TE Bvwg Erkenntnis 2022/1/12 W171 2235146-3

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Veröffentlicht am 12.01.2022
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Entscheidungsdatum

12.01.2022

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76

Spruch


W171 2235146-3/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl XXXX über die weitere Anhaltung der XXXX , geb. XXXX , StA GHANA, vertreten durch RA Dr. Gregor KLAMMER, in Schubhaft zu Recht:

A) Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen n i c h t vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr verhältnismäßig wäre.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (hinkünftig auch als BF bezeichnet), eine Staatsangehörige GHANAS, hielt sich seit dem Jahr 2002 auf Grundlage eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt-EU“ rechtmäßig in Österreich auf.

2. Mit Urteil eines Landesgerichts vom 18.11.2015, rechtskräftig mit 18.10.2016, wurde die Beschwerdeführerin wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB und wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Verurteilung lag u.a. zugrunde, dass die Beschwerdeführerin einem minderjährigen Kind, welches sich in ihrer Obhut befand, absichtlich eine schwere Körperverletzung durch heftiges Schütteln sowie durch Schläge zufügte. Überdies wurde die Beschwerdeführerin neben ihrer Freiheitsstrafe sowie dem Ersatz der Verfahrenskosten auch zur Zahlung von 36.775,09 Euro an die Gebietskrankenkasse verurteilt. Konkret wurde die Beschwerdeführerin für schuldig befunden, am 26.10.2014 einer unter ihrer Obhut stehenden Dreijährigen eine schwere Körperverletzung absichtlich zugefügt zu haben, indem sie das 11 kg schwere Mädchen an den Oberarmen packte und heftig schüttelte, sie wiederholt kräftig auf beide Wangen schlug und ihr zumindest einen heftigen Schlag in die rechte Flanke versetzte, wodurch das Kind ein Subduralhämatom mit nachfolgendem Hirnödem, Einblutungen in die Netzhäute, Hämatome an beiden Oberarmen, Hämatome an beiden Wangen und eine Kieferköpfenfraktur links sowie eine zentrale Leberruptur mit Einblutungen in die Bauchhöhle und Einblutung im Bereich der rechten Nierenkapsel, sohin an sich schwere, verbunden mit einer mehr als 24 Tag dauernden Gesundheitsschädigung, Verletzungen erlitt; zudem wurde sie für schuldig befunden, um den 18.10.2014 das Mädchen vorsätzlich am Körper verletzt zu haben, indem sie ihr in das Gesicht schlug und in den rechten Unterschenkel biss, wodurch sie ein Hämatom an der Wange und am Unterschenkel erlitt. Aufgrund der von der Beschwerdeführerin zugefügten Verletzungen hatte das Kind auch mindestens zwei epileptische Anfälle. Die Sachverständige stellte in der Verhandlung zum Strafverfahren auch klar, dass die Verletzungen nur durch eine „massive Gewaltausübung“ entstanden sein könnten und nicht durch ein einmaliges oder „ein wenig“ Schütteln.


Die Beschwerdeführerin befand sich von 05.01.2017 bis 05.09.2018 in Strafhaft.

Mit Urteil eines Landesgerichts vom 06.03.2018 wurde die Beschwerdeführerin wegen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs. 1, 224 StGB rechtskräftig verurteilt, von der Verhängung einer Zusatzstrafe aufgrund einer vorangegangenen Verurteilung jedoch abgesehen. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass die Beschwerdeführerin ihren Fremdenpass verfälscht hatte. Dieser Fremdenpass wurde im Zuge des Strafverfahrens sichergestellt und in weiterer Folge der Beschwerdeführerin behördlich entzogen.

3. Am 11.10.2018 stellte die Beschwerdeführerin beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt oder BFA) einen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses im Interesse der Republik Österreich gemäß § 88 Abs. 1 Z 3 FPG. Begründend führte sie aus, ihren 2014 ausgestellten Fremdenpass verloren zu haben und brachte eine polizeilich ausgestellte Verlustanzeige in Vorlage.

