Entscheidungsdatum
08.06.2021Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L501 2157917-1/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Einzelrichterin über die Beschwerde von Herrn XXXX , geboren XXXX , Staatsangehörigkeit Irak, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.03.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Die beschwerdeführende Partei stellte im Gefolge ihrer illegalen Einreise in das Bundesgebiet am 07.05.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.
I.2. Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Wien am 08.09.2015 gab die beschwerdeführende Partei an, den Namen XXXX zu führen und Staatsangehörige des Irak zu sein. Sie sei am XXXX in Bagdad geboren, Angehörige der arabischen Volksgruppe, Moslem der sunnitischen Glaubensrichtung und unverheiratet.
Befragt nach dem Fluchtgrund, erklärte sie, sie sei Pressefotografin und von verschiedenen Gruppierungen bedroht worden. Zuletzt seien Personen ins Haus gekommen und hätten mehrere Schüsse abgefeuert. Ihre diesbezüglich erstattete Anzeige könne sie auch vorlegen. Sie fürchte um ihr Leben.
I.3. Am 13.01.2017 wurde die beschwerdeführende Partei vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, im Beisein eines Dolmetschers für Arabisch niederschriftlich einvernommen.
Eingangs der Befragung legte die beschwerdeführende Partei dar, der arabischen Sprache mächtig zu sein und der Einvernahme in gesundheitlicher Hinsicht folgen zu können. Zur Erstbefragung einvernommen führte sie aus, dass sie bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht habe und die Einvernahme korrekt rückübersetzt worden sei.
Befragt zur Person gab die beschwerdeführende Partei an, dass sie bis zu ihrer Ausreise gemeinsam mit ihren Eltern und den drei Schwestern in einem im Eigentum des Vaters stehenden Haus in Bagdad, XXXX , gelebt habe. Zwei ihrer Schwestern studierten, eine gehe noch zur Schule. Sie habe täglich telefonischen Kontakt zu ihrer Familie. Ihre Familie gehöre der Mittelschicht an, sie leide an keiner persönlichen Bedrohung oder Verfolgung, aber die Situation sei aufgrund der dort herrschenden Sicherheitssituation schwierig. In ihrem Bezirk lebten Schiiten und Sunniten ziemlich gleich verteilt, ihr seien keine Probleme zwischen Schiiten und Sunniten in ihrem Bezirk bekannt. Sie habe 12 Jahre lang in Bagdad die Schule besucht, maturiert und anschließend an der Universität in Bagdad BWL mit Schwerpunkt Buchhaltung studiert. Sie habe ihr Studium ordnungsgemäß beendet, sie hätte das Abschlusszeugnis Ende Mai / Anfang Juni 2013 erhalten sollen.
Sie habe seit Ende 2012 bis zu ihrer Ausreise als Reporterin bei der XXXX gearbeitet. Die Zeitung sei alle 2 Wochen herausgekommen, es seine mittelgroße Zeitung gewesen. 2 Brüder hätten die Zeitung geleitet, seit Ende 2015/Anfang 2016 gebe es sie nicht mehr. Dies hätten ihr Freunde erzählt. Befragt nach dem Grund für die Einstellung erklärte sie, dass es glaublich finanzielle Gründe gegeben habe, sie nehme auch an, dass viele Reporter bedroht worden seien. Sie habe zu den Themen Sport, Politik, Wirtschaft etc., was immer gerade im Land aktuell war, recherchiert.
Sie habe den Irak am 24. August 2015 illegal Richtung Türkei verlassen und sei am 6. September 2015 illegal in Österreich eingereist.
Aufgefordert, ihre konkreten und individuellen Fluchtgründe vorzubringen, führte die beschwerdeführende Partei aus, dass sie Reporterin und Sunnitin sei; ihre sunnitische Zugehörigkeit erkenne man an ihrem Vornamen. Es gebe jetzt diese Gruppierungen namens „Korat Badr“, eine schiitische Gruppe.
Am 15. August 2015 sei das Haus ihrer Familie gegen 22:00 Uhr beschossen worden, die Personen hätten dabei einen Drohbrief an der Hausmauer hinterlassen. Am nächsten Tag sei sie zur Polizeistation gegangen, um den Vorfall anzuzeigen. Danach sei sie in die nordirakische Stadt XXXX gefahren, dort habe sie sich 7 Tage lang aufgehalten, bis der Schlepper ihr gefälschte Dokumente für die illegale Ausreise besorgt habe. Auf die Frage, woher sie wisse, dass die Badr Miliz das Haus beschossen haben, gab sie an, dass dies im Drohbrief gestanden habe. Im Drohbrief, der bei der Polizei sei, sei gestanden, dass sie als Journalistin den Bezirk verlassen solle. Aufgefordert, den Inhalt des Drohbriefs zu konkretisieren und zu erklären, warum sie diesen nicht fotografiert habe, erklärte die beschwerdeführende Partei: „Es standen ein paar Namen im Drohbrief. Ich sollte den Bezirk verlassen. Ich weiß es nicht und habe nicht daran gedacht.“ Den Drohbrief könne sie nicht vorlegen.
Die beschwerdeführende Partei legte bei ihrer Einvernahme Fotos vor, auf denen eine Mauer zu sehen ist, auf der ein beschriebener Zettel befestigt ist. Der Dolmetscher merkte bei der Einvernahme an, dass 5 unleserliche Namen auf dem Zettel stünden und dass es eine allgemeine Kundgebung an alle Gläubiger sei.
Auf die Frage, was sie konkret über die Badr Miliz wisse, gab die bP an, dass dies schiitische Milizen seien, die vom Iran gesteuerten würden und es Tausende Kämpfer gebe, der Namen des Anführers sei ihr jedoch nicht bekannt.
Über Aufforderung, das Ereignis näher zu schildern, erklärte die beschwerdeführende Partei, sie habe ferngesehen, ihre Mutter habe geschlafen, ihr Vater sei noch auf gewesen und die Schwestern wären in ihrem Zimmer gewesen. Sie hätten rauslaufen wollen, hätten jedoch Angst gehabt. 5 Minuten nach Beginn der Schießerei hätten die Nachbarn an der Tür geläutet und sich erkundigt, ob jemand verletzt sei. Eine halbe Stunde später sei die Polizei vor Ort gewesen und habe sie aufgefordert, eine Anzeige zu machen. Sie und ihr Vater hätten sich die Einschusslöcher angesehen. In der Anzeige stehe, dass aus einem weißen Fahrzeug Type ALANARA gegen 22:00 Uhr geschossen und ein Drohbrief zurückgelassen worden sei.
Auf die Frage, ob es im Bezirk in der Vergangenheit solche Vorfälle gegeben habe, teilte die beschwerdeführende Partei mit, dass es ca. alle 2 Wochen passiere, dass jemand auf Häuser schießt.
Die Frage, warum ihr Haus und beschossen worden sei, beantwortete die beschwerdeführende Partei dahingehend, dass sie glaube, es liege an ihrem Arbeitgeber, es seien andere Kollegen auch bedroht worden, einer sei ums Leben gekommen. Würde sie in den Irak zurückkehren, würde sie basierend auf dem Drohbrief von der Badr Miliz getötet werden. Ihr Name sei bei den Milizen registriert. Wenn sie zurückkehre, möchte sie weiter als Journalistin arbeiten und als Journalistin würde sie natürlich bedroht werden. Auf den Vorhalt, dass es doch genug Journalisten im Irak gebe, erklärte die beschwerdeführende Partei, dass diese Journalisten im Gegensatz zu ihr aber nie persönlich bedroht worden seien.
Aufgefordert, von ihr verfasste Artikel vorzulegen, meinte die beschwerdeführende Partei, dass sie keine Kopien hier habe, sie habe Artikel über die Handballmannschaft geschrieben. Auf den Hinweis, dass es nicht sehr glaubhaft sei, von der Miliz wegen einem Artikel über eine Handballmannschaft bedroht zu werden, erklärte die beschwerdeführende Partei sie wisse es nicht.
