Entscheidungsdatum
12.01.2022Norm
BFA-VG §22a Abs1Spruch
W171 2223852-15/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter über die Beschwerden des XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit Russische Föderation alias Afghanistan, vertreten durch die Deserteurs- u. Flüchtlingsberatung, gegen
a) die Festnahme und Anhaltung des Beschwerdeführers von 05.09.2019 bis 06.09.2019
b) die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom 04.10.2019 bis 27.11.2020, ausgenommen die Anhaltung jeweils zum Zeitpunkt der Erlassung der nach § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.01.2020, 30.01.2020, 27.02.2020, 23.03.2020, 20.04.2020, 15.05.2020, 10.06.2020, 07.07.2020, 12.08.2020, 09.09.2020, 07.10.2020, 02.11.2020 und 27.11.2020
c) gegen die Anhaltung des BF in Schubhaft am 14.01.2021
zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde gegen die Festnahme und Anhaltung des BF von 05.09.2019, 21:05 bis 06.09.2019, 12:00 (a) wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 1 iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.
II. Die Beschwerde gegen die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom 04.10.2019 bis 27.11.2020, ausgenommen die Anhaltung jeweils zum Zeitpunkt der Erlassung der nach § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.01.2020, 30.01.2020, 27.02.2020, 23.03.2020, 20.04.2020, 15.05.2020, 10.06.2020, 07.07.2020, 12.08.2020, 09.09.2020, 07.10.2020, 02.11.2020 und 27.11.2020 (b) wird gemäß § 76 Abs. 2 Zi. 2 FPG iVm §22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.
III. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG und § 76 Abs. 2 Zi. 2 FPG wird festgestellt (c), dass am 14.01.2021 die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorlagen.
IV. Gemäß § 35 VwGVG iVm VwG-Aufwandersatzverordnung hat der Beschwerdeführer dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 für die Beschwerde a) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
V. Gemäß § 35 VwGVG iVm VwG-Aufwandersatzverordnung hat der Beschwerdeführer dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 für die Beschwerde b) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
VI. Gemäß § 35 VwGVG iVm VwG-Aufwandersatzverordnung hat der Bund dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von € 767,60 (darin enthalten € 30,-- für begehrten Ersatz der Eingabegebühr) für die Beschwerde c) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet) reiste unrechtmäßig nach Österreich ein und stellte am 16.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei seiner am 18.10.2015 durchgeführten Erstbefragung gab er an den Namen XXXX zu führen und Staatsangehöriger Afghanistans zu sein. Diese Identitätsdaten nannte er auch bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt, Behörde oder BFA bezeichnet) am 13.07.2017. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 17.08.2017 vollinhaltlich abgewiesen. Gleichzeitig wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, es wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist. Als Frist für die freiwillige Ausreise wurden 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.10.2018 abgewiesen.
2. Am 20.03.2019 stellte der BF einen Asylfolgeantrag und gab an den Namen XXXX zu führen, am XXXX in XXXX geboren worden zu sein und Staatsangehöriger der Russischen Föderation zu sein. Am 09.04.2019 wurde der BF vom Bundesamt einvernommen und bekräftigte, kein afghanischer Staatsangehöriger, sondern Staatsangehöriger der Russischen Föderation zu sein. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 18.04.2019 wurde der faktische Abschiebeschutz auf Grund des Asylfolgeantrages aufgehoben. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.05.2019 wurde festgestellt, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes zu Recht erfolgte.
3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 10.04.2019 wurde über den BF Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Dieser Bescheid wurde nach Entlassung des BF aus der Strafhaft in Vollzug gesetzt.
4. Am 07.05.2019 wurde der BF – nachdem ihm von der afghanischen Vertretungsbehörde ein Heimreisezertifikat erteilt worden war – nach Afghanistan überstellt. Da der BF weiterhin behauptete Staatsangehöriger der Russischen Föderation zu sein, verweigerten die afghanischen Behörden die Übernahme des BF, weshalb er nach Österreich zurückgebracht werden musste und am 09.05.2019 neuerlich nach Österreich einreiste.
5. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 10.05.2019 wurde neuerlich Schubhaft über den BF angeordnet. Am selben Tag wurde der BF nochmals der afghanischen Vertretungsbehörde vorgeführt, wiederum als afghanischer Staatsangehöriger identifiziert und ein weiteres (zweites) Heimreisezertifikat für ihn ausgestellt.
6. Am 29.05.2019 wurde der BF neuerlich nach Afghanistan überstellt und den dortigen Behörden übergeben. Obwohl er weiterhin behauptete kein afghanischer Staatsangehöriger zu sein, übernahmen die afghanischen Behörden nach Telefonaten mit dem Konsulat in Wien den BF.
7. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 07.06.2019 wurde der Asylfolgeantrag gemäß § 68 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem auf die Dauer von 10 Jahren befristeten Einreiseverbot erlassen. Diese Entscheidung wurde der damaligen Rechtsvertreterin des BF zugestellt und ist in Rechtskraft erwachsen.
8. Am 05.09.2019 reiste der BF auf Grund des mit Afghanistan abgeschlossenen Rückübernahmeabkommens erneut nach Österreich ein. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 06.09.2019 wurde über den BF ein weiters Mal Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.10.2019 abgewiesen und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft vorlagen.