Mit dem Bescheid vom 23.10.2018 wies das Bundesamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Fremdenpasses vom 11.10.2018 gemäß § 88 Abs. 1 FPG ab.

Mit Bescheid vom 27.11.2018 erließ das Bundesamt gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA-VG (Spruchpunkt I). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach GHANA zulässig ist (Spruchpunkt II). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wurde gegen sie ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde der Beschwerdeführerin für ihre freiwillige Ausreise eine Frist von 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt IV).

Mit Erkenntnissen vom 16.12.2019 wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Gegen diese wurde weder Beschwerde noch Revision erhoben.

4. Mit Schriftsatz vom 04.03.2020 lud das Bundesamt die Beschwerdeführerin zur Einvernahme am 13.03.2020 und leitete das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für die Beschwerdeführerin bei der Botschaft GHANAS in der SCHWEIZ ein. Die Beschwerdeführerin ersuchte mit Schriftsatz ihrer Rechtsvertretung vom 12.03.2020 aus gesundheitlichen Gründen um eine Terminverlegung; diesem legte sie neben älteren Befunden ein Attest einer Allgemeinmedizinerin bei, wonach die Beschwerdeführerin im Oktober 2019 an der Halswirbelsäule operiert worden sei und Physiotherapie wegen rezidivierender Kopfschmerzen mache, gelegentlich habe sie einseitige Beinschmerzattacken und Schwindel.

Mit Ladungsbescheid vom 02.06.2020 lud das Bundesamt die Beschwerdeführerin für 16.06.2020 zur Einvernahme. Die Beschwerdeführerin teilte durch ihre rechtsfreundlichen Vertreter mit Schriftsatz vom 15.06.2020 mit, dass sie aus gesundheitlichen Gründen nicht zur Einvernahme kommen könne. Sie legte eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung vom 15.06.2020 für die Zeit von 15.06.2020 bis 19.06.2020 vor.

Am 16.06.2020 beantragte sie durch ihre rechtsfreundlichen Vertreter Akteneinsicht, die am 05.08.2020 durchgeführt wurde.

Mit Ladungsbescheid vom 05.08.2020 wurde die Beschwerdeführerin zur Einvernahme am 12.08.2020 geladen. Die Beschwerdeführerin teilte am 17.08.2020 mit, dass sie den Termin nicht wahrnehmen habe können und legte eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung vom 14.08.2020 für den Zeitraum 12.08.2020 bis 14.08.2020 vor.

Die Abnahme der Aufenthaltskarte scheiterte, da die Beschwerdeführerin an ihrer Adresse mehrfach nicht angetroffen wurde und der LPD telefonisch mitteilte, dass sie nicht zur Polizei gehen werde und dass die Polizei kein Recht habe, sie zu überprüfen. Den Akt mittelte die LPD am 03.09.2020 wegen Erfolglosigkeit an das Bundesamt zurück.

Mit Schriftsatz vom 01.09.2020 erhob die Beschwerdeführerin durch ihre rechtsfreundlichen Vertreter gegen den Bescheid vom 05.08.2020 Beschwerde, der sie die – schlecht lesbare – Kopie einiger Seiten ihres ghanesischen Reisepasses beilegte, mit dessen Ausstellung ihr von 13.08.2013 bis 12.08.2018 gültig gewesener Reisepass, ungültig geworden ist, der dem Bundesamt in Kopie vorliegt, sowie die Kopie ihrer abgelaufenen Aufenthaltskarte.

5. Mit Ladungsbescheid vom 11.05.2021 lud das Bundesamt die Beschwerdeführerin zur Einvernahme am 15.06.2021. Sie kam der Ladung nicht nach. Seit 11.06.2021 verfügt sie über keine Meldeadresse mehr. Beschwerde gegen diesen Bescheid erhob sie nicht.

