TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/16 L506 2190505-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.11.2021
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Entscheidungsdatum

16.11.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch


L506 2190505-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. GABRIEL als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , XXXX , StA Islamische Republik Iran, vertreten durch RA Dr. Siudak, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.02.2018, XXXX , Regionaldirektion Wien, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.09.2021 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, und § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin (nachfolgend BF), eine iranische Staatsangehörige, stellte am XXXX nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet zusammen mit ihrem Ehemann und ihrer Schwester einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu ihrem Religionsbekenntnis erklärte sie, keine Religionszugehörigkeit zu haben. Zum Ausreisegrund gab die BF an, sie habe durch eine Schulkollegin eine Gruppe Christen kennengelernt, die sie auch ihrem Mann und ihrer Schwester vorgestellt habe. Sie sei zuvor Schiitin gewesen und habe ihre Religion gewechselt; dies sei vor ca. 4 Monaten gewesen. Der Bruder ihres Mannes arbeite bei der Geheimpolizei und habe dies mitbekommen. Auch der Nachbar habe dies mitbekommen, weshalb Lebensgefahr bestehe.

Die Erzählungen der Christen haben sich so angehört, dass es im Christentum mehr Freiheit gebe und nicht so streng wie im Islam sei. Sie bete nicht und gebe es keine Papiere zum Religionswechsel; an der Spitze des Christentums stehe Gott. Im Rückkehrfall erwarte sie den Tod.

2. Mit Schreiben der Volksanwaltschaft vom 28.07.2017 erging eine Aufforderung zur Stellungnahme an den Innenminister hinsichtlich der Verfahrensdauer.

3. Am 30.01.2018 erfolgte eine Einvernahme der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend: BFA).

Zu ihrem Ausreisegrund gab die BF an, sie sei standesamtlich verheiratet und sei Christin. Ihr Leben sei als solche in Gefahr gewesen, da die iranische Geheimpolizei hinter ihr her gewesen sei, es seien Polizeibeamte in Zivil gewesen. Sechs Monate vor der Abreise sei sie durch eine Freundin Christin geworden; diese habe sie bekehrt und sei sie seitdem wöchentlich in einer Hauskirche gewesen. Eines Tages sei sie auf dem Weg dorthin später dran gewesen und habe sie in der Hauskirche mitgeteilt, dass sie sich verspäte. Sie habe angerufen, doch niemand habe abgehoben; die Verbindung sei da gewesen und es sei sehr laut gewesen. Am Telefon habe sie gehört, dass jemand geschrien habe, dass die Polizei hereinkomme. Sie habe aus Angst aufgelegt und dann nochmals angerufen, doch habe niemand abgehoben. Sie habe ihren Mann angerufen und habe dieser gesagt, sie solle nach Teheran kommen, wohin sie zusammen mit ihrer Schwester gefahren sei. Am nächsten Tag habe ihre Mutter telefonisch mitgeteilt, dass die Geheimpolizei bei ihnen zu Hause gewesen sei und alles durchsucht und ihren Laptop und mehrere Bibeln gefunden und mitgenommen habe. Auch die Nachbarin habe die Mutter informiert, dass die Behörden öfter bei ihnen gewesen sei und nach ihr gefragt habe. Am selben Tag seien sie schlepperunterstützt in die Türkei gereist.

Weitere Gründe habe sie nicht. Die Vorfälle hätten sich zwei oder drei Tage vor der Abreise an einem Donnerstag ereignet.

Über Befragen gab die BF an wie folgt: Sie sei am XXXX anlässlich des ersten Hauskirchenbesuches zum Christentum konvertiert und sei zuvor keine gläubige Muslimin gewesen. Sie sei durch eine Freundin, die sie seit der Hauptschule kenne, konvertiert; diese habe sich in ihrem Wesen verändert, was sie Gott zugeschrieben habe. Sie sei am XXXX getauft worden. Zum Ablauf der Hauskirchentreffen gab die BF an, sie hätten zuerst gesungen, dann habe die Priesterin XXXX die Bibel gelesen und erklärt und danach hätten sie gebetet. Ihre Schwester sei zum christlichen Glauben gekommen, da sie diese missioniert habe und habe sie auch an den Hauskirchen teilgenommen.

Ihr Mann sei ein bisschen neugierig gewesen, doch während der Flucht sei sein Glaube stärker geworden. Die Familie sei nicht bedroht worden, doch rufen sie aber oft an und fragen, wo sie seien.

In weiterer Folge wurden der BF Fragen zum christlichen Glauben sowie zu ihrem Leben in Österreich gestellt.

Anlässlich der Einvernahme legte die BF eine Teilnahmebestätigung an einem Werte- und Orientierungskurs, Empfehlungsschreiben, Fotos von ihr beim Singen, einen Taufschein der XXXX , eine Bestätigung über die ehrenamtliche Mitarbeit, eine Geburts- und Heiratsurkunde, ein Universitätsabschlusszeugnis und eine A2-Deutschkursbestätigung vor.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurden der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde der BF nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Das BFA stellte zusammengefasst mit näherer Begründung fest, dass die seitens der BF geltend gemachten Ausreisegründe nicht asylrelevant bzw. glaubhaft seien, bei der vorgebrachten Konversion handle es sich um eine Scheinkonversion. Das Vorbringen wirke abstrakt und konstruiert.

Spruchpunkt II. begründete die Behörde zusammengefasst damit, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation iSd § 8 Abs 1 Z 1 AsylG zu verneinen sei.

In den weiteren Spruchpunkten hielt das BFA fest, dass der BF keine Aufenthaltsberechtigung gem. § 57 zu erteilen sei, die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung für die Beschwerdeführerin keinen Eingriff in Art. 8 EMRK darstelle und die Abschiebung der BF zulässig sei; letztlich wurde begründet, aus welchem Grund die vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt wurde.

5. Gegen diesen Bescheid erhob die BF zusammen mit ihrem Ehemann und ihrer Schwester mit Schriftsatz ihres damaligen bevollmächtigten Vertreters vom 26.10.2017 innerhalb offener Frist vollinhaltlich Beschwerde. Zu deren Inhalt im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise: VwGH 16.12.1999, 99/20/0524).