Aufgrund eines gerichtlichen Ersuchens wurde der BF am 15.04.2020 durch ein Organ des Bundesamtes zu seiner aktuellen Lage in der laufenden Schubhaft in russischer Sprache einvernommen. Dabei brachte der BF im Wesentlichen vor, dass sich an seinen persönlichen Verhältnissen seit der letzten Einvernahme nichts geändert habe, er an keinen Erkrankungen oder Beschwerden leide und es ihm gesundheitlich gut gehe. Gegen eine Fortsetzung der Schubhaft spreche, dass er Freunde und soziale Bindungen habe und ihm die Schubhaft psychisch nicht gut tue.
9. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.01.2020, 30.01.2020, 27.02.2020, 23.03.2020, 20.04.2020, 15.05.2020, 10.06.2020, 07.07.2020, 12.08.2020, 09.09.2020, 07.10.2020, 02.11.2020 und 27.11.2020 wurde in der Folge weiterhin festgestellt, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft jeweils vorlagen.
10. Am 08.06.2020 wurde der BF der Konsularabteilung der tadschikischen Botschaft vorgeführt. Da der BF kein tadschikisch spricht, wurde das Interview in russischer Sprache geführt. Der BF gab an, er sei aus Tschetschenien, dort aufgewachsen und im Alter von 7 Jahren nach Moskau gezogen. Seine Eltern wären verstorben. Er könne aber nicht zurück nach Tschetschenien, da er dort Probleme habe. Auch sei es ihm unerklärlich, weshalb er nach Afghanistan abgeschoben worden sei.
Das HRZ Verfahren mit Tadschikistan wurde ad acta gelegt, da nach Auskunft der tadschikischen Botschaft keine Berührungspunkte mit Tadschikistan vorliegen.
11. Mit 01.07.2020 wurde ein neuerliches HRZ – Verfahren mit Afghanistan eingeleitet. Seitens der HRZ- Abteilung wurde zugesichert, dass eine HRZ- Ausstellung in Bezug auf Afghanistan stattfinden werde, nach dem Einlangen einer negativen Antwort der russischen Vertretungsbehörde. Aufgrund der Tatsache, dass schon zwei Mal ein HRZ für Afghanistan ausgestellt worden sei, sei auch nach Vorlage der Ablehnungen von Russland/Tadschikistan mit einer dritten HRZ Ausstellung zu rechnen.
12. Am 12.08.2020 langte auf Anforderung des BVwG ein aktuelles amtsärztliches Gutachten vom gleichen Tag ein, welches die weitere Haftfähigkeit des BF bestätigte.
13. Der BF wurde am 27.11.2020 aufgrund einer COVID – 19 Erkrankung aus der Schubhaft entlassen und in ein Spital gebracht. Nach seiner Genesung wurde dieser aus der Spitalsbehandlung entlassen und am 07.12.2020 erneut festgenommen, in ein Polizeianhaltezentrum verbracht und über ihn am selben Tag die Schubhaft verhängt.
14. Mit Schriftsatz vom 07.01.2021 (bei Gericht eingelangt am 08.01.2021) wurde gegen den Schubhaftbescheid vom 07.12.2020 und die Anhaltung des BF in Schubhaft seit 07.12.2020, sowie gegen vorangegangene Schubhaftbescheide vom 10.04.2019, 10.05.2019 und 06.09.2019 und die damit verbundenen Anhaltungen in (Schub)haft Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit erhoben. In diesem umfangreichen und schwer lesbaren Beschwerdeschriftsatz wird im Wesentlichen neben vielen anderen Gründen vorgebracht, der BF sei weder bei seinem ersten noch bei seinem zweiten Überstellungsversuch nach Afghanistan aus seiner Anhaltung entlassen worden und seien die weiteren Schubhaftbescheide sohin rechtswidrig ergangen. Der BF befinde sich daher in Wahrheit mittlerweile bereits fast 16 Monate in Schubhaft und sei seinerzeit der Sachverhalt unter eine falsche Ziffer des § 80 FPG subsumiert worden, weshalb die maximale Anhaltung lediglich 6 Monate betragen hätte dürfen. Im aktuell vollzogenen Bescheid hätte die Behörde näher ausführen müssen, weshalb davon ausgegangen werde, dass nunmehr eine Abschiebung des BF nach Afghanistan erfolgreich sein würde, zumal bisher bereits zwei Abschiebeversuche dorthin gescheitert seien (Effektuierbarkeit).
Auf Seite 5 der Beschwerde wird aufgeführt, dass diese sich gegen die Anordnungen der Schubhaft mittels Bescheid vom 10.04.2019, bzw. 10.05.2019, bzw. 06.09.2019 sowie insgesamt die fortdauernde Anhaltung richte, sofern diese auf Grundlage des BFA-VG beruhe und vom Anfechtungsumfang des § 22a Abs. 1 BFA-VG erfasst sei. Nachfolgend wird im Schriftsatz konstatiert, dass es „wohl bekannt sei“, dass gewisse Fristen ggf. bereits abgelaufen seien, dennoch werde dies zur Dokumentation des Sachverhalts und der seit 10.04.2019 andauernden Freiheitsentziehung des BF als Beweis im gegenständlichen Verfahren erhoben.
Das Beschwerderecht hinsichtlich der angeführten Bescheide sei nicht verjährt, da der BF bisher gehindert gewesen sei, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, da ein Freiheitsentzug in erkennbarer Weise beseitigt werden müsse, was nicht geschehen sei.
