Entscheidungsdatum
22.12.2021Norm
ASVG §18bSpruch
W178 2249055-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr.in Maria PARZER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , SVNR XXXX , vertreten durch RA Mag. Martin Wakolbinger, gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 22.10.2021, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt (im Folgenden: PVA) vom 23.02.2021 wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege ihres behinderten Kindes gemäß § 18a ASVG stattgegeben. Der Anspruch auf Selbstversicherung beginne ab 01.01.1995 und ende mit 30.04.2004. Für die Zeit vom 01.01.1986 bis 31.12.1994 sei die Berechtigung zur Selbstversicherung nicht gegeben.
2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde, die dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt wurde.
3. Im Zuge dieses Beschwerdeverfahrens brachte die Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom 04.08.2021 vor, dass zumindest ab dem 01.01.2016 aufgrund der Pflegebedürftigkeit des Sohnes die Voraussetzungen gem. § 18b ASVG vorliegen würden.
4. Über Ersuchen des Bundesverwaltungsgerichts teilte die PVA mit, dass über den Anspruch nach § 18b ASVG nicht abgesprochen worden sei. Aufgrund des Vorbringens vom 04.08.2021 sei nun ein Verwaltungsverfahren eingeleitet worden, ob bei der Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für eine Selbstversicherung gem. § 18b ASVG vorliegen würden.
5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der PVA vom 22.10.2021 (am Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 27.10.2021) wurde der Anspruch der Beschwerdeführerin auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege ihres Sohnes als nahen Angehörigen § 18b ASVG ab 01.07.2018 bis 30.11.2019 anerkannt.
Begründend wurde angeführt, dass Beiträge zur Selbstversicherung nur für Beitragszeiträume entrichtet werden könnten, welche nicht mehr als zwölf Monate vor der Antragstellung liegen.
6. Mit Schriftsatz vom 30.11.2021 erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid der PVA vom 22.10.2021 betreffend Selbstversicherung nach § 18b ASVG. Darin wurde der Pflegeaufwand der Beschwerdeführerin, sowie der bisherige Verfahrensgang ausführlich dargestellt. Zum gegenständlichen Bescheid wird angeführt, dass wegen des offenen Beschwerdeverfahrens betreffend den Bescheid vom 23.02.2021 keine Entscheidungskompetenz der Behörde vorgelegen habe bzw. bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu unterbrechen gewesen wäre bzw. die Beschwerdeverfahren nunmehr zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden seien. Bei dem Sohn der Beschwerdeführerin sei auch im abgewiesenen Zeitraum 01.01.2016 bis 30.06.2018 ein Pflegbedarf in dem von der Judikatur geforderten Ausmaß von 14 Stunden wöchentlich bzw. 60 Stunden monatlich vorgelegen, sodass ein Anspruch auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger gegeben gewesen sei.
7. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.12.2021, W178 2244456-1/8E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid betreffend die Selbstversicherung nach § 18a ASVG abgewiesen.
8. Die Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 07.12.2021 samt bezughabenden Unterlagen des Verwaltungsaktes vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Sohn der Beschwerdeführerin, XXXX , wurde am XXXX geboren und verstarb am XXXX . Er litt an einem Kearns-Sayre Syndrom sicca, chronisch progressive externe Ophthalmoplegie (CPEO) und Herzrhythmusstörungen.
Der Sohn der Beschwerdeführerin bezog ab dem 01.01.2016 Pflegegeld der Stufe 3.
Er lebte bis zu seinem Tod im gleichen Haushalt mit der Beschwerdeführerin.
Die Beschwerdeführerin pflegte ihren Sohn – jedenfalls im Zeitraum vom 01.07.2018 bis 30.11.2019 – unter erheblicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft.
Ab Jänner 1998 befand sich die Beschwerdeführerin (nahezu durchgehend) in unselbstständigen und vollversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen.
Die Beschwerdeführerin stellte am 10.07.2019 einen Antrag auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege ihres Sohnes ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt.
Mit Bescheid der PVA vom 23.02.2021 wurde der Anspruch der Beschwerdeführerin auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege ihres behinderten Kindes gem. § 18b ASVG für den Zeitraum ab 01.01.1995 bis 30.04.2004 anerkannt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.12.2021, W178 2244456-1/8E, als unbegründet abgewiesen.
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem Verfahrensakt der PVA und wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Insbesondere steht unstrittig fest, dass die Beschwerdeführerin ihren Sohn – jedenfalls im Zeitraum vom 01.07.2018 bis 30.11.2019 – unter erheblicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft pflegte. Dies wurde bereits dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.1. Rechtsgrundlagen
Gemäß § 18b Abs. 1 ASVG können sich Personen, die einen nahen Angehörigen oder eine nahe Angehörige mit Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 3 nach § 5 des Bundespflegegeldgesetzes oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze unter erheblicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, solange sie während des Zeitraumes dieser Pflegetätigkeit ihren Wohnsitz im Inland haben, in der Pensionsversicherung selbstversichern.