Befragt, ob es vor dem 15. August 2015 irgendwelche Vorfälle oder Bedrohungen gegeben habe, teilte die beschwerdeführende Partei mit, dass sie beim Fotografieren von den Sicherheitskräften verbal bedroht worden sei, 2013 bei einer Sportveranstaltung sogar körperlich angegriffen worden sei. Ein Soldat habe sie mit seiner Kalaschnikow geschlagen. Dies sei aber nicht der Grund für ihre Ausreise gewesen.
Die beschwerdeführende Partei legte im Zuge ihrer Einvernahme vor sowohl ihren irakischen Personalausweis als auch ihren irakischen Staatsbürgerschaftsnachweis in Kopie, 2 Presseausweise, einer gültig bis 2014, einer bis Ende 2015 (Journalist), ein Presseausweis gültig bis Dezember 2013 (Kameramann), Kopie einer Anzeige mit der XXXX XXXX , ausgestellt von der Polizeidirektion Bagdad, Wachstelle im Bezirk XXXX , 8 Beweisfotos in Kopie mit einem Haus, eine Zeitung XXXX , Internetausdrucke über Bedrohungen bzw. Entführungen von Journalisten
I.4. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde) den Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten als auch einer subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte die Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak fest (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestimmt.
I.5. Mit Verfahrensanordnung vom 27.04.2017 wurde der beschwerdeführenden Partei gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.
I.6. In ihrer mit Schreiben vom 14.05.2017 fristgerecht erhobenen Beschwerde bringt die beschwerdeführende Partei vor, sie sei aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit als Fotografin und Journalistin sowie ihrer religiösen Zugehörigkeit massiven Verfolgungshandlungen seitens der mit dem irakischen Staat verbundenen radikal schiitischen Milizen ausgesetzt. Sie werde auch aufgrund ihres Einsatzes für Menschenrechte und Meinungsfreiheit bedroht. Die Gefahren, denen Journalisten im Irak ausgesetzt seien, gingen aus den Länderberichten hervor. Unverständlich sei die Behauptung, sie könne keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen sein, weil sie lediglich über eine Handballmannschaft berichtet habe; sie habe jedoch in der Einvernahme ausführlich erklärt, in verschiedenen Themengebieten gearbeitet zu haben, unter anderem auch Berichte über Politikthemen geschrieben und recherchiert zu haben. Die schiitischen Milizen unterschieden sich hinsichtlich ihres reaktionären Gesellschaftsbildes und ihrer Brutalität gegenüber Andersgläubigen, kritischen Journalisten und Menschen mit anderer sexuellen Orientierung kaum vom IS. Die Art und Weise wie die belangte Behörde die Glaubwürdigkeit ihrer Befürchtungen abspreche, überzeuge nicht; die großteils irrelevanten, teilweise selektiven Anmerkungen in der Beweiswürdigung gingen ins Leere. Dass sie über die Personen, die für ihre Verfolgung verantwortlich gewesen seien, keine nähere Auskunft habe geben könne, sei verständlich, da sie in ihren Wahrnehmungen aufgrund der Unübersichtlichkeit der Ereignisse überfordert gewesen sei. Nicht beachtet worden sei auch das Vorbringen, dass sie schon aufgrund ihres Namens als Sunnitin erkennbar sei. Da sie bereits Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen sei, befürchte sie zurecht, getötet zu werden. Die allgemeine Situation sei weiterhin, möglicherweise verschärft massiv instabil. Die allgemeine Sicherheitslage lasse eine Rückkehr nicht zu. Allenfalls wäre aufgrund der erfolgreichen Integration in Österreich eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären.
I.7. Mit Schreiben vom 13.10.2020 wurde die beschwerdeführende Partei aufgefordert, Fragen hinsichtlich ihrer persönlichen Problemlage in ihren Herkunftsstaat sowie ihrer Integration in Österreich zu beantworten.
Mit Schriftsatz ihrer rechtsfreundlichen Vertretung vom 05.11.2020 teilte die beschwerdeführende Partei mit, dass sie keine neuen Fluchtgründe vorzubringen habe, sie Depressionen habe, kein Familie in Österreich habe, über ein Zertifikat A1 verfüge und ihren Alltag vorwiegend mit Deutsch lernen, Spazierengehen, usw. verbringe. Im Schreiben wird sodann Stellung genommen zu angeblich seitens des Bundesverwaltungsgerichts übermittelten Länderberichten, was jedoch nicht der Fall war.
Mit Schreiben vom 14.12.2020 wurde der beschwerdeführenden Partei mitgeteilt, dass bislang keine Länderberichte in das Verfahren eingebracht worden seien und um Beantwortung der noch ausständigen Fragen ersucht. Mit Schreiben vom 7. 1. 2021 legte die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen nur das Zertifikat A1 sowie zwei Empfehlungsschreiben vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
II.1.1. Die bP führt den Namen XXXX , ist am XXXX in Bagdad geboren, ist Staatsangehörige des Iraks und Angehörige der arabischen Volksgruppe. Sie ist Moslem und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung. Die bP spricht Arabisch als Muttersprache. Sie steht nicht in medizinischer Behandlung.
Die bP ist ledig und hat keine Kinder. Sie besuchte in Bagdad 12 Jahre lang die Schule, legte die Matura ab und absolvierte anschließend erfolgreich ein betriebswirtschaftliches Studium mit Schwerpunkt Buchhaltung. Bis zu ihrer Ausreise lebte sie gemeinsam mit ihren Eltern und drei Schwestern in dem im Eigentum des Vaters stehenden Einfamilienhaus in Bagdad in XXXX . Im Wohnviertel der bP gibt es zwischen den ansässigen sunnitischen und schiitischen Bewohnern keine Konflikte. Der Vater der bP arbeitete vor dem Ausbruch der Corona Pandemie als Taxifahrer, dies ist derzeit nicht möglich. Die Mutter arbeitet als Lehrerin an einer Grundschule und sorgt auf diese Weise für den Lebensunterhalt der Familie. Die 1994, 1997 oder 1998 und 2010 geborenen Schwestern sind unverheiratet; die beiden älteren Schwestern haben ein Universitätsstudium absolviert, die jüngste Schwester geht noch zur Schule. Das Verhältnis zwischen der bP und ihrer Familie ist gut und steht sie nach wie vor in regelmäßigem Kontakt zu ihr.
2015 verließ die bP den Irak, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen rechtswidrig in Österreich ein und stellte am 07.08.2015 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
II.1.2. Die bP gehörte in ihrem Herkunftsstaat keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an und hat bzw. hatte in ihrem Herkunftsstaat keine Schwierigkeiten aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit oder ihres sunnitischen Religionsbekenntnisses zu gewärtigen. Die bP hatte außerdem vor ihrer Ausreise keine Schwierigkeiten mit Behörden, Gerichten oder Sicherheitskräften ihres Herkunftsstaates zu gewärtigen.
Die bP war vor ihrer Ausreise aus dem Irak keiner Verfolgung oder Bedrohung durch Milizen oder sonstige staatliche oder nichtstaatliche Akteure ausgesetzt und wäre auch im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung, etwa aus Gründen ihres religiösen Bekenntnisses, ausgesetzt.
Die bP war vor ihrer Ausreise aus ihrem Herkunftsstaat dort keiner anderweitigen individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt durch staatliche Organe, Kämpfer schiitischer oder sunnitischer Milizen oder Privatpersonen ausgesetzt und wird im Falle einer Rückkehr in die Herkunftsregion Bagdad einer solchen individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt sein.
Die bP ist im Fall einer Rückkehr in die Herkunftsregion Bagdad nicht einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretenden individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt aufgrund ihres Religionsbekenntnisses ausgesetzt. Sie hat auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit einer individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt aufgrund einer Asylantragstellung im Ausland oder ihres mehrjährigen Aufenthaltes in Europa zu rechnen. Ihr droht keine strafrechtliche Verfolgung.
