TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/20 W261 2248432-1

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Veröffentlicht am 20.12.2021
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Entscheidungsdatum

20.12.2021

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W261 2248432-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Richterin Mag.a Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und die Richterin Mag.a Karin RETTENHABER-LAGLER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr.in Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 28.07.2021, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin ist seit 17.03.2021 Inhaberin eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 von Hundert (in der Folge v.H.).

2. Am 17.03.2021 stellte sie beim Sozialministeriumservice (in der Folge „belangte Behörde“ genannt) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses samt Zusatzeintragungen und legte eine Reihe von ärztlichen Befunden vor.

3. Die belangte Behörde holte in weiterer Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 07.07.2021 erstatteten Gutachten vom selben Tag stellte die medizinische Sachverständige fest, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass aus medizinischer Sicht nicht vorlägen.

4. Die belangte Behörde übermittelte das genannte Gutachten der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 08.07.2021 im Rahmen des Parteiengehörs und räumt ihr die Möglichkeit ein, hierzu innerhalb einer Frist von zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben.

5. Die Beschwerdeführerin übermittelte eine Reihe (bereits vorgelegter) medizinischer Befunde an die belangte Behörde.

6. Die belangte Behörde ersuchte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 13.07.2021 erneut, eine schriftliche Stellungnahme abzugeben, die gesendeten Befunde würden sonst nicht beurteilt werden können.

7. Die Beschwerdeführerin übermittelte in weiterer Folge einen Arzt- und Patientenbrief ihrer behandelnden Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin vom 22.07.2021, wonach die Beschwerdeführerin unter Medikamenten sediert sei und ihr das Fahren in öffentlichen Verkehrsmitteln aufgrund ihrer psychiatrischen Störung unerträglich sei. Sie bekomme massive Angst, wenn sie mit fremden Menschen unterwegs sei.

8. Die belangte Behörde ersuchte die befasste medizinische Sachverständige um Abgabe einer ergänzenden Stellungnahme. In deren Stellungnahme vom 27.07.2021 führte die medizinische Sachverständige zusammenfassend aus, dass die vorgelegten medizinischen Befunde keine neuen Erkenntnisse bringen würden, ein Diabetes sei weiterhin nicht befundmäßig belegt, weswegen dieser nicht berücksichtigt werden könne. Somit ergebe sich keine Änderung der bereits durchgeführten Einschätzung.

9. Die belangte Behörde informierte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 28.07.2021 darüber, dass beabsichtigt sei, ihr einen Behindertenpass mit einem Gesamtgrad der Behinderung v on 50 v.H. auszustellen.

10. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 28.07.2021 wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG ab.

Die belangte Behörde schloss dem genannten Bescheid die ergänzende Stellungnahme in Kopie an.

11. Mit Schreiben vom 29.07.2021 übermittelte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin den Behindertenpass.

12. Gegen den Bescheid vom 28.07.2021 erhob die Beschwerdeführerin durch ihren Sohn fristgerecht die gegenständliche Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht.

Darin brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, dass sie nicht öffentlich fahren könne, da sie unter Angstzuständen leide und Panikattacken habe, sie zittere am ganzen Körper, sie habe Angst, wenn sie von vielen unbekannten Menschen umgeben sei. Ihre Söhne würden sie zu den Arztterminen führen, weil sie nicht in der Lage sei, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Sie sei Diabetikerin und spritze Insulin. Sie ersuche unter nochmaliger Übermittlung ihrer Befunde um eine neue Beurteilung.

Die Beschwerdeführerin schloss der Beschwerde medizinische Befunde an.

13. Die belangte Behörde nahm die Beschwerde zum Anlass, um einen medizinischen Sachverständigen aus dem Fachbereich der Psychiatrie mit der Erstellung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zu beauftragen. Die Beschwerdeführerin nahm den ihr zugewiesenen Untersuchungstermin nicht wahr. Ihr Sohn führte dazu aus, dass es seiner Mutter schlecht gehe, sie sei zittrig, habe Angstzustände, Panik und leide unter Harnverlust. Man könne aus den vorgelegten Befunden den Grad der Behinderung noch einmal anschauen und auch die Unzumutbarkeit der öffentlichen Verkehrsmittel beurteilen.