Es wurden die Anträge gestellt, die Rechtsmittelbehörde möge

-) den angefochtenen Bescheid der Erstbehörde dahingehend abändern, dass dem Antrag der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz Folge gegeben und dieser der Status der Asylberechtigten zuerkannt werde;

-) in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass den Beschwerdeführern gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran zuerkannt werde;

-) in eventu einen Aufenthaltstitel gem. §§ 55 und 57 zu erteilen, die Rückkehrentscheidung und die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung ersatzlos zu beheben

-) eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen und die beantragte Zeugin zu laden

-) in eventu die angefochtenen Bescheide zu beheben und an das BFA zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen

Das Vorbringen der BF wurde wiederholt und auf diverse Berichte zur Situation der Christen im Iran verwiesen.

6. Gegenständliche Beschwerde langte samt bezug habendem Verwaltungsakt am 27.03.2018 in der hg. Gerichtsabteilung ein.

7. Am 19.04.2018 wurde ein Bestätigungsschreiben der Pastorin zum Beweis der Konversion aus innerer Überzeugung und des integrativen Engagements in der Friedenskirche XXXX hinsichtlich der BF, ihres Ehemannes und ihrer Schwester vorgelegt. Am 15.11.2018 wurde hg. eine Verständigung von der Anklageerhebung wegen versuchtem Diebstahl durch die StA XXXX vorgelegt.

Am 17.12.2020 langte die Bevollmächtigung des aktuellen Vertreters der Beschwerdeführer sowie Unterlagen zum Nachweis der inneren christlichen Überzeugung und deren Integration ein.

Am 18.01.201 wurde die Einvernahme dreier Zeugen beantragt.

8. Am 20.08.2021 langte hg. der Einstellungsbeschluss bzgl. des Strafverfahrens wegen versuchtem Diebstahl aufgrund einer Diversion (gemeinnützige Leistungen im Ausmaß von 50 Wochenstunden) ein.

9. Am 13.09.2021 fand vor dem BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu der die BF und das BFA geladen wurden.

10. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

11. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den behördlichen Verwaltungsakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben der BF, des Bescheidinhaltes sowie des Inhaltes der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde und durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.09.2021.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit der entscheidenden Einzelrichterin

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Aufgrund der geltenden Geschäftsverteilung wurde der gegenständliche Verfahrensakt der erkennenden Einzelrichterin zugewiesen, woraus sich deren Zuständigkeit ergibt.

1.2. Familienverfahren
§ 34 AsylG 2005 lautet:
"(1) Stellt ein Familienangehöriger von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3. einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

Wer als Familienangehöriger im Sinne dieser Bestimmung gilt findet sich in §2 Abs 1 Z 22 AsylG. Da die Beschwerdeführerin die Ehefrau XXXX ist, und die Ehe bereits vor der Einreise bestanden hat (§ 2 Abs 1 Z 22 AsylG), liegt im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ein Familienverfahren iSd §34 Abs 5 AsylG vor und wird das Verfahren der Beschwerdeführer daher in einem geführt.

2.       Feststellungen (Sachverhalt):

2.1.    Zur Person der Beschwerdeführerin wird festgestellt:

2.1.1. Die Identität der Beschwerdeführerin, welche Staatsangehörige des Iran ist, steht fest.

Die Beschwerdeführerin ist verheiratet mit XXXX , gesund und arbeitsfähig und verfügt über ihre Eltern und eine Schwester im Iran.

In Österreich befindet sich ihr Ehemann und ihre Schwester sowie deren neugeborenes Baby. Die genannten Personen reisten gemeinsam illegal mit der Beschwerdeführerin in das Bundesgebiet ein und wurde deren Verfahren mit hg. Erkenntnissen des heutigen Tages abgeschlossen.

Die Beschwerdeführerin hat im Iran die Grundschule besucht, die Matura absolviert und als Zahnarztassistentin und Boutiquebetreiberin gearbeitet und davon ihren Unterhalt bestritten. Sie hat in XXXX in einer Wohnung gelebt.

2.1.2. Die Beschwerdeführerin reiste zusammen mit ihrem Ehemann und ihrer Schwester aus dem Iran aus und illegal in das österreichische Bundesgebiet ein.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin sich im Iran dem christlichen Glauben zugewendet und eine Hauskirche besucht hat, die durch die Behörden entdeckt und in der Wohnung der Mutter der Beschwerdeführerin durchsucht und Bibeln und ein Laptop beschlagnahmt wurden und dass es hinsichtlich ihres Glaubens zu einer Auseinandersetzung mit der Familie ihres Mannes kam, sodass sie, wie auch ihr Mann und ihre Schwester sich gezwungen sahen, das Land zu verlassen.

Dass sich die Beschwerdeführerin, die am XXXX in der getauft wurde, nunmehr seit XXXX XXXX der evangelischen Kirche A.B. XXXX angehört und aktuell Gottesdienste besucht und in der Kirche mithilft und am XXXX kirchlich getraut wurde, ernsthaft mit christlichen Glaubensinhalten auseinandergesetzt, sich nachhaltig dem christlichen Glauben zugewandt hat und dieser Glaube für die Beschwerdeführerin identitätsstiftend ist, kann nicht festgestellt werden.

Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin Gefahr liefe, im Iran einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle der Rückkehr in den Iran in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde oder als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes ausgesetzt wäre.

Zum Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung der Beschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat festgestellt werden.

2.1.3. In Österreich hat die Beschwerdeführerin die genannten Angehörigen.

Sie hat die A2 Sprachprüfung absolviert, besucht einen B1 Kurs und verfügt über rudimentäre Deutschkenntnisse.

Die Beschwerdeführerin bestreitet ihren Unterhalt von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und arbeitete ehrenamtlich. Sie kein Mitglied in einem Verein und verfügt über österreichische und iranische Freunde.

Die Beschwerdeführerin ist strafrechtlich unbescholten und verfügt zum Entscheidungszeitpunkt über keine relevanten Bindungen zu Österreich.