Begehrt wurde die Stattgabe sämtlicher Anträge, die Einholung eines psych. Gutachtens, die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung sowie Kostenersatz gem. der Pauschalersatzverordnung.
15. Die Behörde legte die Akten vor, gab eine Stellungnahme im Rahmen des Akteninhalts ab und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Dabei wurde näher ausgeführt, dass mit 12.09.2020 neuerlich eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig ausgesprochen sowie ein 10-jähriges Einreiseverbot über den BF verhängt wurde. Am 09.12.2020 sei seitens der Konsularabteilung der russischen Föderation mitgeteilt worden, dass der BF kein russischer Staatsangehöriger sei. Die afghanische Botschaft habe eine Zusammenarbeit nach einer Ablehnung durch die russische und tadschikische Botschaft stets zugesichert und sei der BF daher für einen Vorführtermin bei der afghanischen Botschaft anfangs Februar nach dem Lockdown, vorgemerkt. Es sei geplant, den BF mit dem nächsten Charter am 23.02.2021 nach Afghanistan abzuschieben und werde mit einer diesbezüglich rechtzeitigen HRZ Ausstellung bis dahin gerechnet. Trotz der derzeitigen Pandemie habe am 15.12.2020 eine Abschiebung nach Afghanistan mittels Charter erfolgreich durchgeführt werden können.
Beantragt wurde die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
16. Zur Erhebung des aktuellen Gesundheitszustandes und der weiteren Haftfähigkeit holte das erkennende Gericht am 13.01.2021 die gutachtliche Stellungnahme des Amtsarztes im Polizeianhaltezentrum ein.
17. Der Spruch des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.01.2021 lautete wie folgt:
„I. Die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 10.04.2019 und die darauffolgende Anhaltung in Schubhaft von 10.04.2019 bis 07.05.2019 (Beschwerde a)) wird gemäß § 76 Abs. 2 Zi. 2 FPG iVm §22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 7 Abs. 4 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.
II. Die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 10.05.2019 und die Anhaltung in Haft vom 09.05.2019 bis 29.05.2019 (Beschwerde b)) wird gemäß § 76 Abs. 2 Zi. 2 FPG iVm §22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 7 Abs. 4 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.
III. Die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 06.09.2019 und die Anhaltung in Haft von 05.09.2019 bis 27.11.2020 (Beschwerde c)) wird gemäß § 76 Abs. 2 Zi. 2 FPG iVm §22a Abs. 1 BFA-VG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
IV. Der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 07.12.2020 sowie gegen die darauffolgende Anhaltung in Schubhaft seit dem 07.12.2020 (d) wird gemäß § 76 Abs. 2 Zi. 2 iVm. § 22a Abs. 1 BFA-VG stattgegeben und die Anhaltung in Schubhaft vom 07.12.2020 bis 14.01.2021 für rechtswidrig erklärt.
V. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG und § 76 Abs. 2 Zi. 2 FPG wird jedoch festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
VI. Gemäß § 35 VwGVG iVm VwG-Aufwandersatzverordnung hat der Beschwerdeführer dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 für die Beschwerde a) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Der Antrag auf Kostenersatz des Beschwerdeführers wird abgewiesen.
VII. Gemäß § 35 VwGVG iVm VwG-Aufwandersatzverordnung hat der Beschwerdeführer dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 für die Beschwerde b) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Der Antrag auf Kostenersatz des Beschwerdeführers wird abgewiesen.
VIII. Gemäß § 35 VwGVG iVm VwG-Aufwandersatzverordnung hat der Beschwerdeführer dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 für die Beschwerde c) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Der Antrag auf Kostenersatz des Beschwerdeführers wird abgewiesen.
IX. Die Kostenersatzanträge der Parteien hinsichtlich der Beschwerde zu d) werden gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.“
18. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 11.05.2021, XXXX wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts teilweise aufgehoben. Der Spruch lautete wie folgt:
„Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Spruchpunkte A.I. und A.II. des angefochtenen Erkenntnisses, mit denen die gegen die Schubhaftbescheide vom 10. April 2019 und vom 10. Mai 2019 und gegen die Festnahme am 9. Mai 2019 sowie gegen die Anhaltung des Revisionswerbers vom 10. April 2019 bis 7. Mai 2019 und vom 9. Mai 2019 bis 29. Mai 2019 erhobene Beschwerde als verspätet zurückgewiesen wurde, und gegen die diesbezüglichen Kostenentscheidungen in den Spruchpunkten A.VI. und A.VII. des angefochtenen Erkenntnisses richtet, zurückgewiesen.
(…)
1.1. Spruchpunkt A.III. des angefochtenen Erkenntnisses wird, soweit damit die gegen die Festnahme des Revisionswerbers am 5. September 2019 und gegen die anschließende Anhaltung bis zur Erlassung des Schubhaftbescheides vom 6. September 2019 erhobene Beschwerde wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
1.2. Die Revision wird, soweit sie sich gegen die mit Spruchpunkt A.III. des angefochtenen Erkenntnisses (auch) vorgenommene Zurückweisung wegen entschiedener Sache der gegen den Schubhaftbescheid vom 6. September 2019 und gegen die anschließende Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft bis zur Erlassung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 4. Oktober 2019 und gegen die Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft jeweils zum Zeitpunkt der Erlassung der nach § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes (beginnend vom 3. Jänner 2020 und zuletzt vom 27. November 2020) erhobenen Beschwerde richtet, als unbegründet abgewiesen.