Trotz Hinweis der belangten Behörde, wonach eine persönliche Untersuchung erforderlich sei, führte deren Sohn in der Emailnachricht vom 08.09.2021 aus, dass seine Mutter bereits eine persönliche Untersuchung gehabt und auch einen Behindertenpass bekommen habe. Nachdem die belangte Behörde die Beschwerdeführerin neuerlich darauf hinwies, dass eine persönliche Untersuchung erforderlich sei, teilte der Sohn der Beschwerdeführerin per Email mit: „Ok bitte um nächstes zermin ihr gehts momentan sehr schlecht“ Die belangte Behörde informierte die Beschwerdeführerin mit Emailnachricht vom 09.09.2021 mit, dass ein Aktengutachten in Auftrag gegeben worden sei.

14. In dem aufgrund der Aktenlage erstellten medizinischen Sachverständigengutachten vom 21.09.2021 kam der medizinische Sachverständige aus dem Fachbereich der Psychiatrie zusammenfassend zum Ergebnis, dass die Orientierung und Gefahreneinschätzung im öffentlichen Raum ausreichend gegeben seien. Eine Klaustro-, Agora- oder Soziophobie als führendes Leiden sei anhand der vorgelegten medizinischen Befunde nicht dokumentiert. Eine diesbezüglich durchgehende psychotherapeutische Betreuung oder ein stationärer Aufenthalt an einer fachspezifischen Abteilung sei ebenfalls nicht dokumentiert. Eine maßgebliche Behinderung bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei nicht ausreichend begründbar.

14. Die belangte Behörde übermittelte dieses medizinische Sachverständigengutachten der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 24.09.2021 im Rahmen des Parteiengehörs.

15. In deren Stellungnahme vom 14.10.202, verfasst von ihrem Sohn, übermittelte diese einen aktuellen Arzt- und Patientenbrief ihrer behandelnden Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin vom 12.10.2021, wonach diese nirgendwo alleine hinfahren könne, sie müsse immer von ihren Söhnen geführt werden. Sie erhoffe sich, einen Parkausweis/Behindertenparkausweis zu bekommen, damit sie leichter parken könne. Sie habe immer wieder hyperglykämische Zustände und Panikgefühle, wenn sie unter vielen Menschen sei, weswegen es von Seiten ihrer Fachärztin Unterstützung bezüglich des Parkausweises gebe. Die Beschwerdeführerin bat, diesen Befund zu berücksichtigen und dies neuerlich zu überprüfen.

16. Die belangte Behörde ersuchte den befassten medizinischen Sachverständigen aus dem Fachbereich der Psychiatrie um die Abgabe einer Stellungnahme. In dessen Stellungnahme vom 11.11.2021 führte der medizinische Sachverständige aus dem Fachbereich der Psychiatrie aus, dass auch aus den vorlegten medizinischen Befunden keine neuen Erkenntnisse hätten gewonnen werden können, eine maßgebliche Behinderung der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei nicht ausreichend begründbar.

17. Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 18.11.2021 vor, wo dieser am 19.11.2021 einlangte.

18. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 24.11.2021 eine Abfrage im Zentralen Melderegister durch, wonach die Beschwerdeführerin serbische Staatsbürgerin ist, und ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.

19. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte der Beschwerdeführerin die Stellungnahme des medizinischen Sachverständigen aus dem Fachbereich der Psychiatrie vom 11.11.2021 mit Schreiben vom 25.11.2021 im Rahmen des Parteiengehörs und räumte dieser die Möglichkeit zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme ein. Keine der Parteien gab innerhalb der Stellungnahmefrist eine Stellungnahme ab.

II.     Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen

Die Beschwerdeführerin erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Die Beschwerdeführerin hat ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland und besitzt einen Behindertenpass.