Am 09.08.2021 erließ das Bundesamt einen Festnahmeauftrag gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 34 Abs. 2 Z 2 BFA-VG. Die Beschwerdeführerin wurde am 08.09.2021 um 16:05 Uhr auf einem Parkplatz in Vollziehung des Festnahmeauftrages festgenommen und auf die Polizeiinspektion überstellt. Dort wurde sie am selben Tag bis 17:21 Uhr einvernommen und im Anschluss ins Polizeianhaltezentrum eingeliefert.

6. Mit Mandatsbescheid vom 08.09.2021, der Beschwerdeführerin zugestellt durch persönliche Ausfolgung am 08.09.2021 um 20:14 Uhr, verhängte das Bundesamt über die Beschwerdeführerin die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zur Sicherung der Abschiebung.

Die BF habe danach durch ihr Vorverhalten die Tatbestandmerkmale des § 76 Abs. 3 Zi. 1, 3 und 9 FPG erfüllt und es sei daher von Fluchtgefahr auszugehen. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit habe ergeben, dass die privaten Interessen der Schonung der persönlichen Freiheit der BF dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen haben. Ein gelinderes Mittel sei nach Ansicht der Behörde nicht als ausreichende Sicherung anzusehen, um von einer gesicherten Rückführung der BF in ihren Herkunftsstaat ausgehen zu können. Die gegenständliche Schubhaft sei daher notwendig und rechtmäßig.

7. Am 05.11.2021 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf internationalen Schutz aus dem Stande der Schubhaft. Zu diesem wurde sie am 06.11.2021 polizeilich erstbefragt. Mit Aktenvermerk vom 06.11.2021 hielt das Bundesamt die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 6 FPG aufrecht. Der für den 09.11.2021 geplante Vorführungstermin der Beschwerdeführerin vor die ghanesische Delegation zur Erlangung eines Heimreisezertifikates kam sohin nicht zustande.

8. Mit Schriftsatz vom 21.12.2021 erhob die Beschwerdeführerin durch ihren seinerzeitigen Rechtsvertreter Beschwerde gegen die erfolgte Festnahme und die Anhaltung in Schubhaft seit dem 08.09.2021.

9. Mit Erkenntnis des BVwG vom 22.12.2021 wurde die (autonome) Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die vorangegangene Festnahme abgewiesen und die Rechtmäßigkeit der Fortsetzung der Schubhaft ausgesprochen.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 23.12.2021 wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 05.11.2021 abgewiesen, der BF kein subsidiärer Schutz gewährt, kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und auch keine Frist für die freiwillige Ausreise erteilt und einer Beschwerde gegen die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung gem. § 18 Abs. 1 Zi. 1. u. 2 BFA-VG aberkannt. Eine Rückkehrentscheidung enthielt der Bescheid des BFA vom 23.12.2021 nicht.

10. Das Bundesamt legte am 07.01.2022 die Akten der laufenden Schubhaft dem Gericht zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der Fortsetzung der laufenden Schubhaft gem. § 22a Abs. 4 BFA-VG vor.

11. Der BF wurde eine angemessene Frist zur Äußerung hinsichtlich der beantragten Verlängerung der Schubhaft eingeräumt. Bereits mit Schriftsatz vom 08.01.2021 erstattete der nunmehr ausgewiesene Rechtsvertreter der BF eine kurze Stellungnahme und brachte darin vor, dass der Bescheid des BFA vom 23.12.2021 keine Rückkehrentscheidung enthalte, jedoch die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ausgeschlossen worden sei. Der Bescheid sei daher nach Ansicht des Rechtsvertreters noch nicht durchsetzbar und werde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit behoben, da eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen worden sei. Dadurch würde eine Abschiebung auf Länger nicht möglich sein und die Dauer der laufenden Schubhaft daher jedenfalls unverhältnismäßig.

