TE Bvwg Erkenntnis 2022/1/13 W171 2250198-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.01.2022
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Entscheidungsdatum

13.01.2022

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76

Spruch


W171 2250198-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl XXXX über die weitere Anhaltung des XXXX , alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Algerien, in Schubhaft zu Recht:

A) Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

Der      Beschwerdeführer (BF) ist Staatsangehöriger von Algerien. Laut

Zentralmelderegisterauskunft liegen keine Meldedaten im Bundesgebiet vor.

Der BF ist erstmals am 10.5.2005 nach Österreich eingereist, wobei er den ersten Antrag auf internationalen Schutz einbrachte, der rechtskräftig am 03.08.2006 abgewiesen wurde.

Der BF reiste jedoch nicht aus Österreich aus, sondern hielt sich illegal weiterhin in Österreich auf und verübte zu diesem Zeitpunkt am 29.11.2006 seine erste Straftat.

Nachdem er 2008 neuerlich aufgegriffen und in Schubhaft genommen wurde stellte er seinen zweiten Asylantrag, der wiederrum wegen entschiedener Sache abgewiesen wurde und die Rückkehrentscheidung nach Algerien aufrecht war.

Am 19.2.2009 erfolgte die nächste Straftat des BF, die belegt, dass er wiederrum nicht aus Österreich ausgereist war.

Bei seinen Asylverfahren gab der BF immer wieder alias Identitäten an.

Am 11.7.2013 gab der BF seine freiwillige Rückkehr nach Algerien mit nunmehr seinem richtigen Namen XXXX an.

Im November 2015 reiste der BF wieder nach Österreich ein und stellte den dritten Asylantrag der unter der alias Identiät XXXX , StA Syrien gestellt wurde.Im zuge der Erstbefragung gab er an gelogen zu haben und dass sein richtiger Name XXXX lauten würde.Er habe seine Freundin besuchen wollen.

Am 7.6.2016 verübte der BF seine dritte Straftat in Österreich.

Der dritte Asylantrag wurde am 23.08.2017 rechtskräftig abgewiesen.

Der BF flüchtete im Zuge eines Freigangs aus der JA XXXX , weswegen er am 24.08.2017 von dort abgemeldet wurde.

Der BF ist in Folge im Bundesgebiet untergetaucht.

Am 14.08.2020 ist der BF erneut festgenommen worden und in die JA XXXX überstellt worden. Vom 16.02.2021 bis 13.09.2021 verbüßte er seine restliche Haftstrafe in der JA Leoben.

Gegen den BF besteht seit 13.10.2020 ein aufrechtes Einreiseverbot von Frankreich laut Schengener Informationssystem.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 09.09.2021, wurde über den BF die Schubhaft gemäß § 76 FPG zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Die daraufhin vom BF am 22.10.2021 eingebrachte Schubhaftbeschwerde wurde mit mündlich verkündetem Erkenntnis des BVwG vom 28.10.2021 abgewiesen und festgestellt, dass die Weiterführung der Schubhaft zulässig ist.

Dem BF wurde am 15.11.2021 ein Heimreisezertifikat, gültig bis 15.12.2021 ausgestellt. Die fixierte Abschiebung für den 17.11.2021 musste jedoch storniert werden, da sich der BF mehrfach weigerte, einen für die Abschiebung notwendigen PCR-Coronatest zu machen.

Das BFA ist seither bemüht, eine Abschiebung des BF ohne vorherigen PCR-Test zu organisieren. Eine positive Antwort der Botschaft liegt aufgrund der vorangegangenen Weihnachtsfeiertag noch nicht vor.

Am 04.01.2022 legte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge auch BFA, Behörde oder Bundesamt genannt) den gesamten Verfahrensakt dem BVwG zur Entscheidung nach § 22 a Abs. 4 BFA-VG hinsichtlich der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer über die gesetzliche Dauer von vier Monaten dauernden Schubhaftfortführung vor. Mit gleichzeitig überreichter Stellungnahme wurde näher ausgeführt, dass im vorliegenden Fall weiterhin die im Bescheid vom 09.09.2021 angeführten Gründe für die Annahme von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit und die Notwendigkeit vorlägen und Haftfähigkeit des BF bestehe. Ein Heimreisezertifikat sei bereits einmal ausgestellt worden und sei anzunehmen, dass dies auch dieses Mal wieder ausgestellt werde. Voraussetzung sei hier die Vorlage einer Flugbuchungsbestätigung. An der Erlangung der Genehmigungen für eine Abschiebung des BF ohne vorherigen PCR-Test, der etwa durch eine vorherige Quarantäne ersetzt werden könnte, werde gearbeitet. Der BF habe sich aktuell nicht kooperationswillig gezeigt und Coronatestungen bisher verweigert. Er sei bisher in Österreich mehrfach massiv straffällig geworden und habe bereits drei erfolglose Anträge auf internationalen Schutz in Österreich gestellt. Neben einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung bestehe für seine Person auch ein französisches schengenweites Einreiseverbot. Er sei nicht rückkehrwillig und in den Verfahren bisher unkooperativ gewesen.