Der bP droht im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht die Todesstrafe. Ebenso besteht keine anderweitige individuelle Gefährdung, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie kriegerische Ereignisse oder terroristische Anschläge im Irak.
Die irakische Hauptstadt Bagdad ist im Luftweg mit Linienflügen gefahrlos erreichbar.
II.1.3. Die bP ist ein arbeitsfähiger Mensch mit abgeschlossener akademischer Ausbildung. Sie verfügt über eine – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich – gesicherte Existenzgrundlage in ihrem Herkunftsstaat sowie über familiäre Anknüpfungspunkte in ihrer Herkunftsregion in Gestalt ihrer Eltern und Schwestern sowie eine hinreichende Versorgung mit Nahrung und Unterkunft. Der bP ist darüber hinaus die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung ihres Auskommens möglich und zumutbar.
II.1.4. Die bP hält sich seit mindestens 07.08.2015 durchgehend in Österreich auf und bezieht seit dem verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber.
Die bP ist nicht legal erwerbstätig. Sie hat in der Irakischen Schule in Wien (Privatschule) als Schreibkraft mitgeholfen.
Die bP brachte im Verfahren keine Einstellungszusage und auch keinen Arbeitsvorvertrag in Vorlage, sie geht jedoch davon aus, im Fall eines Zugangs zum Arbeitsmarkt als Köchin in der Gastronomie beschäftigt zu werden.
Die bP besuchte Qualifizierungsmaßnahmen zum Erwerb der deutschen Sprache und legte am 4.7.2018 eine Prüfung über Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem Niveau A1 erfolgreich ab.
Die bP ist alleinstehend, sie hat – bis auf die Tante eines Cousins - in Österreich keine Verwandten und ist für keine Person im Bundesgebiet sorgepflichtig. Sie ist Mitglied in einem Integrationsbildungsverein; laut dem vom Vereinsobmann unterschriebenen Empfehlungsschreiben ist die bP verlässlich, pünktlich, hilfsbereit und hat ein großes Interesse Menschen zu helfen. Das Empfehlungsschreiben ist von mehreren Vereinsmitgliedern – mit hauptsächlich aus dem arabischen Raum stammenden Namen – unterfertigt. Die die bP im Rahmen des Projekts „Integration ab Tag 1“ seit April 2021 betreuende Lehrkraft beschreibt sie als gut in die Gruppe integriert, freundlich, hilfsbereit und gleichfalls als verlässlich und pünktlich.
II.1.5. Die bP ist strafgerichtlich unbescholten. Ihr Aufenthalt im Bundesgebiet war nie nach § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Abs. 1a FPG 2005 geduldet. Der Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Die bP wurde nicht Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO.
II.1.6. Zur gegenwärtigen Lage im Gouvernement Bagdad werden folgende Feststellungen getroffen:
Das Gouvernement Bagdad ist das mit ca. 4.555 km² flächenmäßig kleinste Gouvernement des Landes und beherbergt die gleichnamige irakische Hauptstadt Bagdad. In Bagdad lebten 2018 offiziellen Schätzungen zufolge 8,1 Millionen Menschen (die Einwohnerzahl variiert je nach Quelle und Zählweise zwischen 6,6 bis zu 9,7 Millionen Einwohnern). Obwohl Bagdad das kleinste Gouvernement im Irak ist, hat es die höchste Einwohnerzahl von allen Gouvernements. 87% der Bevölkerung des Gouvernements leben in der Stadt Bagdad selbst. Die Hauptstadt ist das wichtigste Wirtschaftszentrum des Landes und beherbergt die stark geschützte grüne Zone.
Die Stadt Bagdad ist in neun Verwaltungsbezirke gegliedert: Adhamiyah, Karkh, Karada, Khadimiyah, Mansour, Sadr City, Al Rashid, Rasafa und 9 Nissan (‘new Baghdad’). Die restliche Fläche des Gouvernements beherbergt die Verwaltungsbezirke Al Madain, Taji, Tarmiyah, Mahmudiyah und Abu Ghraib, die den sogenannten „Bagdad Belt“ bilden und die Vororte beherbergen.
Im Jahr 2019 schätzte das irakisch zentrale Statistikbüro die Einwohnerzahl des Gouvernement Bagdad auf 8.340.711 Menschen, von denen 1.043.279 Menschen in den ländlichen Gebieten des „Bagdad Belt“ und 7.297.432 Menschen in den städtischen Gebieten von Bagdad City leben. Die CIA schätzte die Bevölkerung von Bagdad-City im Jahr 2020 auf 7.144.000 Menschen. Obwohl Bagdad das flächenmäßig kleinste Gouvernement im Irak ist, hat es die höchste Anzahl von Einwohnern aller Gouvernements, wobei 87 % davon in den städtischen Gebieten von Bagdad City leben. Das Gouvernement Bagdad hat damit die höchste Bevölkerungsdichte im Irak.
Gouvernement und Stadt Bagdad weisen eine gemischte Bevölkerung aus Schiiten und Sunniten mit einer geringeren Anzahl christlicher Gemeinschaften auf. Während die meisten Stadtteile in Bagdad in der Vergangenheit von einer Mischung aus Sunniten und Schiiten bewohnt waren, führte die gewaltsame Säuberung im Zuge der konfessionellen Konflikte insbesondere in den Jahren 2006 und 2007 dazu, dass die Stadt viel stärker religiös geteilt und von den Schiiten dominiert zu sein scheint.
In wirtschaftlicher Hinsicht sind der größte Teil der produzierenden Betriebe, der Finanzwirtschaft und der Handelsunternehmungen in und um Bagdad konzentriert. Mindestens die Hälfte der irakischen Großindustrie befindet sich im Gouvernement Bagdad. Das Ölfeld östlich von Bagdad ist 65 Kilometer lang und 11 Kilometer breit und verfügt über eine Reserve von 8 Millionen Barrel Rohöl. Darüber hinaus ist Bagdad über Verkehrswege mit dem Rest des Landes gut verbunden und verfügt mit dem Bagdad International Airport über einen der wichtigsten Flughäfen im Irak.
Sicherheit von Verkehrswegen:
Der Overseas Security Advisory Council (OSAC) beobachtete die Existenz von improvisierten Kontrollpunkten zusätzlich zu den zahlreichen Sicherheitskontrollpunkten der Regierung in der Stadt Bagdad. OSAC stellte auch fest, dass die Maßnahmen zur Beschränkung des Zugangs zur Internationalen Zone (Grüne Zone) im Dezember 2018 gelockert wurden. Nachdem sich im Oktober 2019 regierungskritische Proteste in Bagdad ausbreiteten, wurde der Zugang zur Internationalen Zone jedoch wieder eingeschränkt. Berichten zufolge kann sich der Einlass zur Internationalen Zone je nach Sicherheitslage schnell ändern, was die diplomatischen Missionen, den privaten Sektor und die Ansässigkeit direkt beeinflusst. Iraq Humanitarian Fund und iMMAP untersuchten die Gefährdung durch Sprengmittel auf Straßen im Gouvernement Bagdad zwischen dem 1. und 30. April 2020. Die Analyse ergab Straßen der Kategorie „Primary Risk Road“ (rot) in Tarmiyah, Abu Ghraib und Mahmoudiya und damit überwiegend im Bereich des „Bagdad Belt“. Straßen der Kategorie „Secondary Risk Road“ (orange) wurden in den oben genannten Gebieten sowie in Mada'in und in geringem Ausmaß in einzelnen Vierteln von Bagdad-City definiert.