Auch sonst konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration der Beschwerdeführerin in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

1)       2.2. Zur Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt:

Letzte Änderung: 28.01.2021

Iran gilt als eines der am stärksten von Corona betroffenen Länder (DW 18.11.2020) und ist nun auch von einer dritten COVID-19-InfektionsweNe stark betroffen. Regionale Schwerpunkte sind dabei kaum auszumachen, da das Ansteckungsrisiko flächendeckend sehr hoch ist. Städte und Provinzen sind je nach Infektionszahlen in unterschiedliche Risikogruppen eingeteilt (rot = kritische Situation, orange = hohes Risiko, gelb = geringes Risiko) (AA 1.12.2020). Die Zahl der Neuinfektionen bewegt sich den offiziellen Zahlen zufolge weiterhin auf einem hohen, und weiter steigenden Niveau, die Zahl der täglichen Todesopfer ist auch im Steigen begriffen (WKO 28.11.2020). Aktuelle Informationen und detaillierte Zahlen bieten das iranische Gesundheitsministerium und die Weltgesundheitsorganisation WHO (AA 1.12.2020). Die Auslastung der medizinischen Einrichtungen ist sehr hoch, verschiedentlich gibt es Engpässe bei der Versorgung mit Schutzausrüstung und Medikamenten (WKO 28.11.2020). Die Spitäler kämpfen mit Überlastung (WKO 28.11.2020; vgl. ZDF.de 18.10.2020). Für alle der 31 Provinzen inklusive Teheran gilt die Situation als sehr besorgniserregend (WKO 28.11.2020).

Personen, die in den Iran auf dem Luftweg einreisen wollen, haben einen negativen molekularbiologischen Test auf SARS-CoV-2 aus dem Abreisestaat in englischer Sprache mit sich zu führen und vorzuweisen. Das ärztliche Zeugnis darf bei der Einreise nicht älter als 96 Stunden sein. Kann das Gesundheitszeugnis nicht vorgelegt werden, wird ausländischen Staatsangehörigen die Einreise nach Iran verwehrt. Iranische Staatsangehörige (Doppelstaatsbürger reisen in der Regel mit ihrem iranischen Reisepass ein) werden unter Aufsicht des Gesundheitsministeriums in ein Flughafenhotel eingewiesen, dessen Kosten selbst zu tragen sind. Mit eigenhändiger Unterschrift ist zu bestätigen, dass das Hotel nicht verlassen werden darf. Die 14-tägige Quarantäne kann durch einen negativen molekularbiologischen Test beendet werden (BMeiA 1.12.2020; vgl. AA 1.12.2020). Positiv auf COVID-19 getestete Passagiere werden in ein Krankenhaus in Teheran oder andere Isolationsstationen verbracht (AA 1.12.2020).

Seit 21. November 2020 gilt für alle Provinzhauptstädte und zahlreiche weitere Städte ein zunächst zweiwöchiger Lockdown mit weitreichenden Verkehrseinschränkungen (BMeiA 1.12.2020; vgl. DW 18.11.2020), obwohl sich die iranische Regierung - aus Angst vor Protesten - lang gegen einen Lockdown gewehrt hat (DW 18.11.2020). Der Reiseverkehr zwischen diesen rot eingestuften Städten ist grundsätzlich untersagt. In Teheran gilt von 21 Uhr bis 4 Uhr ein Fahrverbot für Privatfahrzeuge (BMeiA 1.12.2020; vgl. DW 18.11.2020). Ab 22 Uhr gilt dies auch für den öffentlichen Nahverkehr. Taxis verkehren auch nach 22 Uhr (AA 1.12.2020). Es kommt - abgesehen vom Lebensmittelhandel und systemrelevanten Einrichtungen - ebenfalls zu landesweiten Betriebsschließungen (BMeiA 1.12.2020). Im Alltag ist derzeit vor allem in orangen und roten Regionen wieder mit Einschränkungen bei Öffnungszeiten und Serviceangebot zu rechnen. Vorübergehend werden weitergehende Beschränkungen eingeführt (z.B. Schließungen von Restaurants, Sporteinrichtungen, religiösen Einrichtungen usw.). Einrichtungen für den essentiellen Lebensbedarf wie Supermärkte und Apotheken bleiben geöffnet. Davon sind u.a. Teheran sowie der Großteil der Provinzhauptstädte und weitere Großstädte betroffen. In roten Regionen bleiben Touristenziele teilweise geschlossen. Camping in öffentlichen Parks ist grundsätzlich untersagt (AA 1.12.2020). Behörden bleiben geöffnet, werden aber nur mit einem Drittel der üblichen Mitarbeiter besetzt (DW 18.11.2020). In allen Schulen und Universitäten wird auf Fernunterricht umgestellt (WKO 28.11.2020; vgl. DW 18.11.2020).

Die iranischen Behörden rufen weiterhin dazu auf, möglichst soziale Kontakte zu meiden sowie persönliche Hygiene- und Schutzmaßnahmen zu ergreifen und öffentliche Transportmittel zu meiden. Es gilt eine generelle Maskenpflicht an allen öffentlichen Orten, in geschlossenen Räumlichkeiten sowie im öffentlichen Nahverkehr (AA 1.12.2020; vgl. WKO 28.11.2020). Künftig soll die Polizei stärker gegen Verstöße vorgehen, Strafen für Verstöße gegen die Auflagen wurden angekündigt (AA 1.12.2020).

Die Regierung hat ein Hilfspaket für Haushalte und Arbeitgeberbetriebe in der Höhe von 24 Mrd. USD beschlossen. 4 Mio. Haushalte sollen einen zinsfreien Mikrokredit von umgerechnet 62 bzw. 124 USD erhalten (WKO 28.11.2020).

Quellen:

•        AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.12.2020, unverändert gültig seit 18.11.2020): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/ de/ReiseUndSicherheit/iransicherheit/202396 , Zugriff 1.12.2020

•        BMeiA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich] (1.12.2020, unverändert gültig seit 20.11.2020): Iran - Aktuelle Hinweise, https://www.bmeia. gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/iran/, Zugriff 1.12.2020

•        DW-Deutsche Welle (18.11.2020): Irans Regierung gibt Widerstand gegen Corona-Lockdown auf, https://www.dw.com/de/irans-regierung-gibt-widerstand-gegen-corona-lockdown-auf/a-55651492 , Zugriff 1.12.2020

•        WKO - Wirtschaftskammer Österreich (28.11.2020): Coronavirus: Situation im Iran, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/iran-bulletin-aussenwirtschaftscenter-zum-coronavi rus--.html , Zugriff 1.12.2020

•        ZDF.de (18.10.2020): Wie die zweite Welle den Iran trifft, https://www.zdf.de/nachrichten/panoram a/coronavirus-iran-zweite-welle-100.html, Zugriff 1.12.2020

