Index
001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des K P in S, vertreten durch die Niederhuber & Partner Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Wilhelm-Spazier-Straße 2a, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 14. Dezember 2019, LVwG-551017/41/Wim, betreffend ein wasserrechtliches Widerstreitverfahren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Oberösterreich; mitbeteiligte Partei: Gemeinde S, vertreten durch die Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH, Mölker Bastei 5, 1010 Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Landeshauptmann von Oberösterreich sprach mit Bescheid vom 28. September 2016 aus, dass dem Vorhaben der mitbeteiligten Partei zur Errichtung einer Wasserkraftanlage am T Bach gegenüber dem vom Revisionswerber eingereichten Vorhaben der Vorzug im Sinn der §§ 17 und 109 WRG 1959 zukomme.
2 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab. Die Revision erklärte das Landesverwaltungsgericht für nicht zulässig.
3 Begründend führte das Landesverwaltungsgericht aus, von der mitbeteiligten Partei und vom Revisionswerber seien jeweils Projekte zur Errichtung einer Wasserkraftanlage am T Bach zur Bewilligung eingereicht worden. Die geplanten Wasserbenutzungen stünden zueinander im Widerstreit. Bei Abwägung der (näher dargestellten) Vor- und Nachteile beider Projekte, entspreche das der mitbeteiligten Partei stärker den öffentlichen Interessen, sodass diesem Projekt der Vorrang einzuräumen gewesen sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Zur Zulässigkeit der Revision wird zunächst vorgebracht, aus dem angefochtenen Erkenntnis ergebe sich nicht, ob das Landesverwaltungsgericht § 109 WRG 1959 in der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses geltenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 58/2017 oder in der Fassung vor Inkrafttreten dieser Novelle angewandt habe. Es entspreche der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass Verfahrensvorschriften - soweit keine andere Anordnung getroffen werde - in jener Fassung anzuwenden seien, die zum Zeitpunkt der Setzung der entsprechenden Verfahrenshandlung in Geltung gestanden sei. § 109 Abs. 1 WRG 1959 in der nach dieser Rechtsprechung maßgeblichen Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 58/2017 habe eine Einleitung eines Widerstreitverfahrens aber nur auf Antrag vorgesehen. Ein solcher Antrag sei niemals gestellt worden. Gehe man dagegen davon aus, dass das Landesverwaltungsgericht die zu seinem Entscheidungszeitpunkt in Geltung stehende Rechtslage anzuwenden gehabt hätte, so wäre zum mit der Novelle BGBl. I Nr. 58/2017 vorverlegten „Sperrzeitpunkt“ nach § 109 Abs. 2 WRG 1959 noch „kein zu berücksichtigendes Projekt“ der mitbeteiligten Partei vorgelegen. Das angefochtene Erkenntnis erweise sich daher jedenfalls als rechtswidrig.
8 § 109 Abs. 1 und 2 WRG 1959 lautet in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 58/2017 samt Überschrift auszugsweise:
„Widerstreitverfahren
§ 109. (1) Liegen widerstreitende (§ 17), auf entsprechende Entwürfe (§ 103) gestützte Ansuchen um Bewilligung einer Wasserbenutzung vor, dann ist auch auf Antrag eines Bewerbers vorerst darüber zu entscheiden, welchem Vorhaben der Vorzug gebührt. [...]
(2) Ansuchen, die einer bereits in Behandlung gezogenen Bewerbung widerstreiten (Abs. 1), sind nur dann zu berücksichtigen, wenn sie bis zum Tag der Anberaumung der mündlichen Verhandlung - wenn jedoch das Verfahren gemäß Abs. 1 zunächst auf die Frage des Vorzuges beschränkt war, bis zum Tag der Anberaumung der mündlichen Verhandlung hierüber - bei der Verwaltungsbehörde geltend gemacht werden. Sofern keine mündliche Verhandlung stattfindet, wird auf den Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides abgestellt.“
9 Mit BGBl. I Nr. 58/2017 wurde in § 109 Abs. 1 WRG 1959 das Wort „auch“ vor der Wortfolge „auf Antrag eines Bewerbers“ eingefügt. In § 109 Abs. 2 erster Satz WRG 1959 wurde die Wortfolge „noch vor Abschluss“ durch die Worte „bis zum Tag der Anberaumung“ ersetzt. § 109 WRG 1959 in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 58/2017 trat mit Ablauf des Tages der Kundmachung der Novelle, die am 25. April 2017 erfolgte, in Kraft (§ 145 Abs. 13 WRG 1959).
10 Es trifft zu, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wenn gesetzlich nichts anderes vorgeschrieben ist, Verfahrensvorschriften in jener Fassung anzuwenden sind, die zum Zeitpunkt der Setzung der entsprechenden Verfahrenshandlungen (bzw. zu dem Zeitpunkt, zu dem Verfahrenshandlungen zu setzen gewesen wären) gegolten haben (vgl. VwGH 27.2.2019, Ra 2018/05/0054, 0157, mwN). Eine Änderung von Verfahrensregelungen während eines laufenden Verfahrens ist somit nicht auf bereits gesetzte Verfahrenshandlungen anzuwenden (vgl. VwGH 16.1.2018, Ro 2017/03/0017, mwN).