Der Beschwerdeführerin ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin:

Derzeitige Beschwerden:

Laut Auskunft der Patientin: „Ich weiß meine Medikamente nicht, allerdings nehme ich psychiatrische Medikamente und etwas für den Zucker. Für den Zucker muss ich auch spritzen. Meine Befunde hat alle mein Sohn bereits geschickt. Alle 4-6 Wochen bin ich bei einer Psychiaterin. Es geht mir nicht gut, ich kann nicht schlafen, ich nehme so viele Tabletten, ich stehe in der Nacht auf und esse dann Süßes. Manchmal habe ich auch einen vermehrten Harndrang, wo ich auch einen Harnverlust habe, den ich nicht merke. Gott sei Dank habe ich meine Kinder, die erledigen alles für mich und machen alles für mich. Ich zittere, habe Angst- und Panikzustände. Derzeit beziehe ich auch Rehageld. Ich höre auch immer Stimmen, auch in der Nacht, ich höre ein Rufen, ich glaube das ist meine tote Großmutter. Ich glaube, dass sie immer bei mir ist."

Medikation (Therapieempfehlung der FA Psychiatrie, 01.07.2021):

Halcion 0,25 mg 0-0-2 - Psychopax 45 gtt bei Bedarf - Efectin 150 mg 1-0-0 - Sirdalud 4 mg 0-0-1 - Seroquel 25 mg 0-0-1 - Risperidon 1 mg 0-0-1 - Kemadrin 5 mg bei starken Gesichtszuckungen - Zolpidem 0-0-0-2 - Insulin lt. prakt. Arzt, Präparat und Dosis nicht vermerkt.

Allgemeinzustand: gut.

Ernährungszustand: adipös.

Größe: 160,00 cm Gewicht: 77,00 kg

Klinischer Status - Fachstatus:

Haut/-farbe: rosig sichtbare Schleimhäute gut durchblutet, Hautbild bland Caput: Visus: unauffällig, Hörvermögen nicht eingeschränkt Thorax. Symmetrisch, elastisch.

Cor: Rhythmisch, rein, normfrequent.

Pulmo: Vesikuläratmung, keine Atemnebengeräusche, keine Dyspnoe Abdomen: Bauchdecke: weich, kein Druckschmerz, keine Resistenzen tastbar.

Obere Extremität:

Symmetrische Muskelverhältnisse. Nacken und Schürzengriff beidseits möglich, Faustschluss, Spitzgriff beidseits möglich. Die übrigen Gelenke altersentsprechend frei beweglich.

Untere Extremität:

Zehenspitzen und Fersenstand, sowie Einbeinstand beidseits durchführbar, beide Beine von der Unterlage abhebbar, grobe Kraft nicht vermindert, freie Beweglichkeit in Hüftgelenken und Kniegelenken, keine Ödeme, keine Varikositas.

Wirbelsäule:

FB bis zum mittleren Unterschenkel Rotation und Seitwärtsneigung in allen Ebenen frei beweglich.

Gesamtmobilität - Gangbild: normales Gangbild.

Status Psychicus:

Bewusstsein: klar; Orientierung: in allen Qualitäten orientiert, Aufmerksamkeit, Konzentration: vermindert, antriebslos. Stimmung: depressiv, Befindlichkeit: negativ getönt, Mangelnde Compliance im klinisches Status " Alles tut weh."

Der Beschwerdeführerin hat folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

-        Rezidivierende depressive Störung, Angst- und Panikstörung mit nightly binge eating sowie dissoziative Störung

-        Insulinpflichtiger Diabetes mellitus

-        Entleerungsstörung der Blase

Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:

Es bestehen keine Bewegungseinschränkungen am Stütz- und Bewegungsapparat.

Das Zurücklegen von kurzen Wegstrecken von 300 bis 400 Meter ist der Beschwerdeführerin aus eigener Kraft zumutbar. Das Überwinden von Niveauunterschieden ist der Beschwerdeführerin möglich. Das Verwenden von Haltegriffen und Aufstiegshilfen ebenfalls uneingeschränkt möglich.

Der Transport in öffentliche Verkehrsmittel ist nicht eingeschränkt, auch die Sitzplatzsuche ist nicht eingeschränkt.

Es liegt keine schwere Erkrankung des Immunsystems vor.

Es liegt keine maßgebende Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vor, durch welche eine Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel zu begründen wäre.