Rückblick:
Vom Jahr 2013 an intensivierte der Islamische Staat seine terroristischen Aktivitäten in Bagdad dramatisch. Insbesondere schiitische Ziele in der Stadt Badgda wurden von VBIEDs (Autobomben) angegriffen. Mit dieser Strategie versuchte der Islamische Staat, einerseits die Unfähigkeit der irakischen Behörden und der irakischen Sicherheitskräfte im Hinblick auf die Gewährleistung von Sicherheit zu demonstrieren und anderseits die neuerliche Formierung schiitischer Milizen zu provozieren. Die Angriffe mit VBIEDs setzte sich auch 2014 fort. Die anfängliche Befürchtung im Sommer 2014, dass der Islamische Staat auch die Stadt Bagdad überrennen könnte, verwirklichte sich nicht. Dennoch kam es zu Kämpfen zwischen den Milizen des Islamischen Staates und der irakischen Armee in Zaidan und Abu Ghraib im Westen des Gouvernements (in etwa 20 km Entfernung zum Stadtzentrum). Auch in den Städten al-Mahmudiya und Latifiya südlich der Stadt wurden Schießereien mit Kämpfern des Islamischen Staates gemeldet. Darüber hinaus waren im Jahr 2014 öffentliche Plätze in schiitischen Bezirke in Bagdad weiterhin Ziele regelmäßiger Terroranschläge des Islamischen Staat.
Das Vordringen der Milizen des Islamischen Staates über Mossul in den Zentralirak im Juni 2014 führte zur Mobilisierung schiitischer Milizen in Bagdad. Während die irakische Armee in erster Linie die Sicherheit im Zentrum von Bagdad gewährleistete, waren schiitische Milizen hauptsächlich in den Vorstädten und im Bagdad-Belt präsent. Die neuerliche Formierung dieser Milizen weckte bei der sunnitische Minderheit Erinnerungen den die konfessionellen Unruhen in Bagdad in den Jahren 2006 und 2007, als schiitische Milizen konfessionell motivierte Säuberungen zu Lasten der sunnitischen Bevölkerung Bagdads durchführten. Im Laufe des Jahres 2014 gab es zwar neuerlich Berichte über konfessionell motivierte Übergriffe durch schiitische Milizen und es wurden Morde von sunnitischen Zivilisten Angehörigen verschiedener schiitischer Milizen zugerechnet. Die groß angelegten konfessionellen Unruhen und Übergriffe der Jahren 2006 und 2007 wiederholten sich in Bagdad jedoch weder 2014, noch zu einem späteren Zeitpunkt.
Dem Institute for the Study of War zufolge stellte der Islamische Staat im Jahr 2016 die terroristischen Angriffe auf Bagdad mit Autobomben und Selbstmordattentätern zunächst für einige Monate ein, nahm jedoch im April und Mai 2016 diese Taktik wieder auf. Im Zeitraum vom 4. April 2016 bis zum 11. Mai 2016 wurden 23 Angriffe mit Autobomben und Selbstmordattentätern registriert. Dabei wurden hauptsächlich Sicherheitskräfte und Kontrollpunkte, aber auch Märkte, Begräbnisse und Pilger zum Beispiel attackiert. Der Fokus auf Angriffe auf Zivilisten und schiitische Pilger führte dazu, dass bei den Bombenanschlägen in Bagdad im April 2016 zahlreiche Zivilpersonen getötet oder verletzt wurden. Im Mai 2016 zündete der Islamische Staat beispielsweise eine Bombe im schiitischen Verwaltungsbezirk Sadr City, wobei 52 Menschen getötet und Dutzende Menschen verletzt wurden. Am 11. Mai 2016 führte der Islamische Staat in Bagdad drei gleichzeitige Anschläge durch, bei denen 93 Zivilpersonen getötet und viele weitere Menschen verletzt wurden. Im Juli 2016 wurden bei dem Selbstmordbombenanschlag im Verwaltungsbezirk Karada 324 Menschen getötet, als der Islamische Staat eine in einem Lastkraftwagen verborgende Bombe vor einem Einkaufszentrum zündete. Dem Experten Joel Wing zufolge setzte der Islamische Staat seine Angriffe aus den ländlichen Gebieten rund um Bagdad aus auch im Jahr 2017 fort, die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle ging jedoch bereits 2017 von durchschnittlich zwölf Vorfällen auf drei Vorfälle pro Tag zurück. Im Jahr 2017 ereigneten sich letzte größere terroristische Anschlüge des Islamischen Staates auf Märkte und Geschäfte in Bagdad. Zum Beispiel wurden 35 Menschen bei einem Autobombenanschlag im schiitischen Verwaltungsbezirk Sadr City im Januar 2017 getötet. Eine Autobombe vor dem Al-Kindi-Krankenhaus in Bagdad tötete drei Menschen, zwei sich gegen Schiiten richtende Selbstmordanschläge auf einen Markt in Bagdad forderten noch im Januar 2017 28 Todesopfer. Die Zahl terroristischer Angriffe des Islamischen Staates auf Menschenansammlungen in Bagdad ist in der Folge nach dem ersten Quartal 2018 signifikant zurückgegangen (zur aktuellen Sicherheitslage siehe unten).
Sicherheitskräfte im Gouvernement Bagdad:
Die Einheiten der irakischen Armee in Bagdad unterstehen dem Baghdad Operations Command (BOC), das in zwei Gebiete unterteilt ist, das Karkh Area Command und das Rusafa Area Command. Die Special Forces Division (SFD) des Premierministers ist für die Sicherheit in der grünen Zone und den Schutz des Premierministers verantwortlich und kann vom Verteidigungsministerium, dem BOC, dem Joint Operations Command (JOC) sowie dem Premierminister selbst eingesetzt werden. Die SDF wird auch für Sicherungsaufgaben in Bagdad herangezogen, insbesondere während der schiitischen Pilgerreisen.
Dem Karkh Area Command untersteht die 6. irakische Armeedivision mit verschiedenen Brigaden, die in und außerhalb der Stadt stationiert sind. Zuletzt übernahmen Einheiten der 6. irakische Armeedivision die Kontrolle über eine Militäreinrichtung in Abu Ghraib, die zuvor von Beratern der Streitkräfte der Internationalen Koalition genutzt wurde. Die dem Rusafa Area Command unterstehende 9. irakische Armeedivision ist derzeit nicht in Bagdad stationiert. Die Bundespolizei des irakischen Innenministeriums ist in Bagdad durch drei Bundespolizeidivisionen vertreten. Die dem Innenministerium unterstellte paramilitärisch organisierte irakische Bundespolizei (FP) hat in Bagdad mehrere Divisionen stationiert. Die 1. Federal Police Division sichert den Südwesten, Westen, Südosten und die Kanalzone (östlich der Hauptstadt) von Bagdad. Die 2. Federal Police Division, die einzige mechanisierte Division der FP in Bagdad, wird hauptsächlich zur Terrorismusbekämpfung in Bagdad und den Bagdad-Belts, zur Sicherung von Pilgerwegen und zu Aufgaben in Zusammenhang mit der Strafverfolgung herangezogen. Die 4. Federal Police Division deckte das südliche Bagdad und Gebiete südlich der Hauptstadt ab und betreibt das Gefängnis in Karkh. Ergänzend steht westlich von Bagdad die 3. Brigade der Emergency Response Division (ERD) zur Verfügung.