Darüber hinaus sei in dem Asylbescheid nicht berücksichtigt worden, dass die BF in ihrer Heimat höchstwahrscheinlich inhaftiert werde und die dortigen Haftbedingungen Lebensgefahr für die BF bedeuten würden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin befindet sich seit 08.09.2021 in Schubhaft. Eine gerichtliche Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Weiterführung der Schubhaft wurde seitens der Behörde durch gegenständliche Aktenvorlage eingeleitet.

1.2. Mit Bescheid des BFA vom 27.11.2018 wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung samt fünfjährigem Einreiseverbot erlassen und die Zulässigkeit ihrer Abschiebung festgestellt. Mit Erkenntnis des BVwG vom 16.12.2019, rechtskräftig seit 07.01.2020, wurde die daraufhin eingebrachte Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

1.3. Während laufender Schubhaft stellte die BF am 05.11.2021 ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

1.4. Eine Änderung der für die Beurteilung der Verhängung eines Einreiseverbotes und einer Rückkehrentscheidung maßgeblichen Kriterien ist im vorliegenden Fall nicht schon von vorneherein ausgeschlossen.

1.5. Mit Bescheid des BFA vom 23.12.2021 wurde über den Antrag auf internationalen Schutz der BF vom 05.11.2021 negativ entschieden. Dabei wurde zwar einer Beschwerde gegen die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung gem. § 18 Abs. 1 Zi. 1 u. 2 BFA-VG aberkannt, jedoch keine Rückkehrentscheidung und auch kein Einreiseverbot ausgesprochen. Eine Rückkehrentscheidung wurde auch seither nicht nachträglich ausgesprochen.

1.6. Eine Beschwerde gegen den Asylbescheid des BFA vom 23.12.2021 ist derzeit nicht gerichtsanhängig. Die Rechtsmittelfrist ist noch nicht abgelaufen.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1.-1.3.: Die Angaben über den Verfahrensgang und die hiezu ergangenen Feststellungen beziehen sich auf die Angaben im vorliegenden behördlichen Akt, im Asylakt (1.2) sowie auf die Angaben im Vorakt des BVwG bezügliche der Schubhaftbeschwerde vom 21.12.2021. Die Behörde hat den gegenständlichen Verfahrensakt dem Gericht am 07.01.2022 zur Prüfung vorgelegt.

Zu 1.4.: Die der gegenständlichen Schubhaft zugrundeliegende Rückkehrentscheidung basiert auf Feststellungen der Verhältnisse im November 2018. Bereits aus der bis dato vergangenen Zeit (über drei Jahre) ist eine wesentliche Veränderung der Sachlage für die Beurteilung einer Rückkehrentscheidung nicht ausgeschlossen, sondern wäre dies einer aktuellen Prüfung zu unterziehen gewesen.

Zu 1.5.: Die Feststellung zu diesem Punkt basiert auf dem im Gerichtsakt einliegenden Asylbescheid des BFA vom 23.12.2021.
Zu 1.6.: Eine Beschwerde gegen die behördliche Asylentscheidung ist bisher nicht gerichtsanhängig. Eine Beschwerdeeinbringung ist auch aus taktischen Gründen nicht vor Abschluss dieses Verfahrens zu erwarten. Die Asylentscheidung wurde der BF offensichtlich am 28.12.2021 zugestellt. Die vierwöchige Beschwerdefrist ist daher auch noch nicht abgelaufen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt A.:

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen:

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

Die Grundlage zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit einer Fortsetzung der Schubhaft über die Viermonatsfrist im BFA-VG iVm. § 80 FPG lautet:

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.

Die einschlägige Bestimmung im Asylgesetz zur notwendigen Erlassung einer Rückkehrentscheidung im Rahmen des Asylverfahrens lautet.

Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1.         der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2.         der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
3.         der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
4.         einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
5.         einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.

3.1.2. Zur Judikatur:

Im Erkenntnis des VwGH 10.09.2021, Ra 2021/14/0256 sprach dieser aus, dass auch eine (negative) Entscheidung über einen Folgeantrag grundsätzlich mit einer Entscheidung über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung zu verbinden ist. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FrPolG 2005 stellt auch für den Fall der Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG die Rechtsgrundlage für die Verbindung dieser Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung dar (vgl. dazu ausführlich VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0082 bis 0087).