Die Orientierung und Gefahreneinschätzung im öffentlichen Raum sind ausreichend gegeben. Eine Klaustro-, Agora- oder Soziophobie als führendes Leiden ist nicht dokumentiert. Eine diesbezüglich durchgehende psychotherapeutische Betreuung oder ein stationärer Aufenthalt an einer fachspezifischen Abteilung ebenfalls nicht dokumentiert.

Eine maßgebliche psychische Behinderung bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist nicht ausreichend begründbar.

2.       Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen, dem Wohnsitz der Beschwerdeführerin im Inland und zum Behindertenpass ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Die Feststellungen zu Art, Ausmaß und Auswirkungen der Funktionseinschränkungen auf die Zumutbarkeit zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gründen sich – in freier Beweiswürdigung – in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:

Die von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 07.07.2021, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am selben Tag und eines Facharztes für Psychiatrie vom 21.09.2021 aufgrund der Aktenlage sind in sich schlüssig und nachvollziehbar. Die medizinischen Sachverständigengutachten weisen keine Widersprüche auf. Es wird darin auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Auch wird zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel eingehend Stellung genommen und nachvollziehbar ausgeführt, dass es der Beschwerdeführerin – trotz der vorliegenden psychischen Funktionseinschränkungen – möglich und zumutbar ist, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.

Bei der Beschwerdeführerin stehen psychische Leiden im Vordergrund. So führt sie durch ihren Sohn in den Stellungnahmen und in der Beschwerde mehrfach aus, dass sie zittrig sei, unter Angst- und Panikattacken leide und es ihr nicht möglich sei, im Umfeld von fremden Menschen zu bewegen. Dem ist entgegen zu halten, dass auch die von ihr vorgelegten medizinischen Befunde ihrer behandelnden Ärztin für Psychiatrie keine nachvollziehbare Diagnose enthalten, welche Angst- und Panikattacken anhand des erhobenen psychiatrischen Fachstatus schlüssig erscheinen lassen. Die bloße Wiedergabe der Symptome der Beschwerdeführerin in der Anamnese vermag nicht einen psychiatrischen Befund zu ersetzen.

Ärztliche Atteste, die lediglich Schlussfolgerungen enthalten, aber keinen Befund, aus dem diese Schlussfolgerungen nachvollziehbar ableitbar wären, sind nicht geeignet, Bedenken gegen das vollständige und schlüssige Gutachten eines Amtssachverständigen zu erwecken (VwGH 02.05.2001, 95/12/0260; 22.03.1995, 94/12/0245).

Vielmehr bestätigt auch der von der belangten Behörde beigezogene medizinische Sachverständige aus dem Fachbereich der Psychiatrie schlüssig und nachvollziehbar, dass bei der Beschwerdeführerin die Orientierung und Gefahreneinschätzung im öffentlichen Raum ausreichend gegeben ist. Dies wird auch von der medizinischen Sachverständigen aus dem Fachbereich der Allgemeinmedizin nach dem persönlichen Eindruck über die Beschwerdeführerin anlässlich der Untersuchung am 07.07.2021 bestätigt, wenn sie ihn ihrem Gutachten ausführt, dass die Beschwerdeführerin in allen Umständen orientiert war. Zwar war die Aufmerksam vermindert und vermittelte die Beschwerdeführerin einen antriebslosen Eindruck, was eines der Symptome ihrer Grunderkrankung, der Depression, ist. Eine Klaustro-, Agora- oder Soziophobie als führendes Leiden ist jedenfalls durch die vorgelegten Befunde nicht dokumentiert, wie dies der medizinische Sachverständige aus dem Fachbereich der Psychiatrie in seinem Gutachten vom 21.09.2021 richtig ausführt. Ebenso wenig ist eine durchgehende psychotherapeutische Betreuung oder ein stationärer Aufenthalt an einer fachspezifischen Abteilung wegen dieser Erkrankungen dokumentiert. Damit steht auch fest, dass selbst bei Vorliegen dieser psychiatrischen Erkrankung die hierfür möglichen Therapien von der Beschwerdeführerin nicht ausgeschöpft wurden.