1.3. Spruchpunkt A.III. des angefochtenen Erkenntnisses wird, soweit damit die gegen die Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft im Zeitraum nach der Erlassung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 4. Oktober 2019 bis zur Erlassung seines Erkenntnisses vom 27. November 2020 erhobene Beschwerde wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde, - ausgenommen die von der Abweisung der Revision mit Punkt II.1.2. erfasste Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft jeweils zum Zeitpunkt der Erlassung der nach § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes (beginnend vom 3. Jänner 2020 und zuletzt vom 27. November 2020) - wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
1.4. Spruchpunkt A.VIII. des angefochtenen Erkenntnisses wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
2. Spruchpunkt A.V. des angefochtenen Erkenntnisses, mit dem die Zulässigkeit der Fortsetzung der Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft festgestellt wurde, und die Kostenentscheidung im Spruchpunkt A.IX. des angefochtenen Erkenntnisses, soweit damit der Aufwandersatzantrag des Revisionswerbers abgewiesen wurde, werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
(…)“
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1. Zur Person:
1.1. Der BF reiste illegal in das Bundesgebiet ein und ist afghanischer Staatsangehöriger. Er ist Fremder i.S.d. Diktion des FPG.
1.2. Er stellte am 16.10.2015 und am 20.03.2019 je einen Antrag auf internationalen Schutz. Bisher hat der BF keinen gültigen dauerhaften Aufenthaltstitel in Österreich erhalten und wurden Rückkehrentscheidungen auch i.V.m. einem Einreiseverbot rechtskräftig erlassen.
1.3. Der BF leidet an keinen nennenswerten Erkrankungen.
1.4. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 12.12.2018 wurde der BF wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs. 1 dritter Fall Strafgesetzbuch - StGB, wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 2 und Abs. 5 Z. 1 StGB, wegen des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB, wegen des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 StGB und wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, wovon ein Teil von 10 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt.
1.5. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 24.01.2019 wurde der BF wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 4 StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 7 Monaten verurteilt. Der BF hat am 10.09.2018 einer Person dadurch eine schwere Körperverletzung zugefügt, dass er dieser einen Faustschlag ins Gesicht versetzte, die Person zu Boden warf und der am Boden liegenden Person einen Fußtritt gegen den Kopf versetzte, wodurch die Person eine zweifache Unterkieferfraktur linksseitig mit Verschiebung der Bruchenden und Lockerung von zwei Zähnen erlitt.
2. Zu den allgemeinen Voraussetzungen der Schubhaft:
2.1. Seit dem 12.07.2019 besteht gegen den BF eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung sowie ein Einreiseverbot für 10 Jahre.
2.2. Der BF wurde bereits als afghanischer Staatsangehöriger identifiziert und bereits zwei Mal für ihn ein Heimreisezertifikat ausgestellt. Eine russische oder tadschikische Staatsangehörigkeit konnte bisher nicht festgestellt werden bzw. wurde die Anerkennung einer Staatsangehörigkeit des BF von diesen Staaten verweigert.
2.3. Der BF war haftfähig.
3. Zum Sicherungsbedarf:
3.1. Gegen den BF lag eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.
3.2. Der BF hat am 09.10.2018 seine ihm zugewiesene Unterkunft im Rahmen der Grundversorgung verlassen und ist untergetaucht. Er hat sich dadurch dem Verfahren entzogen.
3.3. Im Zuge des Folgeantragsverfahrens wurde dem BF rechtsgültig der faktische Abschiebeschutz entzogen.
3.4. Er war nicht vertrauenswürdig.
3.5. Er war nicht rückreisewillig und nicht kooperativ.
3.6. Der BF stellte am 20.03.2019 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Zu diesem Zeitpunkt bestand gegen den BF bereits eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme.
4. Zur familiären/sozialen Komponente:
4.1. In Österreich bestehen keine familiären und sonstigen nennenswerten sozialen Beziehungen.
4.2. Der BF geht im Inland keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, ist nicht selbsterhaltungsfähig und nicht im Besitz von wesentlichen Barmitteln.
4.3. Er verfügte nicht über einen gesicherten Wohnsitz in Österreich.
5. Zur Festnahme am 05.09.2019 und zur Anhaltung vom 05.09.2019, 21:05 bis 06.09.2019, 12:00:
5.1. Am 03.09.2019 wurde gegen den BF ein Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG erlassen.
5.2. Der BF wurde nach seiner Rücküberstellung aus Afghanistan am 05.09.2019 um 21:05 Uhr festgenommen und er befand sich bis 06.09.2019, 12:00 Uhr, in Verwaltungsverwahrungshaft. Am 06.09.2019 um 12:00 wurde über den BF die Schubhaft verhängt.
6. Zur Haft von 04.10.2019 bis 27.11.2020:
6.1. Die den Zeitraum von 04.10.2019 bis 27.11.2020 betreffende Haft wurde durch Entlassung und Überstellung des BF in eine Krankenanstalt zur COVID-19 Behandlung sowohl faktisch als auch rechtlich beendet.