Zur Umwirksamkeit von (konkurrierenden) Rückkehrentscheidung sprach der VwGH in Ra 2020/21/0285 näher aus, dass das BFA in dem dort bezüglichen Fall im erstinstanzlichen Bescheid von einem im Vergleich zum in Rechtskraft erwachsenen Erkenntnis des VwG, in welchem ausgesprochen wurde, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen die Fremden vorübergehend, und zwar solange der Ehemann bzw. Vater nicht gemeinsam mit ihnen abgeschoben werden könne, unzulässig sei, geänderten Sachverhalt ausging, weil die Abschiebbarkeit des Ehemannes bzw. Vaters in Vollziehung der Rückkehrentscheidung nunmehr zu bejahen sei. Das VwG müsste (sofern nicht eine Zurückverweisung an das BFA gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG 2014 in Betracht gezogen wird) die von diesem als notwendig erachtete Neubeurteilung im Blickwinkel des Art. 8 MRK - als Voraussetzung für die nunmehrige Zulässigkeit der Rückkehrentscheidungen gegenüber den Fremden - im Rahmen einer Vorfragenbeurteilung selbst vornehmen und dazu zweckmäßigerweise auch eine mündliche Verhandlung abhalten (vgl. VwGH 22.8.2019, Ra 2019/21/0026). Für den Fall, dass die Rückkehrentscheidung gegenüber dem Ehemann bzw. Vater nicht unwirksam geworden ist, weil nach wie vor seine privaten Interessen nicht das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen, wäre in einem nächsten Schritt - in Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Beweisergebnissen des BFA und allenfalls unter Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen - zu klären, ob der Gesundheitszustand des Ehemannes bzw. Vaters mittlerweile eine Flugabschiebung zulässt. Wenn diese Frage zu verneinen ist, liegt tatsächlich ein gegenüber dem rechtskräftigen Erkenntnis unveränderter maßgeblicher Sachverhalt vor. Sollte die Rückkehrentscheidung gegenüber dem Ehemann bzw. Vater hingegen wegen des nunmehrigen Überwiegens seiner privaten Interessen an einem Verbleib in Österreich unwirksam geworden sein, ist auf dieser Basis eine Neubeurteilung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidungen gegenüber den übrigen Fremden vorzunehmen und der erstinstanzliche Bescheid des BFA entsprechend abzuändern (ein geänderter Sachverhalt gegenüber dem rechtskräftigen Erkenntnis des VwG läge insofern vor, als es nicht mehr nur um ein vermutlich vorübergehendes Abschiebungshindernis beim Ehemann bzw. Vater ginge, sondern die Grundlage für die Abschiebung selbst weggefallen wäre).

3.1.3. Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist gehen solle, vorzulegen. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig wäre.

3.1.4. In vorliegenden Fall hat die Prüfung des Gerichts Folgendes ergeben:

Mit Schubhaftbescheid des BFA vom 08.09.2021 wurde über die BF die Schubhaft gem. § 76 Abs. 2 Zi.2 FPG zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Grundlegend dafür war die bereits im November 2018 ausgesprochene und schließlich durch Erkenntnis des BVwG vom 16.12.2019 bestätigte, mit 07.01.2020 rechtskräftige Rückkehrentscheidung.