1        Politische Lage

Letzte Änderung: 28.01.2021

Iran ist seit 1979 eine Islamische Republik (AA 4.3.2020b). Das Staatssystem beruht auf dem Konzept der „velayat-e faqih", der Stellvertreterschaft des Rechtsgelehrten. Dieses besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage ist, eine legitime Regierung zu führen, bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten wird. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel „Revolutionsführer“ (GIZ 9.2020a; vgl. BS 2020). Der Revolutionsführer (auch Oberster Führer) ist seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei. Er steht noch über dem Präsidenten (ÖB Teheran 10.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Er wird von einer Klerikerversammlung (Expertenrat) auf Lebenszeit gewählt, ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte (AA 4.3.2020a; vgl. FH 4.3.2020, USDOS 11.3.2020) und wesentlich mächtiger als der Präsident. Des weiteren unterstehen ihm unmittelbar die Revolutionsgarden (Pasdar- an oder IRGC), die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen und die gesamte Judikative. Für die entscheidenden Fragen ist letztlich der Revolutionsführer verantwortlich (ÖB Teheran 10.2020; vgl. FH 4.3.2020). Doch obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Diese Zugehörigkeiten und Allianzen unterliegen dabei einem ständigen Wandel. Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt (AA 26.2.2020).

Das iranische Regierungssystem ist ein semipräsidiales: an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident. Amtsinhaber ist seit 2013 Hassan Rohani, er wurde im Mai 2017 wiedergewählt (ÖB Teheran 10.2020). Der Präsident ist, nach dem Revolutionsführer, der zweithöchste Beamte im Staat (FH 4.3.2020). Er steht der Regierung vor, deren Kabinett er ernennt. Die Kabinettsmitglieder müssen allerdings vom Parlament bestätigt werden. Der Präsident ist der Leiter der Exekutive. Zudem repräsentiert er den Staat nach außen und unterzeichnet internationale Verträge. Dennoch ist seine faktische Macht beschränkt, da der Revolutionsführer in allen Fragen das letzte Wort hat bzw. haben kann (GIZ 9.2020a). Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird das Einkammerparlament, genannt Majles, mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann (ÖB Teheran 10.2020). Hauptaufgabe des Parlaments ist die Ausarbeitung neuer Gesetze, die von der Regierung auf den Weg gebracht werden. Es hat aber auch die Möglichkeit, selbst neue Gesetze zu initiieren. Die letzten Parlamentswahlen fanden im Februar 2020 statt (GIZ 9.2020a). Erstmals seit der Islamischen Revolution von 1979 lag die Wahlbeteiligung unter 50%. Zahlreiche Anhänger des moderaten Lagers um Präsident Hassan Rohani hatten angekündigt, der Wahl aus Enttäuschung über die politische Führung fernzubleiben. Tausende moderate Kandidaten waren zudem von der Wahl ausgeschlossen worden (DW 23.2.2020). Nach dem die Erwartungen des Volks vom moderat-reformorientierten Parlament nicht erfüllt wurden und die Wirtschaftslage und die finanzielle Situation des Volks nach den US-Sanktionen immer schlechter wurde, kamen nach den Parlamentswahlen 2020 hauptsächlich die konservativen und erzkonservativen Kräfte ins Parlament. Die Mehrheit der Abgeordneten der neuen Legislaturperiode verfolgt sowohl gegenüber der Regierung von Rohani als auch gegenüber westlichen Werten eine sehr kritische Linie (ÖB Teheran 10.2020).

Entscheidende Gremien sind des Weiteren der vom Volk direkt gewählte Expertenrat mit 86 Mitgliedern, sowie der Wächterrat mit zwölf Mitgliedern (davon sind sechs vom Obersten Führer ernannte Geistliche und sechs von der Judikative bestimmte Juristen). Der Expertenrat ernennt den Obersten Führer und kann diesen (theoretisch) auch absetzen. Der Wächterrat hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch wesentlich mächtiger. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei allen nationalen Wahlen (ÖB Teheran 10.2020; vgl. GIZ 9.2020a, FH 4.3.2020, BS 2020). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 9.2020a). Des weiteren gibt es noch den Schlichtungsrat. Er vermittelt im Gesetzgebungsverfahren und hat darüber hinaus die Aufgabe, auf die Wahrung der „Gesamtinteressen des Systems" zu achten (AA 4.3.2020a; vgl. GIZ 9.2020a). Er besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Die Interessen des Systems sind unter allen Umständen zu wahren und der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 9.2020a).

Die Basis des Wahlsystems der Islamischen Republik sind die Wahlberechtigten, also jeder iranische Bürger ab 16 Jahren. Das Volk wählt das Parlament, den Präsidenten sowie den Expertenrat (GIZ 9.2020a) in geheimen und direkten Wahlen (AA 26.2.2020). Das System der Islamischen Republik kennt keine politischen Parteien. Theoretisch tritt jeder Kandidat für sich alleine an. In der Praxis gibt es jedoch Zusammenschlüsse von Abgeordneten, die westlichen Vorstellungen von Parteien recht nahe kommen (GIZ 9.2020a; vgl. AA4.3.2020a). Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insider oder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Folglich können iranische Wähler nur aus einem begrenzten und vorsortierten Pool an Kandidaten auswählen (FH 4.3.2020). Von den 1.499 Männern und 137 Frauen, die sich im Rahmen der Präsidentschaftswahl 2017 für die Kandidatur zum Präsidentenamt registrierten, wurden sechs männliche Kandidaten vom Wächterrat zugelassen. Frauen werden bei Präsidentschaftswahlen grundsätzlich als ungeeignet abgelehnt. Die Wahlbeteiligung 2017 betrug 73%. Unabhängige Wahlbeobachter werden nicht zugelassen. Ablauf, Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen sind in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert (AA 26.2.2020).

Quellen:

•        AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.3.2020a): Politisches Portrait - Iran, https://www.auswaert iges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/politisches-portrait/202450 , Zugriff 7.4.2020

•        AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.3.2020b): Steckbrief - Iran, https://www.auswaertiges-amt .de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/steckbrief/202394, Zugriff 7.4.2020

•        AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland

         Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante

_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 20.4.2020

•        BS - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report - Iran, https://www.bti-project.org/co ntent/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020

•        DW - Deutsche Welle (23.2.2020): Konservative siegen bei Parlamentswahl im Iran, https://www.dw.com/de/konservative-siegen-bei-parlamentswahl-im-iran/a-52489961 , Zugriff 7.4.2020

•        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Iran, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2025928.html , Zugriff 7.4.2020

•        GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (9.2020a): Geschichte und Staat Iran, https://www.liportal.de/iran/geschichte-staat/, Zugriff 3.12.2020

•        ÖB Teheran - Österreichische Botschaften [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf, Zugriff 2.12.2020

•        USDOS - US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html, Zugriff 7.4.2020

2        Sicherheitslage

Letzte Änderung: 28.01.2021

Der Iran verfügt über eine stabile politische Ordnung und Infrastruktur. Es bestehen jedoch gewisse Spannungen, die periodisch zunehmen. Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken. Die schwierige Wirtschaftslage und latente Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten sowie mit Straßenblockaden gerechnet werden. Zum Beispiel haben im November 2019 Proteste gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 2.12.2020).