6.2. Durch das Erkenntnis des BVwG vom 04.10.2019 wurde der Bescheid des BFA vom 06.09.2019 einer gerichtlichen Prüfung unterzogen. Die weitere Anhaltung bis zum 27.11.2020 unterlag gerichtlicher Überprüfungen vom 03.01.2020, 30.01.2020, 27.02.2020, 23.03.2020, 20.04.2020, 15.05.2020, 10.06.2020, 07.07.2020, 12.08.2020, 09.09.2020, 07.10.2020, 02.11.2020 und 27.11.2020.
7. Zur Effektuierbarkeit:
7.1. Die afghanische Botschaft hat den BF bereits als afghanischen Staatsangehörigen identifiziert und zwei Mal ein Heimreisezertifikat für ihn ausgestellt.
7.2. Die russische Botschaft hat mit Schreiben vom 09.12.2020 eine Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF ausgeschlossen, da es sich bei seiner Person nicht um einen Angehörigen der RF handelt.
7.3. Die Vertretung von Tadschikistan hat bereits ebenso die Anerkennung des BF als Staatsangehöriger abgelehnt.
7.4. Der BF spricht flüssig, aber fehlerhaft und mit Akzent Russisch auf dem gleichen Niveau, wie er Deutsch spricht. Russisch ist nicht die Muttersprache des BF. Der BF spricht auch Dari und wurden die Verfahren zu Beginn ausschließlich in Dari geführt. Probleme bei der Verständigung sind in diesen Verfahren nicht ans Tageslicht gekommen.
7.5. Der nächste Abschiebecharterflug nach Afghanistan war für den 23.02.2021 geplant.
7.6. Der BF wurde am 19.02.2021 aus der Schubhaft in das gelindere Mittel entlassen.
7.7. Am 07.03.2021 verweigerte die afghanische Botschaft die Zustimmung zur Erteilung eines Heimreisezertifikats.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die Akten des Bundesamtes, in den verfahrensgegenständlichen Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, in die Akten des Bundesverwaltungsgerichtes die Asylverfahren des BF und die vorhergehenden amtswegigen Prüfungen betreffend sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres und das IZR.
2.1. Zur Person und zum Verfahrensgang (1.1.-1.5.):
Der Verfahrensgang sowie die Feststellungen zur Person des BF ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde und dem gerichtlichen Vorakt sowie dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes (1.1.). Die Feststellung zu 1.2. hinsichtlich der Asylanträge und des Bestehens der durchsetzbaren Rückkehrentscheidungen ergibt sich aus einer Einsicht in das IZR. Aufgrund des amtsärztlichen Gutachtens vom 13.01.2021 ergibt sich, dass der BF keine nennenswerten Erkrankungen hat (1.3.) Das Gericht konnte daher davon ausgehen, dass der BF im Wesentlichen gesund ist. Die strafgerichtlichen Verurteilungen waren dem Strafregister zu entnehmen (1.4. u. 1.5.).
2.2. Zu den allgemeinen Voraussetzungen der Schubhaft (2.1.-2.3.):
Die Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidungen vom 23.10.2018 und 07.06.2019 sowie des Einreiseverbots für 10 Jahre ergibt sich jeweils aus den vorgelegten Verwaltungsakten (IZR) und wurde dies seitens des Beschwerdeführers auch nicht in Zweifel gezogen (2.1.).
Die Feststellung zu 2.2. ergibt sich aus den Angaben im Akt woraus hervorgeht, dass der BF bereits zweimal mit einem gültigen Heimreisezertifikat nach Afghanistan ausgereist ist. Dies ist auch unstrittig. Nach den Ausführungen in der Stellungnahme des BFA vom 08.01.2021 liegt nun eine definitive Erklärung der russischen Botschaft vor, dass es sich beim BF nicht um einen Angehörigen der russischen Föderation handelt. Am 08.06.2020 teilte die tadschikische Konsularabteilung mit, dass der BF auch nicht aus Tadschikistan stammen würde. Bisher wurden daher nur von Afghanistan Heimreisezertifikate für den BF ausgestellt. Die Feststellung zur Haftfähigkeit (2.3.) ergibt sich im Wesentlichen aus dem amtsärztlichen Gutachten vom 13.01.2021, welches durch das Gericht eingeholt wurde. Hiezu wird angemerkt, dass sich aus den gesundheitsrelevanten Informationen der letzten Monate vor dem 13.01.2021 keinerlei Anhaltspunkte für eine haftausschließende Beeinträchtigung der Gesundheit des BF ergibt.
2.3. Zum Sicherungsbedarf (3.1.-3.6.):
Das Vorliegen einer durchsetzbaren und aufenthaltsbeendenden Maßnahme ergibt sich bereits aus dem Akteninhalt. Mit Erkenntnis des BVwG vom 23.10.2018 und mit Bescheid des BFA vom 07.06.2019 wurde je eine sodann rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung betreffend des BF ausgesprochen (3.1.). Aus einem Bericht im Behördenakt ergibt sich, dass der BF am 09.10.2018 seine Meldeadresse verließ und nichtmehr dorthin zurückkehrte. Der BF hat sich daher durch sein Untertauchen jeglichem weiteren Verfahren seinerzeit entzogen (3.2.).
Die Feststellung zu 3.3. ergibt sich aus dem Akteninhalt bzw. aus den diesbezüglichen Eintragungen im IZR.