Die BF stellte sodann am 05.11.2021 ihren ersten Asylantrag in Österreich. § 10 Abs. 1 Ziffer 3 AsylG bestimmt, dass bei einer negativen Entscheidung über Asyl und subsidiären Schutz sogleich eine Rückkehrentscheidung auszusprechen ist. Die hiezu bisher ergangene Judikatur (zuletzt VwGH 10.09.2021; Ra 2021/14/0256) stellt weiters klar, dass dies auch im Falle einer Entscheidung über einen Folgeantrag der Fall ist, der nach § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen wäre. So auch grundlegend Ra 2015/20/0082. Umso mehr muss im konkreten Fall Berücksichtigung finden, dass die BF bisher in Österreich noch keinen Asylantrag gestellt hat und daher sich schon aus dem Wortlaut des § 10 AsylG klar die notwendige Erlassung einer Rückkehrentscheidung ergibt. Hinzu kommt, dass die vorangegangene Rückkehrentscheidung bereits auf Entscheidungsgrundlagen aus dem Jahre 2018 basiert und so auch davon ausgegangen werden muss, dass durch die verstrichene Zeit eine Evaluierung der bestehenden Rückkehrentscheidung zwingend vorzunehmen gewesen wäre. Gerade das wurde durch die Entscheidung des BFA vom 23.12.2021 nicht vorgenommen und der (neuerliche) Ausspruch einer Rückkehrentscheidung unterlassen.

Im Sinne der höchstgerichtlichen Judikatur ist das BVwG stets auch verpflichtet, hypothetische Verfahrensabläufe bei seiner Beurteilung mit einzubeziehen und speziell bei Entscheidungen über freiheitsentziehende Maßnahmen (Schubhaftverfahren; Eilverfahren) Verfahrensergebnisse ordentlicher Verfahren aufgrund der zumeist kürzeren Frist im Eilverfahren vorweg zu beurteilen. Siehe hiezu die höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Prüfungsverpflichtung des Gerichts hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Fortsetzung der Schubhaft gem. § 76 Abs. 6 FPG.

In Fortführung dieses Gedankens vermeint das erkennende Gericht, dass mit der Asylentscheidung des BFA vom 23.12.2021 die bis dahin gültig herangezogene Rückkehrentscheidung nunmehr unwirksam geworden ist und die zwingend zu erfolgende (neue) Rückkehrentscheidung aus dem Asylverfahren die Rechtsgrundlage für eine Weiterführung der Schubhaft darstellen würde (in diesem Sinne wohl VwGH 25.03.2021, Ra 2020/21/0285). Wie oben bereits erörtert, erfolgte im Rahmen der bescheidmäßigen behördlichen Entscheidung jedoch kein Ausspruch über eine Rückkehrentscheidung. Es war jedoch im Zuge einer vorzunehmenden Grobprüfung nicht auszuschließen, dass das für eine zu erwartende Beschwerde im Asylverfahren zuständige Gericht zu einer anderen Beurteilung hinsichtlich einer neu zu erlassenden Rückkehrentscheidung durch die Behörde kommen könnte. Durch den Wegfall der Wirksamkeit des seinerzeitig für die Schubhaftverhängung herangezogenen Rechtstitels (Rückkehrentscheidung des BFA vom 27.11.2018, rk seit 07.01.2020) fehlt es nunmehr an der rechtlichen Voraussetzung zur Weiterführung der laufenden Schubhaft. Eine aktuelle Rückkehrentscheidung liegt nicht vor. Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass die Voraussetzungen für eine Fortführung der Schubhaft zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht vorliegen.

Zu Spruchpunkt B. – Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie zu Spruchpunkt A. näher ausgeführt besteht nach der höchstgerichtlichen Judikatur die Verpflichtung der Behörde, mit einer negativen Asylentscheidung auch eine Rückkehrentscheidung auszusprechen. Dadurch, dass die Behörde dieser gesetzlichen Verpflichtung nicht nachgekommen ist, stellte sich für das Gericht die Frage der Weiterwirkung der bereits bestehenden Rückkehrentscheidung. Im konkreten Fall war jedoch nicht von einer über die Entscheidung vom 23.12.2021 weiterwirkenden Rückkehrentscheidung auszugehen. Aufgrund der zitierten Judikatur ergab sich darüber hinaus auch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Asylantragstellung Einreiseverbot Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft Rechtstitel Rückkehrentscheidung Schubhaft Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2022:W171.2235146.3.00

Im RIS seit

28.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

28.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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