Die Stadt Bagdad und die Vororte werden grundsätzlich von den irakischen Behörden kontrolliert. In der Praxis teilen sich die Behörden jedoch die Verteidigungs- und Strafverfolgungsaufgaben mit den schiitisch dominierten Milizen der Volksmobilisierungseinheiten (al-hashd al-sha‘bi, engl.: popular mobilization units, PMU oder popular mobilization forces bzw. popular mobilization front, PMF), was zu einer „unvollständigen“ oder überlappenden Kontrolle mit diesen Milizen führt. Das BOC ist das am besten ausgestattete Kommando der irakischen Streitkräfte und demnach bei Einsätzen mit einer entsprechenden Stärke vertreten. In der Vergangenheit gelang es schiitische Milizen in Bagdad dennoch, Verbrechen zu verüben, Stützpunkte und Kontrollzonen im nordöstlichen und südlichen Teil des Gouvernement Bagdad zu errichten und es kam in seltenen Fällen sogar zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit den irakischen Sicherheitskräften. Dem Experten Michael Knights zufolge haben PMF-Milizen im Gouvernement Bagdad kein operatives Hauptquartier, es gibt jedoch Stützpunkte im Bagdad-Belt. Berichten zufolge hat die schiitische Miliz Kata'ib Hizbollah eine Kontrollzone in Jurf as-Sakr, 40 Kilometer südwestlich von Bagdad, geschaffen. Die Miliz Kataib Al-Imam Ali versucht, eine Basis im südöstlichen Teil des Bagdad-Belt zu errichten. Asa'ib Ahl Al-Haqq dominiert im nördlichen Teil des Bagdad-Belt. In Bezug auf Bagdad-City berichtet Michael Knights, dass PMF-Milizen in zahlreichen Teilen des Irak über lokale Büros zur Mittelbeschaffung und Rekrutierung verfügen. Die höchste Konzentration solcher Büros ist in Bagdad-City gegeben. Darüber hinaus haben sich PMF-Milizen in Bagdad-City Einflussbereiche geschaffen. In der Palästina-Straße ist die Miliz Kata'ib Hizbollah dominierend, in Sadr City Saraya al-Salam und Asa'ib Ahl al-Haqq, in Karada und Jadiriyah die Badr-Organisatzu und Kata'ib Al-Imam Ali. In diesen Gebieten heben Milizen Steuern von Unternehmen und auf Immobilientransaktionen ein, ferner werden Berichten zufolge im Gouvernement Bagdad von schiitischen Milizen Waffen gelagert. Die unabhängige Nachrichtenagentur Iran Wire veröffentlichte eine am 8. Mai 2020 aktualisierte Karte, auf der die Präsenz folgender PMU-Gruppen in der Stadt Bagdad gezeigt wurde und stellte die Gesamtzahl von Kämpfern im Irak und in Syrien für jede Gruppe zur Verfügung:
? Al-Khorasani Brigaden (3.000 Kämpfer) in Gherai‘at, Al-Bayda’a, und Bo'aitha und dem Hauptquartier in Karada
? Saraya al-Salam (nunmehr 7.000 Kämpfer im Rahmen der PMF, zuvor 20.000 Kämpfer unter der Bezeichnung Jaysh Al-Mahdi) mit dem Hauptquartier in Sadr City
? Al-Tayyar Al-Risali (2.000 Kämpfer) in A502 and 9 Nissan
? Liwa Abu Fadl Al-Abbas (500 Kämpfer) in Safaraat und Al-Saadoon
? Kataib Al-Imam Ali (Anzahl der Kämpfer unbekannt) in Al-Mutanabi
? Badr-Organisation (10.000 Kämpfer) in Mansour, Suwaib and Al-Rasheed
? Saraya Ashoura’a (6.000 Kämpfer) in Abu Nuwas
? Asa’ib Ahl Al-Haq (15.000 Kämpfer) am Diyala-Fluss und in Bab Al-Sham
? Kata’ib Jund Al-Imam (bestehend aus mehreren Brigaden mit einer unbekannten Anzahl an Kämpfern)
Laut einer im September 2019 veröffentlichten Forschungsarbeit waren neben Einheiten der irakischen Armee und der FP im Gouvernement Bagdad die PMF-Brigaden 1, 2, 4, 20, 22, 23, 24, 26, 28, 47 und 110 stationiert. Darüber hinaus entstand im Jahr 2014 getrennt von den PMF-Milizen ein als „Defense Hashd“ bezeichneter loser Zusammenschluss kleinerer Gruppierungen, die in erster Linie in den Gebieten des Bagdad-Belt stationiert und nominell dem Verteidigungsministerium angegliedert sind. Dem Experten Michael Knights zufolge stehen dem Verteidigungsministerium auf diesem Weg sechsundfünfzig Checkpoint-Einheiten zur Verfügung, die vom BOC geführt werden und die in Einrichtungen der irakischen Streitkräfte ausgebildet wurden. Die PMF-Milizen erkennen die Defense Hashd nicht als Teil der Volksmobilisierungseinheiten an.
Im März 2020 wurde eine neue Gruppierung namens Usbat Al-Tha'irien (Liga der Revolutionäre) gegründet. Diese Gruppierung hat sich zu tatsächlichen und versuchten Angriffen auf US-Ziele bekannt und veröffentlichte Luftaufnahmen wichtiger US-Einrichtungen im Irak. Damit verfolgt die Gruppierung das Teil, die US-Truppen zu Vergeltungsschlägen zu provozieren, der die Tötung irakischer Zivilisten oder irakischer Sicherheitskräfte zur Folge hat. Auf diese Weise soll öffentlicher Unmut gegen die ausländische Militärpräsenz gefördert werden.
Islamsicher Staat:
Mehrere Quellen berichteten über verstärkte Aktivitäten des Islamischen Staates in Bagdad in den Jahren 2019 und 2020. Ein BBC-Artikel vom 23.12.2019 berichtet, dass sich der Islamische Staat zwei Jahre nach dem Verlust der letzten Territorien neu organisiert. Die BBC zitierte einen hochrangigen kurdischen Beamten der Terrorismusbekämpfung, der davor warnte, dass der Islamische Staat von den politischen Unruhen in der irakischen Hauptstadt Bagdad und dem wachsenden Gefühl der Entfremdung der irakischen Sunniten profitieren würde. Business Insider berichtete, dass der Islamische Staat seit Mitte 2019 in ländlichen Gebieten östlich und nördlich von Bagdad Aktivitäten entfalten würde. Der Experte Joel Wing beobachtete demgegenüber, dass der Islamische Staat zwar im Jahr 2019 den Versuch unternommen habe, in Bagdad-City Fuß zu fassen und es dabei zu mehreren Bombenanschlägen gekommen sei, dann aber der Schwerpunkt der Aktivitäten des Islamischen Staates in ländliche Gebiete verlagert worden sei.
Im Mai 2020 stellte das an der Militärakademie West Point eingerichtete Combating Terrorism Center (CTC) in einem Bericht fest, dass es aktive Angriffszellen des Islamischen Staates in folgende Gebieten des Gouvernement Bagdad gibt: Tarmiyah; Tadschi/Saab al-Bour; Abu Ghraib/Zaidon; das Latifiyah/ Yusufiyah/ Mahmudiyah-Dreieck; Jurf al-Sakhr; und Jisr Diyala/Madain. Die Quelle fügte hinzu, dass die Zunahme der Aktivitäten des Islamischen Staates rund um Bagdad vor allem im Norden und Westen des Bagdad-Belt stattgefunden habe, wobei im nördlichen Bereich des Bagdad Belt von der Gruppierung Shamal Al-Bagdad Wilayat aktiv ist. Berichten zufolge dient eine dort beheimatete wichtige Durchgangsstraße als Bindeglied zu anderen Gebieten mit Aktivitäten des Islamischen Staates und als Drehscheibe für Kämpfer und Material aus Syrien bzw. aus Anbar.
US-geführte internationale Militärpräsenz:
Laut einem am 08.01.2020 veröffentlichten Aljazeera-Artikel waren 5.200 US-Soldaten in verschiedenen Stützpunkten im Irak stationiert. Zwei dieser Stützpunkte befanden sich in Bagdad, nämlich Tadschi im Norden und Victory innerhalb des internationalen Flughafens von Bagdad. Letzterer wird als Kommandozentrale und für Aufklärungs- und Kontrollzwecke genutzt. Einem Artikel zufolge, der am 06.07.2020 in der Military Times veröffentlicht wurde, orientieren sich die internationalen Truppen im Irak bei ihren Operationen an den irakischen Sicherheitskräften bei ihrem Kampf gegen den Islamischen Staat und passen ihre Kapazitäten und Aktivitäten entsprechend an. Berichten zufolge soll die Task Force Irak in eine Einheit von Militärberatern umgewandelt werden, die einen zentralen Standort in Bagdad haben wird. Die Zeitung Al-Arab berichtete dazu am 17.07.2020, dass die USA nicht die Absicht haben, den Irak zu verlassen; dennoch sei die Verringerung der Zahl der US Truppen im Irak möglich und Gegenstand von Konsultationen mit der irakischen Regierung.
