrafen, die - soweit das Inland betreffend - lange zurückliegen.

Das Urteil des Landesgerichts wurde nach Bestätigung durch das OLG mit Entscheidung vom XXXX rechtskräftig.

In der Berufungsentscheidung wurde festgehalten, dass das Rechtsmittel nicht berechtigt ist und insbesondere die Zeitspanne des Eigenkonsums bis Ende 2019 der geforderten Annahme eines längeren Wohlverhaltens entgegenstehe, wenngleich der als mildernd reklamierte Grund der Gewöhnung angesichts der Angaben der bP, wonach sie seit 2011 clean sei, nicht berücksichtigt wurde.

07) LG XXXX .2020

§ 84 (4) StGB

§ 28a (1) 5. Fall SMG

§§ 27 (1) Z 1 1.2. Fall, 27 (2) SMG

Datum der (letzten) Tat 19.02.2020

Freiheitsstrafe 20 Monate

Dem Urteil liegt zu Grunde, dass die bP schuldig ist, in W. und anderen Orten des Bundesgebiets

1. vorschriftswidrig Suchtgift

1./1./ in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, nämlich zwischen März 2019 und Mitte September 2019 zumindest 25 g Heroin mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von ca 20 % sowie unbekannte Mengen Cocain.HCl an unbekannte Abnehmer;

1./2./ wiederholt erworben und besessen, nämlich zumindest zwischen 13.12.2019 und 19.02.2020 Cannabiskraut und Cocain.HCl, wobei die bP die Straftat ausschließlich zum persönlichen Gebrauch beging;

2./ am 25.06.2019 eine Person durch einen Schlag mit dem Ellbogen und Tritte am Körper verletzt und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, eine (an sich) schwere Körperverletzung [Bruch der Basis des 2., 3., und 4. Mittelfußknochens rechts] desselben herbeigeführt.

Die bP hat dadurch zu 1./1./ das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 5. Fall SMG, zu 1./2./ die Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 1. und 2. Fall, Abs 2 SMG und zu 2./ das Verbrechen der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB begangen.

Im Rahmen der Würdigung hielt das Gericht fest, dass es der bP darauf ankam, Suchtgifte anderen zu Überlassen und zum persönlichen Gebrauch zu besitzen und nahm sie es in Kauf, dadurch auch andere am Körper zu verletzen. Die bP habe sich nur teilweise geständig gezeigt, wobei ihre diesbezüglichen Angaben durch Zeugen gemäß Gericht widerlegt wurden. Gerade zum Eigengebrauch hat die bP ein widersprüchliches Vorbringen erstattet, was gezeigt hat, wie situations- und beweisergebnisangepasst die bP ihre Verantwortung gerierte. Das Gericht traf konkrete Ausführungen dazu, wie die bP und ihr „Arbeitskollege“ versuchten, ihre Angaben im Zusammenhang mit den Vorwürfen (Suchtgiftverkauf und Streit im Rahmen des Verkaufes, bei dem es zu Körperverletzung kam) abzustimmen und zudem in der Hauptverhandlung zwei Zeugen für die bP erstmals auftraten, welche mit ihren nahezu inhaltsgleichen Angaben die Aussagen der bP nicht stützten konnten, sondern vielmehr davon auszugehen war, dass diese eine die bP begünstigende (falsche) Aussage ablegten. Das Gericht folgte letztlich der Angabe des Opfers, dass die bP dem Opfer vor einem Wettlokal einen Schlag ins Gesicht und mehrere Tritte mit dem Fuß gegen dessen Bein versetzte, wodurch ein Bruch der Basis des 2., 3., und 4., Mittelfußknochens erfolgte. Schließlich habe sich gezeigt, dass die bP durch die Taten (SMG) eine finanzielle Einnahmequelle zur Bestreitung bzw. Ergänzung des Lebensunterhalts lukrieren wollte und sie damit im Zusammenhang auch neuerlich ihre Gewaltbereitschaft demonstrierte. Das Gericht ging von einem hohen Schuldausmaß und hohem Gesinnungsunwert aus, was sich dadurch zeigte, dass sie bP trotz Verspüren des Haftübels bislang unbeeindruckt zeigte.

Strafmildernde Gründe wurden (jeweils jedoch nur untergeordnet) angeführt: das tlw (Tatsachen-) Geständnis und die tlw objektive Schadensgutmachung durch tlw Sicherstellung eines Teils des Suchtgiftes (1./2./).

Erschwerend hingegen wurden die 6 einschlägigen Vorverurteilungen und das Zusammentreffen strafbarer Handlungen gewertet.

Das Urteil des Landesgerichts wurde nach Bestätigung durch das OLG mit Entscheidung vom XXXX rechtskräftig. Es wurde gerade dem Einwand einer vorliegenden Notwehrsituation bei der Körperverletzung nicht gefolgt und festgehalten, dass zwar eine Vorverurteilung mangels Rechtskraft im Rahmen der Strafzumessung nicht erschwerend herangezogen werden hätte dürfen, jedoch sei andererseits die Begehung der Tat während laufendem Verfahren erschwerend zu berücksichtigen. Insgesamt wurde die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt.

08) LG XXXX 2021 RK 23.02.2021

§ 84 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat 17.06.2020

Freiheitsstrafe 14 Monate

Dem Urteil liegt zu Grunde, dass die bP schuldig ist, sie hat am 17.06.2020 in L. das Opfer am Körper misshandelt und dadurch fahrlässig eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) herbeigeführt, indem sie das Opfer an der Kleidung packte, von seinem Sitz in der Straßenbahn hochzerrte und aus der Straßenbahn hinauszog, wodurch das Opfer stürzte und eine Schulterluxation linksseitig sowie Hautabschürfungen an beiden Knien und somit eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung erlitt.