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Im Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Diese haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. Im September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte (EDA 2.12.2020; vgl. AA 2.12.2020b). 2019 gab es einen Anschlag auf einen Bus der Revolutionsgarden in der Nähe der Stadt Zahedan (AA 2.12.2020b).

In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Die iranischen Behörden haben seit einiger Zeit die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zum Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran erhöht (AA 2.12.2020b).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrt Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA2.12.2020b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan, stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 2.12.2020).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen sowie Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 2.12.2020b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften (EDA 2.12.2020). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 10.2020).

Quellen:

•        AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.5.2020b, unverändert gültig seit 18.11.2020): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/ira nsicherheit/202396 , Zugriff 2.12.2020

•        EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (2.12.2020, unverändert gültig seit 3.11.2020): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertr etungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise-fuerdeniran.html, Zugriff 2.12.2020

•        ÖB Teheran - Österreichische Botschaften [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf, Zugriff 2.12.2020

Verbotene Organisationen

Letzte Änderung: 28.01.2021

Die Mitgliedschaft in verbotenen politischen Gruppierungen kann zu staatlichen Zwangsmaßnahmen und Sanktionen führen. Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze infrage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weitgefasste Straftatbestände. Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden (AA 26.2.2020).

Zu den militanten separatistischen Gruppen in Iran zählen insbesondere die kurdisch-marxistische Komala(h)-Partei, die Democratic Party of Iranian Kurdistan (KDPI), die aus Belutschistan stammende Jundallah und die Party for a Free Life in Kurdistan (PJAK), die eng mit ihrer Schwesterorganisation, der PKK, zusammenarbeitet (AA 26.2.2020). Die politischen Gruppierungen KDPI, Komala und PJAK sind im Untergrund aktiv (DIS/DRC 23.2.2018). Die PJAK gilt in Iran als Terrororganisation (ÖB Teheran 10.2020) und hat einen bewaffneten Flügel (AI 15.6.2018). Von Mai bis September 2016 wurden fast wöchentlich bewaffnete Konflikte zwischen kurdischen Guerillakräften und iranischen Sicherheitskräften gemeldet. In den letzten zehn Jahren hatte hauptsächlich die kurdische Partei PJAK militärische Operationen im Nordwesten des Iran durchgeführt. Seit Mai 2016 beteiligen sich auch andere kurdische Parteien (KDPI, KDP-I, PAK) an militärischen Operationen gegen iranische Sicherheitskräfte. Alle diese Parteien operieren von Militärbasen und Lagern im Nordirak aus. Die Revolutionsgarden haben im gleichen Zeitraum ihre Präsenz in der Region verstärkt und kurdische Dörfer sowohl auf iranischer als auch auf irakischer Seite angegriffen. Mitglieder und Unterstützer von KDPI und Komala werden im Allgemeinen härter behandelt als andere Aktivisten im kurdischen Raum. In der Regel unterscheiden die iranischen Behörden nicht zwischen Mitgliedern und Unterstützern der Parteien. Während die iranischen Behörden Personen, die verhaftet werden, beschuldigen, mit diesen Parteien verbunden zu sein, ist dies nicht immer der Fall. Familienmitglieder von Parteimitgliedern und Unterstützern laufen ebenfalls Gefahr, von den iranischen Behörden befragt, inhaftiert und verhaftet zu werden, um dadurch Druck auf Aktivisten auszuüben. Enge Familienmitglieder werden häufiger verhaftet als Mitglieder der Großfamilie (DIS 7.2.2020). Auch die Volksmudschahedin (MEK, MKO, PMOI) zählen zu den verbotenen Organisationen (AI 11.2.2019).

Hinsichtlich des Risikos, für politische Aktivitäten verhaftet zu werden, ist die Art der Aktivität entscheidend. Andauernde politische Aktivitäten werden eher in einer Anklage enden. Auch Personen, die mit politischem Material oder beim Anbringen politischer Slogans an Wänden erwischt werden, laufen Gefahr, verhaftet zu werden. Eine Person, die nur eine einzige politische Aktivität auf niedrigem Niveau setzt - z.B. Verteilen von Flugblättern - läuft kaum Gefahr, deswegen angeklagt zu werden (DIS/DRC 23.2.2018).

Quellen:

•        AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland

         Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante

_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 4.5.2020

•        AI - Amnesty International (15.6.2018): Urgent Action, Iranian Kurdish Woman denied Medical Care, UA: 151/14 Index: MDE 13/8598/201, https://www.ecoi.net/en/file/local/1435509/1226_152 9323691_mde1385982018english.pdf, Zugriff 4.5.2020

•        AI - Amnesty International (11.2.2019): Amnesty International^ written statement to the 40th- sessionof theHuman RightsCouncil(25 February -22March 2019), MDE 13/9828/2019, https: //www.ecoi.net/en/file/local/1457788/1226_1550135137_mde1398282019english.pdf , Zugriff 4.5.2020

•        DIS - Danish Immigration Service [Dänemark] (7.2.2020): Iranian Kurds: Consequences of political activities in Iran and KRI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report+on+Iranian+Kurds +Feb+2020.pdf, Zugriff 14.5.2020

•        DIS/DRC - Danish Immigration Service [Dänemark]/Danish Refugee Council (23.2.2018): Iran: Issues concerning persons of ethnic minorities, including Kurds and Ahwazi Arabs, https://www.ec oi.net/en/file/local/1426253/1788_1520517984_issues-concerning-persons-of-ethnic-minorities-in cluding-kurds-and-ahwazi-arabs.pdf, Zugriff 4.5.2020

• ÖB Teheran - Österreichische Botschaften [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https:
//www.ecoi.net/en/fNe/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf, Zugriff 2.12.2020

Volksmudschahedin (Mujahedin-e-Khalq - MEK, MKO; People's Mojahedin Organisation of Iran - PMOI; National Council of Resistance of Iran - NCRI)

Letzte Änderung: 28.01.2021

Die militante iranische Exil-Oppositionsbewegung Mujahedin-e Khalq (MEK, oder auch MKO, „iranische Volksmudschahedin") gilt in Iran als Terrororganisation und wird für die Ermordung von 17.000 Iranern verantwortlich gemacht (ÖB Teheran 9.2017; vgl. Global Security o.D., SFH

20.7.2018) . Verbindungen zur MEK gelten in Iran als „moharebeh" („Waffenaufnahme gegen Gott"), worauf die Todesstrafe steht (ÖB Teheran 10.2020). Im Exil in Frankreich hat die MEK- Führung den Nationalen Widerstandsrat [National Council of Resistance of Iran (NCRI)] gegründet (Telepolis 18.1.2019).

