Entscheidungsdatum
16.12.2021Norm
ASVG §410Spruch
G308 2240395-1/8Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ, als Einzelrichterin über die mit Vorlageantrag vom 24.02.2021 vorgelegte Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Manfred RATH, vom 17.12.2020 gegen die Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Gesundheitskasse, Landesstelle Steiermark, vom 03.02.2021, Zahl: XXXX :
A)
Das Beschwerdeverfahren wird gemäß § 17 VwGVG in Verbindung mit § 38 AVG ausgesetzt.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Mit Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde), vom 09.11.2020, Zahl: XXXX , wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) als faktischer Geschäftsführer der XXXX GmbH (im Folgenden: Primärschuldnerin) gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm § 83 ASVG für auf dem Beitragskonto der Primärschuldnerin bei der belangten Behörde für den Zeitraum April 2015 bis September 2015 aushaftenden Beiträge in Höhe von EUR 46.653,26 zuzüglich Verzugszinsen in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe von 3,38 % p.a. aus EUR 43.056,91 ab 09.11.2020 hafte und verpflichtet sei, diese binnen 14 Tagen nach Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen an die belangte Behörde zu bezahlen.
2. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz des bevollmächtigten Rechtsvertreters des BF vom 17.12.2020, bei der belangten Behörde am selben Tag einlangend, fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der BF sei niemals mit der Geschäftsführung der Primärschuldnerin betraut und als solcher auch niemals faktischer Geschäftsführer gewesen. Er habe immer nur als Vorarbeiter im Unternehmen der Primärschuldnerin gearbeitet und sei somit für die Einteilung der Baustellen und Organisation des benötigten Materials zuständig gewesen. Diesbezüglich werde auch auf den ebenfalls bekämpften Bescheid der belangten Behörde vom 17.08.2018 betreffend die Firma „ XXXX GmbH“, Zahl XXXX , verwiesen. Die Behauptungen der belangten Behörde, wonach er in der Abwesenheit des Geschäftsführers für diesen diese Tätigkeit ausgeübt habe, begründe sich nur auf den völlig falschen Bericht des Masseverwalters. Die belangte Behörde gehe ohne Beweisergebnis und ohne Tatsachensubstrat einfach davon aus. Gegen den BF sei inzwischen auch Anklage durch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft erhoben worden, wobei es bislang nicht einmal eine Hauptverhandlung im Strafverfahren anberaumt worden sei. Er beantragte der Beschwerde Folge zu geben, eine mündliche Verhandlung durchzuführen sowie die Akten hinsichtlich der Strafsache XXXX der StA XXXX bzw. XXXX sowie XXXX der WKStA, sowie den Akt XXXX des LG für Strafsachen XXXX hinzuzuziehen.
3. Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 03.02.2020 [sic!, offensichtlich richtig: 2021] wurde der Spruch des angefochtenen Bescheides im Wesentlichen wiederholt, jedoch eine Haftung im Gesamtbetrag von EUR 46.992,83 gemäß § 67 Abs. 3 ASVG ausgesprochen.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der belangten Behörde seien aufgrund der internen Erhebungen im Fall der „ XXXX GmbH“ bereits umfassende Unterlagen der WKStA vorgelegen, aus welchen eindeutig zu entnehmen gewesen sei, dass die eigentlichen handelsrechtlichen Geschäftsführer der Primärschuldnerinnen nur vorgeschoben gewesen seien und tatsächlich der BF als faktischer Geschäftsführer tätig gewesen sei. Die rechtliche Beurteilung sei dahingehend zu ändern gewesen, dass statt des Tatbestandes des § 67 Abs. 10 ASVG tatsächlich § 67 Abs. 3 ASVG heranzuziehen sei. Die Haftung sei daher auf den in Wahrheit wirtschaftlich begünstigten zu stützen.
4. Mit am 24.02.2021 bei der belangten Behörde einlangendem Schriftsatz der Rechtsvertretung des BF vom 22.02.2021 wurde fristgerecht die Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht beantragt.