11 Es ist daher nicht zweifelhaft, dass das Landesverwaltungsgericht bei seiner Beurteilung, ob der Landeshauptmann von Oberösterreich zu Recht im Sinn des § 109 Abs. 1 WRG 1959 in einem Widerstreitverfahren darüber entschieden hat, welchem Ansuchen der Vorzug gebührt bzw. zu Recht das Ansuchen der mitbeteiligten Partei im Sinn des § 109 Abs. 2 WRG 1959 berücksichtigt hat, die Rechtslage vor der Novelle BGBl. I Nr. 58/2017 anzuwenden hatte. Für den Standpunkt des Revisionswerbers ist daraus jedoch nichts gewonnen. Es entsprach nämlich der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits zur Rechtslage vor der Novelle BGBl. I Nr. 58/2017, dass ein Widerstreitverfahren von der Behörde auch von Amts wegen durchgeführt werden kann (vgl. VwGH 23.5.2013, 2010/07/0107, mwN). Durch die Einfügung des Wortes „auch“ in § 109 Abs. 1 erster Satz WRG 1959 ist somit durch den Gesetzgeber nur eine Klarstellung erfolgt (vgl. Bumberger/Hinterwirth, WRG3 [2020], § 109 K6; ErlRV 1456 BlgNR 25. GP 1).
12 Unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit der Revision wird weiters vorgebracht, das Landesverwaltungsgericht habe im Zuge seiner Abwägung, welchem Vorhaben im Sinn des § 17 Abs. 1 WRG 1959 der Vorzug zukomme, auch als Argument herangezogen, dass die mitbeteiligte Partei als Gemeinde und damit Körperschaft öffentlichen Rechts „einen höheren Bestandsschutz“ aufweise. Dazu sei vom Verwaltungsgericht ausgeführt worden, bei der mitbeteiligten Partei sei - insbesondere in Hinblick auf allfällige Erfüllungs- und Ersatzansprüche - eine wesentlich geringere Gefahr gegeben, dass diese in Zukunft infolge „wirtschaftlicher Turbulenzen“, insbesondere einer Insolvenz, oder eines „Untergehens (Tod einer natürlichen Person, Auflösung einer Kapitalgesellschaft)“ nicht mehr greifbar sein könnte. Es liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, ob dieses Argument bei der nach § 17 Abs. 1 WRG 1959 zu treffenden Entscheidung zu berücksichtigen sei. Auch fehlten Feststellungen, aus denen abzuleiten sei, dass insoweit tatsächlich ein „Vorteil“ der mitbeteiligten Partei gegenüber dem Revisionswerber bestehe. Bei den diesbezüglichen Ausführungen des Landesverwaltungsgerichts handle es sich somit lediglich um abstrakte Annahmen, die nicht durch „belastbare Ergebnisse“ untermauert würden.
13 Bei der in Anwendung der Bestimmung des § 17 Abs. 1 WRG 1959 zu treffenden Beurteilung, welche von mehreren Bewerbungen um geplante Wasserbenutzungen dem öffentlichen Interesse besser dient, handelt es sich im Umfang der unvermeidlichen Gewichtung der zu prüfenden öffentlichen Interessen letztlich um eine Wertentscheidung (vgl. VwGH 30.6.2016, 2013/07/0271). Die diesbezügliche Beurteilung des Verwaltungsgerichts ist dabei naturgemäß eine Frage des Einzelfalls.
14 Mit ihrem Vorbringen übergeht die Revision, dass das Landesverwaltungsgericht seine Abwägung nach § 17 WRG 1959 darauf gestützt hat, dass dem Projekt der mitbeteiligten Partei näher genannte Vorteile in Hinblick auf die Gewässerökologie zukämen. Durch diese Vorteile werde der „maßgebliche Ausschlag“ zugunsten des Vorhabens der mitbeteiligten Partei gegeben, dem daher ein „eindeutiger Vorzug“ zukomme. Diese Erwägungen, denen die Revision nicht entgegentritt, tragen die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts.
15 Lediglich ergänzend hat das Landesverwaltungsgericht das in der Revision genannte Argument des „höheren Bestandsschutzes“ der mitbeteiligten Partei genannt und dazu festgehalten, dass dieses „tendenziell auch noch zusätzlich etwas“ für das Projekt der mitbeteiligten Partei spreche. Auf dieses lediglich hilfsweise und nicht tragend herangezogene Kriterium kam es somit für die nach § 17 WRG 1959 vorgenommene Abwägung des Verwaltungsgerichts nicht mehr an. Damit ist das Schicksal der Revision aber nicht von der aufgeworfenen Frage der Stichhaltigkeit dieses Wertungskriteriums abhängig. Für die Lösung bloß abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht zuständig (vgl. etwa VwGH 16.10.2020, Ra 2019/07/0088, mwN).
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 31. Dezember 2021
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020070022.L00Im RIS seit
28.01.2022Zuletzt aktualisiert am
10.02.2022