Die linksgerichtete MEK wurde in den 1960er Jahren mit der Intention gegründet, den Schah von Persien zu stürzen. Sie unterstützte während der iranischen Revolution Ayatollah Khomeini. Die Organisation wurde Anfang der 1980er Jahre aus dem Iran ins Exil in den Irak vertrieben, nachdem sie gegen Khomeini opponiert hatte. Die MEK wird für verschiedene Anschläge verantwortlich gemacht und hatte als Verbündete der irakischen Seite am ersten Golfkrieg zwischen 1980 bis 1988 teilgenommen. Im Jahr 1987 gründete die Organisation einen bewaffneten Arm, die National Liberation Army (NLA) und führte ab 1988 von der 60 Kilometer von Bagdad entfernten Basis Ashraf ausgehend bewaffnete Operationen durch. In diesem Zeitraum exekutierten die iranischen Behörden hunderte bis tausende MEK-Mitglieder, welche als Feinde der Nation und Verräter bezeichnet wurden. Die Organisation wurde von einer Reihe von Staaten offiziell als terroristische Organisation eingestuft, darunter von den USA, der EU und Großbritannien. Im Jahr 2003 hat sich die MEK entwaffnet und den Verzicht auf Gewalt verkündet. In den Jahren 2008, 2009 und 2012 wurde die MEK in Großbritannien, in der EU und in den USA von der Liste der terroristischen Organisationen entfernt (SFH 20.7.2018). Die MEK-Mitglieder im Irak ließen sich ab 2011 im Rahmen einer von UNHCR unterstützten Umsiedlung mehrheitlich in Albanien nieder. Im September 2016 sollen die letzten Volksmudschahedin ihr Lager im Irak verlassen haben (SFH 20.7.2018; vgl. Guardian 9.11.2018). Mittlerweile sind viele von ihnen in die EU und die USA weitergereist (Guardian 9.11.2018).

Experten sind sich einig, dass die Volksmudschahedin die USA beim Eingreifen in den Irak, bei diversen Aktionen im Nahen Osten und beim Kampf gegen den Terrorismus unterstützt haben. Auch bei der Veröffentlichung des iranischen Atomprogramms sollen sie eine wichtige Rolle gespielt haben (DW 28.3.2016; vgl. Guardian 9.11.2018). In Bezug auf die Demonstrationen, die Ende 2017/Anfang 2018 in den großen Städten Irans stattfanden, gab der Oberste Führer Khamenei den Großteil der Schuld an den Demonstrationen der MEK und erkannte somit das Ausmaß des Einflusses dieser Gruppierung an (Iran Focus 18.1.2018; vgl. Arab News

22.1.2018) .

Die MEK konzentriert sich mittlerweile auf das Beeinflussen der öffentlichen Meinung und auf das Sammeln von Informationen zur Situation im Land. Inwieweit die MEK von der iranischen Bevölkerung unterstützt wird, ist umstritten. Einerseits gibt es Informationen, die besagen, dass die MEK die größte militante iranische Oppositionsgruppe sei, mit dem Ziel die Islamische Republik, die iranische Regierung und deren Sicherheitsapparat zu stürzen. Andererseits gibt es Berichte, die der MEK wenig bis gar keine Unterstützung der Bevölkerung zusprechen (AC- CORD 7.2015). Die österreichische Botschaft berichtet hierzu, dass die MEK zwar die stärkste oppositionelle Bewegung und international präsent ist, aber sie genießt in Iran selbst aufgrund ihrer terroristischen Vergangenheit und der Unterstützung Saddam Husseins im Iran-Irak-Krieg kaum Unterstützung (ÖB Teheran 10.2020).

Immer wieder wird Kommandanten der MEK von ehemaligen Mitgliedern vorgeworfen, dass sie Mitglieder der MEK systematisch misshandeln würden, um sie zum Schweigen zu bringen. Hierzu würden Folter, Einzelhaft, Beschlagnahmung von Vermögen und Trennung von Familien angewendet, um die Kontrolle über die Mitglieder zu behalten. Solche Vorwürfe werden von der MEK zurückgewiesen (Guardian 9.11.2018).

Quellen:

•        ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research Documentation (7.2015): COI compilation Iran: Political Opposition Groups, Security Forces, Selected Human Rights Issues, Rule of Law, http://www.ecoi.net/file_upload/4543_1436510544_accord-iran-coi-compilation-july- 2015.pdf, Zugriff 5.5.2020

•        Arab News (22.1.2018): Iranian people are ready to usher in a ‘new day’, http://www.arabnews.c om/node/1274381, Zugriff 5.5.2020

•        DW - Deutsche Welle (28.3.2016): Iranische Volksmudschahedin in Albanien, http://www.dw.com /de/iranische-volksmudschahedin-in-albanien/a-19132961, Zugriff 5.5.2020

•        Global Security (o.D.): Mujahedin-e Khalq Organization (MEK or MKO), http://www.globalsecurity .org/military/world/para/mek.htm , Zugriff 5.5.2020

•        The Guardian (9.11.2018): Terrorists, cultists - or champions of Iranian democracy? The wild wild story of the MEK, https://www.theguardian.com/news/2018/nov/09/mek-iran-revolution-regime-tr ump-rajavi , Zugriff 5.5.2020

•        Iran Focus (18.1.2018): Iran Regime’s Weakness and Its Fear From Pmoi/Mek Exposed During the Uprising, https://www.iranfocus.com/en/index.php?option=com_content&view=article&id=32380: iran-regime-s-weakness-and-its-fear-from-pmoi-mek-exposed-during-the-uprising&catid=4: iran-general&Itemid=109 , Zugriff 5.5.2020

•        ÖB Teheran - Österreichische Botschaften [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf, Zugriff 2.12.2020