Das Gericht räumte dem BF eine angemessene Zeit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Fortführung der Schubhaft ein. Eine Stellungnahme des BF wurde nicht abgegeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Allgemein:

1.1. Der Beschwerdeführer befindet sich seit 13.09.2021 in Schubhaft. Die gesetzliche Viermonatsfrist läuft am 13.01.2022 ab. Eine gerichtliche Entscheidung über die Weiterführung der Schubhaft hat bis zum 14.01.2022 zu ergehen.

1.2. Der gegenständliche Schubhaftbescheid ist bereits im Oktober 2021 in Beschwerde gezogen worden. Das BVwG hat mit Erkenntnis vom 28.10.2021 die Rechtmäßigkeit der Schubhaft und die Rechtmäßigkeit einer Fortsetzung der Schubhaft ausgesprochen. Eine wesentliche Änderung der Umstände für die seinerzeitige Verhängung der Schubhaft hat sich im Verfahren nicht ergeben.

1.3. Ein Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer liegt aktuell nicht vor. Mit einer Ausstellung eines Heimreisezertifikates ist jedoch im Laufe der kommenden Monate zu rechnen.

1.4. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Weiterführung der Schubhaft sind zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung nach wie vor gegeben.

Gesundheitszustand:

2.1. Der BF leidet an keinen unverhältnismäßigen, die Schubhaft unzulässig machenden gesundheitlichen Beschwerden und ist haftfähig.

Effektuierbarkeit der Außerlandesbringung (Prognose):

3.1. Die Botschaft Algeriens hat bereits zwei Mal für den BF ein Heimreisezertifikat ausgestellt.

3.2. Nach Erlangung eines Heimreisezertifikates ist von einer baldigen Außerlandesbringung des BF auszugehen.

Sozialer/familiärer Aspekt:

4.1. Der BF verfügt über keinerlei berufliche, familiäre oder sonstige soziale Kontakte in Österreich, hat keinen Wohnsitz und ist in keiner Weise selbsterhaltungsfähig. Er konnte zwar eine Beziehung zu einer namentlich genannten Freundin bescheinigen, jedoch bestanden bisher keine gemeinsamen Wohnsitzmeldungen. Die Möglichkeit einer Unterkunftnahme wurde bereits im vorangegangenen Schubhaftbeschwerdeverfahren eingehend geprüft. Eine Änderung in diesem Aspekt hat sich nicht ergeben.

Öffentliche Interessen:

5.1. Der BF hat in der Vergangenheit mehrmals gegen das Strafgesetz verstoßen und hat seinen illegalen Aufenthalt prolongiert. Er befand sich über lange Zeit in Strafhaft und konnte bisher nicht Außerlandes gebracht werden.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1.: Die Angaben über den Verfahrensgang und die hiezu ergangenen Feststellungen beziehen sich auf die Angaben im vorliegenden Akt. Unter Heranziehung der Bestimmungen zur Fristenberechnung gemäß § 32 AVG ergibt sich, dass der Ablauf der Viermonatsfrist auf den 13.01.2022 fällt. Die gerichtliche Entscheidungsfrist endet einen Tag danach.

Zu. 1.2.: Aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass der seinerzeitige Schubhaftbescheid bereits im Oktober 2021 in Beschwerde gezogen wurde. Die Rechtmäßigkeit wurde daher in diesem Verfahren für den dort erheblichen Zeitraum bereits eingehend geprüft. Aufgrund der Aktenlage im gegenständlichen Verfahren konnte festgestellt werden, dass sich die wesentlichen Umstände im Rahmen der Schubhaft seit der seinerzeitigen Verhängung bzw. seit der letzten Überprüfung der Schubhaft nicht verändert haben. Die formalen Voraussetzungen für die laufende Schubhaft sind daher unverändert gegeben.