Begründend wurde unter anderem ausgeführt, die Feststellungen der belangten Behörde würden sich lediglich auf die von der Staatsanwaltschaft gegen den BF erhobenen Anschuldigungen stützten, dabei liege jedoch bisher keine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung vor und gelte für den BF die Unschuldsvermutung. Sämtliche Anträge in der Beschwerde würden aufrechterhalten werden.
5. Der gegenständliche Vorlageantrag wurde samt Beschwerde und maßgeblichem Verwaltungsakt von der belangten Behörde am 12.03.2021 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt und der Gerichtsabteilung G308 zugewiesen.
6. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.06.2021 wurde der Vorlagebericht der belangten Behörde vom 10.03.2021 dem BF über seinen Rechtsvertreter zur Stellungnahme binnen drei Wochen übermittelt.
Die Stellungnahme vom 30.06.2021 langte am 02.07.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Im Wesentlichen wurde das bisherige Vorbringen wiederholt und erneut darauf hingewiesen, dass gegen den BF bisher keine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung vorliege.
7. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.09.2021 wurde die belangte Behörde aufgefordert, im Schreiben näher definierte und bisher nicht vorgelegte Teile des Verwaltungsaktes dem Bundesverwaltungsgericht zu übermitteln.
Dieser Aufforderung kam die belangte Behörde nach und übermittelte am 23.09.2021 relevante Inhalte des Verwaltungsaktes.
Aus der darin enthaltenen Anklageschrift der WKStA vom 03.09.2020 zur Zahl XXXX geht hervor, dass dem BF sowie drei weiteren Personen unter anderem in Zusammenhang mit der verfahrensgegenständlichen Primärschuldnerin sowie zwei weiteren Unternehmen, darunter auch der „ XXXX GmbH“, das Verbrechen des gewerbsmäßig schweren Betruges, die Verbrechen des betrügerischen Anmeldens zur Sozialversicherung bzw. Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse, des Vergehens der organisierten Schwarzarbeit, das Verbrechen der betrügerischen Krida, das Vergehen der kriminellen Vereinigung sowie die Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden zur Last gelegt wird.
8. Daraufhin erging eine Anfrage des Bundesverwaltungsgerichtes bei der WKStA bezüglich des Verfahrensstandes des Strafverfahrens.
9. Am 15.10.2021 langte sodann die Mitteilung des nunmehr zuständigen Landesgerichtes für Strafsachen XXXX , XXXX , ein, wonach das Strafverfahren nach wie vor anhängig sei, erst ein Verhandlungstag stattgefunden habe und auf das Einlangen eines Sachverständigengutachtens gewartet werde.
10. Das ebenfalls beim Bundesverwaltungsgericht zur Zahl G312 2225960-1 anhängige Beschwerdeverfahren des BF betreffend eine Haftung für aushaftende Sozialversicherungsbeiträge hinsichtlich der „ XXXX GmbH“ wurde mit Beschluss vom 17.11.2021 gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG ausgesetzt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus den unter I. getroffenen Ausführungen.
2. Beweiswürdigung:
Der relevante Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden und von den Parteien grundsätzlich nicht beanstandeten Aktenlage fest.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF. BGBl. I 2018/57, geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
3.2. Aussetzung des Verfahrens:
Gemäß § 38 AVG ist, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung dem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.
Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren hat sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Frage, ob der BF als faktischer Geschäftsführer der Primärschuldner tätig war und daher zur Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG bzw. gemäß § 67 Abs. 3 ASVG herangezogen werden kann, auseinander zu setzen.
Derzeit ist ein Strafverfahren vor dem Landesgericht für Strafsachen XXXX zur Zahl XXXX anhängig, in welchem unter anderem die Frage der faktischen Geschäftsführertätigkeit des BF als Vorfrage zu beurteilen ist.
Der Ausgang dieses Verfahrens ist wesentlich für das gegenständliche Beschwerdeverfahren.
Da die Voraussetzungen des § 38 AVG zur Aussetzung des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens gegeben sind, wird dieses bis zum Abschluss des beim Landesgericht für Strafsachen XXXX geführten Verfahrens ausgesetzt.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Aussetzung Strafverfahren VorfrageEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:G308.2240395.1.00Im RIS seit
27.01.2022Zuletzt aktualisiert am
27.01.2022