TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/20 W261 2248923-1

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Veröffentlicht am 20.12.2021
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Entscheidungsdatum

20.12.2021

Norm

BBG §41 Abs2
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W261 2248923-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Richterin Mag.a Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und die Richterin Mag.a Karin RETTENHABER-LAGLER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr.in Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 12.11.2021 betreffend die Zurückweisung des Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung innerhalb der Jahresfrist zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 22.03.2021 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (auch Sozialministeriumservice, in der Folge belangte Behörde) und legte ein Konvolut an medizinischen Befunden vor.

2. Die belangte Behörde holte zur Überprüfung des Antrages ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin ein. In dem auf aufgrund einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 28.05.2021 erstatteten Gutachten vom 28.05.2021 stellte die medizinische Sachverständige beim Beschwerdeführer die Funktionseinschränkungen „degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, PLIF L5/S1“, „Abnützung linke Schulter“, Epicondylitis linker Ellbogen“ und „Depression und Somatisierungsstörung“ und einen Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 30 von Hundert (in der Folge v.H.) fest.

3. Mit Bescheid vom 29.07.2021 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab, weil dieser die Voraussetzungen hierfür nicht erfülle.

4. Am 20.10.2021 (eingelangt am 21.10.2021) stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde einen Antrag „auf einen Parkausweis“ und legte wiederum ein Konvolut an Befunden vor.

5. Mit Schreiben vom 21.10.2021 informierte die belangte Behörde den Beschwerdeführer darüber, dass sein Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses im Juli 2021 abgewiesen worden sei. Er werde aufgefordert, binnen vier Wochen das beiliegende Formular bezüglich eines Antrages auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO, welcher auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gilt, ausgefüllt vorzulegen. Der Beschwerdeführer kam dieser Aufforderung fristgerecht nach.

6. Da der Antrag binnen der Jahresfrist des § 41 Abs. 2 BBG gestellt wurde, ersuchte die belangte Behörde den Ärztliche Dienst um Feststellung aus medizinischer Sicht, ob die beiliegenden Befunde geeignet seien, eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes glaubhaft zu machen.

7. Mit sofortiger Beantwortung vom 11.11.2021 stellte die medizinische Sachverständige zusammenfassend fest, dass die vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunde nicht geeignet seien, eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes glaubhaft zu machen. Eine neuerliche Begutachtung innerhalb der Jahresfrist sei daher nicht gerechtfertigt.

8. Mit angefochtenem Bescheid vom 12.11.2021 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Behindertenpasses zurück. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr verstrichen sei, und der Beschwerdeführer eine offenkundige Änderung der Funktionsbeeinträchtigungen nicht habe glaubhaft machen können.

9. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Eingabe ohne Datum (eingelangt am 02.12.2021) fristgerecht eine Beschwerde und führte begründend aus, dass er keinen Behindertenausweis benötige, sondern einen Parkausweis. Unter Auflistung seiner Leiden insbesondere im Bereich der Wirbelsäule stellte der Beschwerdeführer dar, dass er aufgrund seiner Leiden an Schmerzen leiden würde. Die Leiden hätten sich nicht gebessert und sein behandelnder Arzt habe ihm mitgeteilt, dass er damit werde leben müssen. Er sei leider weder körperlich noch psychisch in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, weswegen er um eine nochmalige Überprüfung und Ausstellung eines Parkausweises ersuche, damit er wieder Normalität in sein Leben bringen könne. Der Beschwerdeführer schloss der Beschwerde keine neuen medizinischen Befunde an.

10. Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 02.12.2021 vor, wo dieser am selben Tag einlangte.

11. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 03.12.2021 eine Abfrage im Zentralen Melderegister durch, wonach der Beschwerdeführer österreichischer Staatsbürger ist, und seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.

II.     Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland.

Der Beschwerdeführer stellte am 22.03.2021 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.

Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1.       Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, PLIF L5/S1

2.       Abnützung linke Schulter

3.       Epicondylitis linker Ellbogen

4.       Depressio und Somatisierungsstörung

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 v. H.

Leiden 1 wird durch die weiteren Leiden nicht erhöht, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken vorliegt.

Die belangte Behörde wies den Antrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 29.07.2021 ab. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Der Beschwerdeführer beantragte mit Eingabe vom 20.10.2021 (eingelangt am 21.10.2021) bzw. mit dem am 09.11.2021 bei der belangten Behörde eingelangten Formular die Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO, welcher auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass gilt.

Die vom Beschwerdeführer mit diesem Antrag vorgelegten neuen Befunde sind nicht geeignet, eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes des Beschwerdeführers glaubhaft zu machen.