Aus dem gesamten Verhalten des BF ergibt sich, dass dieser nicht vertrauenswürdig ist. Dies zeigt sich auch dadurch, dass der BF bereits insgesamt zwei Asylanträge gestellt hat und auch untergetaucht ist. Aus dem Verfahrensakt lässt sich zudem entnehmen, dass der BF seit seiner Ankunft in Österreich über unterschiedliche Identitäten verfügte und so die Arbeit der Behörden massiv behinderte, was ebenso nicht zu seiner Vertrauenswürdigkeit beitragen konnte. Der BF wurde mehrfach straffällig und hat einen Antrag auf freiwillige Rückkehr nach kurzer Zeit wieder zurückgezogen (3.4.). Die fehlende Rückreisewilligkeit lässt sich aus dem Gesamtverhalten des BF ebenso klar erkennen, da der BF bereits zweimal die Übernahme durch Afghanistan zu verhindern wusste und trotz bestehender Rückkehrentscheidung bisher von sich aus keinerlei Schritte zur eigenen Ausreise unternommen hat. Es handelt sich dabei nach Ansicht des Gerichtes nicht nur um schlichte Ausreiseunwilligkeit, da sich der BF nicht nur entschlossen hat, bei den bisherigen Abschiebungen nicht mitzuwirken, sondern diese auch durch sein Verhalten aktiv zu ver- bzw. behindern. Der BF kann daher auch nicht als kooperativ bezeichnet werden (3.5.).
Aus der Chronologie der Asylverfahren ergibt sich, dass zum Zeitpunkt der Folgeantragstellung am 02.03.2019 bereits seit dem Erkenntnis des BVwG vom 23.10.2018 eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, sohin eine aufenthaltsbeendende Maßnahme vorgelegen ist (3.6.).
2.4. Familiäre/soziale Komponente (4.1.-4.3.):
Die Feststellungen zu diesen Punkten ergeben sich aus den bisher unangefochtenen behördlichen, bzw. gerichtlichen Feststellung der bisherigen Verfahren. Zumal der BF, wie sich aus dem Verfahrensgang ergibt, über längere Perioden in Straf- oder Schubhaft zubringen musste, kann diesbezüglich seitens des Gerichts auch nicht von relevanten Änderungen im familiären- bzw. sozialen Bereich ausgegangen werden. Gegenteiliges wurde in Verfahren auch nicht behauptet, oder bescheinigt. Die Barmittel des BF (zum 08.01.2021) betrugen 0 Euro.
2.5. Festnahme und Anhaltung von 05.09.2019 bis 06.09.2019:
Der Festnahmeauftrag liegt im Akt zu XXXX auf. Die Festnahme und Anhaltung des BF ergeben sich eindeutig aus dem Akteninhalt und einem Auszug aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.
2.6. Haft von 05.09.2019 bis 27.11.2020 (6.1.-6.2.):
Die verhängte Schubhaft wurde mit Entlassung aufgrund einer COVID-19 Erkrankung am 27.11.2020 beendet. Diesbezüglich ist ein Entlassungsschein Inhalt des Verfahrensaktes der Behörde. Die Entlassung erfolgte wegen vorgelegener Haftunfähigkeit (8.1.).
Die Schubhaft wurde mit Erkenntnis des BVwG 04.10.2019 für rechtskonform erkannt und danach nach dem Willen des Gesetzes periodisch nach § 22a Abs. 4 BFA-VG gerichtlich geprüft. Dies ist das Ergebnis nach Einblick in die diesbezüglichen gerichtlichen Vorakten (8.2.).
2.7. Effektuierbarkeit (7.1.-7.7.):
Aus dem Akteninhalt geht hervor, dass für den BF seitens der afghanischen Botschaft bereits zwei Mal je ein gültiges Heimreisezertifikat unmittelbar nach den Vorführungen vor die Botschaftsdelegation ausgestellt wurde (7.1.).
Nach dem Mail der russischen Konsularabteilung vom 09.12.2020 wurde seitens der russischen Föderation eine russische Staatsangehörigkeit des BF explizit ausgeschlossen (7.2.).
Ebenso wurde zuvor eine Zugehörigkeit zum tadschikischen Staat durch deren Vertretungsorgane nach Vorführung des BF am 13.02.2020 ausgeschlossen, zumal der BF die dortige Landessprache auch nicht spricht (7.3.).
Die Feststellungen über die Sprachkenntnisse des BF beruhen auf dem gerichtlichen Protokoll der Verhandlung vom 03.01.2020 in welcher die zuständige Richterin sich mit dieser Thematik eingehend beschäftigt hatte sowie auf den diesbezüglichen gerichtlichen Feststellungen (7.4.).
Aus der Stellungnahme des BFA vom 08.01.2021 ergibt sich zudem, dass die nächste Charterabschiebung nach Afghanistan am 23.02.2021 stattfinden sollte (7.5.).
Die Entlassung des BF in das gelindere Mittel ergibt sich aus einem Auszug des zentralen Fremdenregisters und dem Akteninhalt des Verfahrens XXXX (7.6.).
Am 07.03.2021 wurde im Zentralen Fremdenregister „Keine Zustimmung zum HRZ“ vermerkt, weshalb davon auszugehen ist, dass die afghanische Botschaft an diesem Tag die Zustimmung zur Ausstellung eines Heimreisezertifikats für den BF verweigerte (7.7.).