•        ÖB Teheran - Österreichische Botschaften [Österreich] (9.2017): Asylländerbericht Iran, https: //www.ecoi.net/en/file/local/1426070/5818_1520415893_iran-oeb-bericht-2017-09.docx , Zugriff 5.5.2020

•        SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (20.7.2018): Iran: Rückkehr von Personen mit Verbindungen zu den Volksmudschahedin(PMOI), https://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/herkunftslaender/mittl erer-osten-zentralasien/iran/180720-irn-gefaehrdung-pmoi.pdf, Zugriff 5.5.2020

•        Telepolis (18.1.2019): Was verbindet die Volksmudschahedin mit der rechten spanischen VoxPartei?, https://www.heise.de/tp/features/Was-verbindet-die-Volksmudschahedin-mit-der-rechten -spanischen-Vox-Partei-4281979.html , Zugriff 5.5.2020

PJAK - Partiya Jiyana Azad a Kurdistane (Partei für Freiheit und Leben in Kurdistan bzw. Partei für ein freies Leben Kurdistans)

Letzte Änderung: 28.01.2021

Die PJAK begann in den späten 1990er Jahren als friedliche studentische Menschenrechtsorganisation. Es ging den Mitgliedern der Gruppierung anfangs um den Aufbau einer kurdischen Nationalidentität (BMI 2015; vgl. ACCORD 7.2015, DIS 7.2.2020), und man wollte die Assimi- lierung der Kurden durch die Zentralregierung verhindern (JF 15.1.2018). 2004 begannen die bewaffneten Angriffe auf die iranische Regierung von den Kandil-Bergen aus, von wo aus die PJAK bis heute operiert. Ebendort hat auch die PKK ihre Basen, und die PJAK gilt als iranischer Ableger der PKK (JF 15.1.2018; vgl. Landinfo 18.12.2020). Als Unterschied zur PKK gibt die PJAK selbst an, dass sie sich niemals gegen Zivilisten, sondern immer nur gegen ausschließlich iranische Regierungstruppen wendet bzw. gewandt hat. Die iranische Regierung hat die PJAK auch niemals diesbezüglich beschuldigt. Angaben über die Stärke der PJAK sind schwierig. Schätzungen liegen zwischen 1.000 (JF 15.1.2018; vgl. Landinfo 18.12.2020) und 3.000 Kämpfern (BMI 2015; vgl. Landinfo 18.12.2020). Ein großer Teil der Kämpfer in Ostkurdistan sollen Frauen sein (TRAC o.D.; vgl. CRS 6.2.2020). Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist ein erklärtes Ziel der PJAK. Beide Geschlechter müssen auf allen Ebenen der Organisation gleichermaßen vertreten sein und das gleiche Schulungsprogramm absolvieren. Schätzungen zufolge sind bis zur Hälfte der Mitglieder Frauen. Neben der kurdischen Sache steht nicht nur die schon erwähnte Gleichstellung der Geschlechter, sondern auch der ethnischen Gruppen ganz oben auf der politischen Agenda der PJAK. Darüber hinaus hat die PJAK das erklärte Ziel eines Regimewechsels in Iran. In diesem Zusammenhang versucht die Organisation, alle Iraner anzusprechen. Das erklärte Ziel von PJAK ist es, das derzeitige theokratische Modell durch ein demokratisches föderales System zu ersetzen. Ihr Ziel und ihre Vision ist es, dass in einem zukünftigen politischen Modell alle ethnischen und religiösen Gruppen ein hohes Maß an Autonomie haben sollten. Dies gilt für alle ethnischen Gruppen, nicht nur für die Kurden (Landinfo 18.12.2020).

Die PJAK ist in einen Militärflügel, den ostkurdischen Verteidigungskräften (YRK), und einen politischen Flügel, der Demokratischen und Freien Gesellschaft Ostkurdistans (KODAR), aufgeteilt. Die Gruppe gibt vor, mit allen Iranern zusammenzuarbeiten, aber in der Praxis ist ihre Mitgliedschaft fast ausschließlich kurdisch. Während der militärische Flügel in den Kandil-Bergen stationiert ist, ist der politische Zweig in Europa und dem Irak ansässig (JF 15.1.2018; vgl. Landinfo 18.12.2020) und operiert in Iran nur im Untergrund (DIS 7.2.2020; vgl. Landinfo

18.12.2020) .Während die kurdisch-iranischen Exilparteien wie z.B. PDKI, KDP-I, die drei Koma- la-Fraktionen und PAK (Parti Azadi Kurdistan - Kurdistan Freedom Party) mit der Autonomen Kurdischen Region (Kurdistan Regional Government - KRG) Vereinbarungen für eine formalisierte Präsenz im Nordirak getroffen haben, hat die PJAK keine solchen Vereinbarungen. Mit dieser formalisierten Präsenz gehen finanzielle Unterstützung, Zugang zu Schulen, Gesundheitsversorgung und andere öffentliche Dienstleistungen einher. Da die PJAK nicht über eine solche formalisierte Präsenz verfügt, erhalten ihre Mitglieder weder finanzielle Unterstützung noch öffentliche Dienstleistungen (Landinfo 18.12.2020).

Der militärische Arm der PJAK führte im Iran von Anfang der 2000er Jahre bis 2011 eine sporadische Aufstandskampagne. Dabei wurden Dutzende iranische Sicherheitskräfte getötet, hauptsächlich bei Operationen in und um Städte mit kurdischer Mehrheit wie Urmia und Mariwan. 2011 erklärte die PJAK einen [brüchigen] Waffenstillstand. Der Zusammenbruch des syrischen Staates eröffnete der PKK und ihren Mitgliedsgruppen neue Möglichkeiten, und es wurden Kämpfer nach Syrien geschickt. Dies wurde ab 2014 verstärkt, da die von der YPG [syrischer Ableger der PKK] gehaltenen Gebiete zunehmend von den von der Türkei unterstützten Streitkräften der Freien Syrischen Armee (FSA) und von Kämpfern des sogenannten Islamischen Staates (IS), insbesondere bei der Belagerung von Kobane, unter Druck gesetzt wurden (JF

15.1.2018) . Trotz des zunehmenden Engagements der PJAK in Syrien gab die Gruppe ihren Waffenstillstand mit Iran im Jahr 2015 auf, vor allem, um von der weit verbreiteten Empörung und den Protesten gegen die Tötung einer kurdischen Frau durch iranische Sicherheitskräfte in Mahabad zu profitieren. Die Gruppe nahm ihre Angriffe auf iranische Truppen wieder auf, was zu verstärkter Gewalt zwischen der PJAK und der iranischen Regierung führte und im August 2015 ihren Höhepunkt mit einem PJAK-Angriff in Mariwan erreichte, bei dem Berichten zufolge 20 Mitglieder der Revolutionsgarde getötet wurden. Die Regierung reagierte mit der Hinrichtung inhaftierter kurdischer Aktivisten (JF 15.1.2018; vgl. Landinfo 18.12.2020).