Zu 1.3.: Aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass für den BF bereits zwei Mal ein Heimreisezertifikat ausgestellt wurde. Derzeit laufen die Bemühungen der Behörde, eine Abschiebung des BF ohne vorherigen PCR Test, etwa durch Quarantäne, zu bewerkstelligen. Nach Ansicht des Gerichtes ist es legitim, dies zu versuchen und scheint der Versuch eine Abschiebung ohne PCR-Testung zu organisieren, nicht von vorneherein aussichtslos. Mit einer Klärung, ob dies möglich ist, ist aus derzeitiger Sicht in den kommenden Wochen zu rechnen. Wenn eine Abschiebung möglich ist, ist davon auszugehen, dass die Ausstellung eines Heimreisezertifikats nach Vorlage der Flugbuchung zeitnah erfolgen wird.

Zu 1.4.: Aus einer Überprüfung der formalen Grundlagen für die Aufrechterhaltung der Schubhaft ergibt sich, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die durchsetzbare Rückkehrentscheidung, welche seinerzeit die rechtliche Grundlage für die Erlassung des Schubhaftbescheides darstellte, nach wie vor Durchsetzbarkeit hat.

Zu 2.1.: Aus dem Akt ergeben sich keine Anhaltspunkte für wesentliche gesundheitliche Beeinträchtigungen des BF. Auch aus der Anhaltedatei sind keine wesentlichen Beschwerden und ärztlichen Behandlungen ersichtlich. Das Gericht geht daher in weiterer Folge davon aus, dass für eine Haftunfähigkeit oder eine Unverhältnismäßigkeit der Haft keine Anhaltspunkte gegeben sind.
Zu 3.1.: Die Staatsangehörigkeit Algeriens ist unzweifelhaft. Heimreisezertifikate wurden in der Vergangenheit, wie aus dem Akt ersichtlich, bereits zweimal ausgestellt.
Zu 3.2.: Im gerichtlichen Verfahren sind keine Anhaltspunkte dafür ans Tageslicht gekommen, dass es für den BF nicht möglich sei, zeitnah nach Erlangung eines Heimreisezertifikates auch tatsächlich in sein Heimatland verbracht zu werden. Im Übrigen wird auf die Ausführungen zur Feststellung 1.3. verwiesen.

Zu 4.1.: Die Feststellungen zu 4.1. ergeben sich im Wesentlichen aus den bisher geführten Asyl- bzw. Schubhaftbeschwerdeverfahren. Bereits im abgeschlossenen Asylverfahren wurde festgehalten, dass keine familiären Anknüpfungspunkte des BF in Österreich bestehen würden. Das Fehlen eines geeigneten gesicherten Wohnsitzes und wesentlicher sozialer Verankerung des BF wurde im Schubhaftbeschwerdevorverfahren im Rahmen der dortigen mündlichen Verhandlung eingehend geprüft und erörtert. Die darin enthaltenen Erwägungen haben auch in diesem Verfahren keine Änderung erfahren (siehe Seite 21 des Verhandlungsprotokolls vom 28.10.2021). Es war daher diesbezüglich seitens des Gerichts im Rahmen einer Gesamtbetrachtung nicht angezeigt von hinreichenden sozialen Bindungen auszugehen.

Zu 5.1.: Die der Schubhaft zugrundeliegende Rückkehrentscheidung vom 08.07.2016, rk seit 23.08.2017, ist durchsetzbar. Seither befindet sich der BF illegal in Österreich. Auch liegt ein schengenweites Einreiseverbot für den BF vor. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Akt, dass der BF bereits dreifach vorbestraft ist und sich als gesellschaftsschädlich gezeigt hat. Im Sinne der Bestrebung der Republik Österreich, ein geordnetes Fremden und Asylwesen zu haben, kommt daher dem öffentlichen Interesse im konkreten Fall ein höherer Stellenwert, als den persönlichen Interessen des BF, zu. Das öffentliche Interesse an einer gesicherten Außerlandesbringung des BF ist daher unverändert hoch und die Fortsetzung der Schubhaft daher auch weiterhin verhältnismäßig.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt A.:

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen:

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

Die Grundlage zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit einer Fortsetzung der Schubhaft über die Viermonatsfrist im BFA-VG iVm. § 80 FPG lautet:

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.

3.1.2. Zur Judikatur:

Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf Art 1 Abs. 3 PersFrSchG 1988 hinzuweisen, aus dem sich das für alle Freiheitsentziehungen geltende Gebot der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit ergibt, deren Prüfung im Einzelfall eine entsprechende Interessenabwägung verlangt. Für die Schubhaft ergibt sich das im Übrigen auch noch aus der Wendung "... wenn dies notwendig ist, um ..." in Art 2 Abs. 1 Z 7 PersFrSchG 1988. Dementsprechend hat der VfGH - nachdem er bereits in seinem Erkenntnis vom 24.06.2006, B 362/06, die Verpflichtung der Behörden betont hatte, von der Anwendung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist - in seinem Erkenntnis vom 15.06.2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden in allen Fällen des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Der VwGH hat dazu beginnend mit dem Erkenntnis vom 30.08.2007, 2007/21/0043, mehrfach festgehalten, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein dürfe.“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008)