Dem Institute for the Study of War zufolge wurde aufgrund der COVID-19-Pandemie von einigen europäischen Mitglieder der US-geführten Anti-IS-Koalition zwischen dem 25.03.2020 und dem 31.03.2020 angekündigt, Truppen aus dem Irak abzuziehen. Frankreich, die Tschechische Republik und Portugal sollen demnach ihren den vollständigen Rückzug aus dem Irak angekündigt haben, während das Vereinigte Königreich, die Niederlande, Spanien, Italien und Deutschland nur einen teilweisen Abzug ihrer Einheiten ankündigten. Darüber hinaus befahl das Departement of Stat am 25.03.2020 allen Regierungsmitarbeitern im Irak und der Autonomen Region Kurdistan-Irak, den Irak aufgrund der schlechten Sicherheitsbedingungen und eingeschränkten Reisemöglichkeiten infolge von COVID-19 zu verlassen.
Rezente Entwicklungen in Bezug auf die Sicherheitslage und deren Auswirkung auf die Zivilbevölkerung:
Eine der wichtigsten sicherheitspolitischen Entwicklungen im Irak in den Jahren 2019 und 2020 waren die zunehmenden Spannung zwischen dem Iran und den Vereinigten Staaten. Am 29.12.2019 berichtete die New York Times über US-Luftangriffe, die auf mehrere Positionen der Kata'ib Hizbollah im Irak als Vergeltung für einen Angriff ausgeführt wurden, bei dem ein Amerikaner getötet wurde. Am 02.01.2020 wurde der iranische General Qassim Suleimani, der Kommandeur der Al-Quds-Brigade der iranischen Revolutionsgarde und eine Reihe von vom Iran unterstützten Milizionären, insbesondere der Stabschef des irakischen Komitees der Volksmobilisierungseinheiten (PMC), Abu Mahdi Al-Muhandis, bei einem US-Drohnenangriff auf dem Flughafen von Bagdad getötet. Das irakische Parlament stimmte kurz nach dem Angriff für die Ausweisung aller amerikanischen Soldaten aus dem Irak. Am 08.01.2020 berichtete die New York Times, dass der Iran mehr als 20 ballistische Raketen auf Militärstützpunkte im Irak abgefeuert hatte, auf welchen amerikanische Truppen stationiert waren. Keiner dieser Militärstützpunkte befand sich im Gouvernement Bagdad. Am 24.01.2020 gingen tausende Iraker in Bagdad nach einem Aufruf des schiitischen Kleriker Muqtada Al-Sadr auf die Straße und skandierten antiamerikanische Parolen. Berichten zufolge wurde die Demonstration von Einheiten der Miliz Saraya Al-Salam und anderen PMF-Milizen geschützt.
Kata'ib Hizbollah sprach am 29.02.2020 eine „letzte Warnung“ an alle irakischen Unternehmungen und Personen aus, die logistische, diplomatische, sicherheitsbezogene oder wirtschaftliche Verbindungen zu den amerikanischen Streitkräften (im Original: „groups with logistical, diplomatic, security, or economic connections to U.S. forces.“) unterhalten. Diese Unternehmungen und Personen (einschließlich irakischer Transport- und Sicherheitsunternehmen, des irakischen Innenministeriums, des irakischen Verteidigungsministeriums sowie des CTS) sollten ihre (Geschäfts-)Beziehungen bis spätestens 15.03.2020 kündigen bzw. beenden. Maßnahmen für den Fall des Zuwiderhandelns wurden von Kata'ib Hizbollah nicht angekündigt. New Arab berichtete am 13.03.2020 über die Stationierung irakischer Sicherheitskräfte in der Grünen Zone und die Evakuierung von Büros und Einrichtungen schiitischer Milizen in den Stadtviertel Jadiriya, Karrada, Arsat und Palestine Street nach amerikanischen Luftangriffen auf PMF-Basen in Jurf Al-Sakhr im Gouvernement Babil. Dieselbe Quelle berichtete am 14.03.2020, dass Al-Taji-Militärbasis nördlich von Bagdad von 14 Raketen getroffen wurde, was zu drei Verwundeten unter den US-Truppen führte, von denen sich zwei in kritischem Zustand befanden. Am 17.03.2020 bekannte sich die neue Gruppierung Usbat Al-Tha'irien zum Angriff am 14.03.2020 und zwei weiteren Angriffen auf die Al-Taji- Militärbasis. Diese Eskalation zog eine etwa einmonatige Pause im April 2020 nach sich, bevor am 06.05.2020 Stellungen der US-Armee in der Nähe des Flughafens Bagdad angriffen wurden. Die Angriffe setzten sich im Juli 2020 fort, und laut EPIC trafen am 27.07.2020 drei Raketen die Al-Taji-Militärbasis, zwei Raketen trafen den internationalen Flughafen von Bagdad am 30.07.2020.
Zusätzlich zu den oben erwähnten Angriffen dokumentierte das Institute for ther Study of War zwischen dem 08.01.2020 und dem 17.03.2020 sieben Angriffe mit Granaten und Raketen, die auf die Grünen Zone und einige andere Stadtviertel Bagdads ausgeführt wurden. Einige Raketen wurden von Stadtviertel in Bagdad (Al-Amanah, Zafaraniyah und Arab Jabour gestartet. Bei den sieben Angriffen wurde nur ein amerikanischer Staatsangehöriger verletzte, als am 26. Januar 2020 drei Mörsergranaten die amerikanische Botschaft trafen. Darüber hinaus berichtete EPIC, dass im Juni und Juli 2020 drei Raketenangriffe auf die Grüne Zone Bagdads gerichtet waren, wobei bei einem dieser Angriffe ein Kind verletzt wurde.
Das Washington Institute erklärte, dass am 03.06.2020 der Vorsitzende des Komitees der Volksmobilisierungseinheiten über das Büro von Premierminister Mustafa Al-Kadhimi ein Memorandum veröffentlichte, das die Wiederaufnahme des Reformprozesses in Bezug auf die Volksmobilisierungseinheiten/PMF-Milizen beinhaltete. Zu den vorgeschlagenen Änderungen gehörte die Schließung einiger PMF-Büros in den Städten und Streichung von Einheitsnomenklaturen. Nach Angaben des Washington Institute wird das Komitee der Volksmobilisierungseinheiten sein Hauptquartier in Bagdad weiter betreiben und die im Memorandum vertretene Position größeren Milizen, darunter Kata'ib Hizbollah, in die Lage versetzten taktische Einheiten an sensiblen Orten (z.B. in der Nähe des Büros des Premierministers oder sogar innerhalb des republikanischen Palastkomplexes, einem wichtigen Ort für die Regierungstreffen) zu platzieren und damit weiter Druck auf die Regierung auszuüben.
Der irakische Premierminister genehmigte am 25.06.2020 eine Angriffsoperation des CTS auf ein Gebäude der Kata'ib Hizbollah im Stadtviertel Dora im Süden Bagdads, das zur Verhaftung von 14 Mitgliedern der Gruppe und der Beschlagnahme von Raketen führte. Die 14 Mitglieder wurden später freigelassen, nachdem Kata'ib Hizbollah Berichten zufolge Druck auf den Premierminister ausübte.