Die PJAK liefert sich somit seit Jahren einen Guerilla-Kampf mit den iranischen Sicherheitsbehörden (AA 26.2.2020). In den Jahren 2017 und 2018 kam es immer wieder zu Zusammenstößen mit kurdischen Oppositionsgruppen (PJAK, KDP-Iran, Komala), mit mehreren Dutzend Festnahmen und zahlreichen Toten (ÖB Teheran 10.2020; vgl. BS 2020). Unter den politisch Verfolgten in Iran sind verhältnismäßig viele Kurden. Auffallend sind die häufigen Verurteilungen im Zusammenhang mit Terrorvorwürfen - insbesondere die Unterstützung der als Terrororganisation geltenden PJAK und das oftmals unverhältnismäßig hohe Strafausmaß (ÖB Teheran

10.2020) . Zusammenstöße der PJAK mit iranischen Sicherheitskräften wurden auch 2019 berichtet (Kurdistan24 5.8.2019). Es ist weiterhin mit verschärften Repressalien gegen kurdische Organisationen zu rechnen. Die angespannte Lage in den kurdischen Regionen vor allem an der iranisch-irakischen Grenze hat sich inzwischen insofern beruhigt, als dass die iranischen (Militär-)Kräfte hier die Oberhand gewonnen haben. Daher gibt es in den letzten Monaten weniger Meldungen über Auseinandersetzungen, was aber nicht bedeutet, dass in dieser Region nun Frieden herrscht (ÖB Teheran 10.2020).

Quellen:

•        AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland

         Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante

_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 4.5.2020

•        ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research Documentation (7.2015): COI compilation Iran: Political Opposition Groups, Security Forces, Selected Human Rights Issues, Rule of Law, http://www.ecoi.net/file_upload/4543_1436510544_accord-iran-coi-compilation-july- 2015.pdf, Zugriff 4.5.2020

•        BMI - Bundesministerium für Inneres [Österreich] / Langanger, Simone (2015): Kurdish political parties in Iran, in: BMI - Bundesministerium für Inneres (Taucher, Wolfgang; Vogl, Mathias; Webin- ger, Peter [eds.]): regiones et res publicae - The Kurds: History - Religion - Language - Politics, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1447760239_bfa-regiones-et-res-publicae-the-kurds-2015.pdf , Zugriff 4.5.2020

•        BS - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti-project.org/co ntent/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020

•        CRS - Congressional Research Service [USA] (6.2.2020): Iran: Internal Politics and U.S. Policy and Options, https://fas.org/sgp/crs/mideast/RL32048.pdf, Zugriff 4.5.2020

•        DIS - Danish Immigration Service [Dänemark] (7.2.2020): Iranian Kurds: Consequences of political activities in Iran and KRI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report+on+Iranian+Kurds +Feb+2020.pdf, Zugriff 4.5.2020

•        JF - Jamestown Foundation (15.1.2018): Party for Free Life in Kurdistan: The PKK's Iranian Wing Bides ItsTime, Terrorism Monitor Volume: 16 Issue: 1, https://jamestown.org/program/party-free-lif e-kurdistan-pkks-iranian-wing-bides-time/, Zugriff 4.5.2020

•        Kurdistan24 (5.8.2019): PKK-affiliate group reports deaths from recent clash with Iran Guards, https://www.kurdistan24.net/en/news/406728f5-dfd2-4e2b-b71c-de07c86c6646 , Zugriff 4.5.2020

•        Landinfo [Norwegen] (18.12.2020): Det iransk-kurdiske partiet PJAK, https://www.ecoi.net/en/file/! ocal/2043154/Iran-temanotat-PJAK-18122020.pdf, Zugriff 26.1.2021

•        ÖB Teheran - Österreichische Botschaften [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf Zugriff 2.12.2020

TRAC - Terrorism Research & Analysis Consortium (o.D.): Party of Free Life of Kurdistan (PJAK), https://www.trackingterrorism.org/group/party-free-life-kurdistan-pjak, Zugriff 4.5.2020

Kurdish Democratic Party of Iran (KDPI/PDKI) und Komala(h) (Kurdistan Organization of the Communist Party of Iran, Komala, SKHKI)

Letzte Änderung: 28.01.2021

Neben der PJAK zählen insbesondere die marxistische Komalah-Partei und die Democratic Party of Iranian Kurdistan (KDPI bzw. PDKI) zu den militanten separatistischen Gruppen in Iran (AA 26.2.2020). Die Mitgliedschaft in kurdischen Parteien ist illegal und wird streng bestraft. In kurdischen Gebieten gilt auch zivilgesellschaftlicher Aktivismus, der nichts mit den Parteien zu tun hat, als verdächtig. Dies wird als politische Oppositionstätigkeit interpretiert und von den Behörden unterdrückt. Personen, die an Demonstrationen oder anderen Protestmärschen teilnehmen, stehen im Verdacht, Mitglied einer Partei zu sein. Sie riskieren eine Verhaftung (Landinfo 19.5.2020).

Die KDPI (auch PDKI) wurde 1945 in der iranischen Stadt Mahabad gegründet (DIS 7.2.2020; vgl. Landinfo 19.5.2020) und vom Schah im Jahr 1953 verboten und dadurch in den Untergrund verbannt (TRAC o.D.). Das Ziel der KDPI besteht darin, die kurdischen nationalen Rechte innerhalb eines föderalen und eines demokratischen Iran zu erlangen (DIS 7.2.2020; vgl. TRAC o.D., MERIP o.D., Landinfo 19.5.2020). Sie bezeichnet sich selbst als sozialdemokratische Partei (Landinfo 2.4.2020). Die KDPI wird von der Regierung als konterrevolutionäre und terroristische Gruppe betrachtet, die von ihrem irakischen Hauptquartier aus das Regime bekämpft (BMI 2015; vgl. MERIP o.D., ACCO

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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