Daraus folgt zusammenfassend, dass das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300 bis 400 Meter der Beschwerdeführerin mangels körperlicher Einschränkungen selbständig möglich ist. Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die folgende Krankheitsbilder umfassen: Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10, sind im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen. Ebenso wenig besteht ein Hinweis auf eine Erkrankung des Immunsystems.

Die Beschwerdeführerin ist ihrem Vorbringen in der Beschwerde bzw. in deren Stellungnahmen den oben genannten medizinischen Sachverständigengutachten im Lichte obiger Ausführungen daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es der Antragstellerin, so sie der Auffassung ist, dass ihre Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der genannten Sachverständigengutachten und werden diese Sachverständigengutachten in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1.       Zur Entscheidung in der Sache:

Der Vollständigkeit halber wird zunächst darauf hingewiesen, dass mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 28.07.2021, der Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz (in der Folge kurz BBG) abgewiesen wurde. Verfahrensgegenstand ist somit nicht die Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung, sondern ausschließlich die Prüfung der Voraussetzungen der Vornahme der beantragten Zusatzeintragung.

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

§ 42 (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

§ 45 (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 46 Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

§ 47 Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“

§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idg F BGBl II Nr. 263/2016 lautet – soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:

„§ 1 ….

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. …….

2. ……

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-        erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-        erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-        erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-        eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-        eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(6)……“

In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 wird unter anderem - soweit im gegenständlichen Fall relevant - Folgendes ausgeführt:

"Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (neu nunmehr § 1 Abs. 4 Z. 3, BGBl. II Nr. 263/2016):

Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion – das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen – ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe „erheblich“ und „schwer“ werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-        arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-        Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

-        hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

-        Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

-        COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

-        Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

-        mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss benützt werden.

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

-        Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

-        hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

-        schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

-        nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

-        anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID – sever combined immundeficiency),

-        schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

-        fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

-        selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:

-        vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,

-        laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,

-        Kleinwuchs

-        gut versorgte Ileostoma, Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss. Es kommt weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar,

-        bei Inkontinenz, da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen. Lediglich bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar.

…“

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob die Antragstellerin dauernd an ihrer Gesundheit geschädigt ist, und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).

Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit der Beschwerdeführerin zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hierbei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Bei der Beurteilung der zumutbaren Wegstrecke geht der Verwaltungsgerichtshof von städtischen Verhältnissen und der durchschnittlichen Distanz von 300 bis 400 Metern bis zur nächsten Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels aus (VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013).

Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt – auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen -, wurde im eingeholten Sachverständigengutachten eiern Ärztin für Allgemeinmedizin vom 07.07.2021, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführerin am 07.07.2021, nachvollziehbar verneint, dass im Fall der Beschwerdeführerin – trotz der bei ihr vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen – die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass vorliegen. Auch die bei der Beschwerdeführerin attestierten psychiatrischen Erkrankungen vermögen nach dem von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für Psychiatrie vom 21.09.2021 nicht das Ausmaß erreichen, welche es dieser unmöglich machen, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Mit dem Vorliegen der bei der Beschwerdeführerin objektivierten aktuellen Funktionsbeeinträchtigungen vermag die Beschwerdeführerin noch nicht die Überschreitung der Schwelle der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.

Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in Betracht kommt.

2.       Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde, auf die über Veranlassung der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten, welche teilweise auf einer persönlichen Untersuchung beruhen sowie eine Ergänzung zu diesen Sachverständigengutachten, welche auf alle Einwände und vorgelegten Befunde der Beschwerdeführerin in fachlicher Hinsicht eingehen, und welchen die Beschwerdeführerin im Rahmen des ihr eingeräumten Parteiengehörs nicht substantiiert entgegengetreten ist. Die strittige Tatsachenfrage, genauer die Art und das Ausmaß der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers und damit verbunden die Frage der Zumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, sind einem Bereich zuzuordnen, der von einem Sachverständigen zu beurteilen ist. Die Beschwerdeführerin hat keine mündliche Beschwerdeverhandlung beantragt. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass öffentliche Verkehrsmittel Sachverständigengutachten Zumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W261.2248432.1.00

Im RIS seit

28.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

28.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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