2.8. Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht mehr aufzunehmen:
Von einer Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf die geklärte Sachlage Abstand genommen werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchteil A. – Spruchpunkt I. – Festnahme und Anhaltung vom 05.09.2019 bis 06.09.2019:
Gemäß § 9 Abs. 2 FPG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl; über Beschwerden gegen Entscheidungen der Landespolizeidirektionen entscheiden, soweit nicht anderes bestimmt ist, gemäß § 9 Abs. 1 FPG die Verwaltungsgerichte der Länder.
Gemäß § 7 Abs. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht u.a. über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Z 1) sowie über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG (§§ 34 – 47 BFA-VG) und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG (Z 3).
Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2) oder wenn gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3).
Während der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung VwGH 26.1.2001, 2000/02/0340, zu § 72 Abs. 1 FrG 1997 noch davon ausging, dass mit Anhaltung nur die Anhaltung in Schubhaft gemeint war, subsumierte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VwGH 19.5.2011, 2009/21/0214, zu § 82 Abs. 1 FPG aF eine Anhaltung ohne Erlassung eines Schubhaftbescheides ausdrücklich unter § 82 Abs. 1 Z 2 FPG, weil diese Bestimmung nicht nur für Beschwerden gegen die Anhaltung in Schubhaft, „sondern für jede Beschwerde, die sich gegen eine auf das FPG gestützte Anhaltung richtet,“ zur Verfügung stand. Gleiches hat auch für die Anfechtungsbefugnis gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG zu gelten, der ausweislich der Erläuterungen (RV 2144 BlgNR 24. GP) § 82 Abs. 1 FPG aF entspricht (vgl. Szymansiki, § 22a BFA-VG Anm. 1, in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht, 2014).
Die Beschwerde richtet sich gegen Festnahme und Anhaltung des BF; es liegt daher eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 1 und 2 BFA-VG vor.
Gemäß § 39 FPG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einen Fremden unter bestimmten Voraussetzungen zum Zwecke der Vorführung vor die Landespolizeidirektion festzunehmen und bis zu 24 Stunden anzuhalten.
Der Fremde hat gemäß § 82 FPG das Recht, das Landesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme oder Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1) oder unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wurde oder wird (Z 2). Zur Entscheidung ist gemäß § 83 FPG in den Fällen des § 82 Z 2 FPG das Landesverwaltungsgericht zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung angeordnet hat. In den Fällen des § 82 Z 1 FPG richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort der Festnahme (vgl. Schmalzl in Schrefler-König/Szymanski [Hrsg.], Fremdenpolizei- und Asylrecht, FPG § 82 Anm. 5; § 83 Anm. 2; VwGH 27.05.2010, 2008/21/0602).
Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind nach § 40 Abs. 1 BFA-VG ermächtigt, einen Fremden zum Zweck der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen, gegen den ein Festnahmeauftrag (§ 34) besteht (Z 1), wenn dieser Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt (Z 2) oder der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Z 3). In den Fällen der Abs. 1 und 2 kann gemäß § 40 Abs. 3 BFA-VG die Festnahme unterbleiben, wenn gewährleistet ist, dass der Fremde das Bundesgebiet unverzüglich über eine Außengrenze verlässt. Das Bundesamt ist gemäß § 40 Abs. 4 BFA-VG ohne unnötigen Aufschub über die erfolgte Festnahme zu verständigen. Die Anhaltung eines Fremden ist in den Fällen der Abs. 1 Z 2 und 3 und Abs. 2 bis zu 48 Stunden und in den Fällen des Abs. 1 Z 1 bis zu 72 Stunden zulässig; darüber hinaus ist Freiheitsentziehung nur gemäß § 77 Abs. 5 FPG oder in Schubhaft gemäß § 76 FPG möglich. Dem festgenommenen Fremden ist die Vornahme der Festnahme über sein Verlangen schriftlich zu bestätigen.
Ein Festnahmeauftrag kann gemäß § 34 Abs. 3 BFA-VG gegen einen Fremden auch dann erlassen werden, wenn die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft nach § 76 FPG oder zur Anordnung gelinderer Mittel gemäß § 77 Abs. 1 FPG vorliegen und nicht aus anderen Gründen die Vorführung vor das Bundesamt erfolgt (Z 1), wenn er seiner Verpflichtung zur Ausreise (§§ 52 Abs. 8 und 70 Abs. 1 FPG) nicht nachgekommen ist (Z 2), wenn gegen den Fremden ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46 FPG) erlassen werden soll (Z 3) oder wenn er, ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zu eigenen Handen zugestellten Ladung gemäß § 46 Abs. 2a FPG, in der dieses Zwangsmittel angedroht war, zur Befragung zur Klärung seiner Identität und Herkunft, insbesondere zum Zweck der Einholung eines Ersatzreisedokumentes bei der zuständigen ausländischen Behörde durch die Behörde, nicht Folge geleistet hat (Z 4). Der Festnahmeauftrag ergeht laut § 34 Abs. 5 BFA-VG in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt; er ist aktenkundig zu machen. Die Anhaltung auf Grund eines Festnahmeauftrages darf 72 Stunden nicht übersteigen und ist nach Durchführung der erforderlichen Verfahrenshandlungen zu beenden. In den Fällen der Abs. 1 bis 4 ist dem Beteiligten gemäß § 34 Abs. 6 BFA-VG auf sein Verlangen sogleich oder binnen der nächsten 24 Stunden eine Durchschrift des Festnahmeauftrages zuzustellen. Das Bundesamt hat die Erlassung und den Widerruf eines Festnahmeauftrags gemäß § 34 Abs. 9 BFA-VG den Landespolizeidirektionen bekannt zu geben.