Gemäß § 18b Abs. 2 ASVG beginnt die Selbstversicherung mit dem Zeitpunkt, den die pflegende Person wählt, frühestens mit dem ersten Tag des Monats, in dem die Pflege aufgenommen wird, spätestens jedoch mit dem Monatsersten, der dem Tag der Antragstellung folgt.
Gemäß § 18b Abs. 3 ASVG endet die Selbstversicherung mit dem Ende des Kalendermonats in dem die Pflegetätigkeit oder eine sonstige Voraussetzung nach Abs. 1 weggefallen ist (Z 1) oder in dem die pflegende Person den Austritt aus dieser Versicherung erklärt hat (Z 2).
Gemäß § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG sind Zeiten einer freiwilligen Versicherung, wenn die Beiträge innerhalb von zwölf Monaten nach Ablauf des Beitragszeitraumes, für den sie gelten sollen, oder auf Grund einer nachträglichen Selbstversicherung nach § 18 oder § 18a in Verbindung mit § 669 Abs. 3 wirksam (§ 230) entrichtet worden sind, als Beitragszeiten anzusehen.
3.2. Daraus folgt für die gegenständliche Beschwerde
Der Beschwerdeführerin wurde mit dem angefochtenen Bescheid die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nach § 18b ASVG für den Zeitraum 01.07.2018 bis 30.11.2019 zuerkannt. Strittig ist daher nur, ob der Anspruch auch für den Zeitraum von 01.01.2016 bis 30.06.2018 besteht.
Zwar geht aus § 18b Abs. 2 ASVG hervor, dass sich der frühestmögliche Zeitpunkt für den Beginn der Selbstversicherung nach dem Beginn der Pflegetätigkeit richtet, aus § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG ergibt sich jedoch eine zeitliche Begrenzung der rückwirkenden Anerkennung von Versicherungszeiten. In seinem Erkenntnis vom 04.11.2015, Ro 2015/08/0022, hat der VwGH ausgesprochen, dass unter dem Anspruch auf Selbstversicherung nach § 18b ASVG nichts anderes gemeint als die Berechtigung, für bestimmte, in § 18b ASVG genannte Zeiten durch Beitragsentrichtung wirksam Beitragszeiten in der Pensionsversicherung zu erwerben. Steht daher im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde fest, dass der/die AntragstellerIn für die von ihm/ihr entsprechend § 18b ASVG gewählte oder danach begrenzte Zeit nach § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG Beitragszeiten nicht mehr wirksam erwerben kann, so ist auch die Berechtigung zur Selbstversicherung zu verneinen. Es ergibt sich daher aus § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG, dass als frühester Beginnzeitpunkt der dem Antragszeitpunkt vorangehende Monatserste des Vorjahres gewählt werden kann. Die Möglichkeit, Zeiten der Selbstversicherung auch für länger zurückliegende Zeiträume hat der Gesetzgeber nur für die Selbstversicherung nach § 18a ASVG geschaffen (mit § 669 Abs 3 ASVG).
Für den vorliegenden Fall mit dem 10.07.2019 als Antragszeitpunkt bedeutet das, dass der frühestmögliche Zeitpunkt für den Beginn der Selbstversicherung der 01.07.2018 ist. Die Behörde hat daher zu Recht den Anspruch auf Selbstversicherung erst ab diesem Zeitpunkt anerkannt.
Im Hinblick auf die in der Beschwerde geäußerten verfahrensrechtlichen Bedenken ist anzuführen, dass es sich bei den Verfahren über die Selbstversicherung nach § 18a ASVG und § 18b ASVG um unterschiedlich Verfahrensgegenstände handelt, sodass im Verfahren über die Berechtigung zu einer Selbstversicherung nach § 18a ASVG nicht über die Berechtigung nach § 18b ASVG abgesprochen werden konnte, zumal die 1. Instanz darüber noch nicht entschieden hatte.
Es kann somit durch den angefochtenen Bescheid keine Verletzung der Entscheidungskompetenz der Behörde zum Nachteil der Beschwerdeführerin erblickt werden.
3.3. Zum Absehen von der mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde von der Beschwerdeführerin zwar beantragt. Da sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt jedoch bereits aus der Aktenlage ergibt, ist nach Ansicht des Gerichts keine mündliche Erörterung der Angelegenheit erforderlich. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte das Gericht daher von der Verhandlung absehen, weil der maßgebliche Sachverhalt feststand. Dem steht auch Art 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegen, vgl. dazu auch das zuletzt das Erkenntnis des VwGH vom 21.02.2019, Ra 2019/08/0027.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich zudem auf eine klare Rechtslage stützen (vgl. VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).
Schlagworte
Antragszeitpunkt naher Angehöriger Pensionsversicherung Pflege Selbstversicherung ZeitraumbezogenheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W178.2249055.1.00Im RIS seit
27.01.2022Zuletzt aktualisiert am
27.01.2022