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt. Die begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ist dabei ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (vgl. dazu etwa VwGH 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389; VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039). Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Anderenfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) "nutzlos". Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FPG ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Den erwähnten Verlängerungstatbeständen liegt freilich zu Grunde, dass die in Frage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann. (vgl. VwGH 11.06.2013, Zl. 2013/21/0024, zum Erfordernis einer Prognosebeurteilung, ob die baldige Ausstellung eines Heimreisezertifikates trotz wiederholter Urgenzen durch das Bundesministerium für Inneres angesichts der Untätigkeit der Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates zu erwarten ist; vgl. VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582, zur rechtswidrigen Aufrechterhaltung der Schubhaft trotz eines ärztlichen Gutachtens, wonach ein neuerlicher Versuch einer Abschiebung des Fremden in den nächsten Monaten aus medizinischen Gründen nicht vorstellbar sei).

3.1.3. Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist gehen solle, vorzulegen. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig wäre. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass eine weitere Anhaltung über die gesetzlich vorgesehene Viermonatsfrist hinaus, weiter als verhältnismäßig angesehen werden kann. Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse zeigt sich, dass nahezu keine soziale Verankerung des BF in Österreich und sohin auch keine schützenswerten Interessen in derartige Hinsicht vorliegen. Die namentlich genannte Freundin hat es bisher in keiner Weise geschafft, den BF dazu zu bringen, sich in Österreich an die für ihn bestehenden Normen zu halten und zeigte darüber hinaus in der Zeugeneinvernahme an 28.10.2021 sogar dafür Verständnis, dass der BF von einem Freigang nicht in die Strafhaft zurückkehrte (Verhandlungsprotokoll Seite 10). Darüber hinaus hat das Ermittlungsverfahren ergeben, dass der BF nicht selbsterhaltungsfähig ist. Im Zuge der durchzuführenden Abwägung bleibt daher festzuhalten, dass berücksichtigungswürdige soziale Bindungen in Österreich bisher so gut wie nicht entstanden sind und Selbsterhaltungsfähigkeit nicht gegeben war.

Das Verfahren hat in keiner Weise ergeben, dass der BF aufgrund seiner gesundheitlichen Situation durch die Inhaftierung einer unzumutbaren (unverhältnismäßigen) Belastung ausgesetzt ist, zumal er auch diesbezüglich bei Bedarf einer medizinischen Kontrolle unterzogen wird.

Aufgrund der dem Gericht vorliegenden Informationen aus dem Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl lässt sich aus derzeitiger Sicht erkennen, dass von deren Seite eine zügige Außerlandesbringung nach Erlangung eines Heimreisezertifikates als wahrscheinlich anzusehen ist. Das Gericht geht daher im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung davon aus, dass eine Außerlandesbringung des BF nach heutigem Wissensstand durchaus möglich, und auch im Laufe der kommenden Monate trotz der coronabedingten Einschränkungen aus heutiger Sicht realistisch erscheint. Wie bereits unter der Beweiswürdigung zu 1.3. erörtert, geht das Gericht davon aus, dass unter Umständen die Möglichkeit einer Abschiebung des BF auch ohne PCR-Testung bestehen könnte. Im Hinblick auf die fehlende Mitwirkung des BF zur PCR-Testung sieht es das Gericht derzeit jedenfalls als legitim an, den BF zumindest bis zu einer Klärung der faktischen Durchführbarkeit einer Abschiebung weiter in Schubhaft anzuhalten.

Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen ist jedenfalls gewährleistet, dass eine allfällige weitere wesentliche Verlängerung der Schubhaft, einer neuerlichen Überprüfung zu unterziehen sein wird. Dabei wird abermals eine Prognoseentscheidung hinsichtlich einer zeitnahen Effektuierung der Außerlandesbringung des BF durchzuführen sein. Das Gericht kommt daher zu dem Schluss, dass eine Fortsetzung der Schubhaft durch Überschreitung der Viermonatsfrist, in Anwendung des § 80 Abs. 4 Zi. 4 FPG, weiterhin verhältnismäßig und notwendig ist. Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung auch die Voraussetzungen für eine nunmehr über die Viermonatsfrist hinausgehende Schubhaft weiter vorliegen.

Zu Spruchpunkt B. – Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie zu Spruchpunkt A. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft Identität illegaler Aufenthalt öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Untertauchen Vereitelung Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2022:W171.2250198.1.00

Im RIS seit

28.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

28.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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