Protestbewegung:
Eine weitere Entwicklung der Jahre 2019 und 2020 waren Großdemonstrationen in mehreren Städten, insbesondere in Bagdad. In einem Bericht des UN-Sicherheitsrates vom 22.11.2019 wird ausgeführt, dass sich am 01.10.2019 Demonstranten auf dem Tahrir-Platz in Bagdad versammelten und politische und soziale Reformen einforderten. Die Demonstration entwickelte sich zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung mit Sicherheitskräften, als die Demonstranten versuchten, in die Grüne Zone einzudringen. Berichten zufolge setzten sich die Proteste in den folgenden Tagen in Bagdad fort, bevor sie auf andere irakische Gouvernements übergriffen.
Am 03.10.2019 wurde von der irakischen Regierung eine Ausgangssperre verhängt. Am 07.10.2019 berichtete Reuters über Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften im Verwaltungsbezirke Sadr-City, die zu dem Tod von 15 Personen führten. Bis Ende Oktober 2019 wurden die Forderungen der Demonstranten um die Wahrnehmung der politischen Verantwortung für den Verlust von Menschenleben, den Rücktritt der Regierung und Wahl- und Verfassungsreformen erweitert. Als Reaktion auf die Proteste entsandte der damalige irakische Premierminister Abdul Mahdi Ende Oktober 2019 zunächst den CTS, um den Protesten ein Ende zu setzen. Später erteilte das PMF-Kommando seinen Einheiten am 07.12.2019 Anweisungen, dass alle militärischen Aufgaben der PMF dem Joint Operations Command (JOC) unterstellt würden und dass keine PMF-Einheiten in der Nähe von Protestzentren präsent sein sollten.
Im Weltbericht von Human Rights Watch von 2019 heißt es zu den Protesten im Jahr 2019, dass die Zusammenstöße mit Sicherheitskräften bei Protesten von Anfang Oktober 2019 bis Dezember 2019 in Bagdad und den südlichen irakischen Städten mindestens 350 Demonstranten das Leben gekostet habe. Berichten zufolge haben Sicherheitskräfte Tränengaspatronen abgefeuert und in einigen Fällen scharfe Munition gegen Demonstranten eingesetzt. Amnesty International veröffentlichte am 23.01.2020 einen Bericht, wonach seit Oktober 2019 mehr als 600 Demonstranten getötet wurden. Der Bericht zitierte Aktivisten, die über den vorsätzlichen Einsatz von scharfer Munition und militärischen Tränengas berichteten, was den Tod von Demonstranten nach sich gezogen habe. Zwischen dem 05.03.2020 und 08.03.2020 wurden in Bagdad durch unidentifizierte Sicherheitskräfte drei Demonstranten getötet und 44 verwundet. Der Bericht des UN-Sicherheitsrates vom 06.05.2020 zeigte erstmals einen Rückgang der Zahl der Toten und Verletzten unter den Demonstranten auf, der teilweise auf der COVID-19-Situation zurückzuführen ist. Während des Berichterstattungszeitraumes vom 21.02.2020 bis Mai 2020 wurden in Bagdad zehn Demonstranten getötet und 367 verletzt.
Einem UNAMI-Bericht vom 23.05.2020 zufolge kam es zu Entführungen von Personen, die an Demonstrationen teilgenommen oder Demonstranten unterstützt haben. Dem Bericht zufolge haben sich solche Vorfälle in der Nähe der Demonstrationsorte oder auf dem Weg von/nach Hause oder zur Arbeit ereignet. Darüber hinaus berichteten entführte Personen, dass ihnen die Augen verbunden und sie zu Orten gebracht worden wären, wo sie verhört und/oder festgehalten wurden. Dabei wurden der Unterstützung von ausländischen Staaten (insbesondere der Vereinigten Staaten) bezichtigt. Die männlichen Befragten teilte mit, dass sie verschiedenen Formen körperlicher Misshandlungen ausgesetzt waren, während die weiblichen Befragten beschrieben, dass sie geschlagen, mit Vergewaltigung bedroht bzw. in intimen Bereichen berührt. In allen bis auf einem Fall erhielten die Entführten während ihrer Entführung keine medizinische Behandlung. Am 26.05.2020 versprach der neue irakische Premierminister Mustafa Al-Kadhimi, Berichten über Gewalt gegen Demonstranten nachzugehen und Untersuchungen einzuleiten.
Im März 2020 verlegte das Joint Operations Command (JOC) 40 Militärfahrzeuge in den Verwaltungsbezirk Al-Sadr eingesetzt, um die Ausgangssperre durchzusetzen die von der irakischen Regierung am 17.03.2020 zur Hintanhaltung der Verbreitung von Covid-19 in Bagdad verhängt wurde. Dem Bericht des UN-Sicherheitsrates vom 06.05.2020 zufolge wenden sich die regierungskritischen Proteste in Bagdad und mehreren anderen Standorte seither auch gegen die wirtschaftlichen Auswirkungen der von der Regierung verhängten Maßnahmen zur Begrenzung der Ausbreitung von Covid-10 stattgefunden haben. Berichten zufolge kam es im Gouvernement Bagdad zu 27.000 Festnahmen wegen Verstoßes gegen die Ausgangssperren.
Aktivitäten des Islamischen Staates:
Einem im November 2019 veröffentlichter Bericht des UN-Sicherheitsrates zufolge verüben verbliebene Anhänger des Islamischen Staates weiterhin oftmals asymmetrische Angriffe gegen Sicherheitskräfte oder die Zivilbevölkerung insbesondere in den Gouvernements Anbar, Bagdad, Diyala, Kirkuk, Ninawa und Salah al-Din. Experte Joel Wing berichtete im Rahmen seines Blogs Musings on Iraq von einer signifikanten Zunahme der Gewalt in den Monaten April und Mai 2020. In Bezug auf Bagdad habe der Islamische Staat im Jahr 2019 die Strategie verfolgt, in die Stadt zurückkehren und war in der Lage, mehrere Bombenanschläge zu verüben. Allerdings habe der Islamische Staat seinen Fokus anschließend wieder auf ländliche Gebiete gelegt, sodass die Zahl der Angriffe in Bagdad deutlich zurückging. Musings on Iraq zufolge führte der Islamische Staat im März 2020 sieben Angriffe durch, im April 2020 keinen und 14 während seiner „Frühjahrsoffensive“ im Mai 2020. Im Juni 2020 sank die Anzahl der vom Islamischen Staat ausgehenden sicherheitsrelevanten Vorfälle auf zwei ab. Dem Institute for the Study of War erweiterte der Islamische Staat seine Unterstützungszone im nördlichen und südwestlichen Bagdad-Belt.
Das an der Militärakademie West Point eingerichtete Combating Terrorism Center stellte zuletzt fest, dass seitens des Islamischen Staates im Gouvernement Bagdad und dort überwiegend im Bagdad-Belt in der ersten Hälfte des Jahres 2019 durchschnittlich 11,3 Anschläge pro Monat verübt wurden. In der zweiten Hälfte des Jahres 2019 lag dieser Wert bei 24,3 Anschlägen pro Monat und im ersten Quartal 2020 bei 35,3 Anschlägen pro Monat. Der Durchschnittswert von 67,3 Angriffen pro Monat im Jahr 2017 wird damit freilich bei weitem nicht erreicht. Der primäre Fokus des Islamischen Staat liegt im Jahr 2020 auf Angriffen gegen irakische Sicherheitskräfte, nicht auf Zivilisten. Im aktuellen Jahresbericht der Operation Inherent Resolve (die militärische Intervention der Vereinigten Staaten gegen den Islamischen Staat im Irak und in Syrien) an den Kongress wird in dieser Hinsicht berichtet, dass sich im Gouvernement Bagdad zwischen dem 01.01.2020 und dem 31.03.2020 etwas mehr als 20 sicherheitsrelevante Vorfälle ereignet hätten, jedoch viele Anschläge nicht von einer bestimmten Gruppierung für sich beansprucht wurden und die Anschläge insgesamt zu wenigen Opfern geführt hätten. Auch der UN-Sicherheitsrat stellte in seinem am 06.05.2020 zur Lage im Irak veröffentlichten Bericht fest, dass die Reste des Islamischen Staates ihre asymmetrischen Angriffe gegen Sicherheitskräfte und Zivilpersonen in mehreren Gouvernements des Irak einschließlich des Gouvernements Bagdad fortsetzen würden.