Sie hat dadurch das Vergehen der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 1 StGB begangen.

Als strafmildernde Gründe wurde das Geständnis angeführt, erschwerend hingegen wurden mehrere einschlägige Verurteilungen angeführt.

09) BG XXXX .2021 RK 09.03.2021

§ 125 StGB

Datum der (letzten) Tat 03.06.2020

Freiheitsstrafe 3 Monate

Demnach hat die bP eine fremde Sache beschädigt, indem sie gegen die Glastür des Wohnhauses trat, um zur Wohnung einer Bekannten zu gelangen, wodurch dem Verfügungsberechtigten ein Schaden in der Höhe von EUR 486,79 entstand.

Strafmildernde Gründe wurde angeführt: Geständnis, Bereitschaft zur Schadensgutmachung. Erschwerend hingegen wurden die einschlägigen Vorverurteilungen gewertet.

Am 12.05.2020 langte ein Abschlussbericht betreffend dem Verdacht der Verletzung der Unterhaltspflicht für ihre drei Kinder durch die bP im Zeitraum von Dezember 2018 – Februar 2020 bei der bB ein. Die bP gab im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung an, dass sie wisse, dass sie 37 035,14 EUR zurückzahlen müsse. Sie hätte die Kinder aber von 2012-2016 wegen der Mutter nicht sehen dürfen und sehe nicht ein, dass sie so viel zahlen müsse. Sie glaube, ca. 660 EUR im Monat Alimente zahlen zu müssen, es wäre ihr nur möglich, 300 EUR zurückzuzahlen. Monatlich bekomme sie vom AMS 950 EUR per Post.

Mit 20.05.2020 wurde das Verfahren wegen Verletzung der Unterhaltspflicht gemäß 192 Abs. 1 Z 1 StPO(Einstellung bei mehreren Straftaten) unter Vorbehalt einer späteren Verfolgung eingestellt.

Am 05.08.2021 langte ein Abschluss-Bericht der LPD wegen des Verdachts auf Verstoßes gegen §§ 28, 28a Abs. 1 SMG durch die bP im Zeitraum von 2018 – Anfang Dezember 2020 ein. Es liegt demgemäß der Verdacht vor, dass die bP Anfang Dezember 2020 eine die Grenzmenge nach § 28b SMG übersteigende Menge an Kokain besessen und zum Weiterverkauf erworben hat. Zudem liegt der Verdacht vor, dass die bP bis zu ihrer Festnahme am 07.01.2020 einen die Grenzmenge übersteigenden Kokainhandel betrieben hat. Die bP zeigte sich gemäß dem Bericht in ihrer Beschuldigtenvernehmung am 16.07.2021 trotz 5-facher personenbeweismäßiger Belastung völlig unbeeindruckt und bestritt alle Vorhalte, ohne eine schlüssige Gegendarstellung zu tätigen.

Betreffend der beiden Verurteilungen XXXX existierten zwei Strafvollzugsanordnungen, zu welchen die bP sich selbständig zum Haftantritt zu melden gehabt hätte (Termin: 16.08.2020 sowie Termin: 27.08.2020). Zu beiden Termin ist sie laut Auskunft der zuständigen Strafabteilung des LG nicht erschienen. Am 07.12.2020 konnte sie durch das LKA festgenommen werden und wurde, aufgrund ihres noch nicht angetretenen Haftantritts, in die Justizanstalt verbracht.

Die Haftzeiten der bP ergeben sich aus den Feststellungen zum Aufenthalt oben.

Das Vorliegen von rk. Verwaltungsstrafen in Österreich wurde dem BVwG nicht mitgeteilt und ergibt sich auch nicht aus dem Akteninhalt.

Zudem wurde die bP in Deutschland am XXXX .2010 (RK 18.05.2010) vom Amtsgericht XXXX ( XXXX ) wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 8 Monaten verurteilt. Sie befand sich bis Herbst 2011 in Deutschland in Haft.

Sonstige Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts

Abgesehen von den oa. Straftaten ergeben sich aus dem Akteninhalt und dem ergänzenden Ermittlungsergebnis keine weiteren Verstöße.

1.7. Rückkehrsituation

a)       Betreffend ihrer aktuellen persönlichen Sicherheit im Herkunftsstaat:

Die bP gab weder im behördlichen Verfahren noch in der Beschwerde an, dass sie im Falle der Rückkehr in die Türkei dort konkrete sicherheitsrelevante Probleme erwarten würde.

Aus der derzeitigen Lage ergibt sich im Herkunftsstaat, insbesondere in der Herkunftsregion der bP, unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Verhältnisse, keine Situation, wonach im Falle der Rückkehr eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts besteht.

b)       Betreffend der aktuellen, persönlichen Versorgungssituation mit Lebensnotwendigem (insb. Lebensmittel, Unterkunft, med. Versorgung) im Herkunftsstaat:

Die bP hat auch hinsichtlich ihrer persönlichen Versorgungssituation im Falle der Rückkehr keine konkrete Problemlage vorgebracht.

Die bP hat diesbezüglich weder im behördlichen Verfahren noch in der Beschwerde Probleme im Falle der Rückkehr geäußert. Die bP ist im Wesentlichen gesund und erwerbsfähig. Sie verfügt in der Türkei auch noch über Familienangehörige.

1.8. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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