2.       Beweiswürdigung:

Die Feststellungen hinsichtlich der Antragsstellung basieren auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland basieren auf dem vom BVwG eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Der Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 28.05.2021, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am selben Tag.

Aufgrund dieses medizinischen Sachverständigengutachtens, wonach der Beschwerdeführer einen Grad der Behinderung von 30 v.H. aufweist, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers mit rechtskräftigem Bescheid vom 29.07.2021 ab.

Der Beschwerdeführer stellte am 21.10.2021 (einlangend) bzw. am 09.11.2021 einen Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO. Er legte dabei folgende Unterlagen vor:

-        Auszug aus einem Sachverständigengutachten nach der Einschätzungsverordnung eines Facharztes für Orthopädie, Untersuchung am 14.12.2018, GdB 40.v.H

-        Auszug aus einem Sachverständigengutachten nach der Einschätzungsverordnung einer Fachärztin für Neurologie, Untersuchung am 16.09.2019, GdB 40.v.H

-        Bestätigung der laufenden Psychotherapie vom 06.02.2021

-        Auszug aus einem Sachverständigengutachten nach der Einschätzungsverordnung einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin, Untersuchung am 28.05.2021, GdB 30.v.H

-        Auszug aus dem ärztlichen Entlassungsbericht des Gesundheitszentrums XXXX über den Aufenthalt vom 18.08.2021 bis 08.09.2021

-        Ärztlicher Befundbericht des Orthopädiezentrums XXXX vom 06.10.2021

Die von der belangten Behörde befasste medizinische Sachverständige kommt in ihrer Stellungnahme nach Durchsicht der vorgelegten Berichte zusammenfassend in ihrer sofortigen Beantwortung vom 11.11.2021 zu dem Ergebnis, dass die neu beigebrachten Befunde „Bestätigung über die Psychotherapie, Gesundheitszentrum XXXX und Ärztezentrum XXXX “ keine neuen Erkenntnisse bringen. Zudem ist im Entlassungbericht XXXX eine Gehstrecke von 15 Minuten bis 30 Minuten attestiert.

Aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen lässt sich daher nicht entnehmen, dass sich die Leidenszustände seit seinem letzten Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpass im März 2021 maßgeblich verschlechtert haben.

Wenn der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde angibt, dass er keinen Behindertenpass beantrage, sondern einen Parkausweis erhalten möchte, so ist ihm entgegen zu halten, dass die Ausstellung eines Behindertenpasses mit Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ die Voraussetzung für die Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO ist, weswegen dieses Argument ins Leere geht.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Zu Spruchteil A)

1.       Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgebliche Bestimmung des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lautet:

„§ 41. (2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.“

Im Beschwerdefall wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 22.03.2021 mit rechtskräftigem Bescheid vom 29.07.2021 ab, weil dieser mit einem medizinisch festgestellten Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt.

Am 20.10.2021 (eingelangt am 21.10.2021) stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO, welcher nach dem von diesem am 09.11.2021 vorgelegten Formular auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass gilt.

Nachdem der Beschwerdeführer bisher noch nicht Inhaber eines Behindertenpasses ist, gilt dieser Antrag daher primär auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Erst bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses, für welchen ein GdB von zumindest 50 v.H. erforderlich ist, ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel und damit auch für die Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO vorliegen.

Eine solche neuerliche Antragstellung innerhalb der Jahresfrist führt jedoch nach dem klaren Gesetzeswortlaut des § 41 Abs. 2 BBG nur dann nicht zu einer zurückweisenden Entscheidung ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) sind "offenkundig" solche Tatsachen, deren Richtigkeit - unter Bedachtnahme auf die Lebenserfahrung - der allgemeinen Überzeugung entsprechen bzw. allgemein bekannt sind (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 16.09.2008, Zl. 2008/11/0083). Eine "Offenkundigkeit" bringt es nach der genannten Rechtsprechung mit sich, dass eine Tatsache erkennbar ist, ohne dass eine Prüfung der individuellen Situation erforderlich ist.

Wie bereits oben in der Beweiswürdigung ausgeführt wurde, hat der Beschwerdeführer mit den neu vorgelegten medizinischen Unterlagen eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung im Sinne des § 41 Abs. 2 BBG unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht glaubhaft gemacht.

Die belangte Behörde hat daher mit dem angefochtenen Bescheid zu Recht den am 20.10.2021 eingelangten Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO, welcher nach dem von diesem am 09.11.2021 vorgelegten Formular auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass gilt, zurückgewiesen.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 erster Fall VwGVG unterbleiben, weil der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei zurückzuweisen war.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Antragstellung Behindertenpass Frist Grad der Behinderung offenkundige Änderung Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W261.2248923.1.00

Im RIS seit

28.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

28.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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