Am 08.02.2020 machte das Institute for the Study of War den Islamischen Staat für fünf Anschläge mit unkonventionellen Sprengvorrichtungen (IEDs) auf öffentliche Orte in Bagdad verantwortlich (ohne dabei von Opfern zu berichten). Am 12.03.2020 berichtete das Institute for the Study of War, dass der Islamische Staat wahrscheinlich hinter sechs Angriffen mit IEDs in Gebieten im Osten, Süden und Norden des Bagdad-Belt stehen würde, bei welchen sieben Zivilisten verletzt wurden.
Musings on Iraq zufolge hat die irakische Armee am 02.07.2020 eine Antiterroroperation gegen Zellen des Islamischen Staates in Al-Tarmiya nördlich von Bagdad gestartet. Ein Mitglied des parlamentarischen Ausschusses für Sicherheit und Verteidigung des irakischen Parlaments kritisierte die Operation als willkürliche Verhaftungskampagne, bei welcher die ortsansässige Bevölkerung unter grundlosen Verdächtigungen zu leiden habe und mehr als 50 junge Männer auf demütigende Weise vor den Augen ihrer festgenommen worden seien. Die sunnitische Bevölkerung werde durch derartige Kampagnen geschwächt. Dieselbe Quelle berichtete darüber, dass bei der Operation von Sicherheitskräften ein aus acht Räumen bestehendes unterirdisches Trainingszentrum des Islamischen Staates gefunden wurde. Das Portal National News berichtete über dieselbe Operation und bezeichnete diese als Reaktion auf gesteigerte Aktivitäten des Islamischen Staates im Jahr 2020.
Ausgewählte sicherheitsrelevante Vorfälle in Bagdad in den Jahren 2019 und 2020:
? Am 10. Mai 2019 forderte Radio Free Europe zufolge ein Selbstmordanschlag des Islamischen Staates auf einem Markt in Sadr City acht Todesopfer und 15 Verletzte.
? Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wurde am 13.06.2019 ein Selbstmordanschlag auf ein Spirituosengeschäft in Bagdad verübt. Dabei wurden zwei Zivilisten verletzt.
? Am 12.08.2019 ereignete sich in den südlichen Außenbezirken Bagdads eine große Explosion in einem Munitionsdepot der PMF. Die bei der Explosion entstandenen Splitter beschädigten zivile Wohnungen in der Nähe des Explosionsortes. Berichte über Tote oder Verletzte liegen nicht vor.
? Radio Free Europe berichtete am 07.09.2019, dass vier Bombenanschläge in Geschäftsviertel im Osten, Süden, Westen und Zentrum Bagdads verübt und dabei 14 Personen verletzt wurden. Zu den Anschlägen bekannte sich zunächst niemand.
? Am 26.11-2019 wurden Anschläge mit zwei Motorradbomben und einem IED in den Stadtvierteln Al-Sha'ab, Bayaa und Baladiyyat verübt, dabei kamen sechs Menschen ums Leben. Zu den Anschlägen bekannte sich ebenfalls niemand.
? Am 20.01.2020 wurden drei bei einer christlichen Hilfsorganisation beschäftigte Franzosen und ein Iraker entführt. Sie wurden am 27.03.2020 freigelassen.
? Am 08.02.2020 explodierten fünf IEDs an öffentlichen Orten in Bagdad in den Stadtvierteln Jadida, Bayaa, Jokuk, Hurriya und Qahira. Einer Einschätzung des Institute for the Study of War zufolge wurden die Angriffe wahrscheinlich vom Islamischen Staat durchgeführt.
? Am 14.02.2020 wurden sechs Demonstranten auf dem Tahrir-Platz und eine Person in Yarmouk getötet. Eine Leiche wurde in Nahrawan gefunden.
? Dem Institute for the Study of War zufolge wurden am 22.02.2020 bei sieben IED Angriffen in Bagdad 13 Menschen verletzt. Die Explosionen fanden in Al-Maalaf, Al-Shaab, Al-Habibi, Al-Mashtal, Al-Zafaraniya und Al-Shula statt und wurden mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Islamischen Staat verübt.
? Am 11.04.2020 wurden in Karrada zwei Leichen gefunden.
? Am 30.04.2020 griffen Kämpfer des Islamischen Staates Hochspannungsmasten im Osten von Bagdad und im Süden von Baquba an und setzte dabei Leitungen außer Betrieb, was zu Schwierigkeiten bei der Stromversorgung in sechs Provinzen führte.
? Am 12.05.2020 wurden drei Mitglieder einer Familie bei einem Angriff von bewaffneten Personen auf ein Haus in Abu Ghraib getötet.
? Am 15.05.2020 wurde die Leiche eines jungen Mannes, der zuvor vom Islamischen Staat entführt worden war, erstochen aufgefunden. Am 14.05.2020 wurde die Leiche eines Mädchens aufgefunden gefunden und eine Frau in Neu-Bagdad erstochen.
? Iraq Body Count zufolge kam am 19.05.2020 eine Person bei einer IED-Explosion in einem Kleinbus in Mada'in ums Leben, darüber hinaus wurde eine Leiche mit Folterspuren und Schussverletzungen im Tigris gefunden.
? Am 09.06.2020 wurden in Al-Binak zwei Frauen durch Schüsse aus einem vorbeifahrenden Fahrzeug getötet, ob die Frauen zufällig oder gezielt angegriffen wurden, ist unklar.
? Zwei Frauen wurden laut IBC am 9. Juni 2020 in Bagdad von bewaffneten Männern getötet.
? Iraq Body Count zufolge wurde am 17.06.2020 eine Person in Ur ermordet, eine weitere Person wurde in Sadr City erstochen und drei Leichen wurden an nicht näher bezeichneten Orten in Bagdad gefunden. Ob den Vorfällen kriminelle Handlungen oder terroristische Anschläge zugrunde lagen, geht aus der Quelle nicht hervor.
? Iraq Body Count zufolge wurde 24.06.2020 in Bagdad eine Frau von bewaffneten Männern getötet. Ob dem Vorfall eine kriminelle Handlung oder ein terroristischer Anschlag zugrunde lag, geht aus der Quelle nicht hervor.
? Am 06.07.2020 ermordeten maskierte Bewaffnete auf Motorrädern den irakischen Sicherheitsanalytiker und Berater des irakischen Präsidenten und Premierministers Husham al-Hashimi vor seinem Haus im Stadtviertel Ziyouna in Bagdad. Das Institute for the Study of War bezeichnet die Kataib Hizbollah als wahrscheinlich verantwortlich für den Anschlag.
? Am 24.07.2020 berichtete Al-Monitor, dass ein deutscher Staatsbürger, der in Bagdad entführt wurde, bei einer Operation der irakischen Sicherheitskräfte befreit wurde.
Anzahl ziviler Todesopfer:
In der nachstehenden Tabelle ist die Zahl der auf bewaffnete Auseinandersetzungen zurückzuführenden sicherheitsrelevanten Vorfälle und der zivilen Opfer im Gouvernement Bagdad (anhand der Daten von UNAMI) für den Zeitraum vom 01.01.2019 bis zum 31.07.2020 aufgeführt (Opfer unter den Sicherheitskräften sowie Opfer krimineller Handlungen werden nicht mitgerechnet).
Gouvernement
2019 (Jan-Dez)
Summe 2019
(getötet und verletzt)
2020 (Jan-Jul)
Summe 2020
(getötet und verletzt)
Anzahl der Vorfälle
Getötete
Verletzte
Anzahl der Vorfälle
Getötete
Verletzte
Bagdad
42
37
13
50
4
3
5
8