Der Beschwerdeführer wurde am 05.09.2019 um 21:05 Uhr auf Basis eines Festnahmeauftrags gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG festgenommen und in Verwaltungsverwahrungshaft angehalten. Es besteht daher kein Zweifel, dass die Sicherheitsorgane mit der Anhaltung des BF bis zur Verhängung der Schubhaft am 06.09.2019 entsprechend den Aufträgen des Bundesamtes gehandelt haben (VwGH 03.09.2015, Ro 2015/21/0025) und sich die in Beschwerde gezogene Anhaltung durch das Bundesamt gestützt auf die Bestimmungen der §§ 34, 40 BFA-VG auf den Zeitraum 05.09.2019, 21:05 Uhr, bis 06.09.2019, 12:00 Uhr, bezieht.
Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zur Prüfung der Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 2 BFA-VG gegen die dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurechenbare Anhaltung gemäß § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG iVm § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG vom 05.09.2019, 21:05 Uhr, bis 06.09.2019, 12:00 Uhr zuständig.
Die gesonderte Anfechtung eines Festnahmeauftrages kommt jedenfalls nach vollzogener Festnahme schon zur Vermeidung von Doppelgleisigkeiten nicht in Betracht (VwGH 03.09.2015, Ro 2015/21/0025); bei der Überprüfung der Festnahme ist allerdings zu prüfen, ob die Festnahme rechtswidrig war, weil der zugrundeliegende Festnahmeauftrag nicht hätte ergehen dürfen oder weil er jedenfalls vor seinem Vollzug zu widerrufen gewesen wäre (VwGH 25.10.2012, 2010/21/0378).
Das Bundesamt erließ am 03.09.2019 einen Festnahmeauftrag gegen den BF, der nicht österreichischer Staatsbürger ist, weil die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft nach § 76 FPG oder zur Anordnung gelinderer Mittel gemäß § 77 Abs. 1 FPG vorlagen. Gegen den BF wurde auch am 06.09.2019 die Schubhaft verhängt. Eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 06.09.2019, mit dem die Schubhaft über den BF verhängt wurde, wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.10.2019 als unbegründet abgewiesen. Für das erkennende Gericht bestehen daher keine Zweifel, dass die Voraussetzungen zu Verhängung der Schubhaft vorlagen. Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG sind somit erfüllt.
Nach Art. 5 Abs. 1 EMRK hat jedermann ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den Fällen des Abs. 1 lit. a bis f und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden.
Art. 1 PersFrBVG gewährleistet dieses Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) ebenfalls. Nach Art. 1 Abs. 2 PersFrBVG darf niemand aus anderen als den in diesem BVG genannten Gründen oder auf andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden. Der Entzug der persönlichen Freiheit darf nach Art. 1 Abs. 3 PersFrBVG nur vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist. Er ist nur zulässig, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht. Nach Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG darf die persönliche Freiheit einem Menschen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden, wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.
Die Anhaltung eines Fremden ist in den Fällen der § 40 Abs. 1 Z 1 gemäß Abs. 4 BFA-VG bis zu 72 Stunden zulässig.
Dabei handelt es sich aber – wie bei § 39 FPG (vgl. VwGH 12.09.2013, 2012/21/0204) – um eine Maximalfrist. Auch im Bereich fremdenpolizeilicher Festnahmen ist die Behörde schon aus verfassungsrechtlichen Gründen verpflichtet, die Anhaltedauer so kurz als möglich zu halten und im Interesse einer kurzen Haftdauer die dafür notwendigen und ihr zumutbaren organisatorischen und personellen Maßnahmen zu treffen.
Der BF wurde am 05.09.2019 um 21:05 Uhr auf Basis eines Festnahmeauftrags gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG festgenommen. Das Bundesamt erließ den Schubhaftbescheid am nächsten Tag um 12:00 Uhr; das Verfahren wurde sohin sehr zügig geführt. Die Anhaltung im Rahmen des § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG dauerte insgesamt weniger als 24 Stunden. Die Dauer der Anhaltung war damit nicht unverhältnismäßig.
Sonstige außergewöhnliche Umstände, die die Festnahme und Anhaltung des BF unzulässig machen könnten, sind im gegenständlichen Verfahren nicht hervorgekommen und wurden auch in der Beschwerde nicht geltend gemacht.
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 2 iVm § 40 Abs. 1 Z 1 und § 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zu Spruchteil A. – Spruchpunkt II. – Anhaltung in Schubhaft vom 04.10.2019 bis 27.11.2020, ausgenommen die Anhaltung jeweils zum Zeitpunkt der Erlassung der nach § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.01.2020, 30.01.2020, 27.02.2020, 23.03.2020, 20.04.2020, 15.05.2020, 10.06.2020, 07.07.2020, 12.08.2020, 09.09.2020, 07.10.2020, 02.11.2020 und 27.11.2020:
3.2.1. Gesetzliche Grundlagen
Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:
„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“
§ 77 Gelinderes Mittel:
Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.
Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.
Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.
Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.
Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.
Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.
Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.
Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.
§ 22a Abs. 4 BFA-VG lautet:
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
3.2.2. Zur Judikatur:
Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).
„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn dere